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Nr. 26.

Abonnements- Bedingungen: Abonnements Preis pränumerando: Bierteljährl. 8,30 mt., monatl. 1,10 m., wöchentlich 28 Pfg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags. nummer mit illustrierter Sonntags. Beilage, Die Neue Welt" 10 Pfg. Post­Abonnement: 1,10 Mart pro Monat. Eingetragen in die Post- Beitungs­Preisliste. Unter Kreuzband für Deutschland   und Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 8 Mart pro Monat.

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Ericheint täglich außer Montags.

Vorwärts

Berliner   Dolksblatt.

21. Jahrg.

Die Infertions- Gebühr beträgt für die fechsgespaltene Kolonel zeile oder deren Raum 40 ẞfg., für politische und gewerkschaftliche Vereins­und Versammlungs- Anzeigen 25 Pfg. ,, Kleine Anzeigen", das erste( fett­gedruckte) Bort 10 Bfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Grpedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Festtagen bis 8 Uhr vormittags geöffnet

Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Abonnements- Einladung.

Mit dem 1. Februar 1904 eröffnen wir ein neues Abonnement auf den Vorwärts" mit seinem wöchentlich fünfmal erfcheinenden Unterhaltungsblatt und der Sonntagsbeilage ,, Die leue Welt".

Für Berlin   nehmen sämtliche Zeitungsspediteure sowie unsre Expedition, Lindenstrasse 69, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennig frei ins Haus. Für das übrige Deutſchland   nehmen sämtliche Postanstalten Bestellungen zum Preise von

Sonntag, den 31. Januar 1904.

früher eingenommen hat, und daß sie aus der Entwicklung unsrer Berhältnisse bisher keinen Grund gefunden hat, von demselben abzugehen.

Warum verspricht sie nun in der Begründung nicht aus­drücklich: wenn wir jetzt genötigt find, ein Flicwerk herzustellen, so werden wir bereit sein, ein Ganzes zu machen und zwar das­jenige Wahlgesetz, das im Jahre 1849 in der Verfassung versprochen worden ist, sobald diese Steuerreform... durchgeführt ist. Wenn die Staatsregierung auf diesen Boden nicht tritt, so werden wir doch auf diesen Boden treten. Nachdem die Steuerreform durchgeführt ist, wird es eins unsrer obersten Ziele sein, eine gesunde, gründliche und definitive Wahlreform zu stande zu bringen."

Wenn auch schwach in der Geschichte, war Dr. Karl Bachem das 1 Mark 10 Pfennig pro Monat mals doch im Glauben start, im Glauben an das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht. Wenn er sich auf das Jahr 1849 berief, in ( ausfchliesslich 14 Pfennig pro Monat Bestellgeld) entgegen.( In dem das Dreitlassen- System oftrohiert wurde, wenn auch der Post- Zeitungsliste find jetzt die Zeitungen nicht mehr nach die oftroyierte Verfassung vom 5. Dezember 1848, auf die er sich Nummern, fondern nach dem Alphabet geordnet.) offenbar berufen wollte, nur jedem selbständigen" Preußen das Die Einziehung des Zeitungsgeldes von den bisherigen Post- ahlrecht versprach, so konnte man in solchen falschen Zungenschlägen abonnenten   erfolgt gegen Quittung durch die Briefträger, die zur damals noch keine üble Vorbedeutung erblicken. vollgültigen Quittungsleistung berechtigt sind.

Neu hinzutretende Postabonnenten können die Zustellung der Zeitung und die Einzahlung des Zeitungsgeldes auch schriftlich bei der zuständigen Postanstalt beantragen. Für derartige Bestell­

fchreiben etc. wird eine Gebühr nicht erhoben.

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Im Auslande kann der Vorwärts" gleichfalls bei der Post bestellt werden; der Abonnementspreis beträgt vierteljährlich in Belgien   5 Fr. 1 Cts.; Dänemark   3 Kr. 86 Oere; Holland 3 Fl.; Italien   5 Lire 61 Cts.; Luxemburg   4 Mk. 12 Pf.; Portugal   1455 Reis; Rumänien 6 Lei; Schweden 3 Kr. 87 Oere; in der Schweiz   5 Fr.; in England, Frankreich  , Spanien  , den Vereinigten Staaten   von Nordamerika   und andren zum Weltpostverein gehörenden Ländern 9 Mark.

Unter Kreuzband direkt von der Expedition bezogen kostet der Vorwärts" pro Monat 2 Mark innerhalb Deutſchlands   und seiner Kolonien, in Oestreich- Ungarn   und Luxemburg  , im Ausland 3 Mark pränumerando. Redaktion und Expedition des Vorwärts".

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Bachem Apoftata.

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Der Führer des Centrums Herr Bachem hat im preußischen Landtag erklärt es schadet nichts, diese schon gehörten Worte oft und öfter zu wiederholen, an die Einführung des ollgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlreichts für den preußischen Landtag sei nicht zu denken, weil doch das bestehende Reichstags­Wahlrecht auch als das reine Jdeal nicht anerkannt werden kann, und es doch, wie es sich gezeigt hat, Mißstände mit sich bringen tann, Mißbräuchen einen gewissen Naum giebt, von denen wir nicht wünschen können, daß sie ausgedehnt werden".

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Kein Zweifel also, der Wahlrechtsfreund Bachem ist tot, und nichts bleibt übrig mehr, als ein feierliches Begräbnis zu verrichten, bei dem die Leichenrede nicht fehlen darf.

Es ist noch nicht lange her, daß Dr. Karl Bachem, der Wahl­rechtsfreund, noch fröhlich in unsrer Mitte weilte. Er war damals tein Jüngling mehr, sondern ein reifer Mann mit reichen Erfahrungen und gefestigten Grundsäßen, und seine politische Laufbahn stand in der Sonnenhöhe ihres Erfolges. War er doch aus der Rebeschlacht gegen den bösen Wurm der Socialdemokratie fiegreich heimgekehrt und hatte den socialistischen Zukunftsstaat" so gründlich vernichtet, daß man schier nicht hätte glauben mögen, ein Kanzler des Deutschen Reiches würde nach elf Jahren das Bedürfnis fühlen, die gethane That noch einmal zu thun. Zu derselben Zeit war es, im Jahre 1893, als er auch im preußischen Landtage zu Gunsten des all­gemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts Wunder der Tapferkeit verrichtete. Von ihnen soll hier die Rede sein.

Schon im November 1892 hatte Bachem anläßlich der Be­ratung über die Steuerreform gegen das plutokratische Wahlrecht gedonnert und eine Reihe jener Wahlunsinnigkeiten aufgezählt, die zu registrieren heute fast ausschließlich Aufgabe der Socialdemokratie ist. Und damals rief er aus:

Das sind unerträgliche Zustände, meine Herren, und es ist die höchste Zeit, daß diesen Zuständen ein Ende gemacht wird. Das gilt in erster Linie von den Zuständen des fommunalen Wahl­rechts, aber auch von den Zuständen des Landtags- Wahlrechts. Sie glauben nicht, welche Erbitterung im Lande über derartige Zustände herrscht."

Die Veränderung des Steuersystems hatte dem Dreiflaffen­Kessel wirklich den Boden ausgestoßen, und die politischen Refsel­flicker machten sich mit einer fümmerlichen Wahlrechts- Novelle an die Arbeit. Da war es wieder der Wahlrechtsfreund Bachem, der im preußischen Landtage aufstand und rief:

Die Freifinnigen hatten damals, im Jahre 1893, unter Systems durch das Reichstags- Wahlrecht gestellt. Zu diesem Antrage Riderts Führung einen Antrag auf Ersetzung des Dreiklaffen­äußerte sich Bachem bei der zweiten Lesung der Wahlrechts- Novelle am 13. März- nimm vor des Märzen Jdus dich in acht! folgendermaßen:

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Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV. Nr. 1984.

daß Herr Bachem und mit ihm das Centrum im Jahre 1898 dem preußischen Landtag nicht nur das Reichstags- Wahlrecht als Muster vorgehalten, sondern auch gelobt haben, für dessen Ein­führung im preußischen Staate zu kämpfen,

daß aber Herr Bachem und mit ihm das Centrum im Jahre 1904 das Reichstags- Wahlrecht verleugnet und von seiner Ein­führung in Preußen abgeraten und damit die Hoffnung der Scharfmacher belebt haben, das Centrum werde bald auch im Reiche für jene Politik der Gewalt zu haben sein, die Herr Bachem im Jahre 1898 für ewige Zeiten gebrandmarkt hat.

Die Kölnische Volkszeitung" dolmetscht weiter: In den siebziger Jahren( 1 von den neunziger Jahren schweigt sie flüglich) sei auch das Centrum für die Ersetzung des Landtags- Wahlrechts durch das Reichstags- Wahlrecht eingetreten. Nun aber habe es sich davon überzeugt, daß die Ersetzung des Dreiflassen- Wahlrechts durch das Reichstags- Wahlrecht einfach unerreichbar ist". Staatsregierung, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus würden sich entschieden ablehnend verhalten. Das Centrum aber sei gewohnt, praktische Politik zu treiben usw.

So müde hat Herr Bachem, wie wir wissen, vor elf Jahren nicht gesprochen. Damals loderte in ihm und seinen Freunden noch das heilige Feuer der Begeisterung. Die praktische Politik" aber, läuferei doch nur die Entschuldigung: sie hätte sich nicht aus Ver­die die starre Konsequenzmacherei verschmäht, hat für ihre Ueber­räterei, nicht um Judaslohn, sondern nur aus Erschöpfung ergeben. Wenn dem so ist, dann heißt es freilich: Ablösung vor! Das blanke Schwert der Wahlrechtsforderung blinkt noch immer in ,, Wir haben uns, was das Reichstags- Wahlrecht angeht, in der Hand der Socialdemokratie rein und ohne Scharten. Die Sos der Kommission auf denselben Boden gestellt, auf den wir uns cialdemokratie wird es niemals für praktische Politik halten, fich feige schon in der ersten Lesung in diesem Hause gestellt hatten. Wir in schmähliches Unrecht zu finden und ihr Programm nach den haben damals offen ausgesprochen: wir halten fest an dem principiellen Boden, den wir schon von jeher eingenommen haben, wonach wir das allgemeine, direkte, geheime Wahlrecht, wie es für die Reichstagswahlen besteht, für das richtige auch bei den Landtags­wahlen halten. Wir müssen aber leider einsehen, daß zur Zeit auf diesem Gebiete nichts zu erreichen ist.... Als daher in der Kommission von andrer Seite der Antrag gestellt wurde, das Reichstags- Wahlrecht einzuführen, auch für die Landtagswahlen, haben wir uns entsprechend dieser Stellungnahme damit begnügt, für den Antrag zu stimmen, ohne materiell in die Debatte einzu­treten."

Wünschen der preußischen Herrenhäusler zu korrigieren, wie es das Centrum nach dem Geständnis der Kölnischen Volkszeitung" thut. Und schließlich wird es auch der letzte christliche Arbeiter einsehen, daß fein gläubiger Statholit gehalten ist, politischen Gauklern oder Feiglingen nachzulaufen, weil sie das Kreuz breit an der Brust tragen.

Socialpolitische Aussichtslosigkeit.

fichtslosigkeit.

Die Vertröstung auf das filberne Nichtschen und das golbene Solches Uebermaß der Boltsfreundlichkeit war für Konservative Warteweilchen tennzeichnet die socialpolitischen Anschauungen der und Nationalliberale schwer zu ertragen. Als man denn unfrem Regierung. Schon die bisherigen Debatten zum Etat des Reichs. Helden durch die Blume zu verstehen gab, er habe gut reben, da er amt des Innern haben keine Aussicht auf irgend welche wesentlichere in seinem Crefeld   sicher size, er werde aber ein ganz andres Lied Fortführung der socialen Reform gebracht. Die Sonnabendberatung pfeifen, wenn auch ihn einmal die socialdemokratische Gefahr auf über die Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und bie die Nägel brennen werde, gab er ihnen in der ganzen Würde eines Arbeitstammern, die durch die Centrumsinterpellation ans wahren Boltstribunen eine Antwort, die sicherlich zum Klügsten und geregt wurde, vervollständigt das Bild dieser socialpolitischen Aus Beften gehört, was von bürgerlicher Seite über Wahlrechtsfragen gefagt worden ist. Es muß wohl auch erlaubt sein, diesen Ausspruch zu citieren, Auf dem Gebiet, dessen Behandlung das Centrum vorschlug, obwohl es manchen Herren vom Centrum nicht recht lieb sein möchte. sollte, so wurde von den ewig Hoffnungsseligen erwartet, der große Aber seitdem Graf Bülow für die ganze bürgerlich politische Welt socialpolitische Wurf der Regierung geschehen. Der Frankfurter das Erlösungswort gesprochen hat: im übrigen muß ich es ab- Kongreß der vielgepriesenen regierungs- und Königstreuen Arbeiter. lehnen, ein starker Konsequenzenmacher zu sein", und organisationen hatte der Regierung in Aussicht gestellt, baß einiges damit dem Princip der Principienlosigkeit auch in der Theorie jenen Entgegenkommen diese Bewegung mächtig fördern und der Social­Platz verschafft hat, den er in der Pragis längst einnimmt, brauchen demokratie gewaltig Abbruch bereiten werde. Und Graf Bülow fich erprobte Politiker dessen nicht zu schämen, wie lächerlich ideal hat der Deputation des Kongresses leutseliges Entgegenkommen be fie einmal gedacht oder doch geredet haben. Herr Bachem rief also: zeugt. Als dann das Centrum seine Anfrage im Reichstage ein Jedenfalls, meine Herren, verzichten wir darauf, auf diesem brachte, ersuchte die Regierung um Aufschub der Beratung, so daß Wege, auf dem Wege eines Wahlzettels, die Socialdemokratie zu die Erwartungen der Erwartungsvollen erst recht hoch gespannt bekämpfen. Wir bekämpfen die Socialdemokratie auf einem andern wurden. Wege. Wir bekämpfen die Socialdemokratie, indem wir die Gesamtlage unsrer Verhältnisse, speciell die Lage unsres ar­beitenden Standes zu beffern suchen. Denn das ist nach unsrer Ueberzeugung der einzige Weg, auf dem dauernd die Socialdemo­tratie überwunden werden kann.( Sehr richtig! im Centrum.) Aber auf künstliche Weise der Socialdemokratie auf dem Wege eines Wahlgefezes entgegenwirten zu wollen, das würden wir für eine ganz verfehlte Politik halten. Denn das wird der Herr Kollege France doch auch zugeben, daß man auf diesem Wege die Socialdemokratie, soweit sie vorhanden ist, zwar künstlich zurückhalten, aber nicht innerlich überwinden tann. Darauf aber tommt es an, und davon hängt die Zukunft Deutschlands   und Preußens ab, daß die Socialdemokratie innerlich überwunden wird.( Sehr richtig! im Centrum.) Aber, meine Herren, auf dem Wege der Gewalt, auf dem Wege eines Wahlgefeyes, der doch ein Weg der Gewalt, jeden­falls der Weg eines materiellen Druces ist, die Bestrebungen der Socialdemokratie zurückhalten zu wollen, damit kommen wir auf die Dauer keinen Schritt weiter. Auf diese Politik lassen wir uns durchaus nicht ein.

Es war einmal! Am 23. Januar 1904 aber ist Herr Dr. Karl Bachem zum Dreillaffen- Wahlrecht gelaufen und hat das Reichstags­Wahlrecht bei ihm verklagt. Es habe Mißstände mit sich gebracht, die..., und Mißbräuchen Raum gegeben, welche..., und furz und gut, mit diesem Wahlrecht sei es auch nichts.

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Warum ist die Kölnische Volkszeitung" so verlegen? Warum schreibt sie, daß doch auch die Socialdemokratie das Reichstags­Wahlrecht für verbesserungsfähig halte im Sinne des Proportional " Die Regierung fagt in ihrer Begründung, es handle sich Wahlrechts und will sie zu verstehen geben, daß Herr Bachem nicht um eine grundsätzliche Aenderung des bestehenden Wahlrechts. offenbar etwas Aehnliches gemeint haben müßte? Herr Bachem war Meine Herren, was unter einer grundsäglichen Alenderung des sicherlich nie ein guter Stilist er spricht immer von Boden, die bestehenden Wahlrechts zu verstehen sein würde, darüber kann man gegenüber einer gewissen Frage festhalten müsse", aber daß ja ein Zweifel nicht sein: die Regierung verweigert ihre Zu- er im stande ist, seine Meinung verständlich auszudrücken, hat er doch stimmung zum allgemeinen, direkten Wahlrecht in Staat und Ge- vor elf Jahren reichlich bewiesen. Wenn sich die Kölnische Bolts­meinde... Meine Herren, ich kann demgegenüber nur Zeugnis da- zeitung" also als die besorgte Gouvernante giebt, die das findliche vou ablegen, daß meine Partei nach wie vor an demselben Gestammel ihres Lieblings lächelnd in die Sprache der politisch grundsätzlichen Boden gegenüber dieser Frage festhält, den sie Erwachsenen übersetzt, so muß doch daran festgehalten werden:

Doch was so erhebliche Hoffnungen erweckte und so langer Vor­bereitung bedurfte, enthüllte sich nun als gar ungewisse und zweifel­hafte Gabe. Allerdings die Zufriedenheit der Interpellanten und der ihnen geistesverwandten bürgerlichen Parteien wurde den Er­flärungen des Grafen v. Posadowsky   zu teil, was jedoch nur die Genügsamkeit dieser Parteien und nicht die Güte der Erklärungen beweist.

Die bürgerlichen Parteien zeigten schon durch die jämmerlich geringe Zahl ihren anwesenden Mitglieder das geringe Interesse, das sie für die wichtigsten socialpolitischen Angelegenheiten haben. Würden sie noch so eifrig gewisse socialpolitische Forderungen in Worten heischen, wie soll die Regierung diese Forderungen noch ernst nehmen, wenn die Parteien durch Abwesenheit die Bedeutung solcher Debatten fläglich herabwürdigen. Fast die ganze Sizung hindurch waren mehr Abgeordnete der Socialdemokratie anwesend, als von allen andern Parteien. Die Rechte war völlig verwaist, aber auch die Freifinnige Volkspartei hatte stundenlang feinen ein zigen Abgeordneten außer ihrem bestellten Redner im Saale.

Herr Trimborn begründete die Interpellation. In der famt allen kleinen Wischen und allem Pathos wohleinstudierten Rede forderte er die fräftige Fortführung des Arbeiterrechts, Rechtsfähigkeit der Berufsvereine, Sicherung des Koalitionsrechts, Errichtung von Arbeitskammern, in denen die Arbeiter ihre Wünsche und Beschwerden zum friedlichen Ausdrud bringen" tönnen. Herr Trimborn bekannte auch sehr offen die Motive der Arbeiterpolitik des Centrums, er sieht in seinen Vorschlägen das treffliche Mittel zur Bekämpfung der Socialdemokratie. Gäbe es teine Socialdemokratie, deren Wachstum man zu verhindern bemüht ist, so würde sich mithin das Centrum die socialpolitischen Bemühungen ersparen! Aber die Er­wartung, unfrer Partei Schädigung zu bereiten, überlassen wir gern der Centrumspolitik, da die Socialdemokratie im Gegensatz zum Centrum, das aus parteipolitischen Gründen in gezwungener Social politit sich quält, Socialpolitik aus Grundsatz übt, gleichgültig, welche parteipolitischen Folgen daraus erwachsen können. Allerdings wissen wir, daß die Centrumshoffnung gründlichst in die Jrre geht, da sie auf völliger Verkennung der eigentlichen Grundkräfte des Socialismus