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Nr. 331. 20. t KkilU Ks Joraärls" Anlim VslKsM Zonnabend, 3. Oktober 1903. Bebel und Genoffen. In derZukunft" fetzt M. Harden seinen Feldzug gegen einzelne Parteigenossen fort. Der neue Artikel sieht so aus: Genosse Heine. Das ist der Kopf des Wurmes. So schrieb ich bor acht Tagen; und vergaß, daß in der frühesten deutschen   Tragödie des Politikers als Kopf des Wurmes nicht der Held bezeichnet wird, sondern der graue Theaterrömer Verrina. Dem ähnelt Herr Heine in keinem Zug. Eher schon dem Fiesko von Lavagna, dem sichstaaks- klug" dunkelnden Weltmann mit dem schwindligen Gewissen, der sich auf selbst gebauten Luftschlössern nicht handelnd behaupten kann. Ein schlanker, schöner Mann, stolz mit Anstand, freundlich mit Majestät": die Worte, mit denen der junge Schiller uns seinen Helden malt, würden recht gut auf den Vertreter des dritten Berliner   Reichs- tagswahlkreises passen; leider auch der Nachsatz:höfisch-geschmeidig und eben so tückisch". Doch Fiesko oder Verrina: der blonde Mann mit dem blauen, Treue lächelnden Blick ist mir der Kopf des Wurmes, bis bewiesen wird, daß er auch diesem Fall nur der Vollstrecker eines stärkeren Willens war. Auf dem Dresdener   Parteitag tarn er am Morgen nach Bebels Schimpfrede zum Wort; was hat er über mich und meine Wochenschrift gesagt?Ich habe nie in der«Zukunft" eine Zeile veröffentlicht und ich werde es auch nie thun, weil ich der Ansicht bin, daß man in einer Sache, die zum großen Teil Gefühls- fache ist, das Gefühl der Parteigenosien respektieren muß. Ich bin allerdings auch durch das, was ich hier gehört habe, zu dieser Ansicht gekommen; denn die Angriffe, die in derZukunft" gegen die Partei gerichtet sind, sind denn doch ärger, als es mir früher gegenwärtig war. Würde der Beschluß bloß lauten: Es ist verboten, an der Zukunft" mitzuarbeiten, dann würde ich nicht dagegen stimmen." Genosse Heine bläst nun die Bäckchen auf und erklärt, er halte sich für verpflichtet,einem Verfolgten, der sich hier nicht selbst vcr- teidigen kann, als Verteidiger zur Seite zu stehen"; schon diese An- kündigung erregt unter den dreihundertsechsunddreitzig Vertretern höchster Sittlichkeit und WahrhaftigkeitUnruhe" undWiderspruch". Doch die Genossenschaft allgerechter Völkerbefreier hatte sich ohne Grund echauffiert; denn was jetzt kam, war sicher die wundersamste Verteidigung", die jemals vernommen ward.Ich mißbillige Haidens Politik auf das-schärfste, weil ich den persönlich-gehässigen Ton mißbillige, mit dem Harden seine Politik betreibt. Das habe ich auch Harden gegenüber ausgesprochen. Es ist hier nicht der Ort, über die Persönlichkeit Hardens zu sprechen. Er geht uns nichts an. Ich kenne ihn kaum, denn ich bin mit ihm drei-, viermal zusammengekommen. Unsre Gespräche galten wesentlich litterarischen Dingen. Ueber Hardens Charakter kann ich nicht viel sagen. Bon mir hat er kein Parteigeheimnis erfahren; eher kommt das Um- gekehrte vor. TieZukunft" war an sich ein guter Gedanke. Andre Nationen haben längst Blätter, in denen Politiker der verschiedensten Parteirichtung schreiben. Das mag Harden ursprünglich gewollt haben; aber seine eignen Artikel mit ihrem prononciert persönlichen Charakter haben diese Absicht vereitelt. Das ist es, was ich zur Ver- teidigung Hardens zu sagen habe. Sie sehen, daß ich mich nicht mit ihm indentifiziere. Also: keine Silbe, die irgendwie als Verteidigung aufgefaßt werden könnte; und in einem Zwischensätzchen ein Ver- gleich mit derkomplizierten Psychologie" des Genossen Mehring, von dem Heine mir vor Zeugen gesagt hatte, er halte ihn. nach allerlei Indizien, für einen szent provocateur, jedenfalls aber für einen verächtlichen Menschen, der. was er auch schreibe, keiner Antwort würdig sei. Das war die«Verteidigung". Ich habe nach dem Bericht desVorwärts" citiert. Am Tage nach seiner Rede schickte Herr Heine mir aus Dresden   einen von ihm mit Strichen, Korrek- turen und Zusätzen versehenen Bericht; denn, sagte er in dem bei- liegenden Brief,der Sie betreffende Satz ist imVorwärts" nicht so wiedergegeben, wie ich gewünscht hätte." Ich habe erhebliche Gründe, zu glauben, daß die Berichterstatter desVorwärts", in ihrer Arbeit als tüchtig bewährte Männer, besonders scharf hingehört haben, als Heine über mich sprach; daß sie falsch berichtet haben, behauptet er auck nicht: er hätte den Bericht nur miders«gewünscht". Dieser Wunsch war begreiflich, wie der Leser bald merken wird. Uebrigens sind Heines Aenderungen unwesentlich; der Erwähnung wert ist nur der eingeschobene Satz, weder Mehring noch Harden sei durch die gestern gebrauchten Worte gerecht charakterisiert. Mit und ohne Retouche bietet die Rede dasselbe Bild. Genosse Heine hat erst auf dem Parteitag erfahren, wie arg ich die Socialdemokratie angegriffen habe. Er mißbilligt aufs schärfste meinenpersönlich- gehässigen Ton" und hat mir diese Mißbilligung ausgesprochen. Er kennt mich kaum, hat mich drei-, viermal gesehen, fast nur über litterarische Dinge mit mir gesprochen, mir nie ein Geheimnis enchüllt, und findet, daß die gute Absicht, die mich zur Gründung derZu- kunft" getrieben haben mag. durch meine eignen Artikel vereitelt worden ist. Das ist das Plaidover meines Verteidigers. Ich kann den Beweis erbringen, daß diese Behauptungen, die der Rechtsanwalt und Reichstags-Abgeordnete Wolfgang Heine   der höchsten Rechtsinstanz seiner Partei vortrug, sämtlich, ohne eine einzige Ausnahme, wider besseres Wissen aufgestellt, objektiv und subjektiv unwahr sind. Bei der Erfüllung dieser leidigen Pflicht werde ich mich, wie in den andren Fällen, zunächst auf das von der Notwehr Gebotene beschränken. Herr Heine hat auf dem Parteitag über die Art und Argheit »neiner gegen die Socialdemokratie gerichteten Angriffe nichts Neues erfahren. Die drei vom Dresdener   Ketzergericht inkriminierten Artikel _Die roten Primadonnen",Obstruktion",Die Kaiserpartei" . kannte er genau: nicht nur alseiner der ältesten Abonnenten der Zukunft", sondern, weil ich ihm. auf seine Bitte, kurz vor der Parteitagszeit die drei Hefte geschickt habe. Als er sie wieder gelesen hatte, sagte er mir:Unsre Partei sollte, trotz gelegentlichen An- griffen, glücklich sein, daß es einen Mann giebt, der sich, wie Sie, ohne auf unser Programm zu schwören, mit seiner ganzen Persönlichkeit für die heute wichtigsten Forderungen konstitutionellen Lebens ein­setzt. Das werde ich auch in Dresden   aussprechen." Herr Heine bat mir nie gesagt, daß er meinen Ton gehässig finde undaufs schärfste mißbillige", sondern mir oft die wärmste Anerkennung meines Charakters und Sfirkens ausgedrückt und durch lebhafte Be- kundung der Freude am Verkehr mit mir bewiesen, wie fern schärfste Mißbilligung meines politischen und litterarischen Bemühens ihm lag. Er war nicht drei- bis viermal mit mir zusammen, sondern mindestens fünfzehnmal; zweimal währte dieses Zusammensein, das stets durch seinen Wunsch herbeigeführt war. unter vier Augen viele Stunden lang. Er hat mit mir. ich habe mit ihm fast ausschließlich über politische Vorgänge gesprochen, insbesondere über Taktik. Haltung. Entwicklung und Personalien seiner Partei, über Schuhzoll, Ob- struktion. Wahlpolittk. Bewerbung ums Vicepräsidium des Reichs- tages; ganz selten, eigentlich nur zum Dessert, über uns gemeinsan, interessierende Fragen der Litteratur. Diese Gespräche hatten den intimsten Ton. Keiner von uns beiden scheute sich, dem andren zu enthüllen, was er dem Fremderen sorgsam verschleiert hätte; und wir haben einander manchesGeheimnis" anvertraut. wenn das feierliche Wort auf Mitteilungen aus den Untergründen der Politik und des internen Parteilebens überhaupt paßt. Was bleibt noch? Die Frage, ob dieZukunft" ihr Ziel, Politiker der verschiedensten Richtung zum Wort kommen zu lassen, erreicht habe und warum sie es bisher nicht erreichen konnte. Darüber sagte Herr Heine am sechzehnten September 1903 in Dresden  :Hardens eigne Artikel mit ihrem prononciert persönlichen Charatter haben die Absicht, die gut gewesen sein mag, vereitelt." Am achten April 1903 in einem > später noch zu betrachtenden Brief an mich:Wenn die Zukunft" nicht ganz so allgemeine Tribüne für alles Sagenswerte geworden ist, so sehe ich darin eine Folge der politischen Rückständigkeit Deutschlands  ". Und die Monate April bis September 1903 waren die Zeit unsres intimsten Verkehrs. Ja, denkt nun mancher, hier steht Behauptung gegen Behauptung Onfe txtr haben, nicht den mindesten Arund, dem. Schriftsteller mehr zu glauben als dem Abgeordneten. Ein Bißchen Geduld, bitte. Herr Heine kann keine einzige meiner Angaben als unwahr erweisen; will ers: er hat das Landgericht nah. Ich aber kann und werde be- weisen, daß er mit mir so verkehrt, über mich und meine Lebensarbeit so geurteilt hat, wie ichs hier dargestellt habe; daß er in Dresden  also wider besseres Wissen die Unwahrheit gesagt hat. Ich lernte den Rechtsanwalt Heine vor zwölf oder dreizehn Jahren kennen. Der uns beiden befreundete liebenswürdige Stil- künstler Hermann Bahr   stellte uns einander vor; aber es blieb, auf der Straße, beim Austausch konventioneller Höflichkeit und neun Jahre vergingen, bis wir wieder von einander hörten. Im August 1900 war ich zum dritten Mal der Mäjestätsbeleidigung angeklagt und� einzelne meiner Bekannten wünschten, ich solle Heine zum Ver- teidiger wählen. Auf eine Anfrage, die nicht von mir ausging, antwortete er, der damals schon socialdemokratischer Abgeordneter war, in einem vom fünfzehnten August datierten Brief:Irgend welche grundsätzlichen Bedenken. Herrn Harden zu vertreten, habe ich natürlich nicht; ich würde dies sogar recht gern thun." Ich hielt und halte Herrn Heine für einen nnsrer besten Kriminalanwälte, wandte mich schließlich aber nicht an ihn, weil ich von ängstlicher Liebe be- schworen wurde, auch den Schein einer Verwandtschaft mit social- demokratischen Tendenzen zu meiden. Ich wurde von der Straf- kammer abermals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und das Urteil wurde rechtskräftig. Während ich in der Festung saß, erschien in einem Provinzblatte der Socialdemokratie ein Artikel, der mich ver- leumdcte. Ein Herr, der zu wissen glaubte, daß Heine mir sehr freundlich gesinnt sei, bat ihn, der gegen einen Gefangenen, Wehrlosen verübten Niedertracht im Centralorgan der Partei entgegenzutreten. Am fünfzehnten April 1901 antwortete Heine brieflich:Obgleich ich Herrn Harden persönlich fern stehe, würde ich stets meine Hilfe bieten, um ihn gegen einen so albernen und nichtswürdigen Angriff zu verteidigen. Ich glaube aber nicht, daß sich im vorliegenden Fall irgend eine Zeitungsaktion emvfiehlt. Eine Verteidigung Hardens ist nicht nur diesem Gegner, sondern auch diesen Vorwürfen gegenüber wirklich überflüssig. Wer Harden einigermaßen kennt, auch wenn er sein politischer Gegner ist, weiß, daß er für solche Anzapfung nie den geringsten Grund gegeben hat. Wünschen Sie trotzdem, den«Vor- wärts" dafür zu interessieren, so bin ich gern bereit, mit... zu sprechen." April 1901. Heine kennt mich kaum, weiß aber, daß ich zu nichtswürdigem Angriff nie den geringsten Grund gegeben habe, und erklärt sich bereit, mich gegen solche Angriffestets" zu ver- teidigen. September 1903. Heine hat eben erst lange Stunden intimster Zwiesprache mit mir verbracht und, ohne von mir aufge- fordert zu sein, den festen Entschluß angekündet, in Dresden   meine Sache gegen die Schmäher zu führen. Er sitzt in dem Saal, wo ich von seinen berühmtesten Parteigenossen ein verächtliches Subjekt genannt werde, mit dem nur moralisch Verkommene Gemeinschaft haben können, ein von Geldgier getriebener Lump, ein Prostituierter: und er hat nichts andres zu sagen als die Sätze, die ich vorhin wörtlich angeführt habe. Er hat schon einmal öffentlich über mich gesprochen: in der Reichstags-Sitzung vom siebenten Februar 1901. Er hatte mir kurz vorher geschrieben, meine Verurteilung sei die objektiv un- gerechteste, die ihm in seinerauf diesem Gebiet nicht ganz kleinen Praxis vorgekommen" sei, und gebeten, ihm die Urteile des Land- gerichts und des Reichsgerichts zu schicken. In seiner Rede, die das mit meinen Kriminalcrlebnissen eng verknüpfte Amtsschicksal der Landgerichtsdirektoren Schmidt und Fetisch behandelte und die im letzten Februarheft derZukunft" vom Jahre 1901 abgedruckt worden ist, nannte er micheinen Mann, der meine Partei oft in der heftigsten Weise und in einer Weise, die uns durchaus nicht immer gefallen hat, angegriffen hat". Vielleicht dachte er an diesen Satz, als er in Dresden   von seiner Mißbilligung meines Tones sprach. Ich sah in dem Satz nur eine empfindlichen Parteigenossen gemachte Konzession und die Absicht, die Wucht seines Angriffes auf die Gerichtspraxis zu steigern. Heines Briefe mußten mich in dieser Ansicht bestärken; mehr noch die Thatsache, daß er als Politiker und Jurist so energisch für mich und mein Mühen eintrat. Persönliche Gehässigkeit des Tones wäre, wenn die Neigung dazu vorhanden war, gewiß auch in meiner Kritik der kaiserlichen Politik zum Aus- druck gekommen; und Heine nannte diese Kritikwohlwollend, mit bester Absicht, von einem höchst monarchischen Standpunkt aus ge- fällt" und bekämpfte das Landgerichts-Erkenntnis, das Gehässigkeit darin gefunden hatte. Der Abgeordnete wollte nicht mir, sondern der Sache politischer Redefreiheit dienen; da ich an dem leider recht fernen Sieg dieser Sache aber das persönlichste Interesse habe, schien es mir Pflicht, dem politischen Gegner für sein tapferes Wort zu danken. Das konnte ich bald auch mündlich thun. Seit acht Jahren verkehre ich in einem Kreis, der sich, wenn Herr v. Vellmar   in Berlin  ist. um ihn und seine geistig grazile Frau jeden Donnerstag abends zu bilden pflegt. Ich war auf Wunsch des Ehepaares Vellmar   in diesen Kreis geladen worden, ließ mich, als politisch anders als die Mehrheit der Tafelrunde Gesinnten, in jedem Jahr ausdrücklich wieder einladen und hatte die Freude, vermißt zu werden, wenn ich ausblieb. Teilnehmer an diesen ungemein bescheidenen Symposien waren, außer dem Riesen von Soiensah, die socialdemokratischen Ab- geordneten Grillenberger, Schoenlank, Bios, Heine, Südekum; fast immer war auch ein der Politik fernstehender Litterat, manchmal eine Dichterin, anwesend; und wir länger am Donnerstagtisch Ver- einten hatten das Recht, Freunde mitzubringen, die uns in diesen Kreis zu passen schienen. Anregende, behagliche Wende, auf die jeder sich freute und deren Wiederkehr jeder herbeisehnte, wenn die Bayern gar zu lange das Borussenland mieden. Getrunken wurde nicht viel; doch gute Rede würzte das Schüppchen und nie wurde vor Mitternacht an den Aufbruch gedacht. Natürlich sprach man zwar sie omnibus rebus et quibusdarn aliis, mehr aber als über jeden andren Gegenstand über Politik, alte und neue. Jede lieber- zeugung wurde respektiert, in Scherz und Ernst suchte man einander näher und nah zu kommen, und niemals entstand die Gefahr eines noch so winzigen Konflittes. Im Kleinen das Bild des Zustandes. der in Ländern älterer Kultur Alltagsereignis geworden ist. Nach erfüllter Pflicht, nach dem Kampf um die Wirkung persönlichen oder parteilichen Möllens kommen Menschen zusammen, deren Europäer- puls, trotz allen Verschiedenheiten des Glaubens, ungefähr in gleichem Takt schlägt, und sprechen sich offen über Gemeinsames und Trennendes aus. Wir hatten gute Erzähler, starke Humoristen und anmutige Frauen an unserm Tisch; Temperamente und Persönlich- leiten. Nun hat das blinde Wüten des Sektencifers auch diese zarten Bande freier Menschlichkeit zerrissen... In diesem Kreis traf ich Heine erst spät. Wer seine Dresdener Rede liest, muß glauben, ich hätte ihn drei- oder viermal aufgesucht, um Partcigeheimnisie zu erfahren, mein Ziel aber nicht erreicht; der Abgeordnete habe mir die Würmer aus der Nase gezogen, das Gespräch auf literarische Fragen abgelenkt und mir deutlich gesagt, wie widrig ihm meine Politik und Ausdrucksweise sei; über meinen Charakter, über die Reinheit oder Unsauberkeit meiner Motive wisse er nichts; denn er kenne mich kaum. Ein paar Briefproben aus diesem Jahr: 6. 2. 1903. Heute im Theater war es mir nicht möglich, Sie einen Augenblick zu sprechen, um Ihnen die Grütze auszurichten, die Herr und Frau von Wollmar   mir noch für Sie aufgetragen haben... Die Donnerstagszusammenkünfte werden nun wohl eine Störung «'.leiden... Ich würde aber gern eine Gelegenheit finden, die so angenehmen und anregenden Plaudereien mit Ihnen wieder einmal fortzuspinnen. Bitte, schreiben Sie mir, was aus den Donnerstagen wird oder wo man Sie sonst mal trifft, falls Sie eben so denken. Dieser Brief enthielt auch eine freundliche Anspielung auf dce von demSchaffenden" Sudcrmann mir aufgezwungene Fehde. Mein kleines Buch über den großenKampfgenossen" war eben erschienen. Ich schickt« Herm Heine ein Exemplar und schrieb auf. die'erste Seite ein Wort, das Mirabeau   einst von Robespierre ge» sagt und das Hans Bülow   in einer mein Wirken gütig überschätzenden Buchwidmung wiederholt hatte, die er mir selbst in die Wohnung brachte, das Nachsicht werbende, zur Rechtfertigung irrenden Glaubens oft von nur angewandte Wort: II croit tout ce qu'il dit. Persönlich-gehässigen Ton hatte mir, neben schlimmeren Lastern, Herr Sudermann vorgeworfen; wenn Heine diesem Urteil zustimmte, hatte er jetzt die beste Gelegenheit zu rückhaltloser Aussprache. Und was antwortete er? 10. 2. 1903. Vielen Dank für Ihren Brief und die freundliche Sendung Ihrer Broschüre. Obgleich ich Ihrem Urteil über Sudermanns Kampfesweise völlig zustimme und vollkommen einsehe, daß Sie zu Ihrer Antwort gezwungen worden sind wie nur je einer, wird Sudermann doch beim lieben Publikum seinen Zweck erreichen, sich wieder ins Gedächtnis gerufen zu haben. Die Rechnung auf Sentimentalitäten ist selten verfehlt; und die Stellung, die Sie seit dreizehn Jahren außerhalb der Partei einnehmen, ist nicht geeignet. Freunde zu schaffen... Mit dem Mirabcauschen Wort, das Sie Ihrer Widmung beifügen, werden Sie sich aber selber nicht gerecht; ich bitte, mir diese Anmerkung zu gestatten. Den wohlfeilen Ruhm des croire tout ce que l'on dit würde man mit jedem subalternen Schwärmer teilen. Das Wesen der politischen Wahrhaftigkeit steckt ttefer, in dem Mut, Notwendiges zu er- kennen und zu vertreten, auch wenn es einem zuwider ist. Es ist wohl nicht nötig, Ihnen zu sagen, daß Sie sich diesen Ruhm vindizieren können; vielleicht hören Sie es aber gern auch von jemand, der in sehr wesentlichen Punkten, vielleicht den wichtigsten der heutigen Tagespolitik, andrer Meinung als Sie über das Notwendige ist... Beste Grüße und gute Besserung. Ihr er- gcbenster Wolfgang Heine  . Aus einem Brief vom fünfzehnten April 1903: Ich würde mich freuen, wenn Sie in der Osterwoche oder der darauf folgenden einen Abend frei hätten... Gestatten Sie mir, Ihnen das Januarheft derSocialistischen Monatshefte" zu überreichen, worin sich ein Aufsatz von mir befindet, der weniger fachjuristisch ist, als sein Titel besagt, und der Ihnen die mir persönliche Art, solche Stoffe zu beurteilen, zeigt. Ich bitte Sie, mir eine Nachricht wegen einer Zusammenkunft zu geben. Mit besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener Wolfgang Heine  . Gedanken und Form seiner von so artiger Rede geleiteten Arbeit gefielen mir; und ich schrieb ihm wie ivohl jeder höfliche Herausgeber einer Zeitschrist gelhan hätte, daß ich mich freuen würde, wenn ich solche Artikel von ihm auch in derZukunft" ver- öffentlichen könnte; leider sei wahrscheinlich seine Parteistellung ein Hindernis. Die Antwort kam schnell; hier ist sie: 8. 4. 1903. Es freut mich, daß mein Versuch, dem verwüstenden Einfluß einseitiger Theorien auch im Strafrecht entgegenzutreten, Ihnen gefällt. Ihre Aufforderung, solche Arbeiten gelegentlich auch in derZukunft" zu veröffentlichen, habe ich keinen Grund ab- zulehnen. Ich bcdaure oft, daß das öffentliche Interesse für Fragen des Strafrechtes, Staatsrechtes, Prozeßverfahrens usw. in Deutschland   so gering ist, und ich sehe in der Erneuerung dieses Interesses ein Mittel politischer Fortentwicklung. Dazu scheiltt mir dieZukunft", die von Angehörigen aller Parteien gelesen wird, die geeignetste Tribüne; sie hat auch schon eine Menge anregender Beiträge geliefert und es läge durchaus im Interesse meiner Richtung, dort auch zum Wort zu kommen. Die Angriffe Mehrings würden für mich höchstens ein Antrieb mehr sein, Ihrer Aufforderung zu folgen. Ich werde stets das Recht unbeschränkte« freien Wortes für mich beanspruchen, aber es auch andren gönnen. Ich kann deshalb auch Ihnen so wenig übelnehmen, daß Sie sich persönlich gegen die Bezeichnung Brotwucherpolitik zu verwahren gesucht haben, wie ich auf den Gebrauch dieser sachlich bezeichnenden polemischen Wendung verzichten werde. Angriffe auf meine Partei, auch wo ich sie für persönlich ungerecht halte, würden mich nicht abschrecken. Ich halte Empfindlichkeit in der Politik für eine der größten Schwächen. Ich würde nicht befürchten, Ihre abweichenden politischen Anschauungen zu fördern, wenn ich meine in derZukunft" auseinandersetzte; noch weniger natürlich durch Erörterungen über mehr neutrale Stoffe. Ich habe es für eine sehr glückliche Idee gehalten, daß dieZukunft" ein Dis- kussions-Organ werden sollte, das allen lllichtungen offen stände und woraus jeder aus der Feder bedeutender Mitglieder gegnerischer Parteien auch deren Auffassungen kennen lernen könnte. Solch besseres gegenseitiges Verständnis der gegnerischen Parteien würde die politischen Kämpfe nicht abschwächen, sondern würde sie klarer machen und mehr auf das Wesentliche richten. Die eigentlichen Parteiblätter sind überladen mit notwendiger täglicher Polemik weniger geeignet, dies Verständnis zu vcr- Mitteln. Wenn dieZukunft" nicht ganz so allgemeine Tribüne für alles Sagenswerte geworden ist, so sehe ich darin eine Folge , der politischen Rückständigkeit Deutschlands  ... Ich empfehle mich Ihnen mit bestem Gruß Wolfgang Heine  . Ein paar Tage danach verplauderten wir fast vier Stunden; wir waren allein und sprachen beinahe ausschließlich über den parlamentarischen Zollhader und über die Aussichten des Wahl- kampfes, die Heine und mit ihm wohl die Mehrheit seiner Fraktionsgenossen seiner Partei nicht so günsttg fand wie ich. Gut verbrachte Stunden, dachte ich auf dem Heimweg. Und schon am ersten Mai empfing ich einen Brief, der mit dem Satz schloß: Ich hoffe, bald wieder einmal Gelegenheit zu haben, ein paar Stunden in so angenehmer Weise wie neulich mit Ihnen zu ver- bringen... Mit ergebensten Grüßen Wolfgang Heine  . Immerhin: von Mai bis September kann vieles sich ändern. Also noch eine Stelle aus dem Brief vom zwanzigsten August 1903: Seit Monaten wäre ich gern wieder einmal mit Ihnen zu- sammengetroffen... Ich möchte Sie bitten, wenn es Ihnen möglich ist, mir in der nächsten Woche einen Abend zu schenken. Ich verreise am Neunundzivanzigsten und komme vor dem Parteitag nicht wieder hierher... Mit besten Grüßen Ihr ergebenster Heine. Dieser freundlichen Aufforderung folgte in der letzten August« Woche ein langes Gespräch. Das Thema wir waren wieder allein bot sich von selbst. Der alles fraktionelles Erwarten weit über- treffende Wahlsieg der Socialdemokratie, die Unterströmungen des Parteilebens, die Frage, ob ein Genosse um dckn Preis höfischer giepräsentation ins Reichstagspräsidium eintreten solle eine Frage, die, darin stimmten wir völlig überein, beantwortet und ab- gethan war. seit Bernsteins Unklugheit die bürgerlichen Fraktionen zum Widerstand gereizt hatte, und der voraussichtliche Verlauf des Parteitages: diese und ihnen verwandte Gegenstände wurden be- sprochen. Da mir in einzelnen socialdemokratischen Blättern nach- gesagt wird, ich hätte die mir bekannten Genossen angefleht, mich in Dresden   zu verteidigen oder gar zu verherrlichen, und sei nun wütend, weil dieser Wunsch unerfüllt blieb, stelle ich hier, als erweis- liche Thatsache, fest, daß ich keinen Menschen gebeten habe, mich zu verteidigen, keinen einzigen. Die Sippe kennt mich eben nicht. Zwei Genossen beschworen, bestürmten mich, an Vollmar zu schreiben oder, wiederholter Einladung folgend, zu ihm an den Walchensee   zu fahren; sie bekamen die Antwort: Ich bettle nicht um Hilfe und denke nicht im Traum an die Taktlosigkeit, jetzt, mitten in der gegen mich tobenden Hetze, Herrn und Frau von Vollmar ins Haus zu fallen. Auch Heine habe ich nie ersucht, für mich zu sprechen. Als er mich fragte, ob ich ihm gestatte, einen Vorgang zu erwähnen, der allein schon beweist. daß ich kein Feind der socialdemokratischen Sache sei, habe ich er- widert: Persönlich habe ich nichts dagegen, bitte Sie aber, zu be- denken, daß solche Erwähnungen dem Prestige Ihrer Partei schaden würde. Er selbst nannte es seine«Ehrenpflicht", für mich einzu- treten; und dabei ahnten wir beide nicht, daß ich in Dresden   nicht