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Staatssekretär Nieierding: Ich muß im Namen des Herrn Reichskanzlers entschieden Verwahrung dagegen einlegen, daß in dieser Weise von einem Staate hier gesprochen wird, mit dem uns doch wichtige internationale Interessen verbinden.<Aha! und Lachen links. Sehr richtig! rechts.) Ich kann die Herren Abgeordneten nicht verhindern, Ausdrücke zu gebrauchen, wie sie sie für gut befinden, aber die deutsche Regierung verwahre ich dagegen, daß in dieser Weise hier verletzend gegen einen defreundeten Staat- gesprochen wird. Was wurden Sie dazu sagen, wenn in dieser Form in einem Parlament des Auslandes über das Deutsche Reich gesprochen würde?<Abg. Stadthagen : Im russischen Parlament Heiterkeit.) Herr Lenzmann hat be- dauert, daß der Herr Reichskanzler nicht anwesend ist. Der Herr Reichskanzler hat das Recht, sich durch die Staatssekretäre vertreten zu lassen. Jeder von Ihnen wird anerkennen müssen, daß der Herr Reichskanzler namentlich in dem jetzigen Stadium seiner Geschäfte, bei dem Umfang seiner Geschäfte, unmöglich bei jeder Verhandlung des Reichstags selbst erscheinen kann. (Lachen bei �den Sozialdemokraten.) Sie müssen schon die Vertretung durch den Sraatssekretär hinnehmen, wenn auch Herr Lenzmann meint, daß fie_ ungeeignet ist.(Heiterkeit.) Wenn Herr Lenzmann dann die Abwesenheit des preußischen Jnstizministexs bedauert hat, so habe ich zu erklären, es ist das Recht jedes Bevollmächtigten zum Bundesrat, hier zu erscheinen oder nicht, daß kein Abgeordneter in der Lage ist, ihn zum Erscheinen zu nötigen. Der preußische Herr Justizminister hat seiner verfassungsmäßigen Verpflich- tung entsprechend der Oefsentlichkeit gegenüber in einer ausführlichen Erklärung im preußischen Abgeordnetenhause dargelegt, welches der Sachverhalt im Äönigsberger Prozesse(Abg. Bebel: Nicht gewesen ist I(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten)), welches der Sach- verhalt des Prozesses gewesen ist, und seinen Standpunkt verteidigt. Er ist nicht verpflichtet, hier noch einmal zu erscheinen. Wenn Herr Lenzmann sodann gesagt hat, das Urteil im Königs» berger Prozeß sei ergangen auf dem Boden der Rechtsverletzung, so muß ich gegen diese Verunglimpfung eines deutschen Gerichtshofes entschieden Verwahrung einlegen. So lange der höchste Gerichtshof nicht in letzter Instanz entschieden hat, ist kein Abgeordneter berechtigt, zu erklären, ein Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung.(Unruhe links.) Damit schließt dieDebatte über die Resolution Müller- Meiningen Haußmann. Persönlich bemerkt Abg. Lenzmann(frs. Vp.): Ich habe nicht das Urteil im Königsberger Prozeß, sondern die Einleitung des Ver- fahrens als rechtswidrig bezeichnet. Das ist etwas ganz anderes. Präsident Graf BaUcstrcm: Die Abstimmung über die Resolution wird bei der dritten Lesung vorgenommen werden. Danach fährt das Haus in der Generaldebatte über den Etat der Justizverwaltung beim TitelStaatssekretär" fort. Abg. Erzberger <Z.): Wir hatten für diesen Etat eine ganze Reihe von Resolutionen vorbereitet, sind aber nicht in der Lage, sie heute einzubringen. Denn noch ist keiner der Resolutionen, die der Reichstag im vorigen Jahre angenommen hat, zum Teil einstimmig, Folge gegeben worden. Immer langsam voran. Immer langsam voran. Daß der Bundesrat Nachkommen kann." Die erste dieser Resolutionen bezog sich auf die EntschädigungS- Pflicht der Automobilfahrer, eine Frage, deren Lösung zugleich im Interesse der städtischen und ländlichen Bevölkerung liegt. Die Schweiz hat inzwischen diese Frage durchaus befriedigend gelöst, in Deutschland find wir nicht vorwärts gekommen. Wir haben ferner die Sicherung der Forderungen der Bauhand- werker verlangt. Vom Bundesrat ist nichts geschehen. Wir haben ferner gefordert, daß noch vor der allgemeinen Regelung des Strafvollzuges den wegen politischer Vergehen Verurteilten Selbst- beschäftigung und Selbstbeköstigung gesichert werde. Als Antwort haben wir in jüngster �eit den Fall Hüffener erlebt, der einen Schrei der Entrüstung in der ganzen Bevölkerung hervorgerufen hat. Die Regierung hat angekündigt, sie werde die sozialdemokratischen Blätter wegen Verhöhnung der Gefängnisverwaltung verklagen. Sie mag nur zusehen, daß man nicht in der Behandlung des Seekadetten Hüsiener eine Verhöhnung des Rechts- bewußtseins im Volke erblickt. Es scheint, man müsse ein Menschenleben auf dem Gewissen habe», um sich Bcrgnnstigunge» in der Haft zu erwirken. Während Redakteure, die wegen Maiestätsbeleidignng verurteilt sind, der Briefzensur und allen möglichen Schikasten unterworfen werden, wird ein Mann, der sich nur das Vergnügen gemacht hat, einen Mensche» über den Hänfen zu stechen, und ein anderer. der nur einen Schwarzen totgrprügelt hat, erst statt der Gefängnisstrafe zur Haftstrafe begnadigt und genießt dann die größte Freiheit. Der Reichstag hat in einer vierten Resolution einstimmig verlangt, daß die Konkurrenz der Zuchthans- und Ge- fängnisarbeit gegen das Handwerk beseitigt oder möglichst ab- geschwächt werde? da die Klagen der Handwerker noch ebenso zahl- reich und dringend sind wie früher, werden wir jetzt die Regierung auffordern, uns alljährlich eine Statistik über die Art und Aus- breitung der Gefängnisarbeit vorzulegen und ich bitte Sie, unserem dahingehenden Antrage zuzustimmen.(Bravo I im Zentrum.) Staatssekretär Dr. Niebcrding: Daß wir dem Reichstage keine Vorlage über die Beschlüsse des Bundesrats zu seinen Resolutionen haben zugehen lassen, liegt daran, daß bisher Tradition war, nur bei Beginn einer neuen Session eine derartige Vorlage zu machen. Ob dies zlveckmäßig ist, ist eine Frage, die durch den Antrag Gröber zum Etat des Reichskanzlers ja jetzt angeregt worden ist. Jedenfalls darf der Reichstag in der Ablehnung seiner Resolutionen durch den Bundesrat ebensowenig eine Mißachtung erblicken, wie der Bundesrat in der Ablehnung seiner Vorlagen durch den Reichstag. In der Frage der Haftpflicht der Automobile sind die Erwägungen über den geeigneten Weg weit vorgeschritten, aber die Initiative müssen wir der preußischen Regierung überlassen. In der Bau­handwerkerfrage ist die Vorlage fertig ausgearbeitet und liegt dem preußischen Staatsministerium vor. Findet sie dessen Zustimmung, so wird sie dem Bundesrat zugehen. Die Resolution betreffeud die Behandlung politischer Gefangener habe ich der Strafprozeß- kommission überwiesen. Ueber den Fall Hüssener kam« ich leider keine A>«lörung geben. Für seine Behandlung ist die Militär- Verwaltung verantwortlich. Ueber die Gcfängnisarbeit wird gegenwärtig eine Statistik aufgestellt: wie sie eingeschränkt werden soll, ist eine sehr schwierige Frage, lind ich weiß auch nicht, ob wir die große Arbeit einer solchen Statistik alle Jahre werden leisten können. Darauf vertagt sich das Haus auf Donnerstag 1 Uhr. (Fortsetzung der heutigen Beratung.) Schluß ö'/z Uhr.___ Das Dessauer Zuchthausurteil vor dem Ober-Kriegsgericht. Magdeburg . 11. Januar.(Telegraphischer Bericht.) Vor dem Ober-Kriegsgericht des IV. Armeekorps, das hier in Magdeburg seinen Sitz hat, nahmen heute früh die Verhandlungen in der Bernfnngssache des vielbesprochenen Dessauer Zuchthaus­urteils ihren Anfang. Den Sitzungssaal bildet ein kleiner halb- dunkler Raum in dem inmitten des Magdeburger Kasernenviertels belegenen Militär-Arrestgebäude. der kaum 20 Personen Sitzgclegeu- heit bietet und für die zahlreich erschienenen Vertreter auch nicht einen Schreibplatz aufweist, so daß die Berichterstatter gezwungen sind, aus den Knieen einen festen Pappbogen auszubreiten und darauf notdürftig ihren Bericht zu Papier zu bringen. Als Berhandlungsführcr fungiert Ober-Kriegsgerichtsrat Fischer, die Anklage vertritt Kriegsgerichtsrat Richarz, während als Ver- teidiger der Angeklagten die Ncchtsanivälte Guttmann und Dr. E b e r h a r d t- Magdeburg sowie Rechtsanwalt C z a r n i k o w erschienen sin» Die Zahl der geladenen Zeugen beträgt etwa 2S. Auf der Anklagebank sitzt auch der Unteroffizier Heine, durch dessen Auftreten die ganze Angelegenheit heraufbeschworen wurde. Er war es bekanntlich, der an einem Sonntagabend iin August v. I. auf dem Tanzboden in Ziebigk bei Dessau im angeirunkenen Zustande skandalierte, bis man ihn vor die Tür setzte, und der dann die auf dem Heimwege begriffenen Bräute der beiden anderen An- geklagten, des Gefreiten Günther und des Musketiers Voigt angriff, worauf diese ihn zur Rede stellten. Während des Wort- Wechsels soll nun Heine mit seinem Seitengewehr blindlings um sich geschlagen habe», bis V o i g t es ihm entrissen. Inzwischen aber hatte Heine dem Voigt dessen Seitengewehr entrissen und war damit fort- gelaufen. Günther und Voigt holten ihn aber ein und sollen ihn nun zu Boden geworfen, geschlagen und ihm das Voigtsche Seitengewehr wieder abgenommen haben. Das Seitengewehr Heines gaben die Angeklagten dann in der Kaserne ab. Ihr Verhalten wurde jedoch als militärischer Aufruhr angesehen und nach K 97 des M. Str. G. B. bestraft, der folgenden Wortlaut hat: Wenn mehrere sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften es unternehmen, dem Vorgesetzten den Gehorsam zu ver- weigern, sich ihm zu widersetzen oder eine Tätlichkeit gegen den- selben zu begehen, so wird jeder, welcher an der Znsammen- rottung teilnimmt, wegen militärischen Aufruhrs mit Gefängnis nicht unter fünf Jahren bestraft. Die Rädelsführer und Anstifter des militärischen Aufruhrs sowie diejenigen Aufrührer, welche eine Gelvalttätigkeit gegen den Vorgesetzten begehen, werden mit Zuchthaus nicht unter fünf oder mit lebenslänglichem Zuchthaus... bestrast." Das Urteil des Kriegsgerichts der VIIL Division in Halle, das sich zur Aburteilung dieses Falles nach Dessau begeben hatte, lautete gegen Günther und Voigt auf je 5 Jahre und 1 Tag Zucht- haus und Ausstoßung aus dem Heere, mit der Be- gründung, daß die Angeklagten nicht in Notwehr gehandelt hätten. Allerdings, so hieß es in dem Urteil, gebe es für die Untergebenen dem Vorgesetzten gegenüber eine Notwehr. Dieselbe dürfe sich aber nur als Abwehr, nicht als Gegenloehr äußern. Hiergegen legten beide Verurteilte Berufung mit der Begründung ein, daß das Kriegsgericht den Begriff der Notwehr verkannt habe. Nach einer eindringlichen Vermahnung der Zeugen wurde zu- nächst in eine Erörterung der Borgeschichte des Falles eingetreten. Es ist noch zu bemerken, daß der Unteroffizier Heine erst am gestrigen Tage wegen Fluchtverdachts in Haft genommen worden. Das vollständig zur Verlesung gelangende D e s s a u e r Urteil nimmt an, daß Günther und Voigt und ihre Bräute, das lbjährige Dienstmädchen Regel und die Lljährige Albrecht, an dem Vorfall mit dem Unteroffizier Heine zunächst vollkommen unbeteiligt waren und daß es andere Soldaten waren, denen der angetrunkene und im Tanzsaal herumlärmende Heine unangenehm auffiel, so daß sie ihn höflichst aus dem Saale führten. Sie hätten fern ab an einem anderen Tische gesessen und seien erst dadurch mit Heine in Konflikt gekommen, daß dieser die auf die Straße tretenden Mädchen angesprochen habe. Heine habe den beidenGuten Abend" geboten, welchen Gruß jedoch nur die Albrecht erwidert hat. Darauf sei Heine auf die Regel zu- getreten und habe ihr einen Stoß verseht. Inzwischen waren Günther und Voigt herausgekommen und setzten auf Veranlassung der Regel dem Heine nach. Es folgte dann die Niederwerfung Heines und die Wegnahme des Seitengewehrs. Günther und Voigt hätten nicht er- fahrene, ausgediente und am Tage vor ihrer Entlassung stehende Soldaten, sondern ungelernte Neulinge sein müssen, um sich der Unzulässigkeit ihres Vorgehens nicht bewußt ge- wesen zu fern. Nachdem Heine am Boden gelegen habe, könne von einer Notwehr im Sinne des Gesetzes nicht die Rede sein, ebenso wenig von einer Gegenwehr. Es liege viel ni ehr ein gemeinschaftlicher Angriff auf einen Vorgesetzten vor. Das Urteil kommt zu folgendem Schluß: Es liege Beleidigung eines Vorgesetzten vor, dadurch begangen, daß Günther den Heine wegen der Anrenipclung seines Mädchens zur Rede stellte.(§ 91 M. St. G. B.) Ferner liege ein tätlicher Angriff auf einen Vorgesetzten vor (§ 97 M. St. G. B.), indem der Angeklagte Voigt den Heine fest- hielt und ihn am Weitergehen zu verhindern suchte. Drittens sei auch der Tatbestand des Aufruhrs(ß 47) gegeben, indem Voigt und Günther sich zusammentaten, um gemeinsam den Vorgesetzten anzugreifen. Den Angriff erblickt das Urteil darin, daß beide Soldaten Heine verfolgten, Günther ihn von hinten umfaßte, ihm das Seitengewehr entriß und beide darauf, als Heine nach ihnen schlug, ihn zu Boden warfen und nach ihm schlugen. Die Mißhandlung Untergebener, so führt das Urteil weiter ans, durch Heine sei in dem Schlag zu erblicken, den der Unteroffizier nach Voigt und Günther führte, wobei er jedoch die Regel traf. Was das Strafmaß anlange, so sei straferschwerend das dreiste Verhalten Günthers und Voigts und ferner der Unlstand, daß sie ausgediente Soldaten seien. Trotzdem sei aber doch auf das Mindeststrafmaß(fünf Jahre Zuchthaus) erkannt worden, weil dieses Urteil die Angeklagten ohnehin schwer treffe und weil sie bei ihrem Vorgehen keine ehrlose Gesinunng an den Tag gelegt hätten. Im Anschluß an die Urteilsverlesung begründet der Anklage- versteter, Kriegsgerichtsrat Richarz. die Berufung des Gerichts- Herrn, während die Rechtsanwälte Czarnikow, Dr. Eber- Hardt und Guttmann die Gninde darlegen, aus denen heraus sie eine Abänderung des Urteils wünschen. Darauf wurde in die Vernehmung der Angeklagten eingetreten. Vorher teilte der Verhandlungsführer mit, daß das Gericht sich schlüssig geworden sei, in eine Beweisaufnahme über die Vorgänge, die zu dem Urteil gegen Heine geführt haben, nicht einzutreten, da das gegen Heine erlassene Erkenntnis auf drei Monate Gefängnis bereits rechtskräftig geworden sei und der GerichtShcrr bezüglich dieses Angeklagten nur noch eine Beschluß- fassung wünsche über die Frage, ob bei Heine nicht auch auf Degradation zu erkennen sei. Zunächst wurde der Unteroffizier Otto Heine vernommen. Sein Führungs- Zeugnis weist wegen einer kleinen Uebertretung eine Vorstrafe von fünf Tagen Mittelarrest auf. Wegen des zur Anklage stehenden Vorfalles wurde Heine zur Reserve entlassen. Am Sonntag, den 28. August, gegen 6 Uhr abends, so bekundet der Angeklagte, sei er nach Ziebigk bei Dessau gegangen und hat dort zunächst den Turnspielen auf einem Vergnügungsplatz zugesehen. Dann sei er in das Tanzlokal von Knetsch gegangen, wo er sein Seitengewehr und die Mütze auf einen Tisch gelegt und den Wirt begrüßt habe. Er habe schon vorher viel getrunken und am Büfett weitcrgrtrunken, bis er in einen Streit mit Soldaten verwickelt und schließlich von dem Gesteiten Wagner hinausgeführt worden sei. Draußen sei ihm zum Bewußtsein gekommen, daß eS nicht gut an- gängig sei, von einem Untergebenen sich so behandeln zu lassen. Auch habe er seine Sachen vennißt. Nachdem er diese sich besorgt hatte, sei er von einem Unteroffizier zum Verlassen des Saales auf- gefordert worden. Dabei mußte er an den beiden Mädchen vorbei. Als die Regel seinen Gruß nicht erwiderte, habe er ihr einen leichten Stoß versetzt und sei dann nach Dessau zu fortgegangen. Als er etwa 39 Schritte weit gegangen war, seien zirka 20 Soldaten und Zivilisten ihm nachgekommen. Man habe ihm ins Genick einen Stoß versetzt, ins Gesicht geschlagen und zu Boden geworfen. Da habe er sein Seitengewehr gezogen und mit den Worten:Drei Schritte vom Leibe!" um sich ge- schlagen. Nun habe man ihm das Seitengewehr forfgenommen. Darauf habe er einem seiner Angreifer das Seitengewehr aus der Scheide gezogen und sei dann davon gelaufen. Er habe dann das am Wege belegene WirtshausSchweizerhauS" aufgesucht und sich gereinigt. Von hier aus sei er durch den Sergeanten Stein in die Kaserne geschickt worden, wo er den Vorfall meldete. Inzwischen sei ihm durch einen Gefreite» das Seitengewehr wiedergegeben worden. Der Einzelheiten könne er sich nicht mehr so genau erinnern, Insbesondere wisse er nicht genau zu sagen, ob er nur einninl oder wiederholt mit Voizzt und Günther auf dem Wege nach Dessau zusammengestoßen sei. Er sei sehr betrunken gewesen, auch habe er nach dem Falle auf dem Pflaster eme Zeitlang bewußtlos gelegen. Der zweite Angeklagte, Gefreiter Karl Günther, ist am 21. Dezember 1881 in R a d e g a st(Kreis Köthen) geboren und Fleischer gewesen. Sein Führungsattest lautet: Sehr gut. Der Verhandlnngsführer hält ihm zunächst vor, daß er am allerwenigsten belastet erscheine, daß er aber trotzdem ursprünglich absolut nichts von dem Anlaß zu dem Streit und seiner Beteiligung erzählte, sondern nur Heine zu belasten versucht habe. Der Angeklagte gibt dies zu mit dem Bemerken, daß er geglaubt habe, die Untersuchung richte sich nur gegen Heine. Mit Bezug auf den Vorfall gibt Günther an, daß er mit Voigt scharf gegangen sei, um Heine einzu« holen und ihn wegen der Anrempelung des Mädchens zur Rede zu stellen. Ein Uebersall auf Heine sei nicht beabsichtigt gewesen. Da» gegen habe Heine sofort um sich geschlagen und die Umstehenden da- durch gefährdet. Nur deshalb habe er den Unteroffizier schließlich gepackt, während Voigt ihm die Waffe abnahm. Sein Wille sei nur gewesen, Heine am Schlagen zu hindern. Ueber die weiteren Vorgänge verwickelt sich Günther nach Ansicht des Verhandlungsleiters in viele Widersprüche, da er bestreitet, Heine mit geschlagen zu haben. So wird Heine vom Rechtsanwalt Dr. Eberhardt befragt, ob und welche Verletzungen er bei der Affäre davongetragen habe. Heine: Meine Zähne bluteten und die Lippe war aufgeschlagen. Verteidiger Rechtsanwalt C z a r n i-- low: Sind Sie nicht später noch von Zivilisten angefallen worden, so daß Ihre Verletzungen auch davon her» rühren konnten? Heine: Nein, ich erinnere mich nicht, von Zivilisten angefallen zu sein. Auf weiteres Befragen gibt Günther noch an, daß, während Heine auf der Erde gelegen habe, ein Soldat vom 1. Bataillon vorbei» gegangen sei und nach Heine getreten habe. Ob er den Liegenden traf, wisse er nicht. Der Angeklagte Paul Voigt ist am 25. April 1882 geboren, ebenfalls Fleischer gewesen und tm Ottober 1992 ausgehoben. Auch sein Führungszeugnis lautet: Sehr gut. Er erklärt, an dem Vorfall selbst sei er ganz un» beteiligt gewesen. Er erinnere sich aber, daß Heine im Tanz- saalumhergetorkelt" sei und Anstoß erregt habe. Man habe ihn Rindvieh" undRhinozeros" tituliert, bis Heine unangenehm geworden sei und hinausgeführt wurde. Man habe ihm(Voigt) nach einiger Zeit Mitteilung von der Anrenwelung gemacht und da sei er in großer Austegung im Verein mit Günther dem Unteroffizier nach» gegangen und habe diesen gestagt:Herr Unteroffizier! Weshalb haben Sie das Mädchen gestoßen?" Anstatt einer Antwort habe Heine sofort das Seitengewehr gezogen und um sich geschlagen,' ivorauf seine Entlvaffnung erfolgte. Auch dieser Angeklagte scheint sich in Widersprüche zu verwickeln. Zeugenvernehmung. Der erste Zeuge ist Rudolf Soos aus Ziebigk , der als EntlastungS» zeuge geladen ist. Er bekundet, daß er an jenem Abend einen kurzen Wortwechsel zwischen Soldaten gehört habe, daß ein Schlag gefallen sei und daß eine MädchenstimmeAu" geschrien habe. Als er hin- zukam, sah er Heine am Boden liegen. Er sagte zu ihm:Gehen Sie doch, das Seitengewehr ist gewiß schon auf der Wache". Verhandlungsführer: Woher wußten Sie denn das? Zeuge: Es ivaren zwei Soldaten an mir vorübergegangen und die erzählten sich, in dem der eine auf ein Seitengewehr zeigte, er wolle das auf die Wache bringen. Hierauf trat die Mittagspause ein. » Nach Wiedereröffnung der Sitzung wurde die 17 Jahre alte Frida Regel vernommen. Sie hat Günther acht Tage vor dem Vorfall kennen gelernt. An dem fraglichen Sonntag hatte sie mit Günther an einem kleinen Tische Platz genommen und dabei beobachtet, daß der Angeklagte Heine inr Lokalumhertorkelte" und Leute an- rempelte. Gegen 9 Uhr sei sie hinausgegangen, um sich in der Garderobe anzukleiden. Dabei sei sie in der Türe auf Heine gestoßen. Heine habe ihr die Hand geboten undGuten Abend" gesagt. Sie habe getan, als ob sie ihn nicht verstanden hätte und er habe sie dann gröber angefahren. Schließlich habe Heine siege- schubst", so daß sie durch die Türe in den Saal getaumelt sei. Dies habe Günther bemertt und sie gefragt, was denn los sei. Als sie sich daraus bei Günther über Heine bettagt habe, sei dieser aufgestanden, habe sich auch ferttg gemacht und sei mit ihr, ihrer Freundin und dem Angeklagten Voigt dem Heine nachgegangen. Nach kurzer Zeit habe Günther Heine gestellt und ihn gefragt, wes- halb er seine Dame gestoßen habe. Heine habe das zunächst be- stritten, worauf sie(die Zeugin) gerufen habe:Sie haben mich doch geschubst" I Nunmehr� habe) Heine sein Seitengewehr gezogen und damit um sich geschlagen mit den Worten:Zehn Schritt vom Leibe". Da habe Günther ihn an den Händen festgehalten und Voigt ihn» das Gewehr abgenommen. Dann seien alle drei hingefallen und hätten sich auf der Erde gebalgt, wobei bald der eine, bald der andere oben gelegen habe. Schließlich hätte Heine sich des Voigtsche» Seitengewehrs beinächtigt und sei davongelaufen. Darauf seien Voigt und Günther hinterhergestürzt und es sei abermals zu einem kurzen Kampf gekommen, der damit geendet habe, daß sie (die Zeugin) von einem heftigen Schlag, und zwar von Heines Seitengelvehr, getroffen wurde, der ihr das Kleid durchschnitt und sie am Oberschenkel verletzte. Als sie beiseite getreten sei, habe sie beinerkt, daß sie blutete. Vorsitzender: Glauben Sie, daß Heine Sie verletzt hat? Zeugin: Jawohl. Vor- sitzender: Hatten Sie den Eindruck, daß Heine Sie schlagen wollte oder kam es Ihnen nur so vor. als ob er in der Dunkelheit Sie für einen Soldaten hielt? Zeugin: Das kann ich nicht sagen. Heine schlug gerade aus, immer von oben herab. Vor- sitzender: Nun, es iväre jedenfalls eigentümlich, daß ein Unter- offizier ein wehrloses Mädchen absichtlich schlagen sollte. Er wollte doch in erster Linie nur seine Angreifer abwehren? Zeugin: Das kann ich nicht sagen. Verhandlungsführer: Früher haben Sie gesagt, Sie hätten den Eindruck, als wollte Heine Sie ver- letzen. Rechtsanwalt Guttmann: Weshalb haben Sie denn dem Unteroffizier nicht die Hand gegeben? Zeugin: Er schien mir betrunken. Vert. Guttmann: Aber das wäre doch kein Grund gewesen, ihm die Hand zu verweigem! Zeugin: O, doch. Verhandlungsführer: Wie lange hat denn die Balgerei zwischen den Angeklagten gedauert? Zeugin: So genau läßt sich das nicht sagen. Verhandlungsführer: Fünf oder zehn Minuten.Zeugin: Ja, fünf, auch zehn Minuten. (Heiterkeit.) Verhandlungsführer: Ich danke bestens. (Erneute Heiterkeit.) R.-A. Guttmann: Nun, wie lange hat die Balgerei gedauert? Fünf oder zehn Minuten? Z e u g i n schwsigt. Verteidiger Guttmann: Das ist ja schrecklich, die Zeugin kann ja absolut nichts Genaues angeben. Wenn sie noch nicht einmal fünf Minuten abschätzen kam», so ist doch nichts mit ihr anzufangen. Verhandlungsführer: Versuchen Sie nur Ihr Heil, ich habe das Meinige getan.(Heiterkeit.) Verteidiger Rechtsanwalt Guttmann: Ich verzichte auf die Zeugin. LerhandlungS- führ er: Ich dann auch: ste kann ja nicht einmal Eier kochen, sie kocht sie ja zehn Minuten lang.(Große allgemeine Heiterkeit.) Fräulein Allirccht, die mit Voigt befreundet, bestreitet, daß die beiden Angeklagten dem Heine im Trabe gefolgt sind. Vielmehr habe man Heine in gewöhnlicher Gangart in etwa zehn Minuten eingeholt und ihn zur Rede gestellt. Heine habe sofort mit dem Seitengewehr um sich geschlagen. Um die Handhabung der Waffe durch Heine den Richtern anschaulich zu machen, muß ein Aufsichtsposten dem jungen Mädchen sein Seiten- gewehr überlassen, das es etwas zögernd in die Hand nimint. Der Borsitzende ernmntert sie mit den Worten:Na, zeigen Sie es uns mal, das Ding geht ja nicht gleich los I" (Heiterkeit.) So, wie die Zewgin die Waffe handhabt, scheint Heine mit dem Seitengewehr in der Lust herumgefuchtelt zu haben. In bezng auf den gegen ihre Freundin Regel geführten Schlag bekundet die Zeugin, daß sie den Eindruck gehabt habe, daß Heine auf eine Verletzung abgesehen hätte.