Nr. 172.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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Dienstag, den 26. Juli 1892.
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Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
Für den Herbst dieses Jahres stehen die Wahlen verwaltung. Man wird mir erlassen, denselben zu schildern, zu den Provinzial Landtagen( diputacion da derselbe an sich nichts Charakteristisches bot. Es war Allem Auscheine nach geht Spanien einer sehr be- provincial) bevor. Daß die konservative Partei dasselbe dieselbe Erscheinung, wie überall bei derartigen Vorgängen: wegten Beit entgegen, und die politischen Kämpfe der Streben hat, nimmt ihr Keiner übel, aber daß sie zu den Polizei und Landgendarmen, Verwundungen und zahlreiche nächsten Zukunft werden auch den deutschen Sozialdemo- unehrlichsten Mitteln wie es in Madrid vorgekommen Verhaftungen, häufig Solcher, die in keiner Weise an den fraten manches Interessante und Lehrreiche bieten. ist ihre Zuflucht nimmt, wird ihr in der gegenwärtigen Vorgängen betheiligt waren, flägliche Reden der höheren
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Der Streit der Telegraphenbeamten ist Beit gewiß nicht zum Vortheil gereichen, kann dagegen ihren Beamten, Vertröstungen u. s. w. Der Bürgermeister, gegen längst beendet, obwohl sie bis heute noch kein bestimmtes Fall um einiges beschleunigen. Es sind nämlich die Wähler den die Bewegung Hauptsächlich gerichtet war, ließ sich Ergebniß erreicht haben. Bisher werden sie mit Ver- listen in verschiedenen Wahlbezirken auf das schmählichste nirgends sehen; der Gouverneur dagegen, welcher etwas sprechungen hingehalten, welche ihnen der Minister der gefälscht worden. Nach den vorliegenden Nachrichten mehr Muth" zeigte, trug einige Wunden davon. Tros Kolonien, Romero Robledo , machte, als er die Vermittelung handelt es sich bisher um 6000 bekannt gewordene der angewandten Gewaltmaßregeln unterlag die Regierung: zwischen den Streifenden und der Regierung übernahm. Es Fälschungen. In einer Wählerliste fehlen die Namen von sie wurde gezwungen, die Konsumsteuern, welche den Aufsteht zu erwarten, daß die Beamten ihre höchst billigen etwa 200 Personen, die als Republikaner und Liberale bestand hervorgebracht hatten, bis auf weiteres zu suspendiren. Forderungen durchsetzen werden. Der Streik hat die Haupt- tannt sind, während sich in derselben etwa 500 Namen von Die Interpellationen in den Parlamenten von Seiten der schuldigen, den Minister des Innern und den General- Personen finden, die garnicht in dem betreffenden Wahl- Oppositionsparteien erhielten nur klägliche und ungenügende direktor des Verkehrswesens zu Fall gebracht, wenn es auch bezirke wohnhaft sind, dafür aber den beneidenswerthen Ruf Antwort. Man forderte die Demission des Bürger in den Cortes von der Regierung auf das heftigste be- haben, fromme, gottesfürchtige und königstreue Konservative meisters von Madrid ; aber bisher ist dieselbe ftritten wurde. Während des ganzen Streiks hat die Re- zu sein. In der Oppositionspreffe herrscht desvegen große nicht erfolgt. Es hat faft den Anschein, als gierung nichts weiter bewiesen, als eine staunenswerthe Aufregung. Die Regierungspresse bleibt sehr gelassen, kann ob dieser solange warten will, bis seine Parteigenoffen aus Schwäche und Ohnmacht. 6 Tage lang ohne telegraphische sie sich doch trösten, daß andere Parteien es nicht beffer gemacht Rücksicht auf ihre gestörte Gesundheit" oder wegen ReNachrichten; das ist gewiß ein Zustand, welcher in einem haben würden. Zu allen Zeiten sind bei den spanischen Wahlen die gierungsmüdigkeit" und ähnlicher politischer Spiegelmodernen Staate unmöglich erscheinen sollte. Alle Versuche gröbsten Fälschungen vorgekommen; daß Todte noch ihre Stimmen fechtereien sich aus den Ministerien, Provinzialregierungen zc. der Regierung, jenen Zustand zu beseitigen, erwiesen sich abgeben oder Leute unter verschiedenen Namen stimmen, ist gehen laffen. als fruchtlos. Drohungen aller Art halfen nichts: die Re- nichts Seltenes bei Parteien, welche für den Augenblick die Ueber die Ursache des letzten Aufstandes hat der Vorgierung machte sich nur lächerlich. Am liebsten wäre sie Regierung in Händen haben. Wenn man den bürgerlichen wärts" schon verschiedentlich berichtet, es waren die unernatürlich mit Gewalt gegen die Streifenden vorgegangen, aber Parteien fachlich gegenübersteht, weder die eine, noch die hörten und ungerechten Konsumsteuern. Am besten nennt dazu fehlten ihr die nothwendigen Machtmittel. Ihre Presse audere für die moralisch beste hält, will es einem gleichgiltig man diese Art der Steuern die Besteuerung des mochte noch so sehr nach Polizei und Guardia Civil( eine erscheinen, wer von ihnen im gegebenen Augenblick das Heft Hungers". Alle Waaren, besonders Eßwaaren, müssen Art Gendarmerie) oder gar nach Militär schreien, in Händen hat. Das ist so ziemlich auch die Anschauung bei ihrem Eingange in die Stadt ungeheure Steuern tragen, alles half nichts, sondern trug nur dazu bei, des gesammten Voltes, so weit es nicht bei den politischen so z. B. Gemüse, Fleisch, Fische u. f. w., für den Korb, der die Ohnmacht der Regierung deutlicher zu enthüllen. Die Gaunereien aus diesem oder jeuem Grunde interessirt ist. nicht groß sein darf, 20 Pf. bis 1 M., etwa 11 kilogramm Telegraphenbeamten hielten eben fest zusammen, und die In den Mißständen und Wirrniffen kann nur eine aus der Wein 3 M., d. h. über 50 pCt. seines Verkaufswerthes vor schimpflichen Versuche der Regierung, die Einigkeit derselben Boltsseele hervorgehende Revolution Wandel schaffen. Darum der Stadt u. f. w. Der Wein ist hier ein nothwendiges zu brechen, scheiterten auf das kläglichste. Man wollte die wird es auch hier die Aufgabe der Sozialdemokratie sein, Nahrungsmittel, ebenso wie das Del, welches auch sehr hoch Hilfsbeamten zu ordentlichen befördern und das Einkommen das Volk von unten herauf zu erziehen, um dasselbe zu be- besteuert ist. Die Art der Besteuerung ist charakteristisch. der weiblichen Angestellten auf 1000 m. erhöhen: aber ver- fähigen, den ohnmächtigen und versumpften bürgerlichen Es wird von der Regierung bestimmt, daß diese oder jene geblich, die Solidarität war stärker als alle diese Lockungen. Parteien das Szepter zu entreißen. Stadt eine bestimmte Summe an Steuern aufzubringen hat. Mögen die aus dem Streit siegreich hervorgegangenen Tele- Wie einst dem Bismarc'schen Regimente nichts mehr Nehmen wir einmal eine Stadt von 3000 Einwohnern an. graphenbeamten die Ueberzeugung gewonnen haben, daß gelingen wollte, so geht es auch dem gegenwärtigen Re Diese Stadt ist fast nur von armen Leuten bewohnt, mußte auch sie zu denen gehören, welche im wilden Kampfe um gimente in Spanien , dem des Canovas. Auf die klägliche aber bisher au Personalsteuern 48 000 M. aufbringen, die mit das Dasein für das Allernothwendigste ringen müssen, welche Niederlage gegenüber den streikenden Telegraphisten folgte allen Gewaltmitteln eingetrieben wurden. Jetzt hat dieselbe aber erkannt haben, daß nur die Beseitigung der Herrschaft die den streikenden Börsenmännern gegenüber. Ein Streik Stadt einen Zuschlag von 20 000 m. erhalten, welche durch des Kapitals aller Noth des Lebens ein Ende machen kann, der Börsenspekulanten und-Agenten ist gewiß Konsumsteuern aufzubringen find. Dies kann nun in so werden auch sie bald tüchtige Sozialdemokraten sein! auch etwas Seltenes, aber hier in Spanien ist es doch doppelter Weise geschehen: Einmal postirt die StadtDie spanische Parteipreffe lobte durchaus die Standhaftigkeit Anfangs Juli vorgekommen. Die den Börsenmännern auf behörde an jedem Eingange des Ortes so und so viele der Streifenden, und alle Genossen wünschen, daß sie jene erlegte Stener erschien ihnen zu hoch, fie beriethen sich und Beamte, welche die Steuern erheben, sobald die Waare in bald als überzeugungstreue Brüder begrüßen können. legten die Arbeit nieder. In der sonst so lebhaften Börse schwieg die Stadt kommt, nachdem von einer Kommission die Steuer Für die gegenwärtige konservative Regierung ist der eines Tages Alles, feine Geschäfte wurden abgewickelt, und für jede Art von Lebensmitteln festgestellt ist. Diese Steuern Ausgang dieses ungewöhnlichen Streits eine schwere Nieder- die Regierung mußte nachgeben und die auferlegte Stener würden die verlangte Summe erreichen, wenn sie richtig erlage gewesen. Sie ist so sehr erschüttert worden, daß sie zurückziehen. Das war am 1. Juli. Am 2. Juli folgte hoben und abgeliefert würden. Aber das wird wohl in vielleicht bald zusammenfällt. Die Opposition, von den ein weiterer Schlag für die Regierung, welcher, mit einer keiner Stadt Spaniens der Fall sein, da die Kontrolle Liberalen des Sagasta bis zu den radikalsten Republikanern, noch kläglicheren und schimpflicheren Niederlage für die ungenügend ist. Erreichen sie diefelbe nicht, so wird der von den Parteigenossen ganz zu schweigen, hat Boden ge- selbe endete. Fehlbetrag zu den Steuern des nächsten Jahres geschlagen, wonnen, und ihre Presse greift in energischfter Weise die Die Marktfrauen und mit ihnen die mit allen mög- und die Konsumsteuern werden dadurch gesteigert. Oder die Regierung an, nicht allein aus Anlaß des Streits, sondern lichen Waaren Haufirenden versuchten, wie bereits gemeldet, Steuerkommission geht zu jeder Familie, erkundigt sich nach aus weiteren schwerwiegenden Gründen. am Morgen des 2. Juli einen Aufstand gegen die Stadt der Zahl der Personen des Haushalts und sagt:„ Du
Feuilleton.
Nachbruc verboten.)
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An demselben Abend war Jacquemin von Charleroi zurückgekehrt. Trotzdem er sehr raschen Schrittes dahinschritt, war es doch bereits dunkle Nacht geworden, als er an der Hose" anlangte. Hier brachte ihn die Dunkelheit in Berlegenheit; er gab sich Mühe, die Meilensteine zu er tennen und hatte schließlich den Weg herausgefunden, der nach dem Dorfe hinabführte, als er plötzlich stehen blieb. In geringer Entfernung ertönte aus dem Walde ein Schrei. Es war ein Schrei, wie ihn das Entsetzen und der Born expreßt, der Schrei eines überraschten, getroffenen Menschen, der mit aller Kraft um Hilfe ruft.
war. Das Schreien kam aller Wahrscheinlichkeit nach von dorther. Er blieb ein paar Minuten stehen, und da ihm alles ruhig erschien und er übrigens von anderen Gedanken bedrängt wurde, wandte er sich nach dem Wald zurück und fam wieder auf die Straße.
Er ging außerordentlich schnell und erreichte bald die ersten Häuser des Dorfes. Hier beeilte er sich noch mehr; vielleicht fürchtete er, daß er das, was er thun wollte, nicht werde vollbringen können in den wenigen Stunden, die er noch in Pont- sur- Sambre zubringen wollte, ehe er das Land für immer zu verlassen gedachte.
Blötzlich rief ihn eine Stimme an: Wer da?
Da er seit dem vorigen Tage abwesend gewesen war, wußte er von nichts. Ueberrascht blieb er stehen, glaubte, es mache sich Jemand einen Scherz, antwortete nicht und wollte weiter gehen.
Wer da? wiederholte dieselbe Stimme diesmal so laut, daß die Wache, die fünfzig Schritt weiter entfernt bei Grellepois eingerichtet war, es hören mußte.
Jacquemin blieb starr vor Erstaunen mitten auf der Straße stehen. Dann hörte er andere Stimmen und Waffengeklirr und sah eine Laterne auf sich zukommen. Er glaubte zu träumen.
Kommen Sie.
Jacquemin lauschte, unterschied noch Klagelante, die entfernter oder erstickt zu sein schienen, sprang in den Hoch- Boller Bestürzung erkannte Jacquemin Königsjäger und wald und glitt trotz des tiefen Schattens durch die Bäume. schon näherte sich ihm ein Korporal, leuchtete ihm mit der Nachdem er etwa hundert Meter vorgedrungen war, hörte Laterne ins Gesicht und sagte: er weder Stimmen noch Geräusch mehr. Er machte noch ein paar Schritte, sah und hörte aber nichts und es schien ihm als ob er nahe bei einer lichten Stelle des Waldes wäre. Er ging vorwärts: Der Kies einer Allee knirschte unter seinen Füßen, er erkannte, daß er bei dem Angerschlosse
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Ist dies hier nicht Pont sur Sambre? fragte Jacquemin. Stimmt! Das ist Pont- sur- Sambre. Dann laffen Sie mich passireu.
Können wir nicht! Ich will nach Hause!
Treten Sie in die Wache.
Wie, in die Wache? Was wollen Sie von mir? Genug geredet. Vorwärts!
Jacquemin träubte sich nicht. Er folgte. Gehen Sie hier herein, sagte der Korporal. Zu Grellepois, dachte Jacquemin.
Das Innere der Schänte ähnelte dem aller Wachen. Ein Sergeant schlief auf einem Schemel, die Arme auf einen Tisch ausgebreitet und den Kopf zwischen den Armen, unter dem matten Schein einer schlechten Lampe, die ganz schwarz von Ruß war. Nicht weit von ihm saßen Soldaten, die Ellbogen auf den Knien, gähnend, den Tschako weit hinten; andere lagen auf Banten ausgestreckt und schnarchten.
Bei dem Erscheinen Jacquemins rührte sich Niemand, Der Korporal schüttelte den Sergeanten, einen dicken, jungen, garstigen blassen Mann mit rothen Haaren, der ein Auge öffnete und mit gelangweilter verschlafener Stimme fagte:
Was giebt es?
Wir haben einen Mann arretirt, sagte der Korporal, der ebenso groß, aber mager und schlank war wie der Sergeant dick, rund und langsam.
Der Sergeant streckte sich, spuckte aus, fluchte, nahm endlich mit unsicherer Hand eine Feder vom Tisch, tauchte sie fünf oder sechsmal in ein kleines Tintenfaß, betrachtete Jacquemin und sagte:
Euer Name?
Als Jacquemin antworten wollte, öffnete sich eine Thür im Hintergrunde der Schenke und Herr Grellepois erschien in derselben. Der Wirth blieb bestürzt stehen, als er