Parteiführer-Gesuch. Zwischen Angeboten von alten Kleidernund gut erhaltenen Bräuten findet sich im„Berliner Tageblatt"dieses Inserat:Judein geachteter socialer Stellung von einer Vereinigung deutsch«nationaler santisocialdemokratischer) Juden als führende Person-lichkeit gesucht. Meldung unter E. 5 Annoncenbureau, KleineFrankfurterstraße 24.Da in der nächsten Zeit vermutlich auch noch einige andreantisocialdemokratische Parteiführerposten frei werden dürften, seienReflektanten auf den Inseratenteil des„Berliner Tageblatt" aus-drücklich aufmerksam gemacht. Mosse macht alles.—Hudland.Oestreich-Ungarn.Oestreichische Justiz im Dienste der russischen Polizei. DieserTage haben zwei russische Socialisten das Gefängnis von Tarnopol(Galizien) verlassen, wo sie, der eine sechs, der andre vier Monategesessen haben. Ihr Verbrechen war, daß sie versucht hatten, socialistischeLitteratur nach Rußland einzuschmuggeln. Diese Litteratur istin Oestreich nicht verboten. Die Verhaftung war auf Verlangen derrussischen Grenzpolizei erfolgt, die auch die Auslieferung verlangte.Die östreichischen Behörden hätten diesem Verlangen wohl am liebstennachgegeben. Die socialistische Presse Oestreichs schlug aber Lärm.und so wurden die beiden in„Untersuchungshaft" genommen, weilman hin- und herschwankte, ob man den östreichischen Gesetzen oderden Wünschen der russischen Polizei folgen sollte. Jetzt sind die beidenRussen an die schweizer Grenze gebracht worden.—Spanien.DaS neue Kabinett kündigt sich an. In einem heute ab-gehaltenen Ministerrat wurde beschlossen, morgen im Amtsblatteeinen Erlaß zu veröffentlichen, durch welchen das Parlament der-tagt wird. Ferner wurde beschlossen, für das Gleichgewicht imBudget durch eine Reorganisation der öffentlichen Dienste und da-durch ermöglichte Verringerung der Ausgaben zu sorgen und denöffentlichen Kredit durch Besserung des Münzsystems zu sichern.—England.Der Heeresverstärkungs-Borschlag im englischen Oberhausc. DasHaus beriet gestern den Vorschlag der Regierung, 2S<XX> MannTruppen in Südafrika beizubehalten. Dabei erklärte der Unter-staatssekretär des Kriegsamtes Earl of Hardwicke, 12 500 Manndieser Truppen würden zur Verfügung Indiens gestellt werden. ImFall des Ausbruchs eines Krieges sei die gegenwärtige Besatzung vonIndien nicht genügend, und die Regierung könne die Sendung von Ver-slärkungen aus England nach Indien nicht gewährleisten: die einzigeMöglichkeit, wenn man die geforderte Streitmacht in Südafrika nicht bei-behalten wolle, wäre die Vermehrung der ständigen BesatzungIndiens. Die Regierung sei bereit, für die Entsendung von12 500 Mann von Afrika nach Indien im Falle von Feindseligkeiteneinzustehen.— Der Herzog von Devonshire erklärte, England könnenicht die Thatsache ignorieren, daß die Grenzen von Rußland undAfghanistan jetzt aneinanderstoßen, noch auch die Thatsache, daß dieVerbindungen zwischen Rußlands Grenze und seiner militärischenBasis jetzt fertig sind oder weit vorgeschritten seien. Die Regierungbeabsichtige nicht, den Finanzen Indiens eine neue Last aufzubürden,so lange nicht die Auffassung der indischen Regierung darüber ein-gegangen sei. Der Regierungsvorschlag überhebe Indien einer Be-lastung, die es sonst würde zu tragen haben.—Zuckerkonvention. Der Staatssekretär für Indien LordHamilton erklärte im Unterhause, die indische Regierung gedenkenicht der Zuckerkonvention beizutreten. Kolonialminister Chamberlainäußerte sodann, daß keine Kolonien mit Selbstverwaltung der Zucker-konvention sich anzuschließen beabsichtigen. Auf eine andre Anfrage«rwiederte Chamberlain, er gewahre steinen Grund, warum Englandnicht alle Fabrikate liefern sollte, die gewöhnlich von fremden Ländernin die Kolonien eingeführt werden.—Rußland.Herr v. Plehwe. Ucber einen Versuch des russischen Ministersdes Innern, die russischen Revolutionäre für seine Zwecke einzu-fangen, wird uns aus Rußland geschrieben:Wir haben schon oft Gelegenheit gehabt, auf die diplomatischenNeigungen des jetzigen russischen Ministers des Innern v. Plehwehinzuweisen. Erstreckten sich diese Neigungen bis jetzt mehr aufdas Inland, so haben die Proteste des Auslandes in der letztenZeit den Minister bewogen, auch hier seine Jntriguen spielen zulassen. Angethan hat es ihm besonders die Haltung der Presse desAuslandes gegenüber seinen Schurkereien in Kischinew. Nirgendssieht der Minister mehr eine hilfreiche Hand. Die Zeiten, wo derrussische Absolutismus in der ausländischen Meinung noch Ver-leidiger fand, ist vorbei. Das Mißtrauen gegen den Zustand desStaatshaushaltes ist zusehends im Wachsen. Deshalb spieltv. Plehwe seine letzte Karte aus: er versucht die russifche Oppositionzu übertölpeln und sie in seine Dienste zu stellen. Wie das ge-macht werden soll, erzählt in der neuesten Nummer des„Re-volutionären Nutzlands" einer von denen, auf die v. Plehwe es ab-gesehen hatte. Es lebt in Paris, so schreibt der Betreffende, einDäne, der in engen Beziehungen zu dem französischen AuswärtigenAmt und dem russischen Botschafter steht. Im Monat Mai wendetesich nun dieser Däne an einen von seinen in Paris lebenden Landes-genossen, an den Verfasser eines großen Werkes über Finnland,der em ausgesprochener Demokrat ist, und bat diesen, ob es ihmnicht möglich sei, Beziehungen zu den Kreisen der russischen Re-volutionäre anzuknüpfen, mit denen der Minister Plehwe einenWaffenstillstand abschließen wolle. Der Minister beabsichtige näm-lich einige Reformen durchzuführen, woran er aber von der re-volutionären Propaganda verhindert werde, weshalb er mit derOpposition in Unterhandlungen treten wolle. Der Beauftragte er-klärte, chaß er selber aus den russischen Kreisen niemand kenne,er glaube aber, daß es ihm möglich sein werde, Finnländer zufinden, die mit der russischen Opposition Fühlung haben, und erseinerseits wolle mit seinen Freunden darüber sprechen, aber nurunter der Bedingung, daß in die Verhandlungen auch die finnischenAngelegenheiten hineingezogen werden. Der Gesandtschaftsrat, alswas sich der erste Däne ausgab, erklärte darauf, er habe keine soweitgehenden Vollmachten, da aber der zweite auf nichts weitereingehen wollte, so machte er ihn mit einer andren, dem MinisterPlehwe näher stehenden Person bekannt, die sich in der ersten ZeitM— r Serge nannte. M— r Serge wechselte gleich Telegrammemit Plehwe, der sich einverstanden erklärte, auch die finnischen An-gelegenheiten in die Unterhandlungen einzubeziehen.Nun wurde der Gesandtschaftsrat mit einem in Paris lebendenJinnländer bekannt und die Wünsche Plchwes erhielten eine greif-barere Form...Sie halten in Ihren Händen die Zukunft IhresVaterlandes," erklärte der Rat,„Sie können es zu einem Umschwungder russischen Politik in Finnland bringen usw." Ei müsse nurauf die russischen Revolutionäre einwirken, daß ein Waffenstillstandabgeschlossen werde und außerdem in die ausländische Presse Artikellancieren, in denen das europäische Publikum überzeugt werde, daßdie russische Regierung und besonders Plehwe Reformen einzu-führen wünsche, daß aber dies nicht möglich sei, wenn nicht dasLand vorher zur Ruhe komme.Der Finnländer antwortete, daß er nichts unternehmen könne,bevor er nicht mit seinen Landesgenossen gesprochen habe. Es be-gannen weitere Unterhandlungen, an denen apch der M— r Sergeteilnahm, der niemand andrer war, als der Chef der russischenSpione in Paris, Manuilow-Manasewitsch. Dem Finnländer sollteein besonderer Patz zur Verfügung gestellt werden, und der Ge-sandtschaftsrat selber sollte ihn nach Petersburg begleiten, wo imJuli die Audienz bei dem Zaren stattfinden sollte, aber nur unterder Bedingung, daß der Finnländer gleich einen größeren Artikeloder eine Broschüre in der bezeichneten Richtung schreibe. DerFinnländer begab sich nach Stockholm und der Däne nach London,um dort in Fühlung mit den russischen Revolutionären zu kommen.Kiese empfingen die Botschaft mit homerischem Gelächter und dieFinnländer in Stockholm ließen dem M— r Serge erklären, daßirgend welche Unterhandlungen bei der gegenwärtigen Lage derDinge mit Plehwe nicht möglich seien. Wenn dieser zeigen wolle,daß seine Reformen nicht leere Worte seien, so solle er doch irgendwelche ernsten Schritte thun.So endete diese diplomatische Aktion Plehwes, und was er er-reichen wollte: die Spaltung in der Opposition und ihre Demorali-sation, blieb ein Traum. �Die Vorgänge im Vatikan.Italienische Preßäußcrungen.Die italienischen Blätter„Osservatore Romano" und„Voce dellaVeritä" ergehen sich in den höchsten Lobpreisungen des verstorbenenPapstes.„Tribuna" meint, über Leos XIII. Wirken als Papst werdegestritten werden, vor seiner hohen Weisheit und Tugend abermüsse man sich neigen.„Popolo Romano" hebt hervor, daß esdem Verewigten gelungen sei. ernste Zwistigkeiten mit Italienzu vermeiden.„Jtalie" nennt die Regierung Leos XIH.eine ruhmreiche und sagt, sie habe nur den Anschein derUnVersöhnlichkeit gehabt.„Mefsaggero" meint, dem Pontifikatedes verstorbenen Papstes könne vielleicht vorgeworfen werden, daßes die Kirche nicht habe mit der Civilisation fortschreiten lassen.Beileidsbekundungen.Die Souveräne aller Länder haben Depeschen des Beileids ge-sandt. Der deutfche Kaiser depeschierte:„Schmerzlich bewegt durch die soeben erhaltene Trauernach-richt, sende ich dem hohen Kardinalkollegium den Ausdruck meineraufrichtigen Anteilnahme an dem schweren Verlust, welchen dierömisch-katholische Kirche durch den Heimgang des Papstes Leo XIH.erlitten hat. Ich werde dem erhabenen Greise, der mirein persönlicher Freund war und dessen fo autzerordent-liche Gaben des Herzens und des Geistes ich noch bei meiner letztenAnwesenheit in Rom, erst vor wenigen Wochen, erneut bewundernmußte, ein treues Andenken bewahren. Wilhelm I. E."Die Haltung der italienischen Regierung.Ministerpräsident Zanardelli hat die Präfekten telegraphischangewiesen, den Leichenfeierlichkeiten für den verewigten Papst bei-zuwohnen, wenn sie von den kirchlichen Behörden dazu eingeladenwerden.Der Ministerpräsident hat angeordnet, daß bis auf weiteres dieTheater geschlossen werden und auf den öffentlichen Plätzen keineKonzerte stattfinden.Der Minister des Aeußern Morin hat das Ableben des Papstesden italienischen Missionen im Auslande mitgeteilt, die italienischeRegierung ist aber amtlich vom Tode des Pap st es nichtin Kenntnis gesetzt worden.Infolge der bereits getroffenen Vereinbarungen wird die Regie-rung für die Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Petersplatzeund in der Peterskirche während der Ausstellung der Leiche undwährend der Trauerfeierlichkeiten Sorge tragen.Dir Aufbnhrung des Toten.Rom, 21. Juli. Der Leichnam des Papstes ist noch immer imSterbezimmer aufgebahrt. Außer den Nobelgarden halten beständigEhren-Geheimkämmerer und Kammeradjutanten des verstorbenenPapstes Wacht. Pönitentiare der Peterskirche verrichten im an-stoßenden Gemach Gebete. Zahlreiche Personen werden zur Be-sichtigung der Leiche und zum Fußkusse in kleinen Gruppen zu-gelassen, nachdem sie besondere Erlaubnis des Majordomus erlangten.In allen päpstlichen Gemächern sind Fenster und Vorhänge ge-schlössen: überall brennen Wachskerzen in Armleuchtern. Die Leichewird um 3 Uhr nach der geheimen Anticamera gebracht, wo sie um5 Uhr einbalsamiert und sodann mit dem päpstlichen Ornat bekleidetwerden wird: morgen abend wird sie nach der Peterskirche gebrachtund dort zwei Tage ausgestellt werden. Die Umgebung des Vatikansist von dem Kommen und Gehen der Wagen zahlreicher Würden-träger stetig belebt.Die Borbereitungen für das Conclave.Der„Verweser des Heiligen Stuhles", KardinalkämmererO r e g l i a. hat den Häuptern der drei Kardinalsordnungen mit-geteilt, daß er die Leitung der Geschäfte übernommen hat, und sieaufgefordert, die Borkehningcn für das Conclave zu treffen: fernerhat Kardinal Oreglia die in Rom anwesenden Kardinäle ersucht,zur ersten Kongregation zusammenzutreten, in welcher Mitteilungdarüber gemacht werden wird, ob der verewigte Papst Verfügungenhinsichtlich des Conclaves hinterlassen hat, und in der die ersten Be-stimmungen über das Conclave getroffen werden. Man glaubt, daßdie Bestimmungen, die für das letzte Conclave getroffen waren, zurAnnahme gelangen werden.Oreglia hat im Vatikan Wohnung genommen. Die KardinaleSerafino Bannutelli, Di Pietro und Mncchi, als Häupter der dreiKardinalsordnungen, übernahmen die Leitung der geistlichen An-gelegenheiten. Kardinal Rampolla hat, nachdem er den Tod desPapstes amtlich mitgeteilt hatte, sein Amt als Staatssekretär nieder-gelegt. Er schickte sich auch an den Vatikan zu verlassen, aberOreglia bat ihn, seine bisherige Wohnung zu behalten, was Rani-polla annahm.Am Dienstagvormittag traten die in Rom weilenden und dieaus Italien herbeigeeilten Kardinäle— alle zum Zeichen der Trauer,im veilchenfarbcnen Gewände— in der Sala del Consistorio desVatikans z u der ersten Versammmlung zur Vor-bereitung desConclaves zusammen. Die Beratungen warengeheim. Am Conclave werden voraussichtlich alle Kardinäle teilnehmen mitAusnahme des Erzbischofs von Sidneh, Kardinals Moran, der durchdie weite Entfernung daran verhindert ist.Nach der Versammlung empfingen die Kardinäle im gleichenSaale die Botschafter von Oesterreich-Ungarn. Frankreich, Spanienund Portugal, die dem Beileid ihrer Regierungen Ausdruck gaben.Infolge der Beschlüsse der Kardinalsversammlung begannenbereits die Bauarbeiten im Vatikan zur Vorbereitung des Conclaves.Im Damasushofe wurden alle Zugänge vermauert. Im Vatikanwerden etwa 65 Wohnräume von je 2 bis 3 Zimmern für die Kardinälemit ihren Sekretären und Conclavisten hergerichtet. Die Mahlzeitenwerden die Kardinäle gemeinschaftlich einnehmen. In der Lalavuoals und der Paulinischen Kapelle werden Altäre zum Messelesenfür sie errichtet. Die Wahlhandlung wird in Morgen- und Abend-sitzungen in der Sixtinischen Kapelle erfolgen, an deren Wänden dieSitze für die Kardinäle errichtet werden.Die Kardinäle werden am Abend de�31. Juli ins Conclaveeintreten und am folgenden Morgen die erste Wahlversammlungabhalten.partei-l�admckten.Zum Parteitag. Durch die Parteipresse geht eine der„Schwäb.Tagwacht" entnommene Notiz, wonach der diesjährige Parteitag inDresden in der Woche vom 20. bis 27. September stattfinden soll.Von zuständiger Seite wird uns dazu berichtet, daß über denTermin des Parteitags noch kein endgültiger Beschluß gefaßt wordenist, daß aber, sobald dies geschehen sein wird, Termin und provi-sorische Tagesordnung sofort in der nach der Partei-Organisationvorgeschriebenen Weise bekannt gemacht werden wird.Die Kreiskonfcrcnz des Wahlkreises Erfurt> Schleusingen-Ziegenrück, welche am Sonntag, den 19. Juli, im Gasthaus zurRuth bei Suhl stattfand, war von 19 Delegierten aus 14 Ortenbesucht. Der Wahlkreis- Vorstand war durch zwei Mitglieder ver-treten. Der gedruckt vorliegende Jahresbericht und der Bericht vonder verflossenen Reichstagswahl gab zu keinerlei Ausstellunge»Anlaß. Der Kassenbericht wies eine Einnahme von 7209,85 M. auf,demgegenüber steht eine Ausgabe von 7011,74 M. In Bezug aufAgitation und Organisation beschloß die Konferenz die Herausgabedes Kalenders auch in diesem Jahre. Die Beteiligung an denpreußischen Landtagswahlen für beide Kreise wird beschlossen. AlsDelegierter zum deutschen Parteitag wird von der Konferenz GenosseMichaelis- Erfurt in Vorschlag gebracht. Als Reichstags-Kandidat wurde Genosse Heinrich Schulz- Bremen einstimmigwieder aufgestellt.Unsre badischen Genossen rüsten schon zur Landtagswahl. Fürden zweiten Pforzheimer Landtags-Wahlkreis wurde von ihnender Genosse Adolf Geck aufgestellt.DaS Internationale Socialistische Sekretariat hat den Mitgliederndes Bureaus, das gegenwärtig in Brüssel vereinigt ist, einen Berichtunterbreitet, der über die Thätigkeit des Sekretariats im erstenHalbjahr 1903 Auskunft giebt. Danach hat das Sekretariat gemein«same parlamentarische Aktionen der socialistischen Parteien allerLänder in der macedonischen Frage und in der Frage der Militär-budgets in die Wege zu leiten gesucht. Ueber die politische Situationund die Arbeitsbedingungen in Argentinien, Südafrika uud Japanhat das Sekretariat Informationen eingezogen und veröffentlicht.ferner ist zur Maifeier, zum holländischen Generalstreik, denMetzeleien von Kischinew usw. Stellung genommen. Ueber dieSammlung der socialistischen Litteratur wird mitgeteilt, daß man imSekretariat fortfahre, alle Publikationen der socialistischen Parteienaller Länder zu sammeln, ebenso die Protokolle der Gewerkschafts-kongresse, die Publikationen der statistischen Aemter der Regie-rungen 2C. Die Bibliothek enthält bereits 1500 Bücher undBroschüren, welche katalogisiert sind: außerdem ist ein Katalog derwichtigsten Werke der socialistischen Litteratur vorhanden. DasSekretariat erhält fast sämtliche socialistischen Tageszeitungen undRevuen, sowie die bedeutendsten Gewerkschaftsblätter. Der Broschüre,welche die auf den internationalen Kongressen von 1839—1900 an-genommenen Resolutionen enthält, ivird bald eine zweite folgen,umfassend die Kongresse von 1866—1876.poll-eilickea» OerlcbtUches ufw.Der Amtsvorstrher und die Wohnung des Socialdemokrate«.Der in Schlesien sehr bekannte Parteigenosse. ZeitungSboteSchiwik, hatte zu Siemianowitz bei Laurahütte, in den so-genannten„Arbeiterwohnhäusern" gewohnt. Er wurde gekündigtund im Jahre 1901 exmittiert, nachdem der Amtsbor st eher,wie er später selber amtlich erklärte, dem Verwalter jener Häuser„Andeutungen" gemacht hatte, daß S ch i w i k für Ruhe und Friedender Insassen der Arbeiterwohnhäuser gefährlich werden könnte.S ch i w i k s Sachen, die nach der Exmission bei Regenwetterim Freien standen, verdarben zum großen Teil. Sch. verklagteden Amtsvorsteher G n ä r i g beim Civilgericht auf Schadensersatzin Höhe von 300 M. Er machte geltend, er habe keine andreWohnung finden können und habe sich deshalb mit demAntrage an den Amtsvorsteher gewandt, für ihn, seine Familie undseine Sachen Sorge zu tragen. Das habe der Amtsvorsteher nichtin ausreichendem Maße gethan. Die Sachen hätten bei schlechtesterWitterung im Freien stehen bleiben mllffen.— Die Re-gierung zu Oppeln erhob, bevor verhandelt wurde, denKonflikt im Interesse des Amtsvorstehers und führte aus:Der Amtsvorsteher als Polizeiverwalter habe genug gethan, um dieNotlage des Klägers zu beseitigen. Er habe auf S ch i w i k»Gesuch diesem die Aufnahme seiner Familie in das Hedwigs-Stistangeboten und ihn selber habe er in der Krankenbaracke unterbringenwollen. S ch i w i k sei aber darauf nicht eingegangen und habe sichmit einer Beschwerde an den Landrat zu Kattowitz gewandt. Erhabe seine Familie bei Bekannten untergebracht und habe sichzum Beziehen der Baracke erst verstanden, als ihm der Landrateinen ablehnenden Bescheid erteilte. Daß die Sachen so langeauf der Straße standen, sei sein eignes Verschulden.— S ch i w i kerwiderte, daß ihm der Amtsvorsteher erst drei Tage nach derExmission die Wohnung in der Krankenbaracke angewiesen habe. Erhätte nicht gewußt, wo mit den Sachen hin. Der Amtsvorstehertrage überhaupt an der ganzen Sache die Schuld, da er den Ver-Walter der Arbeiterwohnhäuser überredet habe, ihn zu kündigen,weil er Socialdemokrat sei.— Hierauf machte der Amts-Vorsteher das oben mitgeteilte Zugeständnis bezüglich der„Anden-tungen" über die Gefährlichkeit Sch's. für Ruhe und Frieden derBewohner jener Häuser, blieb aber dabei, daß er genügendgethan habe, dem Kläger in seiner Notlage jder vom Amts-Vorsteher indirekt erst verursachten I) beizustehen. Sch. habeaber eine Wohnung wie bisher haben wollen. Das Ober-Bcrwal-tungsgericht erklärte den Konflikt für begründet, so daß das Klage-verfahren gegen den Amtsvorsteher endgültig einzustellen ist. ESnahm an, daß dem Amtsvorsteher eine Ueberschreitung seinerAmtsbefugnisse oder eine diese verletzende Unterlassung nichtzur Last falle.Nach diesem Entscheid des Ober-VerwaltungSgerichts ist in Zukunftjeder Socialdemokrat den Gehässigkeiten chikanöser Verwaltungsbeamtenschutzlos ausgeliefert. Wenn derselbe schlau genug ist, sich in einemRahmen zu halten, welcher der Regierung noch die Einlegung desKonflikts ermöglicht(und das ist, ivie Figura zeigt, nicht schwer),dann wird er dem auf die Straße gesetzten und von Ort zu Ortgehetzten Socialdemokraten nie eine Möglichkeit geben, seinen Gegnergerichtlich verantwortlich zu machen. Er selbst aber möge sich wohlhüten, auf die Thaten seines amtlichen Gegners auch nur mitentsprechenden Worten zu erwidern: der Staatsanwalt wird ihndann unweigerlich„im öffentlichen Interesse" beim Schlawittchennehmen— und das:„Von Rechts wegen I"—— Der Herr Polizeipräsident von Magdeburg widmet schmeichel-hasterweise seine Aufmerksamkeit nach wie vor der dortigen„Volks-stimme" in einer Weise, daß sich diejenigen Arbeiter, die noch immerdie sogenannte unparteiische Presse bevorzugen, ein Beispielan dieser polizeilichen Vorliebe für das socialistische Organnehmen könnten. Nachdem der Herr Polizeipräsident neu-lich„höchst eigenhändig" entdeckt hatte, daß ein Ausschnittunsres ParteiblattcS, den man in das Fenster der Buch-Handlung geklebt hatte, keine Druckfirma trug, ist ihm jetzt auf-gefallen, daß zwei von ihm der„Volksstimme" eingesandte Be«richtigungcn nicht in derselben Schrift veröffentlicht wurden,wie die von ihm angeblich berichtigte Notiz. Genosse Albert alsverantwortlicher Redatteur der„Volkssttmme" hatte seiner dies-bezüglichen Sünden wegen bereits zwei hochnotpeinliche richterlicheVernehmungen zu bestehen: die Aktenstücke sind schon recht ge-schwollen. Und das alles, damit die„Volksstimme" dieBerichtigungen noch einmal, und zwar in der vondem Herrn Polizeipräsidenten gewünschten Schriftsorte, bringt,denn eine Bestrafung des Sünders kann nach§ 19 des Preßgesetzcsnur erfolgen, wenn er nicht in gutem Glauben handelte,sondern böswillig eine andre Schriftart anordnete. Kann ihm Bös-Willigkeit nicht nachgewiesen werden, so wird er von Strafe undKosten freigesprochen und nur die nachttägliche Aufnahme an-geordnet.— Die Magdeburger„Volksstimme" aber hat eine Bomben»reklame mehr.— Genosse Dänmig vom Halleschen„Volksblatt" wurde seinerZeit wegen Beleidigung eines Arbeiters zu der horrenden Strafevon einein Jahr Gefängnis verurteilt. Auf seinen Anttag hat dasLandgericht die Wiederaufnahme des Verfahrens beschlossen und derStaatsanwalt ist dem Beschlüsse beigetretest. Hoffentlich schneidetunser Kollege bei der erneuten Verhandlung günstiger ab.