Wo steden bie 325 000.? Die„ Norddeutsche Reichskorrespondenz" schreibt:
Wie uns versichert wird, beruht die Blättermeldung, Freiherr b. Mirbach habe sich nur infolge eines deutlichen faiserlichen Wintes zur freiwilligen Zeugenaussage bequemt, auf Erfindung. In der That scheint vielmehr der Kaiser über die ganze Affaire nur sehr mangelhaft oder gar nicht unterrichtet zu sein. Es besteht offenbar das Bestreben, diesen Zustand fortdauern zu lassen, weil man in den betreffenden Kreisen befürchtet, daß der Kaiser für schleunige Aufflärung aller Einzelheiten sorgen würde. Diese Einzelheiten aber möchte man um keinen Preis an die Deffentlichkeit kommen lassen; deshalb nicht, weil dadurch ein hoher Herr aufs schwerste kompromittiert werden würde, in dessen Auftrag Freiherr b. Mirbach- wie man sich an der Berliner Börse feit Wochen recht ungeniert erzählt die 325 000 M. quittiert haben soll, von denen er keinen Pfennig erhalten" hat.
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Der Reichsbote" sagt zu diesem Gerücht:
Wenn man sich das an der Börse erzählt, dann ist es unnötig, daß man am Hofe die Sache im Dunkeln lassen will; gerade im Interesse des Hofes ist volle Klarheit erwünscht. Daß Herr v. Mirbach im Auftrage eines andren gehandelt habe, stimmt nicht mit seinen eignen Zeugenausfagen, nach denen er ganz felbständig mit den Herren Schulz und Romeid unterhandelte. Wo sind die 325 000 m. geblieben? Wie wird Herr Sello am Montag das Verschwinden dieser Summe erklären?
Das monarchische Bewußtsein. Die Deutsche Tageszeitung" erwähnt die 50 000 Mark- Spende für das„ Kleine Journal" und fügt hinzu:
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Man sieht, daß Freiherr v. Mirbach, der, wie bereits erwähnt, neuerdings wieder eine große Wohlthätigkeitsaftion in Scene gesetzt hat und durch die Oberpräsidenten und sonstigen staatlichen Organe die kapitalkräftigen Kreise der Provinz bearbeiten läßt, außerordentlich vielseitig ist und eine fieberhafte Thätigkeit entfaltet, von der man jetzt doch noch hoffen darf, daß sie eingestellt werden wird; da ihre Art und Wirkung auf die öffentliche Meinung, das monarchische Bewußtsein, die kirchliche Gesinnung usw. zur Genüge erkannt ist.
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Sache ist und bleibt aber, daß weder der Gerichtshof, der die Welt| Führerinnen der Menschheit geblieben und nur socialdemokratische schon einmal in Erstaunen gesetzt hat, noch der Staatsanwalt, der Gemeinheit hätte ihnen den Vorwurf des arbeitsscheuen Schmarozzerüber eine empfindliche Lücke in seinem Plaidoyer nicht hinwegsehen daseins gemacht. konnte, es für notwendig gehalten haben, den Dingen weiter nachEin schwieriger Fall. Die deutsche Automobil- Industrie ist vor zuforschen, und daß auch die Bücherrevisoren sich nicht zum Worte ein Problem gestellt, gegen dessen Schwierigkeit das Gordon- Bennettgemeldet haben, obgleich sie in der Lage waren, durch Einsichtnahme Rennen ein wahres Kinderspiel ist. in die an Gerichtsstelle vorhandenen Geschäftsbücher der PommernDas Neue Wiener Tageblatt" berichtet über die fürchterliche bank innerhalb weniger Minuten anzugeben, wie sich der Vorgang zwangslage, in die plötzlich der deutsche Automobilklub geraten iſt, am 28. Dezember abgespielt hat. in der folgenden erschütternden Weise: " Der deutsche Kaiser hatte furz nach dem Rennen dem Herzog von Ratibor und den Generalsekretär des Klubs, Freiherrit v. Brandenstein, gegenüber erklärt:„ Meine Herren, Sie haben wacker gearbeitet, ich danke Ihnen dafür und bitte Sie, mich als den Ihrigen zu betrachten und in die Liste der Mitglieder aufzunehnten. Num stand der D. A. K. vor einer eigenartigen Etikettefrage. Man kann den deutschen Kaiser nicht als gewöhnliches Mitglied aufnehmen; ihn zum Ehrenmitgliede zu ernennen, ist gleichfalls unthunlich, denn diesen Titel besitzt schon Prinz Heinrich von Preußen . Der Titel eines Protektors würde am ehesten entsprechen, doch Protektorin ist bereits die Großherzogin Anastasia von Mecklenburg- Schwerin. Der D. A. K. ersuchte die in Homburg anivesenden Herren der Presse, von der Mitgliedschaft des deutschen Kaisers vorläufig, bis zur Lösung der erwähnten Etikettefrage, nichts zu veröffentlichen."
König Eduard ist vor Kiel eingetroffen. Das Telegraphe= bureau verbreitet spaltenlange Berichte über die Empfangsfeierlichfeiten. Der Kaiser begrüßte den Oheim, wie„ W. B." meldet, auf das herzlichste durch wiederholte Stüsse auf beide Wangen. Das Wetter ist zunächst ungünstig.
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Aus London wird uns zu der Kieler Begegnung noch geschrieben:
Die Presse bespricht mur spärlich die Abreise des Königs nach Stiel. Die folgenden Bemerkungen sind der um jeden Preis friedlichen Daily News" entnommen:„ Wir haben eine Vorliebe für die Diplomatie oder die Ziele der deutschen Staatsmänner; tvir erinnern uns, daß der letzte Besuch des Kaisers( November 1902) mit einer höchst unglücklichen Aktion unfres Auswärtigen Anites zusammenfiel. Aber wir glauben, daß die Bitterkeit, die das ganze Land über das venezolanische Abenteuer und den Bagdadbahnplan zeigte, zu aus gesprochen war, um irgend eine neue Mesalliance zu gestatten. Indes, so mißtrauisch wir auch gegen die deutsche Diplomatie sind, so könnten wir doch auch mit Deutschland ein Uebereinkommen treffen, wie es zwischen uns, Frankreich und Italien getroffen wurde" ( nämlich, daß juristisch definierbare Streitpunkte dem Haager Schiedsgerichte vorzulegen seien).-
Ach, wir Armen! Herr May Lorenz führt seit einiger Zeit eine heftige Fehde gegen das Regierungsblatt, die„ Norddeutsche Allgemeine Zeitung". Das antisocialdemokratische Männchen ist lange genug in der Schule der Socialdemokratie gewesen, um sich wegen des unentivegten Blödsinns zu schämen, den sein offiziöser Bruder in der Socialistenmörderei jede Woche einmal von sich giebt. Selbst das letzte Kreisblatt stoppelt in der Tat nicht so armseliges Zeug Die Deutsche Tageszeitung" fürchtet die Beeinträchtigung des über die Socialdemokratie zusammen, als das Blatt des Grafen monarchischen Bewußtseins durch die Methoden des Oberhofmeisters. Bülow. In seiner legten Nummer würdigt" es die parlamentarischen Nach der Deutschen Tageszeitung" ist die Minderung des monistungen der Socialdemokratie wie folgt: archischen Bewußtseins nur bei finkenden Kornzöllen zulässig, und es ist allerdings unlautere Konkurrenz, den Agrariern die vielerprobte Drohung der„ krachenden Throne" zu beeinträchtigen.
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Es wird uns geschrieben:
Bei den Berichten über die Prozesse wider die Erner, TreberSchmidt, Terlinden, Sanden usw., wie vor einem Jahre und in den Tezten Wochen bei den Berichten über die Gerichtsverhandlungen wider die Pommernbankdirektoren muß das Publikum den Eindruck getonnen haben, daß die kaufmännische Buchführung eine Art von Geheimwissenschaft sei, in deren labyrinthischen Jrrgängen sich nur der Eingeweihte zurechtzufinden vermag. Und nicht nur bei den dem Kaufmannsstande nicht angehörenden Lesern, sondern auch bei sehr vielen Kaufleuten mag sich dieser Glaube festgenistet haben, denn es sind unter diesen so erstaunlich das klingen maa leider nicht 5 Proz., welche die doppelte Buchführung beherrschen. So nur ist es zu erklären, daß bisher niemals auf die klägliche Rolle hingewiesen worden ist, welche die Bücherrevisoren in allen diesen Prozessen gespielt haben, der eigentlichen Praris des Geschäftslebens fernstehende Leute, von denen man billigerweise nur kalkulatorische, teine fachliche Prüfung der Vorgänge ertvarten darf, die sich aber nicht einmal dieser einfachen Aufgabe gewachsen gezeigt haben, da sie andernfalls in dem Prozeß wider Schulz und Romeick schon vor eineinhalb Jahren alles das hätten finden müssen, was der Direktor Budde über verschleuderte Summen an Gerichtsstelle jüngst ausgesagt hat. Die doppelte faufmännische Buchführung, die nach ihrer Herkunft auch die italienische genannt wird, basiert auf dem höchst einfachen, aber genial erdachten Grundsah, daß jede Buchung eine Belastung und eine Gutschrift ausdrückt, daß mithin kein Conto gleichbiel ob es sich um ein lebendes( Personen-) Conto oder um ein totes ( Fach-) Conto handelt mit einem Betrage belastet werden kann, ohne daß gleichzeitig irgend einem andern Conto derselbe Betrag gutgeschrieben wird. Wenn wir, dieses Princips eingedent, die Vorgänge bei der Pommernbank betrachten, so ergiebt sich folgendes: In der Verhandlung vom 8. d. Wits. wurde festgestellt, daß die Direktoren Schulz und Romeick im Jahre 1900 außer andren Beträgen von der Immobilien- Verkehrsbank 500 000 m. empfangen haben und daß ihnen gemeinschaftlich dieser Betrag auf einem Conto Schultz- Romeid bei der Pommernbank gutgeschrieben worden ist. Schon an dieser Stelle der Verhandlungen mußte ein mit der Buchführung vertrauter Mann die doppelte Frage stellen, welches Conto damals bei der Immobilien- Verkehrsbank belastet worden ist und, falls die Zahlung wie wahrscheinlich ist nicht in bar erfolgte, welches Conto bei der Pommernbank belastet wurde, als man den Schulz und Romeick die halbe Million Mark gutgeschrieben hat.
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Nach Buddes Aussagen stellte sich bei der Pommernbant das Conto Schultz- Romeick
Vergütung der Immobilien- Verkehrsbank Zahlung an den Frhrn. v. Mirbach. Vergütung an das Conto K.
Das Conto K
Vergütung des Contos Schultz- Romeid der Pommernbank für Zinsen Zahlung an den Frhrn. v. Mirbach.
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im Debet
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im Credit
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Wir werden nicht verfehlen, der Welt mitzuteilen, in welcher Weise sich der Hochedelwohlgeborene Automobilklub aus der Schlinge zieht. Man sage mum noch, daß die Sportsleute keine Gehirnarbeit zu leisten haben!-
Zu dem Zeugniszwangsverfahren, das dem Genossen Ebeling vor dem Forum der Halleschen Richter im Beratungszimmer sehr eigenartig angekündigt wurde, wird uns noch mitgeteilt, daß man zimmer zu kommen. Landgerichts- Direktor Fromme erklärte allerdings, unsren Genossen ganz unerwartet aufforderte, mit in das Beratungsdaß er Ebeling nicht zwingen könne, den Herrn, mit dem er den Gerichtssaal verlassen habe, zu nennen, als Ebeling aber erklärte, daß er sich nicht zum Verräter irgend einer Person machen könne, meinte Herr Fromme, daß E. unter dem Eide doch schließlich den Herrn, der einen Klemmer trug, nennen müsse. Um was es sich in der Sache eigentlich handelt, konnte unser Genosse trotz wiederholter Anfrage nicht erfahren.-
Die sensationelle Militärgerichts- Berhandlung gegen den " Obwohl die Socialdemokratie mit 78 Köpfen auch nach den ver- Füsilier Kuropka von der 8. Compagnie des Garde- Füsiliers schiedenen Mißerfolgen bei den Nachwahlen leider immer noch die zweit- Regiments, über welche wir seiner Zeit ausführlich berichteten, be größte Fraktion im Reichstage ist, so wird ihre gesamte parlamentarische schäftigte am Sonnabend in der Berufungsinstanz das Ober. Thätigkeit durch nichts andres bezeichnet als eine fortlaufende Kriegsgericht des Garde- Corps. Kuropla war zu drei Monaten Kette von Niederlagen, aus deren Zahl wir hier nur die schwere Gefängnis und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes Abfuhr, die sich Bebel bei den Etatsberatungen zuzog, den völlig wegen Diebstahls an einem Kameraden verurteilt worden. Die verunglückten Borstoß zu Gunsten der ausgewiesenen russischen jetzige Beweisaufnahme war lediglich eine Wiederholung derjenigen Revolutionäre, die Verteidigung der Hereros und die als krasse vor der ersten Instanz. Die Zeugen blieben bei ihren früheren Uebertreibungen erwiesenen Anklagen wegen angeblicher Miß- Aussagen. Der Verteidiger des Angeklagten, Justizrat Winterfeld, handlung in Strafanstalten hervorheben möchten. Waren so beantragte die Freisprechung des Beschuldigten, da dessen Angaben die verschiedenen Interpellationen der Socialdemokratie lediglich durchaus glaubwürdig erschienen und positives Beweismaterial nicht ein Schlag ins Wasser, so ist anderseits das positive zu Tage gefördert sei. Der Vertreter der Anklage trat für VerErgebnis ihrer parlamentarischen Arbeit geradezu als Null zu werfung der Berufung ein. Der Gerichtshof sprach uropfa frei, bezeichnen, da die Partei auf ihren alten Spuren weiter wandelnd da er nicht vollkommen überführt sei und die Möglichkeit vorliegen auch gegen diejenigen Geseze gestimmt hat, die, wie die Ent- könne, daß Kuropka nur aus Furcht, wegen Majestätsbeleidigung und schädigung unschuldig Verurteilter die Errichtung von verurteilt werden zu können, zu dem früheren Geständnis seiner Kaufmannsgerichten, gerade den weniger Bemittelten zugute Schuld gedrängt worden sei. fommensollen.... Diese für die Socialdemokratiel so wenig erfreu liche parlamentarische Situation mag ihr den Gedanken nahe gelegt haben, ihre Agitation aufzufrischen durch Schaffung eines focialdemokratischen Kommunalprogramms, das dieser Tage im Vorwärts veröffentlicht worden ist. Da dieses vom Parteivorstand ausgearbeitete Programm auf dem Bremer Parteitage eine hervor ragende Rolle spielen wird, so können wir uns hier mit der Bemerkung begnügen, daß dieses Programm, da es sich selbstverständlich mit städtischen Spezial- und Detailfragen beschäftigen muß, fich mehrfach mit den bisher im Reichstag von den Socialdemokraten vertretenen schematischen Forderungen z. B. der gleich mäßigen Bemessung des Lohnes für alle Arbeiter und alle Arbeit ohne Unterschied in Widerspruch setzt."
In der Kette schwerer Niederlagen fehlt fnoch Einiges: so die furchtbare Zerschmetterung, die wir noch am letzten Tage in Sachen des preußischen Kontraktbruchgesezes erlebt haben, dessen Reichsrechtswidrigkeit selbst der Staatssekretär Nieberding zugeben muß.
Gewiß, es waren schwere Niederlagen und Schläge in das Wasser, das der bürgerliche Parlamentarismus produziert, als die Socialdemokratie allein eine principielle und systematische Kritik an der inneren und auswärtigen Politik übte, während die bürgerlichen Parteien feig und jämmerlich versagten. Die Aufdeckung der Russenschande war keine löbliche Kompromittierung des herrschenden Barvasallentums, die altenmäßige, in feinem Punkte erschütterte Darstellung des preußischen Strafvollzugs, die zu groben Täuschungen feiner Verteidiger und Hehler führte, war fein moralischer Zusammenbruch des Systems und seiner Begünstiger; die Ablehnung des
Stimmrechts für Frauen und die jüngeren Staufleute war keine reaktionäre Entlarvung des Deutschlands der Socialpolitik vor der ganzen civilisierten Welt. Nein, nicht unfre Gegner, sondern wir waren stets die Geschlagenen; denn es ist nicht zu leugnen: Wir waren die Minderheit.
Und in der Verzweiflung über so viel Niederlagen stürzten wir uns denn auf die Ausarbeitung eines Kommunalprogramms! 500000,-. Sonderbar, höchst sonderbar! Wir ahnten diese uns von der„ Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" bereiteten blutigen Niederlagen schon vor zwei Jahren voraus; denn schon vor zwei Jahren übten wir 500 000,-. 500 000,-. die Verzweiflungsthat der Kommunal Resolution, die jetzt nur für die Fortsetzung der Münchener Beratung in Bremen redaktionell im Credit ein wenig geändert worden ist. So ist die Socialdemokratie! Jm 350000,-. Jahre 1902 bereits schafft sie ein Wert, weil sie voraussieht, daß sie 2 353,30 1904 es als Trost in Niederlagen brauchen wird. Schließlich bewirbt sich die„ Norddeutsche Allgemeine Zeitung" noch um die Ehre, uns parlamentarische Anregungen zu geben. Wir follen nämlich bisher im Reichstage schematisch die Forderung vertreten haben, daß alle Arbeiter und alle Arbeit gleich bezahlt werden sollen. Uns ist ein socialdemokratischer Antrag dieser Art nicht bekannt. Und so ehrenvoll es für uns auch ist, daß das Regierungsblatt seine Gesetzgeberei uns ins Nest zu legen bemüht ist, so halten wir es doch für besser, damit es nicht umsturzverdächtig werde, daß es seine Weisheiten selbst verantwortet. Wir Armen haben genug an unsren Niederlagen zu schleppen!
25000,-M. 327 353,30
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Wüste Hehe gegen die Besitzenden. Wir lesen in einem Blatt: Trozdem werden drei Viertel von dem, was die beiden Damen erlebt haben wollen, einzig und allein damit zu erklären sein, daß sie gleich ihren wohlhabenderen Landsmänninnen ein überaus luxuriöses und verweichlichendes Dasein führten, ein Dasein, das zu allem, was ernste Arbeit heißt, in ausgesprochenem Gegensatz steht und sie so unfähig wie möglich machte, aus dem eignen Ideenkreis hinaus in den andrer, für das tägliche Brot arbeitender Frauen zu treten."
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Gegen die Herren"-Parlamente. Aus Stuttgart wird uns geschrieben: Die württembergische Socialdemokratie ist in die Protest bewegung gegen die Erste Kammer mit allen Nachdruck eingetreten. Am 23. d. M. fand in Stuttgart eine aus dem ganzen Lande zahlreich beschickte Vertrauensmänner- Versammlung statt, in der Abgeordneter Hildenbrandt referierte. Die Vertrauens männer einigten sich nach kurzer Debatte, die volle Einmütigkeit in allen wesentlichen Bunkten ergab, auf den Wortlaut folgender Resolution, die in den zahlreichen in nächster Zeit stattfindenden Proteft versammlungen zur Abstimmung gebracht werden wird:
Die Versammlung erklärt: Die Existenz der Kammer der Standesherren steht in frassem Widerspruch mit dem Rechtsempfinden des württembergischen Volkes. Sie verlegt die Rechtsgleichheit der Staatsbürger und giebt einer fleinen Anzahl landfremder Feudalherren die Macht, die Gesetzgebung in volksfeindlicher Weise zu beeinflussen.
Die Kammer der Standesherren hat der Erfüllung aller Reformforderungen seit Jahrzehnten Hindernisse bereitet und zuletzt wieder durch die Verwerfung der Volksschulnovelle bewiesen, daß auch der maßvollste Fortschritt im württembergischen Staatsleben unmöglich ist, so lange diese Körperschaft besteht.
Die Versammlung erachtet deshalb die Beseitigung der Ersten Kammer als das dringendste Erfordernis einer freiheitlichen Landespolitik; sie berwirft dagegen jede Reform, die nur die Zusammensetzung der Ersten Kammer ändern und dadurch die Lebensfähigkeit des Privilegienparlaments aufs neue stärken würde.
Die Entscheidung über die Geschicke des Volkes soll einer einzigen reinen Volkskammer zustehen, deren Mitglieder aus dem allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht hervorgehen müssen."
Die badische Kultusdebatte hat, so wird uns geschrieben, fünfi Sizungen erfordert. Der Minister hielt seine der Zulassung von Männerklöstern günstigen Bemerkungen aufrecht.
Noch niemals hat im badischen Landtag eine Kultusdebatte auf der Höhe gestanden wie diesmal, mit ungemeiner Gründlichkeit sind alle einschlägigen Fragen erörtert worden und alle Parteien haben fich an dieser Debatte beteiligt. Das Centrum hatte schwere Stunden zu bestehen. Zwar hat es den thatsächlichen Erfolg für sich, die gewünschten Klöster werden kommen, die liberale" badische Regierung, die so lange stolz war auf antiultramontane Festigkeit, ist nun auch der bayrischen und der Reichsregierung gefolgt und hat dem Centrum die schuldige Reverenz erwiesen, aber ein moralischer Erfolg ist mit diesem thatsächlichen für das Zentrum nicht verbunden gewesen. Von allen Seiten, insbesondere auch von den Socialdemokraten sind dem Centrum bittere Wahrheiten gesagt worden. Und es mußte schweigen dazu, denn Verlegenheitsre den sind keine Antwort. Auch die fortdauernden Versicherungen der Friedensliebe fonnten die Situation des Centrums nicht verbessern.
Erfreulich an der Debatte war auch, daß zum ersten Male scharfe prinzipielle Erklärungen für Trennung von Staat und Kirche von seiten einiger bürgerlichen Parteien abgegeben wurden. Demotraten und Freifinnige traten rüdhaltlos den Socialdemokraten in dieser Beziehung bei, wenn sie auch noch nicht die letzten Konsequenzen zogen und gegen alle Positionen des Kultusbudgets stimmten. Nur ein Teil der Anforderungen, die sogenannten freiwilligen Zuwendungen des Staates an die Kirchen fand auch in der Abstimmung ihren Widerspruch. Angenommen wurden alle Pofitionen des Kultusbudgets, die Nationalliberalen stimmten ja„ aus Prinzip" dafür, trotz ihrer scharfen Reden gegen das Centrum. Nur eine Position hatte auch unter ihnen einige Gegner, sie wurde trotzdem gegen 18 Stimmen genehmigt. Die Socialdemokratie stimmte selbstverständlich gegen sämtliche Kultusforderungen.
352 353,30. 352 353,30 W. Bei seiner Vernehmung am 15. d. Mts. hat der Freiherr v. Mirbach zugegeben, daß er sowohl die 150 000 M. wie die 25 000 M., welche wir oben im Debet sehen, empfangen hat, er hat auch ferner erklärt, schon früher im Jahre 1899 einmal 60 000 M. empfangen zu haben, diese„ Stiftung" aber, welche zeigt, daß schon vor dem Jahre 1900 den Aktionären der Pommernbank gehörende Gelder für Wohlthätigkeitszwede" verschleudert worden find, interessiert uns hier nicht. Um so mehr interessiert uns jene Restsumme von 327 353,30 M., von welcher der Direktor Budde klipp und klar ausgesagt hat, daß sie laut Quittung am 28. Dezember 1900 von dem Freiherrn v. Mirbach„ erhoben" worden sei, während dieser bei seiner Vernehmung behauptet hat, über diese Reſtfumme zwar eine Quittung, welche dazu dienen sollte, das Conto K aufzulösen, ausgestellt, von der quittierten Summe jedoch keinen Pfennig empfangen, ja sogar die Ausstellung dieser Quittung über mehr als eine Viertelmillion Mark vergessen gehabt zu haben. Muß es einem ernsthaften Manne schon schwer fallen, an diese Darstellung und besonders daran zu glauben, daß ein gewandter Hofmann, dem kein Pfennig ausgezahlt worden ist, schwarz auf weiß quittiert, einige hunderttausend Mark empfangen zu haben, so kann sich ein mit der Buchführung vertrauter Staufmann auf die freiherrliche Aussage überhaupt keinen Vers machen, weil es zur ehrlichen Auflösung des Contos K gar feiner Quittung des Freiherrn v. Mirbach bedurfte. Um dieses Conto K auszugleichen, gab es nur zwei Möglichkeiten: entweder wurde das Conto zu Gunsten irgend eines andern Contos ( z. B. des Zinsen, Provisions- oder Handlungsunkosten- Contos) Allerdings wird die Deutsche Arbeitgeber- Zeitung" nur dann die Volksschule in Lippe ganz unter dem Einflusse der Kirche gemit der Restsumme belastet oder aber es wurde diese bar ausgezahlt, hellseherisch für die verheerenden Wirkungen des Reichtums, wenn standen hat, wird nach der nunmehr vom Landtage unter Zustimmung in welchem Falle die Belastung zu Gunsten des Kassa- Contos hätte die Reichen einmal sich darum fümmern, wie die Armen leben. Der Regierung beschlossenen Fassung des neuen Gesezes die Facherfolgen müssen. Ist das letztere geschehen und die Aussage des Sie erhebt die Anklage des wertlosen Laster- und Luynsdaseins von aufficht eingeführt und zu diesem Zwecke ein seminaristisch gebildeter Direktors Budde spricht dafür so würde der Freiherr v. Mirbach zwei Amerikanerinnen, die als Arbeiterinnen in Fabriken gegangen Landesschulinspettor angestellt. Während der Uebergangsin unglaublicher Naivität mit seiner Quittung den Schulz sind und nun in tiefstem Entsetzen Schilderungen aus der Hölle der zeit von der fkirchlichen zur weltlichen Schulaufsicht soll dieser und Romeid das Mittel geliefert haben, die ganze Restsumme in Industrie veröffentlichen. Wären die beiden Damen zu Hause ge- Landesschulinspektor dem Konsistorium angehören, in welchem er die eignen Taschen zu stecken. Das wunderbarste bei der ganzen blieben und hätten nicht gearbeitet, so wären fie erlauchte beratende und beschließende Stimme bei allen Schulangelegen
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Was für eine entsegliche Verwilderung. ber Reichtum- weichlichendes Dasein unfähig zu allem, was ernste Arbeit heißt! Solche Leute giebt es also? Der Besiz ist nicht, wie wir es sonst lesen, metallisch geronnene Unternehmerintelligenz, sondern einfach Müßiggang , Unfähigkeit zur Arbeit?
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Wo aber wird so wüst gehetzt? Wir entnehmen diese Betrachtung schaudernd der Deutschen Arbeitgeber Zeitung", dem Organ der deutschen Arbeitgeberberbände, die nun auf die Liste der Umsturzblätter gesetzt werden muß.
Volksschulreform in- Lippe. Eine Korrespondenz berichtet: Bedeut same Reformen auf dem Gebiete des Volksschulwesens hat der lippische Landtag durch eine Reihe von Abänderungsbeschlüssen zu dem von der Staatsregierung vorgelegten Entwurf eines neuen Volksschulgesetzes in die Wege geleitet. Während bisher