„Liberaler Bleck". Die verschiedenen Richtungen des Liberalismushaben jetzt in den süddeutschen Staaten einen ein wenig ernst-haster erscheinenden Versuch einer Annäherung an einander zugemeinsamer politischer Aktion gemacht. In Bayern sind Frei-sinnige und Demokraten, soweit solche dort in einigen seltenenExemplaren noch zu finden sind, zum Wahlbündnis mit den National-liberalen geschritten, welche durch ihre Haltung zur Wahlreform sichim Volke gänzlich diskreditiert haben; durch den Bund soll gerettetwerden, was noch zu retten ist. Für Baden ist in einer Ver-sammlung in Karlsruhe, nach einem Vortrage des Reichstags-Abgeordneten Dr. Müller- Meiningen, ebenfalls ein Zusammen-schlusi der liberalen Gruppen und der Volkspartei zustande gebracht.der seine Spitze gegen das Zentrum und die Gefahr einer Zentrums-Majorität in der Zweiten badischen Kammer richtet. Auch inWürttemberg ist die Neigung stark geworden. Nationalliberaleund Volkspartei anzunähern.Bei diesen Vorgänge» haben Vertreter des Freisinns undder süddeutschen Volkspartei auch die Stellung zur Sozial-d e m o k r a t i e reiflich besprochen, und zwar besorgten diesDr. Müller in Karlsruhe und Abg. P a y e r in Stuttgart in einerArt, die wir nicht unerwähnt lassen mögen.Dr. Müller-Meiningen sagte nach dem Bericht der„FrankfurterZeitung":„Die Stellung zur Sozialdemokratie droht zur Achillesfersedes Liberalismus zu werden: Kurzsichtige Aufbauschung dieserrein taktischen, jetzt gar nicht brennenden Frage schadet auch denLiberalen viel.Wo die Sozialdemokraten sich zu Bundesgenossen, direktenoder indirekten, der ärgsten Reaktion hergeben, wo sie völligeVerstäudnislosigkeit der kulturellen Fragen zeigen, ist der Kampfgegen sie selbstverständlich. Bündnisfähig würde die Sozial-demokratie erst, wenn sie die Ideen Jaurös', Keir Hardies, Turatisakzeptierte und die Klassenphrase aufgäbe, mit der sieHunderttausende der Reaktion in die Armetreibt.So weit sind die Sozialdemokraten leider im allgemeinennoch nicht. Wo sie den Kanchf des Liberalismus gegen die Reaktionunterstützen, muh ebenso selbstverständlich der Kampf gegen sie,wenn möglich, ein hjotz defensiver sein. Alle allgemeinen Theorienüber Ein- und Zweisronten sind theoretische, höchst überflüssigeSchlagworte, die lediglich verwirren, da sie falsch schablonisieren.Aus den Leim einer Vtischmaschkoalition gegen die Sozialdemokratiezur Ablenkung der Aufmerksamkeit von der Gefahr des Kleri-kalismus und Feudalismus, darauf dürfen«vir aber unter keinenUmständen eingehen: die Kosten dafür müßten wir allein be-zahlen."Und der Führer der süddeutschen Volkspartei erklärte:„Die Nationalliberalen hätten viel in der Hand. Essei kein Zufall, sondern entspreche der freilich sehr verspäteten Ein-ficht in die Lebensbedürfnisse ihrer Partei, daß sie mit einemhörbaren Ruck sich der Linken zu näher»suchten.Die Deutsche Volkspartci sei es gewohnt gewesen, den Anhängernder Sozialdemokratie noch vor der Zeit desSozialistengesetzes her außerordentlich nachsichtig durch dieFinger zu sehen und ihnen durchgehen zu lassen,was die Deutsche Volkspartei anderen Parteien nichtdurchgehen ließ. Das habe sich geändert. So wie sie seitJahren ihre Taktik gebildet haben, ist ein Auskommen mit denSozialdemokraten nicht niehr möglich. Die Erfolge bei denWahlen sind ihnen zu Kopfe gestiegen. Die Art, wie die Sozial-demokratie ernstliche Fortschritte gefährdet, die ge-hässige Weise, anch da, Ivo Ucbcreinstimmung herrscht, die Ver-treter der anderen linksstehenden Parteien herabzuwürdigen, dieseTaktik macht zurzeit ein Zusammenarbeiten mit ihnen unmöglich,soweit es sich nicht um einzelne Fragen handelt, in denen ja nachwie vor ein Zusammenhang gewahrt werden kann."Wenn die Freisinnigen und nun auch die süddeutsche Volks-Partei mit den Nationalliberalen intim paktieren, so mögen sie zurBeschönigung ihres Tuns sich der Einbildung verschreiben, als hörten sieeinen nationalliberalen Ruck nach links. In Wahrheit wird dieserBund ans einen Rnck der Volkspartei nach rechts hinauskommen,welchen Weg diese Pariei schon lange nicht mehr scheut. Wir müssenaber nachdrücklichst zurückweisen, day die Freisinnigen und die Volks-Partei, wenn sie solche Wege wandeln wollen, unwahre und politischtörichte Schmähungen gegen die Sozialdemokratie als Ausredenerfinden.Wir haben keinen Anlaß, mit Herrn Dr. Müller über dieIdeen von Jaures und Turati oder über vorgebliche Klassen-Phrasen der deutschen Sozialdemokratie zu rechten. Wirhaben lediglich festzustellen, daß diese Vertreter des Libe-ralismus und der bürgerlichen Demokratie gerade indem Augenblick, da sie die Sozialdemokratie anschuldigen,sie sei schuld an der Unmöglichkeit eines Zusammengehens derLinksparteien, alle die schweren Verfehlungen selb st begehen,durch welche diese Unmöglichkeit sich stets verschärft. Herr Payerspricht das empfindsame Wort, mit den Sozialdemokraten sei einAuskommen nicht mehr möglich. da sie die Vertreter deranderen linksstehenden Parteien gehässig herabwürdigen. Und zurgleichen Zeit erhebt Herr Payer die denkbar schwerste politischeHerabwürdigung der Sozialdemokratie, daß sie ernstliche Fort-schritte gefährde, und Dr. Müller beschimpft die Sozialdemokratie,daß sie Bundesgenossin der ärgsten Reaktion sei. daß sie völligeVerständnislosigkeit für kulturelle Fragen zeige, daß sie Hundert-tausende der Reaktion in die Arme treibe. Wer so unheimlichtörichte Angriffe gegen die Sozialdemokratie richtet und sich dannüber die Kampfesweise der Sozialdemokratie beschwert, spricht sichselbst das Urteil.'Die Sozialdemokratie hat niemals nach einem Pakt mitliberalen Gruppen oder der bürgerlichen Demokratie verlangt, zudenen sie in den tiefften prinzipiellen und praktischen Gegensätzensteht. Wohl aber hat sie stets, wo Liberalismus und konservativeReaktion gegen einander kämpften, die Niederwerfung dieserReaktion betrieben und dabei speziell den preußischen Freisinnigenmehr parlamentarische Mandate gerettet, als diese durch eigene Kraftzu erringen vermögen. Es ist eine politische UnWahrhaftigkeit,jetzt die Haltung der Sozialdemokratie als Anlaß desAnschlusses nach rechts ausgeben zu wollen, da in Wahrheit derLiberalismus bei Wahlen die Sozialdemokratie verrät, die Wahl-kreise der Reaktion ausliefert und in der politischen Aktion immermehr sich zu den Grundsatzlosigkeiten des Nationalliberalismuserniedrigt.Die Herren vom Freisinn und von der bürgerlichen Demokratiehandeln würdiger, wenn sie sich solcher unberechtigten Beschuldigungender Sozialdemokratie enthalten. Sonst mögen sie Bündnisse schließen,mit welchen Gruppen und Parteien es ihnen beliebt. Die Sozial-demokratie würde nicht das mindeste einzuwenden haben, wenn dasUnwahrscheinliche geschähe, daß die liberalen Richtungen in Deutsch-land sich aus ihrer jetzigen Hülflosigkeit erhöben, ohne dabei denletzten Liberalismus zu verlieren.—Paasche als WeltpolitikuS. Herr Paaschs, der nationakkiberaleVizepräsident des deutschen Reichstages, war im Begriff, seine Welt-bcdeutung zu beweisen. Vor seinen Wählern in Kreuznach hielt erkürzlich eine Rede, in der er behauptete. Deutschend sei in derletzten Woche einer großen Gefahr kriegerischer V-.Wickelungen mitEngland viel näher gewesen, als sich viele hätten träumen lassen,und nur dem Geschick unserer Diplomatie sei es, wenn auch mitSchwierigkeiten, gelungen, die drohende Gefahr zu beseitigen. Esist das Geheimnis des Herrn Paasche geblieben, welche schweren Verwickelungen zwischen Deutschland und England bestanden haben sollen.Aber in englischen Blättern erfolgten infolge der AeußcrungenPaaschcs weitere tolle Ausstreuungen, daß die britische Regierungein Ultimatum an die deutsche gerichtet habe, worin sie die Ver-mchrung der deutschen Flotte verboten habe, daß infolgedessenKaiser Wilhelm die Mobilmachung der Flotte zu Kiel befohlen habeund daß der Krieg im letzten Moment durch persönliches EingreifenKönig Eduards abgewendet wurde.Nach einer Mitteilung der„Berk. Ztg." soll diesen Gerüchtennur die Tatsache zugrunde liegen, daß die deutsche Negierung wegeneines Artikels in der„Army and Navy Gazette" Vorstellungen er-hoben habe, in welchem ein plötzlicher Angriff auf Deutschland seitensEnglands befürwortet sein soll. Die englische Negierung habe dieVerantwortung für Aeußerungen der Presse abgelehnt, weil es inEngland kein amtliches Prcßbureau gibt und sie keinen Einfluß aufdie unabhängige Presse besitzt. Es ist zu vermuten, daß hinter allendiesen Treibereien jene Leute stecken, welche unzufrieden sind, daßnicht bereits jetzt neue Flottenvorlagen denReichstag beschäftigen. Man versucht immerfort, Mißverständnisseund Zwietracht zwischen England und Teutschland zu erwecken unddie geringsten Zwischenfälle zu großen weltpolitischen Ereignissen auf-zubauschen, um damit dem Verlangen nach neuen Flotten-geschwadern Förderung zu geben.—Hüssencr. Während eine strenge Untersuchung über dieFidelitäten der Hüssenerschen Festnugshaft in und um Ehrenbreit-stein schweben soll, dauert diese Fidelität selbst noch immer an. Wieuns mitgeteilt wird, darf anch jetzt Hüssener von der Höhe derFestung herabstolzieren und in Koblenz Besuche abstatten. Er isterst am letzten Sonnabend auf der Straße gemütlich spazierend ge-sehen worden.—ZentrumS-Klow». Die„Gennania" will nachträglich den sozial-demokratischen Parteitag für Preußen kritisch würdigen, sie will„denkenden Menschen Ankeitung zum eigenen Urteil" geben. DieseAnleitung sieht u. a. also aus:„Daß in diesem ganzen„neuen Kurs" des Mumpitzes mit dem„sozialdemokratischen Preußen" ein einfacher und einfältiger Ver-legenheits-Koup der deutschen Parteileitung steckt, der BerlinerFirma Singer u. Comp., welche sich krank fühlt an Haupt undGliedern, das scheint den demokratischen„Mitläufern" der Sozial-demokratie nicht zum Verständnis gekommen zu sein. Und dochist eben dieser mit so anmaßender Miene m Szene gesetzte„Preußentag" lediglich der Versuch der Berliner Parteileitung, sicheine neue Waffe zu schiniedcn gegen die Unbot Mäßigkeitd e r r e i ch s d c u t s ch e n G c n o's s e n i n S a ch s e n, Bayernund Schwaben, eine Unbotmäßigkeit, welche in München undLeipzig— so besonders in den Organen der Mehring undV o l l m a r, bis zu der offenen Widersetzlichkeit gegen die B e r-liner Oberherrschaft gediehen ist, so daß von diesen nicht-preußischen Zentren der Sozialdemokratie bereits der KriegSrufimmer lauter erhoben wird, die Berliner Parteiwirtschaft wegenihrer zu Tage getretenen inneren Fäulnis und sichtbarenKorruption zu beseitigen, in erster Linie aber die Re-daktion des„Vorwärts" abzusetzen, mindestens an Hauptund Gliedern einer Reinigungskur zu unterziehen und sie unterdirekte Parteikontrolle der deutschen Sozialdemokratie im Reichezu stellen. Der klägliche Versuch des„Vorwärts", sich diesen Angriffen gegenüber mit der Berufung auf die Untersuchung undEntscheidung der Parteikommission und der Fraktionskommissionzu entziehen, verfängt um so weniger bei den Reichsgenossen, alsdiese leitenden Kommissionen der Gcsamtpartei mit der Leitungdes„Vorwärts" an Leib und Seele identisch sind, mindestens inder Korruption bis heute als untrennbares Ganzes sich erwiesenhaben."Der groteske Unsinn würde nur erheitern, wenn eS nicht dochbetrübend wäre, daß eine Zeitung solche Lächerlichkeiten ernsthaftausspricht, welche eine sehr große und in der deutschen Politik ent-scheidende Rolle spielt.—HuetancLDie Konstituierung der Hull-Kommission.Paris, 9. Januar. Die Kommission zur Untersuchung derNordsee-Angelegenheit trat heute vormittag im Beratungssaale desMinisteriums des Aeußern zusammen. Admiral v. Spann über-nahm zunächst den Vorsitz als Alterspräsident. Er dankte für seineWahl zum fünften Mitglied der Kommission und schlug vor, AdmiralF o u r n i e r zum Präsidenten, zu wählen, nicht allein um einePflicht gegen das Land zu erfüllen, dessen Gastfreundschaft dieKommission genieße, sondern auch zur Erleichterung einer möglichstgroßen Beschleunigung ihrer Arbeiten, da Admiral Fournier inseinem Bureau über zahlreiche und ausgezeichnete Mitarbeiter ver-füge. Der Vorschlag wurde darauf einstimmig angenommen. So-dann begab sich die Kommission nach dem Sitzungssaale. AdmiralFournier dankte hier für den Beweis oroßer internationaler Cour-toisic, dessen Gegenstand er geworden sei, und fügte hinzu, er fühlegleich seinen ausgezeichneten Kollegen die Schwere der moralischenVerantwortlichkeiten, die sie auf sich genommen hätten, aber siewürden ihre Pflichten zu erfüllen wissen, so delikater Natur dieselbenauch seien, indem sie sich unaufhörlich das erhabene Beispiel vonWeisheit und Mäßigung vergegenwärtigten, welches derKönig von England und der Kaiser von Rußland der Welt durch dieEinsetzung der Untersuchungskommission gaben, was den glücklichenErfolg hatte, sogleich die nationalen Empfindlichkeiten zu beruhigenund so eine eingehende und ruhige Prüfung der Ursack�n des Kon-fliktes zu ermöglichen.Hierauf hielt die Kommission eine geheime Sitzung ab, um sichüber das einzuschlagende Verfahren schlüssig zu machen.Heute nachmittag findet eine zweite Sitzung statt, in welcher darüberBeschluß gefaßt werden soll, ob die Verhandlungen ver-öffentlicht werden oder nicht.Frankreich.Die Ersatzwahl für Syvetonhat wiederum mit einem Siege der Nationalisten geendet.Allerdings haben die Nationalisten diesmal zirka 1000Stimmen weniger erhalten als vor zwei Jahren, wo Syvetonals Sieger aus der Wahlschlacht hervorging.Die Nachrichten lauten:Paris, 8. Januar. Bei der heutigen Dcputiertenwahl imzweiten Pariser Arrondissement zum Ersatz Syvetons wurdeAdmiral B i e n a i m e mit 6437 Stimmen gewählt. DerGegenkandidat Beklau erhielt S16S Stimmen.Nach der Verkündigung des Wahlresultats kam es vor der Mairiedes Arrondissements zwischen den beiderseitigen Parteigängern zuPrügeleien, besonders als der Admiral das Wahllokal verließ. DieMenge ging aber alsbald auseinander, ohne daß die Polizei ein-zuschreiten brauchte.Paris, 9. Januar. Die Wahl Bienaimcs überraschteselb st die Nationalisten, welche das Ergebnis nichterhofft hatten. Immerhin zeigt das Resultat, daß die Nationalistenviele Anhänger verloren haben. Syveton war damals vor zweiJahren mit 7494 Stimmen gewählt worden. Die Wahl vollzogsich gestern ruhig. Nach Bekanntwerden derselben fand eineKundgebung statt. An 199 Personen durchzogen die Straßenunter den Rufen: Syveton muß gerächt werden. Die Polizeischritt ein und nahm mehrere Verhaftungen vor.Von der regierungsfeindlichen Presse wird der Wahlsiegmit dröhnendem Tanitam gefeiert.„R e p u b l i q u ef r a n? a i s e" jubelt:„Tie e r st e Ohrfeige hat GeneralAndr6 getroffen, und er hat sie nicht überlebt; heutetrifft sie Pelletan, und er wird sie auch nicht über-leben. Diese Ohrfeige, die mehr als 7000 Hände demselbenGesichte versetzten, ist noch ganz anders grausam und schallend.Alle Wähler Bienaimcs haben den Marine-ni i n i st e r ohrfeigen wollen. Es ist die ruhmreicheBestimmung des zweiten Pariser Wahlkreises, das Heer zurächen."—„G a u l o i s" sagt:„Es ist der Ruhm deszweiten Wahlkreises, daß er die Zerstörer der Landesverteidi-gung in ihrer Verbrecherarbeit aufzuhalten sucht. Syvetonhatte Andr6 hinausgeworfen, Bienaim� tritt in die Kammerein, um Pelletan anzuklagen."—„F i g a r o" sieht inder Wahl ein neues Vorzeichen des nahen Sturzes desMinisteriums. Die republikanische Presse begnügt sich mitder Feststellung, daß die Pariser nationalisiisch-antisemitischenKrämer der Belehrung unzugänglich sind.—Italien.Die Ersatzwahlen,die am Sonnabend stattfanden, sind leider nicht zugunsten dersozialistischen Partei ausgefallen. Von den vorzunehmendenacht Ersatzwahlen waren drei, in denen bei der Hauptwahlein Sozialist gewählt worden war. Eine dieser Ersatzwahlenmußte vorgenommen werden, weil Genosse B i s s o l a t idoppelt gewählt worden war, die beiden anderen Wahlenwaren anfangs als sozialistische Siege proklamiert worden,während die Wahlprüfungs-Kommission erklärte, daß eineStichwahl notwendig sei.Von diesen drei Mandaten wurde bei der Wahl am8. Januar nur eines behauptet: das, in dem Bissolati gewähltworden war; die beiden anderen Kreise gingen leider verloren.Nicht gewonnen wurde ein weiterer Wahlkreis, in demein Konservativer als gegen einen Sozialisten gewählt pro-klamiert worden, von der Kommission aber gleichfalls Stich-wähl angeordnet worden war.Ein Privattelegramm aus Rom lneldet uns: GewähltGenosse Chiesa in Budrio.' Unterlegen Costa inBologna, Badaloni in Le n�i.n a r a und M e o n iin C o l l e d i V a l d' E l s a. Die Wahlbeteiligung derKlerikalen war sehr stark.Das Wolffsche Telegraphen-Bureau meldet:Rum, 8. Januar. Heute fanden acht Ersatzwahlen zurDeputiertenkammer statt. Bis Mitternacht waren sechs Ergebnissebekannt: Gewählt vier Ministerielle und zwei Mitglieder derkonstitutionellen Opposition; die Sozialisten Costa, Badaloni undMeoni sind in Bologna bezw. Lendinara und Colle di Val d'Elsaunterlegen.Rom, 9. Januar. Nunmehr sind sämtliche Ersatzwahlen zurDcputiertenkammer bekannt. Es sind 5 Ministerielle, 2 Mitglieder der konstitutionellen Opposition und 1 Sozialist gewählt.Dänemark.Die Ministerkrisc hat, soweit sie bis jetzt gediehen ist, das guteErgebnis gehabt, daß außer dem Kricgsminister auch die anderenreaktionären Mitglieder des Ministeriums, nämlich der Justiz-minister, der Minister des Innern, der Kultus- und der Landwirt-schaftsminister ihre Aemter niedergelegt haben. Das Abschiedsgesuchdieser vier war mit der Bemerkung versehen, sie würden, wennder Marinemini st er Jöhnke nicht bis Freitagmittag 12 Uhr sein Amt niedergelegt habe, ihreDemission veröffentlichen. Aber auch dieser letzte Ver-such, Jöhnke zum Abdanken zu zwingen, blieb erfolglos. Für ihn,der sich in keiner Weise weder mit der Folkcthingsmchrheit noch mitden alten Grundsätzen seiner Partei in Widerspruch gesetzt hatte,lag auch eigentlich kein Grur-d dazu vor. Die nun vollendeteSprengung des Ministeriums entspricht ganz der Meinungs-Verschiedenheit, wie sie im vorigen Jahr beim Prügelgesetz-e n t w u r f auftauchte. Damals schon standen als Freunde desEntwurfes Alberti, Madsen, Sörensen, Ole Hansen und Christensenden Gegnern der Prügelstrafe: D intzer, Hage und Jöhnke gegen»über, ein Beweis dafür, daß die r'tionäre Gesinnung jener Herrensich nicht auf den jetzt im Vordergrund stehenden Militarismusbeschränkt. Der Justizminister Alberti strebt offenbar schonlange danach, Konseilspräsident zu werden. Würde ihm das ge-lingen, so müßte man sich auf ein a n t i s o z i a l i st i s ch e s undantiradikales Ministerium gefaßt machen, das wahrscheinlichreaktionärer wäre, als ein ausgesprochen konservatives. Das Folke-thing, das am Dienstag wieder zusammentritt, wird aber voraus-sichtlich dafür sorgen, daß das Land vor diesem Rückschritt bewahrtbleibt. In der liberalen Fraktion scheint die gegen Madsens Mili-tarismus gerichtete Stimmung vorherrschend zu sein. Bereits vorungefähr 14 Tagen hat der militärische Wortführer der Liberalenin einer Sitzung der liberalen Finanzausschutz-Mitglicder erklärt,daß er Madsen im Folkething nicht mehr vertei-digen könne noch wolle und deswegen sein Amt als Wort-sührer niederlegen müsse. Die Mehrheit in jener Sitzung erklärtejedoch, daß er ohne die Verpflichtung, den Kriegs.mini st er zu verteidigen, als Wortführer der Parteiweiter fungieren solle.Ucbrigens ist die Ministerkrise vor allem auch als ein Erfolgder Sozialdemokratie anzusehen, die von Anfang an,schon als Madsen im ersten Jahr des„liberalen" Regimes für6 Millionen neue Kanonen verlangte, die militaristische Gesinnungdes Kriegsministers durchschaute, und späterhin alle die Uebcrgriffeund Heimlichkeiten, womit er am Ausbau der Festungswerke Kopen»Hägens arbeitete, schonungslos aufdeckte. Gewöhnlich folgten aufderartige Enthüllungen allerlei Dementis, die den Kern der Sachenicht berührten; aber schließlich stellte sich immer heraus, daß„Social-Demokratens" und die Behauptungen des sozialdemokrati-schen Wortführers Klausen der Wahrheit entsprachen. Langegenug hat es gedauert, bis Madsen seine Stellung als unhaltbarerkannte.—Vom ostasiatischen Kriegsschauplatze.Die Nebergabe der Gefangenenvon Port Arthur ist am Sonntag abgeschlossen. Es sind im ganzen878 Offiziere und Beamte und 23 491 Mann. Es heißt, die Bahn»Verwaltung in Sanyo habe Befehl erhalten, sich für den Transportvon 29 999 Russen von Shimonoseki nach Kure einzurichten. Wahr»scheinlich werden die Gefangenen in der Nähe von Kure untergebrachtwerden. Die Schwerkranken werden vorläufig noch in Feld-lazaretten in Port Arthur bleiben; alle, die transportabel sind,werden nach Japan gebracht werden, sobald die EkUrichtungen fürihre Unterbringung beendet sind.Tokio, 8. Januar. Amtliche Mitteilung. Von den 878 russischenOffizieren der Armee von Port Arthur haben 441 ihr Ehren»wort gegeben, nicht mehr gegen Japan kämpfen zuwollen, und erhalten deshalb gemäß der Kapitulation die Er»laubnis, in ihre Heimat zurückzukehren; mit ihnen gehen 229 Ordon»nanzen. Die Generale Fock, Smirnow und Gorba-t o w s k h sowie Admiral W i l l in a n n haben es borgezogen,nach Japan in die Gefangenschaft zu gehen. GeneralS t ö s s e l tritt am 12. Januar von Dalny die Re i s e n a ch R u ß-land an.*Tokio, 9. Januar. Man glaubt, daß der Gesamtverlust derRussen in Port Arthur ungefähr 2S 999 Mann beträgt.Nagasaki, 9. Januar. Eintausend verwundete Russen aus PortArthur sind hier eingetroffen und�im Hospital untergebracht worden.London, 9. Januar. Das„Reutersche Bureau" meldet ausNogis Hauptquartier vom 5. d. M.: In Port Arthur brach amersten Tage nach der Uebergabc an zwei Stellen Feuer aus.General Stössel bat deshalb im japanischem Hauptquartier um Ent-schuldigung und erklärte, daß die Freiwilligen, die nach dem Aus»marsch der Garnison in der Stadt zurückblieben, nicht ausreichen,um die Sicherheit aufrecht zu erhalten. Er bat, daß japanischeTruppen sofort einrücken möchten.London, 9. Januar. Das„Rcutersche Bureau" meldet ausTokio vom 8. d. M.: Die Japaner beabsichtigen auS Port Arthureine bedeutende Flottenstntioii zu machen! nach der Abfahrt»derrussischen Gefangenen soll nur eine kleine Garnison in Port Arthurbleiben. Die Flotte ist eifrig mit dem Auffischen von Minen be-schäftigt, trotzdem wird die Schiffahrt noch lange unsicher sein, nur