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find auch ein Antrieb für den wirklichen Arbeiterschutz, für die Festsetzung der Schicht- und Gedingefrage, weil sie in den letzten Winkel hineinleuchten, die betrügerischen Verschlage abreißen. Auf deu fiskalisch-sächsischen Gruben in Zauckerode wählt der Arbeiterausschuß auch Grubeninspektoren. In Bayern werden die Arbeiterausschüsse von der königlichen Berg- inspektion eingeladen, an den Kontrollgängen teilzunehmen. Dabei sind die Arbeitcrausschuß-Mitglieder durchweg Mitglieder des alten Verbandes, den man auch den sozialdemokratischen nennt, und diese angeblich sozialdemokratischen Vertreter schätzt die königlich bayerische Berginspektion wegen der Sachlichkeit und Gründlichkeit ihrer Untersuchungen. Da ist mit keinem Wort von der Absicht parteipolitischer Betätigung und all den Behauptungen des Herrn Engel die Rede. Auch im Saargebiet haben wir so etwas wie Arbeiter- kontrolleure. Aber wenn Herr Minister Möller im vorigen Jahre sagte, er sei mit der Wirkung der Arbeiterkontrolleure nicht zufrieden, so kann ich das begreifen; ich bin auch nicht damit zufrieden. Aber wenn er wissen wollte, warum diese für die Katze sind, sollte er selbst herkommen oder wenigstens seinen Vertreter schicken, dann hätte er es erfahren können.(Heiterkeit.) Man ist in Saarbrücken dazu übergegangen, den Arbcitcrkontrolleure», denen das Recht zusteht, die Beobachtungen über Mängel ins Fahrbuch einzutragen, seitens der Betriebsleitung dies zu verbieten, man hat ihnen ins Gesicht gesagt: Wir brauchen keine Kritiker! Die Siebener-Kommission hat Arbeiterausschüsse beantragt und ferner, daß aus diesen Arbeiterausschüssen die Arbeiterkontrolleure zu wählen seien. Was ist aus diesen geworden? Arbeiterausschüsse, wie sie das Gesetz versteht, sind ein Messer ohne Klinge und ohne Heft, das heißt, man kann damit nichts anfangen. Wenn der Arbeiter- ausschuß keine Rechte hat, wenn man bloß hören will, was er wohl sagt, dann brauchen wir ihn auch gar nicht; das kann Hinz oder Kunz auch. Der Arbeiterausschuß besteht so nach Anficht des Gesetzgebers nur als Dekoration. Es muß aber eine Instanz geschaffen werden, die den willkürlichen, einseitigen Strafen im Bergbau ein Ende macht. Im bayrischen Berggesetz werden Arbeiterausschüsse schon bei 20 Arbeitern verlangt. In Mitteldeutschland aber haben wir eine Menge Gruben von unter 100 Arbeitern, die vom Gesetz gar nicht betroffen werden. Die Regiemng glaubt, den Arbeiterausschuß als eine Institution betrachten zu müssen, die man bei Gelegenheit einmal hört und dann im übrigen nicht weiter beachtet. Dany verfehlt die ganze Einrichtung aber ihren Zweck, dann kann der Arbeiterausschuß nicht das Mittelglied zwischen Belegschaft und Verlvaltung sein. Ich könnte nun über das Knappschaftswcsen, das wir ja in einem besonderen Punkte behandeln werden, lang und breit, stundenlang reden, denn da liegt ja iver weiß wie vieles an Uebelständen begraben. Wenn schon aus Unternehmerkreisen gesagt wird, daß durch das Gesetz von 1854 die Verwaltung der Knapp- schaftskaffen in die Hand der Unternehmer gelegt worden ist, so brauche ich dem nichts weiter hinzuzufügen. Auch heute sind die Knappschaftskassen nichts weiter als Instrumente zur Vergrößerung der Macht des Unternehmertums, fie machen das Freizügigkeitsgesetz illusorisch und schädigen die Arbeitervereine. Es werden geringe Krankengelder und Pensionen gezahlt, sogar Abzüge gemacht an den sauer erworbenen Rechten des Arbeiterversicherungs-Gesetzes. Ich kann gleich gm voraus be­merken: Ich wünsche, daß die Regierung den 1903 herausgegebenen Entwurf wieder dem Landtage vorlegt; denn, wenn einer von den drei Novellen zum Berggesetz, so ist es die zum Knappschaftsgesetz, der wir ohne weitere? beistimmen können, da fie eine ganze Reihe von Bewilligungen an die Arbeiter enthält. Lasten Sie mich zum Schluß noch die Frage streifen, «a» durch eine solche Berggesetzgebung, wie wir fie verlangen, für neue Verhältnisse entstehen. Die Unternehmer sagen, wenn alle« durchgehe, was die Novelle biete, so werde der Berg- da» ruiniert. Wann haben aber die Unternehmer das nicht gesagt? Der Ruin des Bergbaues dauert so lauge .bei ihnen, wie überhaupt irgend welche Gesetze zur Beschränkung der Arbeiterausnutzung geschaffen, irgend welche Verordnungen zum Schutze der Arbeiter erlassen werden. Wir stehen auf dem Stand- punkte, daß wir durch unsere Forderungen keineswegs einen Ruin der Industrie herbeiführen werden, daß wir keine Veranlassung haben, die Industrie zu schädigen, sondern im Gegenteil das aller- größte Interesse daran haben, sie zu schützen und leistungsfähiger zu machen. Wir sagen uns aber, wenn die Arbeitszeit verkürzt wird, wenn ein größerer Schutz der kindlichen Arbeitskraft, eine größere Kontrolle der Unfälle eingeführt wird, dann wird die Arbeitsfähigkeit der Einzelnen gehoben, und das bedeutet auch einen Nutzen für die gesamte Volkswirtschaft. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß durch den Bergarbeiterschutz nicht eine Belastung, londern eine Hebung der Industrie herbeigeführt wird; und das wird mir jeder Soziatpolitiker vom Fach bestätigen, daß die industrielle Leistungs- fähtgkeit DeuffchlandS erst einsetzt mit dem Eintritt der Arbeiter- schutz-Gesetzgebung. Wir haben seit 1885 immer wieder Klagen über den Ruin deS Bergbaues gehört. Dabei steigt gerade seit diesem Jahre die Dividende ständig, und die kolossalen Anlagen wachsen doch auch nicht aus dem Nichts heraus I Die Königshütte in Oberschlefien hat z. B. in 30 Jahren 120 Millionen Mark Ueberschuß gemacht und davon 78 Millionen Mark abgeschrieben. Trotz alldem sagen die Herren, die Arbeiterschutzgesetzgebung habe sie belastet. Auch die Berieselung sollte bei ihrer Einführung an- geblich den Bergbau ruinieren; jetzt stellt sich heraus, daß sie pro Tonne 10 Pf. kostet. Das sind Einwürfe vom Stand- punfte der Unternehmer, die wir nicht tragisch nehmen dürfen. Wir haben uns gesagt: Eine Industrie ist nicht vorhanden, um einer kleinen Gruppe von Unternehmern möglichst hohe Dividenden und Ueberschüsse zu geben, sondern um der Allge- meinheit des Volkes den größtmöglichsten Nutzen zu bringen. Meine Herren, unsere Beratungen werden einige Tage in Anspruch nehmen, aber Sie werden ja nicht alle so lange reden wie ich.(Heiterkeit.) Dafür haben Sie ja auch Spezialfragen zu behandeln. Aber davon bin ich überzeugt, wenn sich jemand hierher begeben hat in der Anschauung, als ob hier zwischen den Berg- arbeiten!, die eine so bunt zusammengesetzte Versammlung bilden, grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über die Durch- führung des Bergarbeiterschutzes zu finden seien, so wird er sich im Laufe der Verhandlungen überzeugen müssen, daß wir in Fragen des Bergarbeiterschutzes auf der ganzen Linie einig dastehen. Und so möchte ich mit dem Wunsche schließen, den auch mein Kamerad Effert einleitend aussprach: Was auch uns in den verschiedenen Debatten an Kleinigkeiten trennen möge, das behalten wir vor allen Dingen im Auge, daß wir hergekommen sind als berechtigte Vertretung der ganzen preutzischenund nichtinletzter Linie der ganzen deutschen Berg- arbeiterschaft. Und wir wollen der Welt daS Schauspiel bieten, daß sich die Bergarbeiter Preußens bezw. Deutschlands nicht mehr in dem Bevormundungssystem, wie es bisher gehalten wurde, wohl fühlen, daß fie sich durchaus berechtigt fühlen als Staatsbürger, daß sie als Berufsgenossen weitgehenden Schutz des Lebens und der Gesundheit verlangen und, wie derBergknappe" mit Recht geschrieben hat, daß wir auch bei Nichtbcwilligung unserer Minimalforderungen bereit sind, den Kampf um die Arbeiterrcchte mit derselben Energie auf- zunehmen, wie die Unternehmer ihn um ihre Interesse» führen. Wir werden den Herren, die keine Einsicht haben wollen, zeigen müssen, daß der Bergarbeiter in sozialer und bürgerlicher Hinsicht mündig geworden ist durch Mißstände, die man nicht ab- leugnen und nicht wegprotokollieren kann. Es gilt, unsere Forderungen vor aller Welt zu erheben und von der Regierung und dem Parlament zu verlangen, daß sie endlich einmal die Stimme der Bergarbeiter hören I(Lebhafter, anhaltender Beifall, besonders bei dem Verbände.) Auf Vorschlag von Sachse wird beschlossen, von einer Debatte über das allgemeine Referat abzusehen. Die Mittagspause tritt ein. Nachmittagssitzung. Den Vorfitz führt Effert. Ein Begrüßungstelegramm des christlichen Bergarbeiter-Verbandes in Oesterreich lvird beifällig auf- gettomme«. Zur Verhandlung gelangt Punkt 2 der Tagesordnung: Dir Gesetznovelle über die Zechenstillcgung." Der Referent Köster(christlich) erinnert an die noch in frischem Gedächtnis haftenden Vorgänge der Stillegung von Zechen im Ruhr- revier. Der Gesetzentwurf soll die Besitzer zu einem Betriebe von Zechen in stärkerem Matze zwingen, als es nach dem§ 65 des Berg­gesetzes der Fall ist. Durch das Kohlensyndikat wurden kleinere Zechen angekauft, besonders kam das im Frühjahr 1004 in Schwung. Als die öffentliche Meinung über die Stillegung sich erregte, waren neun Zechen bereits stillgelegt. Der Bergarbeiter hält sich an seiner Scholle und ist schwer zu bewegen, von einer Grube zur anderen zulaufen. Durch die Still- legung wurde das Angebot von Arbeitern stark gefördert. Die in Betracht kommenden Zechen hatten eine Belegschaft von 0041 Mann, darunter 5036 verheiratete. Redner geht näher auf das in der Denkschrift zu der Gesetznovelle zusammengestellte statistische Material ein. Weiter verweist er auf den Einfluß, welchen die Stillegung auf den Ausbruch des Streiks hatte. Die Argumente für die Still- legung, die größere Rentabilität der größeren Zechen, weist er als haltlos zurück, z. B. an der Hand von Gutachten von Sachver- ständigen. Was ist nun zu tun, um der Stillegung von Ruhrzechen entgegenzutreten? Zunächst die Besprechung der Vorgänge in breitester Oeffentlichkeit, die bereits einen gewissen Erfolg gezeitigt hat. Wir hoffen, daß die Gesetznovelle im Landtage angenommen wird, die wenigstens die Stillegung noch weiterer Gruben verhindern wird. Wir bitten daher um die Annahme folgender von mir und Kamerad Hue ausgearbeiteten Resolution: Der Bergarbeitertag erkennt in der auf Grund der bisherigen Statuten des rheinisch-westfälischen Kohlensyndikats angestrebten Stillegung von teils noch rentablen Gruben eine das Interesse der Gesamtheit sowohl wie der Arbeiter schädigende Maßnahme. Er erwartet von der Staatsregierung, daß sie den Auswüchsen des Kartellwesens eventuell durch eine umfassende Kartell-Gesetzgebung begegnet. Vor der Hand begrüßt der Bergarbeitertag das Bestreben durch Abänderung des ß 65 des Berggesetzes ungerechtfertigten weiteren Stillegungen von Gruben entgegenzuwirken. Der Berg- arbeitertag ist der Ansicht, daß auch die gesetzliche Festlegung eines Vorbehaltungsrechtes des Staates auf die noch nicht verliehenen Mineralien beziehungsweise Felder im allgemeinen Interesse liegt." (Bravo !) Die Debatte wird eröffnet. Leimpcters- Bochum (A. V.) ersucht um einen Zusatz zu der Resolution, der sich grundsätzlich für die V e r st a a t l l ch u n g der Gruben ausspricht. Die Stillegung könnte dann nicht ohne weiteres eintreten, wie z. B. der fiskalische Bergbau im Freiburger Gebiet zeigt. Eine solche Forderung ist zwar sozialdemokratisch, aber nicht nur das, sie ist eine praktische Forderung, die von vernünftigen Männern aller Richtungen vertreten wird. Freilich spinnen die Bergarbeiter auf staatlichen Gruben auch keine Seide. An der Erhaltung des gegenwärfigen Privateigentums an den Bergwerken haben wir Arbeiter gar kein Interesse. Bcclken- Bottrop(chr.) bittet, den Zusatz auf Verstaatlichung abzulehnen. Auch die fiskalischen Betriebe sind keine Musterbetriebe, sondern suchten aus der Stillegung Vorteil zu ziehen durch Drückung der Löhne. So beträgt auf den staatlichen Gruben m Bottrop der Tagelohn 2,30 M. wie der ortsübliche.(Hört! hört!) Pokorny-Zwickau (A. V., vertritt das Brandenburger Braun- kohlengebiet): Begeisterung für staatliche Gruben haben wir gewiß nicht. Aber den Mißständen auf fiskalischen Gruben können wir energisch entgegentreten. Ein Bild der Verstaatlichung gab die der Freiburger Silbergruben in Sachsen , die erst unternommen wurde, als die Gruben wenig rentabel wurden. Trotzdem ist die Verstaat- lichung beachtlich, aber nicht für Preußen, sondern für das Reich, auf dessen Verwaltung die Arbeiter einen größeren Einfluß haben. Köster(Refer., zur Geschäftsordnung) bittet, die Frage der Ver« staatlichung gesondert zu behandeln, eventuell in Anlehnung an einen besonderen Antrag. Hue(zur Geschäftsordnung) unterstützt diese Anregung, ebenso der Vorsitzende Effert. Es wird beschlossen, jetzt nicht die Frage der Verstaatlichung zu behandeln und Leimpeters zieht seinen Zusatzantrag zurück. Böhler-Dahlhausen(A. V.): Ich gehöre selbst zu denen, die von unserem herrlichen Mathias Stinnes stillgelegt sind. Dabei ist die eche, auf der ich arbeitete, noch sehr rentabel gewesen, sind doch inrichtungen von über eine Million Mark kurz vorher noch ge- schaffen worden. Ganze Gemeinden sind durch die Stillegungen dauernd geschädigt worden. Und mit dresen Stillegungen und ihrer Schädigung der Allgemeinheit will man noch fortfahren. Die Diskussion wird geschlossen; die Resolution wird einstimmig angenommen. Dölle-Zeitz erstattet Bericht der MandatsPrüfungS-Kommisfion. Es sind 136 Delegierte vorhanden, 62 vom alten Verband, 33 vom christlichen Gewerkverein, 8 vom Gewerkverein H.-D., 6 von den Polen , 1 vom Siegerland und 1 vom oberschlesischen Verein zur gegenseitigen Hülfe. Dazu konimen Sachse und zwei Polen ohne Mandat als Mitglieder der Siebener-Kommission. Die Feststellung der genauen Zahl machte einige Schwierigkeiten.(Hue ruft: Wie viel, hast Du genullt?(Große Heiterkeit.) Als Gäste sind anwesend Frau Thiede vom gewerkschaftlichen Frauen- Agitationsverein Berlin . Außerdem außer den heute früh Genannten noch die Reichstags- Abgeordneten Lattmann. Frölich, Stötzel und B r e j s k i. Von dem Gesamt- verband der christlichen Gewerkschaften sind als Gäste zu- gegen Stegerwald- Köln und Gisberts- M.-Gladbach, vom Hirsch-Dunckerschen Verband K l a v 0 h n- Berlin und E r k e- lenz- Düsseldorf. Es folgt der nächste Punkt der Tagesordnung: Die GesetzcSnovelle über die Bergarbcitcrverhältnisse. a) Dauer der Schichtzeit und Ueberschichtenwesen. Hierzu erhält das Wort der Referent Huscmann(A. B.): Seit Jahrzehnten sind wir nicht gehört worden und auch in der vorliegenden Novelle sind unsere Wünsche nicht berücksichtigt worden. Im Ruhrgebiet haben wir neun- bis zehn-, ja bis zehneinhalb- stündige Arbeitszeit, und in den anderen Bezirken ist es zum Teil noch ichlimmer. Jetzt will man einen sanitären Arbeitstag schaffen, der die Arbeiter sogar zu Ueberstunden zwingen will. Im Ruhr- gebiet besteht jetzt schon das Verbot, länger als sechs Stunden zu arbeiten, wenn die Temperatur über 29 Grad ist. Das Oberbergamt sagt, im Jahre 1003 hat keine sechsstündige Schicht im Ruhrgebiet existiert. Das soll heißen, die Temperatur war nirgends über 20 Grad. Es ist aber nur ei» Beweis für die Umgehung der Bestimmungen, wovon die Arbeiter ein Liedchen zu singen wissen.(Sehr wahr I) Der sanitäre Arbeitstag würde nur einen kleinen Teil der Steinkohlenarbeiter treffen, den größeren nicht und gar nicht die Braunkohlen- und Kali-Bergarbeiter. und doch ist gerade im Braunkohlengebiet die Krankenziffer sehr hoch und die Verringerung der Arbeitszeit sehr notwendig.(Sehr richtig I) Die Arbeitszeit muß in einem ganzen Gebiet einheitlich sein, sonst kommen wir zu einem System der Lohn- drückerei, das wir verwerfen müssen. Wir müssen uns also durchaus gegen den sanitären Arbeitstag wenden. Weiter ist ja die Temperatur nicht der einzige die Gesundheit der Arbeiter schädigende Faktor. Der Gesundheitszustand der Arbeiter ist zurückgegangen, wie die Statistik zeigt. Der Minister Möller sagt zwar, die Zahlen sehen gefährlicher aus, als sie in Wirklichkeit sind. Sie beweisen, daß die Höhe der Krankenziffern nichts oder doch nicht allzuviel mit der Höhe der Temperatur zu tun hat. Die schlechten Gedinge, die den Arbeiter zwingen, Nerven und Muskeln aufs äußerste anzustrengen, die Feuchtigkeit der Gruben, das Ein- atmen des dicken Kohlenstaubes und vor allem dir übermäßige, lange Arbeitszeit haben einen viel größeren Anteil an der Zerrüttung der Gesundheit der Arbeiter. Wenn unter den heutigen Bedingungen der Arbeiter 7 Stunden stramm gearbeitet hat. so sind seine Kräfte vollkommen erschlafft. Wenn da die Gesetzgebung nicht ein- greift, wird das Gemeinwohl aufs schwerste geschädigt. Nun sagt fteilich die Bochumer Handelskammer, daß die Kohlenpreise in die I Höhe gehen würden und die gesamte Industrie dadurch Schaden litte. 1 Aber die Grubenbesitzer werden ihr Syndikat zweifellos dazu tt» nutzen, die Kohlenpreise wieder in die Höhe zu treiben, und zwar ohne Rückst cht auf die Industrie. Für die Verkürzung der Arbeitszeit haben sich zahllose Kongresse und Ver- sammlungen:iion Aerzten und Hygienikern ausgesprochen. Den dringendsten Anspruch auf den Achtstundentag hat der Bergarbeiter. Die Sechsstundenschicht aber ist nicht nur für die heißen Punkte, sondern auch für die nassen, schlammigen Oerter not- wendig. Die Bestimmung der Novelle, daß die Arbeiter ver- pflichtet sein sollen, unter gewisse» Bedingungen Neber- und Neben- schichten zu fahueu, muß unbedingt aus der Vorlage heraus. Aus demverpflichtet unter gewissen Umständen" würden die Bergwerks- besitzer sehr bald einmuß" machen.(Lebhafte Zustimmung.) Hinter die Behauptung, die Ueberschichten würden freiwillig verfahren, machen wir ein dickes Fragezeichen.(Lebhafte Zustimmung.) Diejenigen Kameraden, die sich fteiwillig zu den Ueber- schichten meldeten, wurden lieb Kind bei den Steigern. Das Verfahren von Ueberschichten beeinflußt auch die Statistik, die Festsetzung der amtlichen Lohnklassen, die Berechnung des Durchschnittslohns und gibt so der Oeffentlichkeit ein falsches Bild.(Sehr richtig I) Wenden müssen wir uns auch gegen die Be- stimmung, daß für die Durchführung des sanitären Arbeitstages ein Auffchub von zwei Jahren gewährt werden kann. Die Bergarbeiter sind enttäuscht über die Bestimmungen. Die Verantwortung für die kommenden Dinge, für die schweren Kämpfe, zu denen sich die Bergarbeiter rüsten müssen, fällt auf die Regierung, wen» fie und das Parlament unseren Notschrei nicht höre«.(Lebhafter Beifall.) Wir wollen wirklichen Bergarbeiterschutz und für alle Berg- arbeiter den Achtstundentag.(Bravo I) Die Resolution, die der Referent vorschlägt, hat folgenden Wortlaut: Die in Berlin tagende preußische Bergarbeiter-Konferenz als berechtigte Vertreterin von 500 000 preußischen Bergarbeitern erklärt: In der dem preußischen Landtage zugegangenen Berggesetznovelle über die Bergarbeiterverhältnisse sind die schon seit Jahrzehnten ausgesprochenen Wünsche der Bergarbeiter fast ganz unberücksichttgt geblieben. Der im§ S3b der Berggesetznovelle vorgesehene sanitäre Arbeits- tag kann durchaus nicht als genügend bezeichnet werden. Da aus betriebstechnischen Gründen die Dauer der Arbeitszeit auf einer Grube einheitlich sein mutz, so wird eS über die Frage: ob die Grube unter die Bestimmungen des fj 93b fällt, zu fort­währenden Streitereien zwischen Betriebsverwaltung und Arbeitern kommen, falls obige Bestimmungen Gesetz werden. Nachweisbar übt aber nicht nur die hohe Temperatur auf die Gesundheit der Arbeiter einen nachteiligen Einfluß aus, sondern in noch viel höherem Maße ist dies 1. durch die überlauge Arbeitszeit, 2. durch die niedrigen Gedingeverhältnisse, 3. durch die schwere an- dauernde Arbeit, 4. durch Nässe, Kälte und Kohlenstaub der Fall. Des weiteren wird durch den Gesetzentwurf nur ein kleiner Teil der Steinkohlen-Bergarbeiter getroffen. Während die große Mehrzahl der Steinkohlen-Bergarbeiter sowie die Braunkohlen, Erz- und Kali- Bergarbeiter gar nicht berücksichtigt werden. Nun geht aber aus den Knappschastsberichten pro 1903 hervor, daß beim Knappschaftsverein in Bochum von 100 Arbeitern 5455 krank feierten, während im Brandenburger(Braunkohlen-Revier) Knappschaftsverem über 70 krcknk, im Siegerländer(Erzbergbau) Knappschaftsverein 57 krank waren. Es ist dies ein Beweis dafür, daß auch für die Braun- kohlen-, Erz- und Kalibergarbeiter eine Verkürzung der Arbeitszeit dringend geboten ist. Des weiteren ist es aber auch im Interesse des gesamten Berg- baues dringend geboten, daß die Arbeitszeft auf allen Gruben eine möglichst emheitliche ist Ausgehend von dieser Erwägung, richten wir an die hohe königl. Staatsregierung sowie an das Haus der Abgeordneten das dringende Ersuchen, den§ S3b der vorliegenden Berggesetznovelle einer Ver- besserung zu unterziehen und dabei folgende Forderungen der Berg- arbeiter zur Grundlage zu nehmen: t. In allen Steinkohlen-, Erz- und Kalibergwerken tritt sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes, spätestens aber vom 1. Oktober 1005 ab eine Höchstdauer der Schicht von 8V, Stunden in Kraft, vom 1. Januar 1907 8 Stunden. L. In allen Braunkohlengruben tritt vom 1. Oktober 1905 ab eine Höchstdauer der Schicht von 10 Stunden in Kraft, vom 1. Januar 1907 von 9 Stunden und vom 1. Januar 1910 von 8 Stunden. 8. Vor zu nassen Arbeitsorten und solchen, die mehr als 28 Grad Celsius Wärme aufweisen, ist die Arbeitszeit auf höchstens 6 Stunden zu beschränken. 4. Diese Schichtzeiten verstehen sich für alle Grubenarbeiter vom Beginn der Einfahrt des einzelnen Mannes bis zu Br- ginn seiner Ausfahrt(Seilfahrt). Diejenigen Tagesarbeiter, Ivelche an der Förderung beteiligt sind, find in obige Schicht- zeit mit eingeschlossen. Für die anderen Tagesarbeiter sowie alle m Neben- betrieben beschäftigten zehnstündige Arbeitszeit einschließlich einer zweistündigen Ruhepause. 5. Wo bereits eine kürzere Arbeitszeit besteht, darf dieselbe unter keinen Umständen verlängert werden. 6. Verbot aller Ueberschichten und Sonntagsarbeiten. Es sind solche nur zur Rettung von Menschenleben, bei außerordentlichen Betriebsstörungen oder Schachtreparaturen zulässig. Haben im Somnrer wegen Mangel an Absatz Feierschichten eingelegt werden müssen, so kann die betreffende Zeche die- selbe im Winter wieder nachholen lassen. Mehr als zwei Schichten dürfen im Monat jedoch nicht nachgeholt und auch Doppelschichten dürfen dabei nicht gemacht werden. Auch darf auf diejenigen Arbeiter, welche die durch Feier- schichten ausgefallenen Schichten nicht nachholen wollen, keinerlei Zwang ausgeübt werden." Die Diskussion wird auf morgen vertagt. Zum Schluß wird über die Frage verhandelt, ob ein Delegierter aus Beuthen namens Isidor Dzruron anerkannt werden soll. Effert(kath.) spricht sich im Namen der Siebener-Kommission gegen die Zulassung aus, da Dziuron eine der Fach- abtcilungcn der katholischen Arbeitervereine vertrete, die nicht ein- geladen worden seien. Dzinron selber erklärt, daß er nicht eine Fachabteilung, sondern den selbständigen katholischen Arbeiterverein in Beuthen vertrete. Warum sollen da wir in Oberschlesien ausgeschlossen werden? Hue spricht sich für die Zulassung des Delegierten aus. Der Kongreß solle die Anschauungen aller Bergarbeiter ausdrücken. Hüsges-St. Johann(kgth.) widerspricht energisch. Dziuron versichert, mit dem katholischen Arbeiterverband in Berlin nichts zu schaffen zu haben. Hue: Wir haben hier einen Arbeitertag, einen Bergarbeitertag. Jeder Arbeiter, der kommt, ist uns willkommen. Ich betone aus- drücklich den proletarischen Standpunkt. Unsere Organisations- streitigkeiten wollen wir hübsch draußen lassen. Wo käme ich sonst mit Kollegen Effert hin.(Heiterkeit.) Krolik- Beuthen stellt feit, daß in Beuthen zwei christlich- katholische Arbeitervereine bestehen.(Ruf: DaS ist aber sehr traurig I) Köster(chriftl.): Wir vom Gewerkverein werden unS der Ab- stimmung enthalten.(Vielfache Rufe: Wir vom Verband auchl Große Heiterkeit.) Das Bureau entscheidet schließlich, daß Dziuron zugelassen werden soll. Die weiteren Verhandlungen werden auf Mittwoch vertagt. Schluß 6 Uhr._ eingegangene Drudkfdiriften. Zebnter Jahresbericht des Arbeiter. Sekretariats Nürnberg für das Jahr 1904 nebst einer Einleitung: Rückblick auf die zehnjährige Tätig'eit des Sekretariats l. November 1834 bis 31. Dezember 1304. 144 Selten. Selbstverlag des Arbeiter-Sekretariats Nürnberg 1305.