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Nr. 37.

Erscheint täglich außer Montag Abonnements Preis für Berlin : Vierteljährlich 3,30 Mart, monat­lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit bem ,, Sonntags= Blatt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 3 Mart pro Monat. Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwärts

8. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Der Marx 'sche Programm- Brief.

Was Mary über den Programmentwurf sagt, der von dem Einigungskongreß mit geringen Abänderungen angenommen ward, ist jetzt, da die Revision des Programms auf der Tages ordnung steht, von hohem aktuellen Werthe für uns, und wird unzweifelhaft, seinem Werthe entsprechend, berücksichtigt

werden.

Freitag, den 13. Februar 1891.

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Expedition: Beuth- Straße 3.

nacher" getrieben und die Partei gesprengt, wenigstens der Dies sagten sich die Genossen, an welche vor dem Zusammenhalt gelockert werden, so haben sie nur von Gothaer Einigungskongreß der Mary'sche Programm­Neuem ihre Unkenntniß des Wesens unserer Partei bewiesen. Brief gerichtet war. Die meisten, wenn nicht alle, Der Brief, welchen Mary vor dem Einigungskongreß Die bis 1875 getrennten Theile der Sozialdemokratie sind stimmten zwar mit dem theoretischen Theil der Kritik des Jahres 1875 über den zwischen Vertretern des Allge- zu einem organischen Ganzen zusammengewachsen, das durch in der Hauptsache überein, allein sie mußten sich auch sagen, meinen deutschen Arbeitervereins und der Eisenacher " verein- feine Macht mehr getrennt werden kann. Die trennenden daß der Zweck des vom Allgemeinen deutschen Arbeiterverein barten Entwurf eines Einigungsprogramms zu vertrau Stichworte: Hie Marr!"" Hie Lassalle!" sind für uns und den Eisenachern berufenen Kongresses die Einigung die deutschen Sozial- der beiden Fraktionen war und nicht die licher Mittheilung an einige Vertreter der Eisenacher ge- unmöglich geworden richtet hat, ist von Friedrich Engels in der Neuen Zeit" demokraten sind keine Margianer, teine Formulirung wissenschaftlicher Lehrsätze. sie sind Sozialdemokraten. Es galt zu wählen zwischen einem wissenschaft­veröffentlicht worden, und der Vorwärts " als Zentralorgan assalleaner oder einer Partei, die nichts zu vertuschen und keine Kritik zu einem sozialistischen Nachdem die Arbeiterbewegung Deutschlands die Kinder- lichen Konzil fürchten hat, hielt sich verpflichtet, den Brief zum Abdruck schuhe abgelegt hatte, streifte die Partei alles Settenhafte ab, Einigungstongreß. zu bringen. suchte sich stetig und systematisch von jeglichem Personenkultus Und alle Betheiligten entschieden sich für die Einigung zu befreien und ordnete mit eiserner Konsequenz die Person und für das von Mary verurtheilte Einigungsprogramm. Mary, der seit fast 30 Jahren in England gelebt hatte, der Sache unter. Durch diesen echt demokratischen Geist, der Jedem seine Selbständigkeit gab, jeder Individualität konnte die deutschen Verhältnisse nicht so richtig be­innerhalb des Rahmens der Parteigrundsätze freien Spiel- urtheilen, als wenn er mit den lebendigen Faktoren der raum gewährte, kein Unfehlbarkeitsdogma aufkommen ließ, Bewegung in direkter und persönlicher Fühlung gewesen wäre. ist die deutsche Sozialdemokratie geworden, was sie ist Er unterschätzte die Stärke der Lassalle'schen Bewegung Der Brief spricht sich über den Programmentwurf und ohne ihn wäre sie der Sektiverei und Ohnmacht ver- und täuschte sich über die Stimmung unter den deutschen mit einer, nur aus dem streng privaten Charakter fallen, die von Personenkultus und Dogmenglauben un- Arbeitern. Wohl hätte vielleicht auch ein streng wissens des Briefes zu erklärenden Schärfe und Härte aus, die nicht zertrennlich sind. schaftliches Programm, so wie er es wünschte, die Majorität verfehlen konnte, in weiten Parteikreisen unangenehm zu Warum sollte aber auch gerade die Veröffentlichung des des Kongresses erlangt, allein, es wäre eben nur eine berühren, und von unseren Feinder ausgebeutet worden ist. Mary'schen Brices die alten Lassalleaner" mit Mißtrauen Majorität gewesen, der eine Minorität gegenübergestanden Die Thatsache, daß Mary das Programm der deutschen gegen die alten Eisenacher" erfüllen- um diese längst der hätte und es galt, die Gesammtheit der deutschen Sozialdemokratie ein verwerfliches und korrumpirendes" Bergangenheit angehörenden Ausdrücke zu gebrauchen? Ent- Sozialisten zu einigen, und zwar dergestalt, daß keine Ver genannt, und daß er über Lassalle ein Urtheil gefällt hüllt doch die Veröffentlichung dieses Briefes vielmehr die gewaltigung einer Minorität stattfand und daß es keine hat, das die Gefühle Hunderttausender von deutschen Ar- bisher den meisten Lassalleanern unbekannte Thatsache, daß die Sieger und keine Besiegten" gab. Und das hat das beitern zu verletzen geeignet ist, tam unseren Feinden sehr Eisenacher" fich 1875 selbst nicht durch die Autorität eines Einigungsprogramm erreicht. Vom Ausland aus- und Mary selbst hat das in den 50er gelegen und wurde von ihnen mit Jubel begrüßt. Allein Karl Mary von dem vereinbarten Einigungsprogramm Es ist dies ein Att der Treue, Jahren den abenteuerlich- impotenten Revolutionsmachereien der der Jubel wurde sofort gedämpft durch den Gedanken, abbringen ließen. Flüchtlingschaft gegenüber wiederholt hervorgehoben- läßt sich daß die Empfänger des Briefes den Rathschlägen der den Betheiligten nur zur Ehre gereichen kann. einer wissenschaftlichen Autorität wie Karl Marx ein fate- Ueber die Kritik, welche Mary an dem Einigungs- eine Massenbewegung nicht leiten. Die deutsche So gorisches Nein! entgegengesetzt, und durch ihr Festhalten an programm übte, haben wir uns jetzt nicht auszusprechen. 8ialdemokratie konnte deshalb und tann zu dem Programmentwurf die Einigung der deutschen Sozial- Von der scharfen Form abgesehen, wird man finden, daß keiner Zeit dulden, daß ihre Leitung ins demokratie erwirkt haben. Und unsere Feinde wissen sehr sie sich den meisten wesentlichen Punkten nach in derselben Ausland verlegt werde. Genug-die Empfänger des Briefes prüften das Für wohl, daß die deutsche Sozialdemokratie ihr Wachsthum Richtung bewegt, wie die allseitig mit Beifall aufgenom­und ihre Stärke jener Einigung verdankt. Sie wissen also, menen Ausführungen des Programm- Referenten auf dem und Wider, und nach sorgfältiger Abwägung konnten sie zu feinem anderen Resultat kommen, als zur Ablehnung. daß wir damals klug handelten, und sie wissen ferner, daß Salle'schen Kongreß. Aber 1890 war die Partei in theoretischer Beziehung" Doch"- durch die Veröffentlichung des Mary'schen Briefs das ihnen rufen gegnerische Tugendbolde- war es so bequeme Märchen: die deutsche Sozialdemokratie sei nur weiter als 1875- ohne das Sozialistengesetz wäre die nicht unchrlich", daß die, welche den Mary'schen Brief eine Puppe in der Hand von Mary gewesen, für immer Revision des Programms, welche auf mehreren Kongressen tannten, einem Programm zustimmten, das Mary so hart bereits vor 1878 gefordert wurde, schon längst erfolgt verurtheilt hatte?" Wenn unsere Feinde sich trotzdem der Hoffnung hin und was jetzt, nach 15 jährigem Bestand der geeinigten Partei, geben, durch Veröffentlichung des Mary'schen Briefes werde naturgemäße Konsequenz der Entwickelung ist, wäre 1875 ein Keil zwischen die ehemaligen Lassalleaner und Eise- ein Hinderniß der Einigung gewesen.

zerstört ist.

Feuilleton.

Nachdrud verboten.]

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Bei Mama.

Roman von Arne Garborg .

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Worin soll die Unehrlichkeit" bestanden haben? Daß es sich um ein kompromiß- Programm handelte, das wußte jedes Mitglied des Einigungskongresses, und bei Kom­

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Den

Kind, von dem ich wußte, daß es in mich ein bischen Fanny und von den gleichen Gegenständen; sie wurde ein verliebt war, zu sagen: jetzt muß es aus sein... Na, ich ums andermal rasend und rächte sich, indem sie mit Moe, bin nicht sentimental; aber ich will verdammt sein, wenn dem Lageraufseher, Partien machte. An einem Sonntag­ich je etwas gethan, das mir gleich unangenehm war..." morgen unterhielt sich Aas fast nur mit Grethe; es handelte Hm! Sag' mir, Gram, hast Du nicht eine Uhr, die sich um allerlei musikalische Sachen, die Fanny nicht ver­richtig geht?" sprach Aas genirt; Fanny sah verletzt aus; stand; schließlich lud er beide Damen ein, mit ihm ins Theater Gram ärgerte sich und nahm Abschied." Ja, er kann takt zu gehen. Grethe sagte dankbar ja, aber Fanny antwortete Los sein," sagte Aas ; bitte, haben Sie schon gehört, was nein. Sie war so wüthend, daß sie sich kaum zu beherrschen Ebenso gestern im Arbeiterverein passirte? Es ist eben doch eine vermochte." Uf, wie dumm," sprach Aas; gehen Sie Anspruchsvoll? Er war ganz einfach so! " Ja," versetzte Fanny; ich benig könnte ich mit einer Dame verheirathet sein, die einen schofle Bude, dieser Arbeiterverein...." Jedenfalls aber denn anderswo hin?" bäßlichen Gang hat, oder mit einer, die mit dem Messer fonnte Fanny Gram nicht so zürnen, wie sie es hätte sollen. soll mit Moe den Arbeiterverein besuchen." Arb-?!" Ja. Viel Ver­ißt, oder mit einer, die viel lacht Es giebt, sehen Sie, Er war doch ein wunderlicher Mensch; denkt Euch nur, Arb-?!" Aas riß die Augen auf. gewiffe Dinge, die auf eine ganz bestimmte Art auf ein be wirklich Rücksicht zu nehmen auf ein Mädchen von dieser gnügen im Theater. Adieu!"- Sie ging. Es gelang ihr stimmtes Nervensystem wirken; es nützt nichts, daß man Sorte! Eigentlich steckte auch darin etwas Nobles; allein nur eben noch, das Weinen zu unterdrücken.- fich darüber hinaussetzt; man muß darauf Rückſicht nehmen, pfui, von dergleichen so zu reden, als wäre es eine ganz Sie ging wirklich in den Arbeiterverein. Und Moe, sich darüber hinaussetzt; man muß darauf Rücksicht nehmen, gewöhnliche Sache; ja, er mußte doch ein Freidenker dienstwillig wie ein Stadtbote, ging mit; er war so herzens­sein. Aas schwatte fort:... gjäßlich luftich, füachtalich " Sie werden sich also gut vorsehen, wie?" " Ja. Sie wollen mir natürlich sagen, man könne unvaſchämt, gejade jecht füa diesen ekelhaften Aamenjats gut. Sie fand es nicht so übel dort drunten. Es war eine Beim Worte Armenrathsvorstand zuckte Gesang; zum Schluß sollte sogar getanzt werden; fie traf sogenannte gesellige Zusammenkunft: Vorlesung, Musik, ich wieder trennen," ſang er in traurigem Tone weiter: voaſtand""... Bekannte aus der Volksschule und machte neue Bekannt­Wenn man ein wenig Nerven hat, so vermeidet man der­ber so etwas thut ein gebildeter Mensch einfach nicht. Fanny zusammen und begann wieder zuzuhören. Einmal traf sie Aas bei Magnesen; er sang und Grethe schaften; es war gemüthlich und sie kam in gute Laune. sleichen; man will, zum Teufel hinein, seine Privatissima begleitete und Fanny war eifersüchtig, so daß sie es kaum Sie wurde einem jungen, lebhaften, verständigen Mädchen richt im Böbelmund haben... Oder jedenfalls nicht früher, verbergen konnte. Seither geschah es öfter, daß fie mit Grethe vorgestellt, welches Helga Thorsen hieß, und einem mudelten als bis man so demoralisirt ist, daß es bei Gott schon alles zusammten famen; es war, als paßte diese auf, wenn sie munteren Menschen, namens Markussen; Markus eins iſt. Nur etwas so Simples, wie jemand, mit dem man spazieren gingen. Und sie kokettirte mit Aas so, daß es Olivarius Markussen; mit diesen beiden und mit Moe saß schon ekelhaft wurde. Fanny ſchien es, als müsse Mas errathen, sie im Speisesaal und unterhielt sich eine ganze Weile man ſchiebt es aber auch hinaus, bis es fast zu spät ist. wie ordinär Grethe im Grunde war; allein er merkte es lang. Markussen war fürchterlich amüsant. Am meisten Ich kenne das von solch einem leichtsinnigen Verhältniß, nicht im Geringften, plauderte mit Grethe genau wie mit vielleicht, wenn er lachte; er lachte, daß sich das Dach fast as ich einmal gehabt habe," von den Wänden hob. Er prüfte Fanny in allen möglichen Gegenständen; in Geographie erhielt sie die Frage: Welches find die größten Inseln von Schweden ?" Sie wußte es nicht;

wenn man wählt."

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hm!" machte Aas;

*) Der Armenrathsvorstand war eine der Koryphäen des

Bram merkte es nicht; es war ja gerade kein rares Verhältniß; aber dennoch, hinzugehen und' dem guten Arbeitervereins.

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