Nr. 8. 22. Iahrgauz.1. Ifilnjf des Jotniiits" Krlim MÄÄ.Dienstag, 10. Januar 1905.Partei- I�ackriekten.Das Grab von Karl Marx.Die der„Breslauer Volksmacht" entnommene Mitteilung überdas Grab von Karl Marx bedarf einer Richtigstellung: Karl Marxhat sich bei Lebzeiten die Errichtung eines Denksteines nach seinemTode verbeten. Als die Parteileitung kurz nach Marx' Tode anFriedrich Engels schrieb und sich erbot, einen Denkstein für Marxsetzen zu lassen, gab ihr Engels Kunde von der Willensmeinungdes Verstorbenen. Anderenfalles hätte Engels selbst für einenDenkstein gesorgt. Daß das Grab von Marx in vernachlässigtemZustande sich befindet� ist bedauerlich, aber das hätte der LondonerKummunistische Arbeitcr-Bildungsverein leicht verhindern können,dazu besaß er wohl die Mittel. Es dürfte nunmehr Sache desParteivorstandes sein, hier Wandel zu schaffen.Kann ein Katholik Sozialdemokrat sein?"Von dieser Frage handeln zwei Broschüren, die im Dezembervorigen Jahres erschienen sind: die eine ist von dem holländischenPriester Dr. I. Van den Brink verfaßt, die andere von demRedakteur der Düsseldorfer„Volks-Zeitung", Dr. HeinrichLaufenberg. In beiden Schriften wird die Frage nicht nurbejaht, sondern auch noch nachgewiesen, daß ein Katholik eigentlichauf Grund seiner religiösen Ucberzeugung Sozialist oder Sozial-demokrat sein muß.Die deutsche Zentrumspartei preist sich bekanntlich der Bourgeoisieund Regierung als Retter, ja im Bunde mit der katholischen Kircheals den einzigen zuverlässigen Retter gegen die Sozialdemokratiean und ihre Agitatoren bemühen sich zu beweisen, daß zwischenKatholizismus und Sozialdemolratie ein unüberbrückbarer Gegen.satz wie zwischen Tugend und Verbrechen besteht. Ein treffendesBeispiel dafür ist der Hamnierstein-Kathreinsche Arbeiter-Katechis-mus, worin es als„schwere Sünde" erklärt wird, Sozialdemokrat zusein, die Sozialdemokratie selbst als ein„Verbrechen im Großen"bezeichnet wird usw. Diese Feindschaft gegen die Sozialdemolratieliegt aber nicht etwa im Katholizismus selbst oder gar im Christen-tum begründet, sondern ist vielmehr eine Folge des Umstandes, daßdas Zentrum als eine bürgerliche Partei sich zur Rettung der bürger-lichen Gesellschaftsordnung und des damit verbundenen Systemsder Ausbeutung der Besitzlosen durch die Besitzenden berufen fühlt,trotz der Religion der Liebe, die dieses System verdammt. DieseReligion selbst, wenn ernst gemeint, führt den Menschen vielmehrdem Sozialismus zu, statt ihn davon zurückzuschrecken. So magwohl auch der holländische Priester Van den Brink recht haben,Ivenn er in seiner demnächst in deutscher Sprache erscheinendenSchrift„Die große Frage" sagt:„In mehr als einem Priesterklopft ein Sozialistenherz, aber sie mögen sich nicht aussprechen undman macht ihnen weis, daß der Sozialismus gegen den Glaubenist." Das ist um so mehr wahrscheinlich, als ja die oftmals in engerVerbindung mit dem Volksleben stehenden katholischen Priester vielGelegenheit haben, die Leiden der Arnien, die gesellschaftlichen Ver-brechen der Begüterten aus nächster Nähe kennen zu lernen.Wie nun dieses„Weismachen" von der GlaubensfeindlichkeitdeS Sozialismus dem deutschen katholischen Volk gegenüber betriebenwird, das zeigt uns Dr. Laufenberg in seiner Broschüre„Kann«ln Katholik Sozialdemokrat sein?" Aberer liefert auch den Nachweis, und zwar durch ausführliche Zitate,daß die großen Vertreter katholischer Sozialreform, wie der BischofKetteler und sein langjähriger Mitarbeiter, der DomkapitularM o u f a n g, sich keineswegs in öden Schimpfereien gegen dieSozialdemokratie ergangen haben, sondern im Gegenteil: demSozialismus und den Ansichten Lassalles sehr nahe standen, und daßsogar noch im Jahre 1377 die Berliner„Germania" recht ver-ständige Aeußerungen über die Sozialdemokratie brachte, die durch-aus in Widerspruch zu den jetzt in der Zeiktrumspartei beliebtenantisozialistischen Agitationslügen stehen. Damals war allerdingsW i n d h o r st noch der geistige Leiter deS Zentrums und er hatsich gewissermaßen für die Trennung von Kirche und Staat nach„amerikanischem Muster" ausgesprochen; so im Jahre 1873 und 1877im preußischen Abgeordnetenhaus, also für den sozialdemokratischenGrundsatz,»Religion ist Privatsache", der heuzutage von den Jen-trumsleuten zur Verlästerung der Sozialdemokratie mißbraucht wirb.DaS erste Kapitel von Laufenbergs Schrift ist der Charakterisierungdieser»klerikalen Vi e t h o d e" der Fälschung und der Ver-hetzung gewidmet. Das zweite handelt von den„Anfängen derkatholischen Sozialreform" und im dritten Abschnitt,„Der historische Materialismus", zeigt der Verfasser,Mit Ballin unterwegs.VI.Zehn Stündchen bei Ballin.«m Sonnabend, morgens um 7 Uhr, kehrte ich von meinemAuSfluge mit der Straßenbahn nach den Auswandererhallen zurück,von Schaffner und Publikum als„interessanter" Fahrgast mitleidigangestaunt. Mit dem schuldbeladenen Gewissen eine? entlaufenenSträflings ging ich auf das Portal zu, vor dem mehrere Beamtenstanden. Auf die verwunderte Frage eines Beamten, wo ich her-käme, gab ich zu meiner Entschuldigung an, daß ich den ganzengestrigen Tag in der Halle gewartet hätte und abends nach Ham-bürg gegangen wäre, um bei Verwandten zu übernachten. Nunwurde Ich in das Bureau geführt, wo bereits gestern dieKontrollkarten verausgabt wurden.»Hier ist noch ein Engländervon gestern", so meldete mich der Beamte. Man muß wissen, daß„Engländer" im Ballinsinne eine ebenso herabwürdigende Bezeichnung,wie„Amerikaner" eine Schmeichelei ist. Als Herr Saßnick mTilsit am Tage meiner Anwesenheit in der dortigen Kontrollstation.die Liste der Auswanderer des vorhergehenden TageS durchsah.äußerte er bekümmert zu seinem Unteragenten:»LauterEngländer, die werden Herrn Ballin imMagenliegen".--„Gebt den Schein her", hieß eS.Das tat ich mit dem Bemerken, daß ich nicht nachLondon will, sondern in Hamhurg bleiben wolle.»Dann müßtIhr in die Expedition gehen", sagte der Beamte und gab mirmeinen Schein zurück. Das war leichter gesagt wie getan, denn derpostierte Aufseher verwehrte mir barschen Tones den Eintritt.„Jche muß in dem Cantor, man hat mich hergeschickt", sagte ich zuineiner Rechtfertigung,„denn iche kann nischt nach London, iche mußhier bleiben." Das schien ihn, einzuleuchten, er öffnete die Türund ließ mich hinein. Bald erschien ein Beamter, dem ich wiederalleS ausftihrllch mitteilte.»Gehen Sie in das Bureau zurück, vondem Sie gekommen sind, Sie müssen erst in die Listen eingetragenwerden, dort wird alles weitere veranlaßt werden." Also drehte ich wiederum und erschien in dem kurz zuvor verlassenen Bureau wieder.Doch hier schien man erst recht wenig Neigung zu haben, sich mit den,unbequemen Passagier zu befassen, und inan schickte mich vonPontius zu Pilatus. Endlich hielt einer Stand, dem ich meinenWunsch vortrug und zum drittenmal eingehend begründete. Vorerstaber hieß es noch warten. Geduldig sah ich zu. wie erst einer, dannvier, fünf, sechs, zehn andere Auswanderer abgefertigt wurden undschon glaubte ich, daß man mich wieder vergessen hätte. Doch'oaSwar nicht der Fall. Der Beamte rief mich zu sich, stellte Kreuz-und Querfragen und nahm ein Protokoll auf. Nun hieß es wiederwarten.Inzwischen war eS Mittag geworden, die Bureauräume wurdengeschlossen und ich kehrte wieoer zu meinem Auswanderertruppzurück.wie die Zentrmsleute durch Verquickung dieser rein wirtschaftlichenAuffassung mit dem philosophischen Materialismus dem katholischenVolk vorreden, Gottlosigkeit und Religionsfeindschaft sei ein Haupt-grundsatz der Sozialdemokraten. Der letzte Abschnitt:„Diekatholische Eigentumstheorie" liefert den Beweis da-für, daß die Auffassung katholischer Kirchenlehrer vom Eigentums-recht keineswegs antisozialistisch ist, sondern vielmehr dem Sozialis-mus zuneigt, wofür auch ein Zitat aus Thomas von Aquin,das Hitze in„Kapital und Arbeit" anführt, zeugt. Uebrigenskommt auch der Zentrumsführer Dr. Hitze selbst zu den, Schluß:„wenn kein anderer Ausgleich(zwischen Kapital und Arbeit) ge-fanden wird, müssen wir den des Sozialismus akzeptieren: Aus-gleich durch die ordnende Staatsgewalt". Da nun das Zentrumkeinen anderen Ausgleich gefunden hat noch zu finden vermag, kannLaufenberg mit Recht sagen, daß ein Katholik nicht nur Sozial-demokrat sein kann, sondern auch sein mutz.Zu demselben Ergebnis kommt der holländische Priester I. V a nden Brink in seiner Schrift:„K a n of m o et een KatholikSozialist z i j n".(„Kann oder muß ein KatholikSozialist sein".) Die beiden Schriften sind jedoch ihrem Inhalt nachverschieden. Der katholische Priester legt viel Wert darauf zu be-weisen, daß die„Encyklika rerum novarum" vom Papst Leo XIII.einen Katholiken nicht hindern kann, Sozialist zu sein. Er unter-sucht die Frage, ob diese sogenannte Arbeiterencyklika ein Erlaßex cathedra, ein auf päpstlicher Unfehlbarkeit gegründeter, für alleKatholiken bindender Befehl sei, und kommt zu dem Schluß, daßes sich hier nicht um eine Glaubensregel handelt. Was die nachAnsicht mancher Katholiken in der Encyklika enthaltene Verurteilungdes Sozialismus anbelangt, so ist Van den Brink der Meinung,daß jene Worte wohl eine Ablehnung des auf die Aufhebung allenPrivateigentums gerichteten Kommunismus enthalten, sichjedoch nicht auf den Sozialismus, der nur den Privatbesitzdes Grund und Bodens und der Produktionsmittel abschaffen will,beziehen.Nach diesen und ähnlichen theologischen Erörterungen weist derVerfasser nach, wie sich die sozialdemokratische Auffassung vomKlassenkampf notwendig aus den wirtschaftlichen Verhältnissen ent-wickelt, und daß auch sie sich sehr wohl mit dem katholischen Glaubenvereinbaren läßt. Er steht also hinsichtlich dieses wichtigen Unter-scheidungsmerkmales zwischen sozialdemokratischer und sozial-rcformatorischer Gesinnung, und ebenso was das Ziel des Klassen-kampfes anbetrifft, ganz auf der Seite der klassenbewußten Arbeiter-schaft. Anderer Ansicht ist er über den Historischen Materialismus und urteilt darüber mit folgenden Worten:„Obwohl wir nach der Tomistischcn Schule sagen:„Nichtskommt in den Geist, was nicht zuvor durch die Sinne aufgefangenwurde," so verwerfen wir katholischen Sozialisten doch den histori-schen Materialismus, der die Geschichte der Menschheit gleichsambetrachtet wie das Hinabstürzen eines Bergstroms oder wie einerollende Wogenmasse, als einen naturgeschichtl:chen Prozeß, beherrschtvon Gesetzen, welche nicht nur unabhängig sind vom Wollen, vomBewußtsein und von den Absichten der Menschen, sondern vielmehrumgekehrt das Wollen, das Bewußtsein und die Absichten derMenschen bestimmen.-- Aber die Sozialdemokratie kann meinerMeinung nach ebenso gut und vielleicht viel fester auf den Grund-sätzen des Christentums aufgebaut werden, die doch vor allemNächstenliebe atmen und Sorge für den Mitmenschen, und die zurZeit der Apostel in den Worten der Predigt gegen das Sammelnirdischer Schätze Ausdruck fanden, gleichwie auch Christus in derBergpredigt sagt:„Ihr sollt Euch nicht Schätze sammeln auf Erde"."Schon damals verurteilte der hl. Apostel Paulus die kapitalistischeTriebfeder unserer Zeit. 1. Timotheum VI, 9:„Denn die da reichwerden wollen, die fallen in Versuchung und Sünde und in desBösen Strick und in viele unnütze und schädliche Begierden, die denMenschen inS Verderben und zu seinem Untergang führen."— DerVerfasser zitiert dann noch mehrere Bibelstellen, wie Jacobi II, 6, 7und einen Teil des Kapitel V derselben Epistel, die so scharfe An-griffe gegen die Reichen enthalten, daß sie, heutigen Tages ge-schrieben, als Aufreizung zum Klassenhaß von unseren Staats-christen verurteilt werden würden.Der Polemik Van den Brinks gegen die materialistische Geschichts-auffassung liegt offenbar die Meinung zugrunde, als ob nach dieserLehre, die wirtschaftlichen Ursachen e i n z i g u n d allein für dieGeschichte der Menschheit ausschlaggebend seien. Richtiger charakte-risiert Laufenberg in seiner Broschüre diese Ähre, indemer schreibt:„Seinem leitenden Gedanken nach weist der historische MaterialiS-muS die ökonomischen Ursachen, die Produktionsverhältnisse, die Art,in der in jeder Gesellschaftsform die Arbeitsteilung Platz greift, alsden letzten, den tiefsten Hebel alleS geschichtlichen LebenS nach."Um 1 Uhr wurden die Auswanderer zum Mittagessen geführt.Wir passierten verschiedene Barackenstraßen und gelangten auf denHauptplatz der Sluswandererhallen. Ks ist ein großer fteier Platz,um den Unterkunftsbaracken, Hotels, Speiseräumc und Verwaltung-"-gebände gruppiert sind. Die ganze Anlage macht einen großartigen,und da auch Bäinne nicht fehlen, beinahe schönen Eindruck. Währenddie Leute ihr Essen holten, sah ich mich in den: gewaltigen Komplexnäher um. In der Menge der Baulichkeilen, die zum größten Teilder Unterkunft dienen, fielen mir durch ihr Aeußeres drei Gebäudeauf: die katholische, die evangelische Kirche und die Synagoge.Also nicht nur sür das leibliche Wohl wird in so weitgehender Weisegesorgt,»ein, auch den seelischen Bedürfnissen ist in großherzigerWeise Rechnung getragen. Damit hat die Hamburg-Amerika-Linieder Art ihrer Menschlichkeit und ihrer Fürsorge für das wanderndeElend den einzig richtigen Ausdruck verliehen. Katholische Kirche,evangelische Kirche, Synagoge.(Heiliger Mirbach!) Hier kommenan Sonn- und Festtagen die Mühseligen und Beladenender Hamburg- Amerika- Gesellschaft zusammen, verfolgt, ge-demütigt und sogar desinfiziert. Hier empfangen sie fürirdische Trübsal so verschiedener Art himmlischen Trost, hierempfangen sie in allen Kultformen die ein- und aufdringliche Be-lehrung darüber, daß eS Sache der Armen und Gedrückten ist, denMächtigen zu gehorchen und ihnen zu zahlen was sie verlangen.Denn was sind alle ausgestandenen Leiden: Russische Willkür,preußische Drangsal, Ballinsche Behandlung, Hunger und Armutgegenüber der Anwarsschaft auf das Himmelreich. Die Religionmuß dem Volke erhalten bleiben.Von meinem Rundgange kehrte ich zu den Leuten zurück, dieunter Schieben und Stoßen ihr Mittagbrot in Empfang genommenhatten. Auch dabei ereignete sich ein empörender Zwischenfall. AlSbei der Verteilung des EssenS auch ein etwa Sv Jahre alter Mannnamens Abowicz, im begreiflichen Hunger mit anderen vor-zndrängen versuchte, versetzte ein junger Steward ihm einenStoß vor die Brust, daß der alte Mann hinschlug undsich die Wange und die linke Hand blutig verletzte. Der18jZhrige Sohn des Verletzten stellte erregt über die Mißhandlungenseines Baters den Steward zur Rede, worauf dieser mit einemwüsten Schimpfwort antwortete. Als nun der junge Mann dasSchimpfwort erwiderte, bekam er als Genugwung em paar schallendeOhrfeigen. DaS war selbst den Auswanderern zu viel, sie machtenMiene, dem brutalen Burschen zu Leibe zu gehen und hätten ihrBorhaben auch ausgeführt, wenn ich nicht dazwischen getreten wäre.Gern hätte ich dem uniformierten Frechling die verdienten Prügelzu teil werden lassen, aber ich wollte verhindern, daß dieArmen geringe Zeit vor ihrer endgültigen Abfahrt einem Verhörunterworfen und womöglich zurückbehalten würden. Kurz daraufwurden die Auswanderer zusammengerufen, in Gruppen geteilt,empfingen gegen Zurückgabe ihrer Kontrollkarten die Schiffskarten,um dann aufs Schiff geführt und verladen z» werden. Auch meinTrupp zog davon, nach kurzem, aber herzlichem Abschied. DerKlempner aus Mitan, mein engerer Reisegefährte und Sozialist, tratnochmals an mich heran, um sich besonders zu verabschieden. DaDas heißt also: den tiefsten, aber nicht den einzigenHebel. Wäre es anders, so wäre ja auch alles Reden und Schreiben,alles Agitieren unnütz, denn die Erkenntnis, die dadurch verbreitetwird, ist selbstverständlich eine geistige Macht und dennoch ein starkerHebel der geschichtlich notwendigen EntWickelung. V.Die„Justice", das Organ der Sozialdemokratischen FöderationEnglands, erscheint seit dem 1. Januar in vergrößertem Format.In einem Artikel„1884— 1905" wirft der Genosse Hyndman einenRückblick auf die EntWickelung des Organs und der Föderation selbst.Er ist mit den Erfolgen der Arbeit, die unter den größten Schwierig-leiten begonnen hat, durchaus beftiedigt. Die Gesellschaft der Fabierhabe der Föderation schon bei ihrer Geburt einen baldigen Todprophezeit: dasselbe hat später die Unabhängige Arbeiterpartei ge-tan, aber noch heute bestehe die Sozialdemokratische Föderation undzwar gefestigter denn je. Auch die herrschende Presse, die Politikerusw. würden gezwungen, sich mehr und mehr mit dem Sozialismuszu beschäftigen.polireilicbeo, Omchtliches uf».Wegen Verstoß gegen den Paragraphen 17 des Prcßgesetzeswurde Genosse Dr. Laufenberg als verantwortlicher Redakteurunseres Düsseldorfer Parteiblattes von der dortigen Strafkammerzu einer Geldstrafe von 30 Mk. verurteilt. Genosse Laufenberghatte zu der Kritik einer staatsanwaltlichen Amtshandlung einenTeil einer ihm zugegangenen Anklageschrift verwandt, bevor diese inöffentlicher Verhandlung bekannt gegeben war.)Zus Incliiftrie und Kandel.Die Börse und die Bergarbciterbcwegung im Ruhrrevier. Nocham Sonnabend beurteilte die Börse die Situatton im Ruhrrevierrecht günstig. Die heute vormittag eingelaufenen telegraphischenNachrichten, daß auch die Belegschaft der dem Stahlwerk Hoesch ge-hörenden Zeche.Kaiserstuhl II" und der im Besitz der HarpenerBergbau-?lktiengescllschaft Zeche„Scharnhorst" in den Streik ein-getreten sei, führte jedoch zu einer anderen Auffassung der Lage.Die Kurse leitender Kohlenaktien fielen teilloeise um 3 bis 4 Proz.So büßten z. B. die Harpener Aktten, um 3>/z, die Gelsenkirchenerum 3 Proz. ein. Auch die Hüttenattien wurden in Mitleidenschastgezogen.Die Jülich« Lederwerke, die, wie wir vor einigen Tagen be-richteten, infolge der Schwindeleien ihres Direttors in Konkursgeraten sind, halten vorläufig ihren Betrieb mit verringerterArbeiterzahl aufrecht.Der flüchtige Direktor Jnderfurth täuschte bei dem Abschluß dietätigen drei Sachverständigen durch die Angabe, ein Teil derGruben enthalte ganze Häute, während eS nur halbe waren. Alsjetzt bei der Uebernahme der Werte der Jülicher Volksbank durch dieDttrener Bank eine neue Prüfung erfolgen sollte, sträubte sichDirektor Jnderfurth mit der Begrünoung, eine nochmalige Prüfungsei für ihn beleidigend. Trotzdem wurde die Prüfung fürden 2. Januar angesetzt und Jnderfurth anheimgegeben,während der Prüfungsdauer zu verreisen, er flüchtete aber.Die Jülicher Volksbank ist in Mitleidenschast gezogen: siebesitzt 55 000 M. Aktien der Jülicher Lederiverke und gab für mehrereHunderttausend Kredit. Wie die»Köln. VolkSzeitung" mitteilt, habenin den letzten Tagen vorgenommene Neuaufnahmen der Beständedurch einen Aachener Gerber stattgefunden und ergeben, daß einTeil der Gruben nur halbe statt ganze Häute enthält. Es verlautet,daß mindestens das Grundkapital verloren ist; nach anderer Angabebeträgt der Fehlbettag etwa 050 000 M. Die Gesamtverbindlich-leiten, welche nicht gedeckt sind, belaufen sich auf rund eine MillionMark. Die Untersuchungen danern noch fort. Die Jülicher Volks-bank wird in Mitleidenschaft gezogen. Zwar besitzt sie eine ersteHypothek auf die Lederlverke; außer dem Aktienbesitz von 55 000 M.dürste aber die Rücklage der Volksbank in Höhe von 200 000 M.zum kleineren oder größeren Teil verloren gehen.Die Gründung von Aktiengesellschaften ist im Jahre 1904 größergewesen als im vorigen Jahre: es sind 104 Gesellschaften gegen 84im Jahre 1903 gegründet worden, doch ist der Gesamtbettag derAktienkapitalien dieser 104 Gesellschaften weit geringer als im vorigenJahre. Zum Teil erklärt sich das daraus, daß im Jahre 1903die Firma Fr. Krupp in eine Aktiengesellschaft mit einem Gruiid-kapital von 160 Millionen Mark umgewandelt worden ist. Auf dieeinzelnen Branchen verteilen sich die Gründungen nach einer Zusammen-stellung des»Deutschen Oekonomist" folgendermaßen:ich wußte, daß er völlig mittellos war, bot ich ihm einiges Goldan. Er wies es zurück mit den Worten:„Bon Dir nehme ichkein Geld, Dn brauchst es selber." Nun gab ich mich ihmals deutschen Sozialdemokraten zu erkennen, und auf seine vor-wunderte Frage, warum ich hier bin, in dieser Tracht und in diesertraurigen Umgebung, erwiderte ich:„Nicht meinetwegen, sondernEuretwegen btn ich hier, ich fahre auch nicht nach London, solidemkehre nach Berlin zurück." Dainit übergab ich ihm drei Rubel, erdrückte mir bewegt die Hand und ich ging schnell von dannen.Nun nahm ich den Instanzenweg wieder auf, um mein Geldzurückzuerhalten. Ich wandte mich daher, bescheiden um AliSknnstbittend, an den ersten Beamten, den ich traf; der Mann Höste michachselzuckend an, drehte sich schweigend um und ließ mich stehen.Ratlos wandte ich mich an einen zweiten,— mit demselben Erfolge.Beim dritten und vierten ging es inir nicht besser, mit dem Unter-schiede, daß der eine mir die tröstliche Antwort gab:»Sie werdengerufen werden, wenn es Zeit ist." Sie alle schienen es mit derWürde ihrer Stellung für unvereinbar zu halten, einem russischenAuswanderer Rede und Antwort zu stehen. So ging ich denn aufgut Glück in das VertvaltungSgebäude und ttug dem dortamtierenden Herrn mein Anliegen vor, d. h. ich versuchte eS; dennkaum hatte ich damit begonnen, als der Herr mich hinausschob undmir die Tür vor der Nase zuschlug. Ich kam mir nun tvirklich vorwie ein unglückseliger Bittsteller, der sich vergeblich bemüht, das Ohrvon Wohltätern zu gewinnen, oder noch viel eher als ein Bettler,denn die Leute gebürdeten sich mehr oder weniger hochfahrend, wieGönner, die Bettlern gewohnheitsmäßig unverdiente Wohl-taten erweisen. Auf einer Stelle, dachte ich mir, wirdman sich wohl zu einer Auskunst herbeilassen, und sonahm ich meinen Weg nach der Expedition. Scharen vonMenschen, die auf die erst am nächsten Dienstag fälligen Dampfertoasteten, gingen und standen uniher, die ungewohnte Umgebungneugierig betrachtend. In der Expedition hörte man mich an undhieß mich warten. Ich setzte mich nieder und hatte eine Stundelang Zeit, die Vorgänge in, Verkehr mit den Auswanderen! zubeobachten. Es war auch hier dieselbe Ast und derselbe Ton desUmganges mit den Menschen. Zur Erläuterung will ich bemerken,daß bemittelten Auswanderern die Möglichkeit geboten ist, bei Nach-zahlung von einer Mark die Betten des Hotels zu benutzen. DieKarten dafür werden hier in der Expeditton verabfolgt. Ich sahmehrere anständig gekleidete Auslvanderer schüchtern um Verab-folgung einer Karte bitten. Einige wurden überhaupt keiner Ant«wort gewürdigt, andere wurden auf spätere Zeit bestellt, anderewurden kurzerhand hinauSgewiesen. Wer den Mut hatte, stehen zubleiben oder wiederzukehren, und daS taten die meisten, erhieltenschließlich ihre gewünschten Kasten, natürlich gegen ehrliche Be-zahlung. Um gerecht zu sein, will ich die Bemerkung nicht unter-drücken, daß die Beamteii seit Tagen mit nur kurzer Unterbrechungstark beschäftigt und daher überanstrengt waren. Das mag ihnenpersönlich bis zum geivissen Grade zur Entschuldigung gereichen,aber die Gesellschaft trifft dasiir ein doppelter Vorwurf.Endlich ergeht auch an mich der erlosende Ruf:»Kommen Sie