Nr. 152.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Biertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags: Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 Mr., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs Preisliste für 1892 unter Nr. 6652.

Vorwärts

9. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 43 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Seru spred- Anschluß: Amt I, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

Sonnabend, den 2. Juli 1892.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

mit Leuten. Schade nur, daß keiner von ihnen eine Idee da einmal eine Ranoefahrt im tropischen Amerika  Doch es war so. Ein alter schlauer von hatte, wie es eigentlich in Südamerika   und speziell in gemacht hat. Paraguay  , das man mit dem großen Aktienkapital beglücken Amerikaläufer wurde als Koloniefaktotum gewonnen und ging zu Lande nach Capibary" ab, um mit ein paar Maurern ein„ Direktionshaus" herzustellen.

Zum Quartalswechsel eröffnen wir ein neues Abonnement wollte, aussieht. auf den

„ Vorwärts"

Berliner   Volksblatt

mit der illustrirten Sonntagsbeilage

,, Neue Welt",

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unter Nr. 6652.)

Die Redaktion und Expedition des

Zur Leitung der Geschäfte wurde natürlich ein Mann mit einem wohlklingenden Namen gewählt, Herr Baron Karl v. Gülich, der zwar finanziell etwas gedrückt war, dafür aber einen Bruder hatte, der einmal preußischer Ge­sandter in Buenos- Aires gewesen.

Die Summe, über welche die Gesellschaft verfügte, war für südamerikanische Verhältnisse, wo man meist nach englischen Pfunden rechnet, sehr gering. Hätte man sich schließlich darauf beschränkt, einem einzigen Unternehmen nachzugehen, so wäre es am Ende noch gegangen. Aber dieser in den Augen der Herren so mächtige Haufen Geld wurde in so vielerlei Sachen angelegt, daß aus keiner der selben etwas Rechtes wurde.

Man beschloß nämlich, mit dem Kapital eine große Estanzia( Viehwirthschaft) zu betreiben, eine Kolonie an­zulegen, Schifffahrt auf dem Rio Paraguay   zu treiben, eine Ziegelei in großem Maßstabe zu errichten und nebenbei noch allerlei Geschäfte zu treiben, wie sie sich damals in den südamerikanischen Gründerjahren flüssigem Sapital leicht anboten.

Fast zur selben Zeit errichtete man in dem Flecken Jtá eine Ziegelei, an einem Drte, der von den Transport­wegen des Landes so weit ablag, daß an irgend welche Rentabilität nicht im Traume gedacht werden konnte. Wie bei vielen unfaßbaren Dingen spielte auch hier„ das ewig Weibliche" eine große Rolle bei der Auswahl des Ortes. Zum Betrieb der Ziegelei schickten die Herren aus Leipzig  drei Zieglerfamilien aus Deutschland   hinüber, die einen Doch dauerte die festen mehrjährigen Kontrakt hatten. Herrlichkeit nur ganz kurze Zeit. Die Leute sahen selber bald ein, daß hier nichts zu holen war. Um den deutschen  Kontrakt kümmerte sich Niemand recht, und so leben zivei dieser Familien heute noch in ärgster Armuth und Ver­kommenheit auf ihre eigene Fauft in Paraguay  , während die dritte, eine brave Familie, einem schrecklichen Schicksal anheim fiel. Sie wurde nämlich von einem Bolizisten des Fleckens und einem indianischen Knechte auf grauenhafte Weise ermordet, weil diese beiden Unholde sich der Hab­seligkeiten der armen Menschen bemächtigen wollten. Ueber die unglaublich lange Verschleppung des Kriminal­

„ Vorwärts" Berliner Volksblatt. baum, daß troß der Mannigfaltigkeit der Geschäfte der prozeſſes feitens der paraguayiſchen Behörden- die Mörder

Eine deutsche Muster- Rolonie.

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Eine eigenthümliche Maßregel war es nun von Au­beginn, wurden viele Vertreter v. G. feine eigene Initiative hatte, sondern wurden erst nach 3 Jahren abgeurtheilt bei jedem Quart schriftlich die Herren Direktoren, harte Urtheile in deutschen   Kreisen laut. Jch ent die die Kolonisation theoretisch nach dem Schema des be- halte mich aller Kommentare, will aber doch das eine daß bei bei einer erregten Debatte über fannten Kolonisationsschwärmers Hübbe- Schleiden   trieben, erwähnen, um Genehmigung zu fragen hatte, was bei der bedeutenden den Gegenstand in einem deutschen   Geschäft zu Asuncion  Entfernung ungemeine Unzuträglichkeiten hatte. der zufällig anwesende Konsulatsdiener fals ein kleiner Es wurden aber schließlich doch in Jtacurubi del Offiziofus erklärte, das deutsche Konsulat habe keinen Grund, Rosario einige Meilen Band angekauft und mit Vieh sich in die Sache einzumischen, da„ Niemand einen formellen Antrag gestellt habe" und weil die Leute nicht verheirathet gewesen wären, sondern im Ronkubinat zusammenlebten. ( Man pflegt in Südamerika   im Allgemeinen nicht all­zuviel auf die" Form" der Eheschließung zu geben.)

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Lag die

Während die Maurer auf der Kolonie Capibary" be­

schäftigt waren, kam eine zweite Familie, welche die Direktion der Gesellschaft in Europa   in festen Kontrakt genommen, eine Försterfamilie, an, deren sämmtliche Mitglieder nied­liche, am grünen Tisch in Leipzig   konftruirte Aeniter hatten. Der Vater sollte" Forstkulturen" anlegen, der älteste Sohn über das Bieh gesezt sein, Töchter und jüngere Brüder eine imaginäre Fähre leiten. Der erschreckte Herr v. Gülich, der mit diesen Leuten

Wer den deutschafrikanischen Mißerfolgen mit offenen Augen nachgeht, muß, falls er einigermaßen mit außer besetzt. deutschen   Verhältnissen vertraut ist, nothgedrungen zu der Die eigentliche Kolonisation ließ aber noch recht lange Ansicht kommen, daß diese Mißerfolge wesentlich auf die auf sich warten. Erst zur Zeit als Förster seine Konzession gelehrten und schneidigen Herren zurückzuführen sind, die erhielt, gab die Regierung der Leipziger Gesellschaft eben dort regieren. Es wimmelt nur so von Adel aller falls 12*) Leguas am Bache Capibary, Schattirungen und Leuten mit Rathstiteln, und alle diese Förster'sche Kolonie schon abgelegen, so befand sich Capibary Herren werden es nie begreifen, daß es draußen in der in einer Gegend, die soweit von allem menschlichen Verkehr Welt noch andere Menschen und Verhältnisse giebt als abliegt, daß es schier undenkbar ist, wie ein vernünftiger Berliner   und daß man draußen von diesem speziell Berliner   Mensch europäische Ackerbauer dorthin bringen wollte. Geist, der alle diese Beglücker dunkelfarbiger Stämme be- Um die Kolonisten mit ihrer Habe nach dem Platz feelt, durchaus nichts wissen will. An diesen schneidigen Herren ist auch die„ Leipziger   bringen zu können, rechnete der Leiter auf den Wasserweg, südamerikanische Kolonisations: Gesellschaft" elend in die und auf diesem dauert es 12-16 Tage, ehe man das Brüche gegangen, zur selben Zeit als das Unternehmen Roloniegebiet von dem nächsten paraguayischen Flußhafen absolut nichts anzufangen wußte, schickte in seiner Ber­Was das für einen Neuankömmling mit Frau und zweiflung die ganze Familie nach der Ziegelei nach Jtá, fluth deutscher   Kolonialbestrebungen als Aktiengesellschaft Jenes Unternehmen gründete sich zur Zeit der Hoch- Kind zu bedeuten hat, kann nur der verstehen, der wo sie eine ganze Zeit lang umberlungerte. mit einem Kapital von 300 000 M., das später auf*) Auch Förster   erhielt 12 2. nicht 10, wie der vorige Artikel die Kolonie, obwohl noch kein Kolonist da war und in der

Förster's verkrachte.

erreicht.

Unterdessen bemühte man sich um einen Lehrer" für infolge eines Schreibfehlers fagt. Die Bemerkung der Redaktion That auch niemals ein einziger Kolonist auf die berühmte es besteht dem Namen ist unrichtig. Die paraguayische Legua hat nur 18,5 Quadrat- Rolonie gekommen ist, und entdeckte die dafür geeignetste Person Anm. des Verf. in einem Herrn v. Sch., der an unstillbarem Branatweindurft nach noch heute aus lauter in ihrem Fach sehr gelehrten Kilometer.

500 000 m. erhöht wurde.

Das Direktorium bestand

Feuilleton.

Nabbrudt verboten.)

[ 2

Das schlagende Wetter.

Uebersetzt von B. und A. G.  

Roman von Maurice Talmeyer.

unaufhörlichen warmen Regenschauer und jenes ewigen Seele hob sich ein Theil der Erdkruste   empor und senkte Nebels, durch den die Strahlen des ewigen Lichts regen- fich, wo sie hoch war; das was in der Höhe existirt, ward bogenfarbig hindurchflimmerten. Die Sonnenstrahlen ge- erniedrigt. Wälder, Wiesen, inselreiche Weergegenden langten zum Erdball durch die warmen rosigen Nebelwolken gingen unter, und alles was lebte, verfaulte unten im wie durch ein Sieb, so wie sie neugeborene Kinder bestrahlen Wasser. Dann spilte das Meer auf diese Ueberreste durch das Gazenet ihrer Wiegen. Die Erde war mittelst schaufelweise seine Anschwemmungen und zog sich in der des Wassers dieser nährenden Regengüsse mit dem Himmel Folge zurück, und andere Wälder erwuchsen auf den ersten, geeint im Zustande unaufhörlichen Aufsaugens. In dieser und neuer Frühling ergrünte aus der Fäulniß. Auch die Natur wird alt und stirbt. Ein Epoche sah der in der Natur schwebende Geist Millionen Wolfen wie Millionen Brüste und Millionen kleiner wer- Stelett ist alles, was übrig bleibt vom Menschen; ein ver dender Juselu. Und Alles keimte Inftig drauf los, die rie- pesteter schwarzer Felsen ist der Rest vom Paradies, und Legionen von fremdartigen Fischen gleiten in der Stille figen Farrnkräuter, so hoch wie Cedern, die gigantischen der Mensch vollzieht heut im Kadaver todter Waldungen, des Sees dahin und Schaaren vorsintfluthlicher Käfer Schachtelhalme, halb Gräfer und halb Bäume, Ungeheuer was der Frühling erfüllt im Leichnam des Menschen. beleben mit ihrem Fluge die Luft, in der niemals eine der Pflanzenwelt, bewehrt mit Nadeln; die rinden­Stimme gesprochen hat. Unter dem düsteren Himmel war umgitterten Schuppenbäume( Lepidodendren), an den Stämmen noch nichts zu hören als das Geräusch von Flügeln. Alles mit damenbrettähnlichen Scheidewänden versehen und mit war wüst, jungfräulich, brennend heiß und die zahllosen Zweigen ausgerüstet, die den Schwänzen ungeheurer Eich- Station dient auf der Eisenbahnlinie Paris- Köln, und den Hände des Unendlichen konnten die nachgiebige Erdkugel hörnchen ähnelten; fleischige Pflanzen, mit zackigen Schäften, man in zwei Stunden von der kleinen Stadt Marchiennes  Eine mächtige steinerne Brücke mit fünf fneten wie eine noch weiche Hirnschale. Es gab noch keine die Annularien, welche auf der ungeheuren Wasserfläche ihre aus erreicht. Glätscher an den Polen  , keine Felsen auf den Bergen. Die quirlständigen Laubzweige ausbreiten und die Siegel- Bogen, die ganz schwarz gefärbt ist durch eine vom Regen die mit Federbüschen verziert waren, wie und Rauch geschaffene Schmutzkruste, beherrscht das Dorf, Liebe hatte die Erde noch nicht bevölkert. Weder Marmor bäume,

II.

Bont- sur- Sambre ist ein kleiner Marktflecken, der als

noch Granit war aufgethürmt an den Küsten. Auf den Kriegshelme, und deren Stämme gleich unförmigen dessen Häuser am Ufer des Flusses malerisch gruppirt sind Bäumen flatterten noch keine Bögel; aber in den Wäldern Hieroglyphen eine Menge regelmäßig geordneter Brüste zu und eine fleine unbewegliche graue Heerde bilden, die lauerten auch keine Tiger. Und wenn der Mensch nicht haben scheinen, von denen die einen immer auf den anderen am Fuße einer Reihe, eichenbewaldeter Hügel liegt, über geboren worden wäre, wäre auch der Winter noch nicht liegen. Eine überschäumende aus Rand und Band ge- welche sich die Spitze eines Kirchthurmes einem Hirtenstabe hereingebrochen. Kein Gold, feine Diamanten und rathene Pflanzenwelt, überwuchert von grünem Blattwerk, gleich ausstreckt. Hin und wieder, wenn ein Eisenbahnzug Smaragden erglänzten im Licht; aber das überall verbreitete gleichsam der Ausschlag der Erdkugel, der durch alle Poren von Frankreich   oder Deutschland   kommt und dröhnend Grün lachte in ewigem Sommer. Von Zeit zu Zeit tauchten ihrer Rinde drang. Das Alles athinete, das Alles ward über den Viadukt führt, hallt es donnernd, wie Meeres­urplöglich buschige Hügel aus den Meeren, während andere durch das Säuseln des Windes in Bewegung gesetzt und brausen, in die Gegend hinein. Jene bewaldete Hügel, die versanten, als wenn riesenhafte Bögel in den grünen belebt an den Orten, wo jetzt die Kohlenarbeiter die Stein- Pont- sur- Sambre umringen, erscheinen grün im Sommer, Gewässern untertauchten, um sogleich wieder zu erfohle graben, einige Millionen Jahre vor der Sintfluth, goldbräunlich im Oktober und schwarz im Winter. Das ist das Land der Kohle. Schmale Schotterstraßen, deren scheinen. Die launenhafte Sonne blähte sich auf, um nachher einige Tausend Jahrhunderte, ehe der Mensch erstand. wieder zusammenzuschrumpfen. Das war die Zeit jener Und unter den Zuckungen einer tief innewohnenden glänzende Geleise sich unter den Bäumen dahinziehen,