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Nr. 159.

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Vorwärts

9. Jahrg.

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Fernsprech- Anschluß: amt I, Nr. 4186.

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Berufsgenossenschaftliches.

Sonntag, den 10. Juli 1892.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Politische Leberlicht.

Unfallverhütung und Versicherung zu drücken. Jetzt sieht mußten" mehr alg die Hälfte, nämlich es aus, als würden die Revisionen gründlich Ordnung 339, verschleppt und verzögert wurden, und zwar dadurch, Der Gleichgiltigkeit fapitalistischer Blätter für Arbeiterschaffen. Wer läßt sich dadurch täuschen! Wenn es Ernst daß die Rentenfeststellung anfänglich so niedrig erfolgte, fragen ist es zuzuschreiben, daß ganz skandalöse sein sollte, und zwar Ernft auf die Dauer, so hätten die daß die Arbeiter Berufung einlegen mußten. Das heißt Dinge aus der deutschen Ziegelei Beruf 3- Unfallberufsgenossenschaften fich nicht das Recht vorbehalten, aber in berufsgenossenschaftlicher Sprache ausgedrückt, daß genossenschaft öffentlich unbesprochen geblieben sind, durch die sogenannten Beauftragten sich selbst zu die Versicherung in jedem Falle" die Koften trägt. Und welche Ende vorigen Monats auf einer Delegirtenversamm revidiren. Dann hätten von Anfang an die über ihnen dann die dummdreiste Wendung: passirt dem Arbeiter lung dieser Unternehmerzunft in Köln   zu Tage traten. stehenden Fabrik- und Gewerbe Inspektoren mit der Etwas, so kann er spazieren gehen." Wahrscheinlich mit Hiermit soll die nothwendige öffentliche Besprechung gründ- alleinigen und gründlichen Aufsicht über die Durch zerschlagenen Knochen; oder soll das eine zarte Anspielung lich nachgeholt werden, und zwar an der Hand der Berichte, führung der Unfallversicherung betraut werden müssen, auf das Spazieren fahren der Herren Ziegeleibefizer sein? die Versammlung brachte. Das schwarze Blatt hat natür- hütet. Und man weiß warum. Jetzt stellt man sich an, geheuerlichkeiten, sieht ihnen ruhig und gelassen zu und lich im Uebrigen ebensowenig Stellung zu den in seinen als wolle man die Welt umreißen und gründliche Beffe- rühmt sich auch noch ihrer Arbeiterfürsorge. Diese Heuchelei Berichten erwähnten Standalen genommen, wie irgend ein rung schaffen; in 2 Jahren ist bei den Herren Berufs  - wird das Maß der Verantwortlichkeit bald zum Ueberlaufen anderes kapitalistisches. genossenschaftlern alles wieder wie früher, verloddert und bringen. Allgemein herrsche wohl die Ueberzeugung, daß es so vernachlässigt, was Arbeiterschutzmaßregeln angeht. Dafür wie bisher nicht weitergehen könne"- das waren die ist man ja Unternehmerzunft. Worte, die ein Ziegelei Berufsgenossenschaftler in Köln   Und weil diese Herren so viel Mist im eigenen Stalle feinen Kollegen ins Gesicht sagte; und der Mann hatte haben, so müssen sie die Aufmerksamkeit etwas ableuten, Recht. Er wußte seine Behauptung auch zu beweisen. Damit die Sache nicht für Näherkommende zu sehr- riecht. Gieben Jahre besteht jetzt das Unfallversicherungs- Gesetz- Wie können sie diese Ablenkung der öffentlichen Aufmerksam. auf dem Papiere; in der Wirklichkeit lachen die Unter- feit aber besser bewerkstelligen, als durch Schimpfereien auf Berlin  , den 9. Juli. nehmer einfach über seine Vorschriften und schlagen ihnen die Arbeiter, die ihnen ja jederzeit zur Hand find? Das wurde dem ein Schnippchen; Ein Opfer des Militarismus ist der im zweiten fie waren ja so schlau, sich auch auf dem Delegirtentage der Ziegeleiberufsgenossenschaft Jahr dienende Musketier Reboullon von der 11. Kom­die famose berufsgenossenschaftliche Organi in Köln   gründlich besorgt. Der Vorsitzende äußerte: ir, pagnie des 7. thüringischen Jufanterie- Regiments Nr. 96 fation, ein echtes Meisterstück Bismard'scher Kapitalisten- die wir in der Genossenschaft uns verbunden haben, find geworden, welcher sich am 5. Juli erschossen hat. Am politit, 8u ihren eigenen Aufsehern über eigenen Unterlassungsfünden zu machen. Lassen ihre zwar von Anfang an arbeiterfreundlich gewesen, aber heute 1. Juli d. J. bezog die Kompagnie auf einer Schießübung wir scheue ich mich doch nicht, offen zu sagen: jene Gefeßgebung begriffen, Quartiere in Meura  , Schwarzburg- Rudolstadt  , um aber den schon genannten Ziegelei Berufsgenossenschaftler, hat auf die Arbeiter ganz bie entgegengesetzte Wirkung ge- in der dortigen Gegend zu exerzieren. Der Reboullon, bas enfant terrible ſeiner Kollegen, selbst reden. Er be: habt, als man erwartet hat; fie wirkt demorali welchem vom Hauptmann der Kompagnie, ein sehr gutes richtete:" In den seit ber vorigen Delegirtenversammlung firend() in jeder Beziehung.( Lebhafte Beugniß ausgestellt wurde, machte bis zum Dienstag allen revibirten" Betrieben fehlten bei 30 pCt. bie Unfall 3ustimmung.) Die Sorglosigkeit der Arbeiter wird Dienst mit und klagte an diesem Tage Nachmittags seinen berhütungs- Vorschriften, bei 33 pt. die 2 o hub it cher, genährt durch das Bewußtsein, daß die Unfall, Kranken- Borgesetzten, daß er sich unwohl fühle und beim Aufrichten bei 35 pGt. Die erforderlichen Schuh vorkehrungen. und Juvaiibitätskaffen in jedem Falle die Kosten aus liegender Stellung heftige Magenschmerzen empfinde. Ferner wurden in einzelnen Betrieben Summen von 10 000 tragen. Die Unfälle haben sich nicht verringert, sondern Der aufsichtsführende Offizier, dessen Namen unser Gewährs­is 31 000 Mart als zu wenig nachgewiesene vermehrt, nicht zum geringsten deshalb, weil ber Ar- mann, ein naher Verwandter des Todten, noch ermitteln schäßung von Seiten der Genossenschaft vorgenommen wird, ich spaziren Die Fragebogen, wonach die Ein- beiter sich sagt: passirt Etwas, dann kann wird, hat das Ersuchen des Reboullon, ihn wegen Erkran­gehen.(!) Vertrauensärzte haben fung aus dem Dienst zu entlassen, abgelehnt und ihn ge­maren bei 50 pCt. unrichtig beantwortet. Der wiederholt geklagt, daß Arbeiter ihre durch einen Unfall zwungen, obgleich er sich nur unter starken Schmerzen von waren meist nicht nach Vorschrift, vielfach wurde zu vergrößern trachten. Besizwechsel wurde nicht angezeigt, die Gräbereien zugezogene Krankheiten oder Verlegungen zu verlängern und der Erde, auf welcher er zu Uebungszwecken gelagert war, Darum müssen wir ganz erheben konnte, den Dienst bis zu Ende mitzumachen.

durch

sogar Arbeiter vor- Nach beendetem Dienst schleppte sich R. in sein Quartier; unrichtig angegeben. Revidirt sind bisher 4061 Be- gehen, welche sich der Arbeit zu entziehen suchen, und mög- die Kameraden gingen aus, er blieb im Hause und klagte triebe, somit bleiben noch 8500 Betriebe zu revidiren. lichst solche fern halten, die mit Schäden behaftet find." Dies zu von Schmerzen gepeinigt seinen Miethslenten, daß er das Durchschnittlich kostet die Revision eines Betriebes 8,59 M. jagen, hat ein Mann die Stirn, der kurz vorher das Sünden Soldatenleben satt habe und lieber sterben möchte". 330 Betriebe wurden ermittelt, welche bisher nicht register der Unternehmer mit anhörte, der weiß, daß es das Eine ganz kurze Zeit später hörten die Hausbewohner

angemeldet waren. find Von den einzelnen Sektionen höchste Bemühen seiner Berufsgenossenschaftler ist, sich um einen Schuß fallen, und fanden, in dem Abort eingeriegelt, die Aufgaben aufgefaßt der Revision sehr verschieden jede Unfallverhütungs- Vorkehrung, die Geld foſtet, herum- den Rekruten als Leiche; der junge Mann hatte sich mit worden, manchmal wurde sogar durch zudrücken! Wo gegen 629 Unternehmer 4555 Mart Strafen einer Platzpatrone, durch einen Schuß in den Hals getödtet. Dieſe Feſtſtellungen genügen. Offener tann mal ben veils weil jenſt bez staudal, zu groß gewesen wäre, da spricht konstatiren, dem über Schmerzen klagenden Soldaten, nicht ſtändigen Bankrott vera berufsgenossenschaftlichen Unfalls viejer Herr Zeiter einer Berufsgenossenschaft von der zu Theil geworden; das Ausbleiben derselben, sowie der persicherung nicht proflamiren. Die eblen, Berufsgenossen" Demoralisation" der Arbeiter. Aus dem Jahresbericht der Zwang, weiter Dienſt thun zu müssen, haben den hierdurch ſehen eben einfach ihre Hauptkunſt darin, die Genossenschaft Genoſſenſchaft geht hervor, daß von ben 734 Fällen, in welchen des Lebens überbrüffig, gewordenen jungen Mann wen nach Möglichkeit zu bemogeln und sich von allen Laſten der Entschädigungen für verunglückte Arbeiter festgestellt werden Tod getrieben und ein blühendes Menschenleben vernichtet.

Feuilleton.

Mabrua verboten.]

Das schlagende Wetter.

Roman von Maurice Talmeyer.

Uebersetzt von B. und A. G.

VII.

[ 9

ihren Kindern zu geben pflegen. Brave Arbeiter hatten sie bei sich aufgenommen; der Mann war Abräumer, die Fran Näherin; sie gaben ihr einen Namen, und Ghilaine seit fieben Jahren ihr mageres Bischen Brot und wärmte fich an dem fargen Feuer ihrer feuchten, dunklen Wohnung, als der Mann und die Frau starben, beide in einem Monat, er in der Grube, sie am Typhus  .

trüben Augen und grauen Haare als ein leidenschaftliches Weib, das in seiner heftigen lärmenden Heiterkeit mit heiserer Stimme viel zu reden und mit den Männern in ihrer Kueipe zu trinken pflegte.

Es gab wenige Bergleute in Pont- sur- Sambre, die bei Mutter Barbe nicht Stammgäste waren, und Pierre Malen gehörte zu ihnen. Finster, menschenschen, blöde, wie er war, fette er sich stets allein in eine Ecke, trank und betrant sich. Die Wirthin hatte eines Tages teine Lust mehr sich noch länger die schlechte Laune des jungen Menschen so ruhig mit anzusehen. Sie stieß ihm daher mit dem Ellbogen in Ghilaine konnte etwa sechzehn Jahre alt sein. Sie die Seite und sagte: Ihr seht immer aus, als ob Ihr verliebt wärt! Ich bin's.

Sie wurde dann Schlepperin. Sie war ein armseliges, kränkliches Ding und weder hübsch noch häßlich. Sie blickte so furchtsam drein und hatte eine arme, kleine, aber gar nicht üble Figur.

Barbe blieb überrascht stehen.

Wie das redet! Da muß er sich natürlich besaufen! Und sie stemmte die Fäuste in die Hüfte:

Ja!

Wie heißt sie? Ghilaine!

Bor ungefähr dreißig Jahren, um das Jahr 1844, war ging jeden Tag nach der Grube. Ueberall wo man sie sab, sehr jung und sah sehr elend aus, zeigte dabei jedoch eine eines ängstlichen, schwächlichen Wesens, das sich kaum ge Pierre Malen Schlepper in Pont- sur- Sambre. Er war noch im Walde wie auf dem Felde, machte sie den Eindruck sonderbare Eigenthümlichkeit; er machte nämlich den Ein- traute, den Kopf umzudrehen, und nur, wenn sie sich manchmal brud eines recht intelligenten Burschen, was er aber allein glaubte, unbewacht von den Blicken Fremder, blieb sie noch gar nicht war. Wenn man ihm im Wirthshaus fizen stehen, um ein Gebet zu verrichten, am Fuße eines Kreuzes Also eine Liebschaft? fah, den Kopf auf die Ellbogen geftüßt, mit nachdenklichem oder am Rande des Weges. Da schien es ihr eines Mor Blick und schweigsam, das Gesicht fein und lebendig, konnte gens, als sie fortging, als ob sie an der Gassenecke einen man fast glauben, daß er aus höherem Stande stamme und Mann warten sehe. Dann war Jemand hinter ihr her ge in's Bolt dieser Bergleute hinabgesunken sei. Aber er war gangen, und von diesem Tage an fam es ihr imnier so vor, ein noch ganz unentwickelter Mensch, ein gut beanlagter am Tage sowie des Abends, als ob sie an der Straßenecte Wildling, der eine rohe, undeutliche Sprache redete und in einen Schatten erblicke und einen Schritt sich folgen höre. dem man, wenn man sein Auge aufmerksam betrachtete, Ah, die kenn' ich. Die Kleine von da oben, die da Bu jener Zeit gingen die Bergleute gern ihren Schoppen hinten wohnt. Wie? Wahrhaftig, die elternlose Ghilaine. einen Kopf erkannte, der nie etwas gelernt, einen Geist, der Wein oder ihr Glas französischen   Branntwein trinken Das reine Nichts-- nie einen Gedanken gehabt hatte. diese Ghilaine. in eine Schenke in dem oberen Dorfe, welche einer Frau Malen hatte seine Ranne geleert und war gegangen. Mädchen, Namens Ghilaine, das keine Eltern hatte und wurde. Sie war eine alte wallonische Landschönheit,| selben Zeit ein sehr In den nächsten Tagen kam er wieder. Eines Nachmittags schüttelte Barbe  , ermuthigt durch

Wer ist Ghilaine? Ghilaine!

von einer unbekannten Mutter zur Welt gebracht worden bäurisch derb und verweltt, dabei halb verwildert und arg sein auffeimendes Vertrauen, Malen, der zu schlafen schien.

war. Von ihren ersten Lebensjahren wußte tein Mensch verdorben; denn auch sie hatte früher das liederliche ziehung der Armen erhalten, wie sie die ehrlichen Leute Vertraulichkeit an den Tag und erwies sich ihrer' etwas zu erzählen. In späterer Zeit hatte sie jene Er Grubenleben geführt. Jetzt legte sie eine Art brutaler

Nun, Pierre?

Was denn?

Was giebt's Neues mit Ghilaine?