gle! aller Heeres- und Marinerüstungen derkapitalistischen Staaten. Die Fürsten und Diplomaten beteuernvon Festessen zu Festessen ihre Liebe zum Frieden, doch dieseFriedensliebe gleicht dem preußischen Arbeitcrschutz, der nur diesenNamen trägt und in Wahrheit Arbeitertrutz ist. Doch die Menschheit be-darf echtenFriedensschutzes, wirklichen Schutzes ihrer Kultur-kraft gegen die Ruhmsucht der Dynastien, gegen die Eifersüchteleiendiplomatischer Ränkeschmiede, gegen die Gewinnsucht kapitalistischerKaufherren. Inmitten neuer Militärverinehruugcn, inmitten neuerArmeeborlagen, inmitten des Kriegsgetöses bekennen die Arbeiteraller Länder jene größte Idee menschlicher Gesittung, die Ideeder solidarischen Kulturarbeit aller Menschen.•Zu keiner Zeit eindringlicher als jetzt zeigt sich den Arbeiternaller Länder, wie sehr ihre Geschicke internationalineinander verschlungen sind. Wie das Kapital jedeseinzelnen Landes sich auf den zurückgebliebenen Arbeiterschutz andererLänder beruft, so berufen sich aufeinander und bedingen sich gegen«seitig die politischen und kulturellen Reaktionen der verschiedenenLänder. Rußland lastet seit Jahrzehnten auf Europa,Frankreich, das Land der glorreichen Revolutionen, wardan die Seite des Zarenreiches gedrängt. In Deutschlandgilt den absolutistischen Neigungen und dein herrschendenJunkertum russische Barbarei als Rückhalt uiid letzte Garantie.Preußen war dem befteuudeten Rachbar zu jeglichem Schergeudienstbereit; in wenigen Tagen kehrt die Russenschmach von Königsbergwieder, da das Reichsgericht über Hochverrat, Geheimbündelei undZarenbeleidigung durch preußische Staatsbürger entscheidet. Brichtaber nun in Rußland selbst der Despotismus zusammen, so wirdEuropa vom drückenden Alp befreit. Mutvoll kämpfen die fron-zösischcn Sozialisten gegen die russische Allianz,— so erheben auchdie deutschen Arbeiter gegen die deutsche Russenschmach erneutenProtest des Widerwillens und der Verachtung. D i eArbeiterschaft ganz Westeuropas ist mit ihrenBrüdern im Reiche des weißen Schreckens,mit den großen Helden, die ihr Lebenopfern. An diesem Maitage gedenken wir der zahllosen Blut-zeugen der russischen Freiheitsbewegung und senden unsere brüder-lichen Hoffnungen all den Tapferen, die ungeheuere Leiden auf sichladen, um auch ihrem Volke die Möglichkeit der Kultur zu er-ringen l»So feiert wiederum die Arbeiterschaft aller Länder das Maifestder keimenden Kultur. Wie nach langer Winterfrist Blatt undBlüte tausendfältig zum Licht der Sonne sich regen, so soll ausBedrückung und Entwürdigung das neue Menschentum werden, einneues Reich der Freiheit und der Menschlichkeit.In den Festlichkeiten der Kirche und des heutigen Staates ist-symbolisiert, was in vergangenen Perioden der Geschichte Wert ge-habt, was jedoch längst den Geistcsgehalt verlor und nur alters-schwach noch von Toren und Betörten, von Betrügern und Be-trogenen zu künstlichem Leben erzwungen wird. Diese Feste er-löschender Erinnerungen sind im Kalender geboten, doch die Seelender Menschen haben sich ihnen entzogen. Dem neuen Wolleneiner neuen Zeit ist das neue Symbol geschaffenim Menschheits-Maifest, das die Wege iveist in dieZukunftI_Sozialreform auf dein toten Punkt.Der erste Mai, der Tag, an welchem die Arbeiter aller Länderden Achtstundentag und den Ausbau der Arbeiterschutzgesetze fordern,ist dazu angetan, einen Rückblick auf das zu werfen, was auf diesemGebiete geschehen oder unterlassen ist. Als im Jahre 1889 dieArbeiter in Paris ihr Programm formuliert hatten, schien es, alswolle Deutschland mit seiner früheren Politik brechen und ernsthaftSozialreform treiben. Die Einberufung der internationalen ,Ar-beiterschutzkonferenz und die in den Februar-Erlassen in Aussichtgestellten Reformen konnten den Gedanken aufkommen lassen, daßwirklich etwas geschehen sollte. Große Hoffnungen konnten freilichnur solche Leute haben, die die Macht der Kapitalisten unterschätzten.Kenner der Verhältnisse wußten, daß das„soziale Königtum" baldin seine Schranken zurückgewiesen werden würde.Einen großen moralischen Erfolg haben die Arbeiter erstritten.Während früher der Arbeiterschutz als ein Eingriff in die persönliche— bist selbst ein elender Sklave!-- Gehl Deine Arbeit istGaukelwerk— Der Schein weiche der Tat. Ich habegetan, was Du— nur maltest".—So denkt, so dichtet der Jüngling Schiller— in einer Zeit engherziger Selbstsucht, in einer Zeit des ärgsten spießbürgerlichenStumpfsinns. Während die Gedanken seiner Zeitgenossen sich umkleinliche persönliche und häusliche Verhältnisse drehen, ist SchillersAuge auf das große öffentliche Leben, auf die Geschichte der Völker,auf die höchsten Interessen der Menschheit gerichtet. Der Staat,die sittliche Freiheit, die Würde des Menschen— istder Hintergrund seiner ersten dramatischen Schöpfungen,— ist unausgesetzt der Gegenstand seines Dichtens und Trachtens.—Schiller wäre nie ein so großer, herzbcherrschender Dichtergeworden, wär' er nicht mehr als Dichter. Wie den Jünglingin seinen Erstlingswerken, sehen wir ihn auch als Mann unaus-gesetzt das eine große Ziel im Auge behalten. Es genügt ihmnicht, seine hohen sittlichen Freiheitsgedanken in poetischen Wortenund Gestalten—„in der Phantasie marklosem Marionettenspiel"—Ausdruck zu geben:— er will die Welt, das Leben der Gesellschaftselbst nach seinem Freiheitsideal gestalten,— will die Menschenbilden, bessern, veredeln.„Der Schein weiche der Tat!"so sagte der Jüngling Schiller. Und eben so sagt er als Mann:„dasLeben steht über der Kunst",—„die Schönheit ist nur der Weg,durch den man zur Freiheit wandert",—„der Bau einer wahrenpolitischen Freiheit ist das vollkommenste aller Kunst-werke!"Wir haben bisher Schillers Dichterlcben an uns vorübergehenlassen: aus allen seinen schöpferischen Werken ist er uns als MannderTat, als Freiheitskämpfer entgegengetreten. Und eingleiches— wo möglich noch ein schöneres— Zeugnis stellt ihmdas eigene handeln de Leben aus. Dieselbe hohe und reine Ge-sinnung, die in seinen Worten sich ausspricht, ist— in gleich schönerForm— all seinem Handeln und Leiden aufgeprägt. Es ist Ihnenbekannt, welch harte Schule des Lebens er durchzumachen hatte,wie Willkür und Zwang seine früheren Jahre bedrängten, wie erspäter durch Widerwärtigkeiten aller Art, durch Krankheit, Kummerund Not in seinem Schaffen gestört wurde.� Allein— wenn auch—„Ausgesetzt den tausend Stößen,Die unseres Fleisches Erbteil sind,"—nie wird er sich selbst untreu.Und wahrlich, die äußeren Kämpfe waren nicht dasSchlimmste. Welch gewaltiger innerer Kämpfe bedurfte es, umsich zu jenem vollendeten Gleichmut, zu jener Höhe maßvollerSchönheit im Dichten und Handeln durchzuringen! Von reli-giösen Zweifeln erfaßt, strebt Schiller nach Erkenntnis derhöchsten Angelegenheiten der Menschen,— sucht über die Welt, überGott und Unsterblichkeit, über den Begriff der Freiheit sich klar zuwerden. Durch unseren großen Mitbürger Kant angeregt, der-senkt er sich in tiefes philosophisches Nachdenken über sein Tun undTreiben, über Bedeutung, Mittel und Zwecke der Kunst. Er wirdselbst irre an seiner künstlerischen Begabung;— fünf Jahrelang dichtet er fast keine Zeile. Aber er arbeitet— rastloswie immer. Unsere Verehrung wird noch erhöht, wenn wir ihmauf das neue Feld seiner Tätigkeit folgen und sehen, daß wir inFreiheit bekämpft wurde, ist sich heute die Welt darüber einig, daßdie Förderung des Arbeiterschutzes eine der größten Kulturtaten ist.Die deutsche Regierung sucht mit allen erdenklichen Mitteln dieReklametrommel zu rühren, um den Glauben zu erwecken, als ge-schahe hier viel. Durch die Art, wie Deutschland auf internationalen Ausstellungen mir seiner Sozialpolitik renommiert, wird allerWelt kund getan, daß die Ziegierung jeden Fortschritt auf demGebiete der Sozialgcsctze als Kulturfortschriit betrachten würde.Und doch ist die Sozialgesetzgebung nir so völlig zum Stillstand ge-kommen als in den letzten Jahren.Hierzu kommt noch ein besonders bemerkenswerter Umstand.Aehnlich wie der internationale Kongreß im Jahre 1839 auf dieRegierung wirkte, so wirkten die Mahlen des Jahres 1903 aufdie Parteien. Durch die Februar-Erlasse des Jahres 1899 solltebei den Arbeitern der Glaube erweckt werden, daß die Regierung.das geben wolle, was die Arbeiter�als Kampfobjekt auffaßten. Wasdamals die Regierung mit Kaisererlassen zu erlangen hoffte, dassuchen jetzt die Parteien mit ihren Initiativanträgen zu erreichen.Die Drucksachen des Reichstags sind mit sozialpolitischen Anträgengespickt. Alle Parteien, die sonst prinzipiell den Arbeiterschutz be-kämpfen, wetteifern heute miteinander in der Zahl der gestelltenAnträge.Parteiführer, die innerlich Gegner des Arbeiterschutzes sind,stellen ganz nette Arbeiterschutzanträge, um die Wähler nicht zurück-zustoßen. So haben wir das eigenartige Schauspiel, daß die Ministererklären, im Interesse der Kultur muß Arbeiterschutz getriebenwerden. Die Mehrheit des Reichstags verlangt wirksamen Ar-beiterschutz und es geschieht doch gar nichts. Freilich könnte die Re-gierung die bürgerlichen Parteien auf das schlimmste blamieren,wenn sie den Versuch machte und die sozialpolitischen Gedanken derParteiführer in Form von Gesetzesvorlagen an den Reichstag brächte/Dann würde die Mehrheit der Parteien das zu Fall bringen, wasdie Führer in ihren Reden und oft die Parteien in ihren Initiativ-antrügen gefordert haben.Aber die Sozialpolitik ist nur Gegenstand theoretischer Erörte-rung, wo sie in Form von Gesetzesparagraphcn in die Praxis tretensollte. Ter Reichstag gleicht oft einem sozialpolitischen Diskutier-klub und auch der eigentliche Ressortminister, der Staatssekretärfür das Reichsamt des Innern, hält nicht immer die'schlechtestenReden, er spricht von Plänen der Regierung, von in Vorbereitungbefindlichen Gesetzen. In der Thronrede, mit welcher der im Junigewählte Reichstag am 3. Dezember 1993 eröffnet wurde, wurdevon„erweiterter Fürsorge" und„erhöhtem Schutz", welchen manden Arbeitern zuwenden wolle, gesprochen und dementsprechendredete Graf Bülow am 19. Dezember 1993:„daß von einem Still-stand der sozialpolitischen Gesetzgebung nicht die Rede sein könne."Er versprach,„die großen Fragen der Arbeitszeit und der Arbeits-Verfassung, der Frauen- und Kinderarbeit, der Lohnzahlungsmethodeso weit zu lösen, als dieses möglich ist." Er stellte Witwen- undWaisenversorgung und Arbeitslosenversicherung in Aussicht. Umsolche Fragen zu lösen, mußte der Reichskanzler erst Sozialpolitikstudieren und da scheint es zu hapern. Wohl ist es schwergefallen,die Werke zu finden, die dem Bildungsgrad des' Reichskanzlersangepaßt sind. Nach seinen späteren Reden zu urteilen, scheint er dieim Anfang der 99er Jahre erschienenen„Irrlehren der Sozialdemo-kratie" und„Sozialdemokratische Zukunftsbilder" als Quellen zurBereicherung seines Wissens benutzt zu haben, und so ist die Sozial-Politik denn auf einem Punkte angekommen, wie sie Eugen Richterauch getrieben hätte, wenn er 1399 Reichskanzler geworden wäre.Freilich kann ein Staatsmann und wenn er auch Reichskanzlerin Deutschland ist, nicht willkürlich Politik machen. Die persönlicheUnfähigkeit allein würde ihn in den Hintergrund und womöglichvon seinem Posten verdrängen, wenn nicht andere Faktoren mitin Betracht kämen.. In seiner Rede vom 19. Dezember 1993 sprachGraf Bülow von der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrieauf dem Weltmarkt, die beim Arbeitcrschutz beständig in Betrachtgezogen werden müsse. Nun kann man freilich vom Grafen Bülownicht verlangen, daß er weiß, daß durch Ausdehnung des Arbeiter-schutzes die Leistungsfähigkeit-der Arbeiter und damit die Kon-kurrenzfähigkeit der Industrie gesteigert wird. Die Rücksicht aufdie Konkurrenzfähigkeit ist die Phrase, mit welcher jede Arbeiter-schutzmaßrcgcl bekämpft ist. Mit dieser Phrase bckämvfte man imAnfang des 19. Jahrhunderts die ersten Maßregeln zum Schutzeder unter neun Jahre alten Kinder und so sind dieselben Reden,die einst Ure und Senior in England gehalten haben, in allenLändern und bei allen Arten von Arbeirerschutzgesctzen wiederholtworden. Aber wo war die Rücksicht auf die Konkurrenzfähigkeit derIndustrie, als die Handelsverträge abgeschlossen wurden? Bei demWuchertarif und den Handelsverträgen trieben die Junker die Re-gierung zu einer Politik, durch welche die Interessen der Industrie soschwer getroffen wurden, daß viele Industrielle bald zur Kampf-dem größten Dichter zugleich einen unserer tief st en Denkerzu würdigen haben.Diese Zeit angestrengter, gewaltiger Denkarbeit ist ein, W e n d e-Punkt in dem Leben unseres Dichterfreundes.Während früher nur allgemeine Menschenliebe ihn begeisterte,sein Herz nur für die Menschheit schlug, ist jetzt der deutscheVaterlandssinn erwacht:aus dem Weltbürger ist ein Vaterlandsfreund, aus demDichter allgemein menschlicher Freiheit— derIII. Dichterprophet des deutschen Volkes ge-worden!—Im Jahre 1789 schrieb Schiller seinem Freunde Körner:„Das vaterländische Interesse ist nur für unreifeNationen wichtig, für die Jugend der Welt. Es ist ein arm-seliges, kleinliches Ideal für eine Nation zu schreiben; einemphilosophischen Geist ist diese Grenze durchaus unerträglich."—Und wenige Jahre darauf(1793) schreibt er demselben Freunde:„Die Liebe zum Vater lande ist sehr lebhaft in mirgeworden"——und nennt— in seinem Lied von der Glocke—„den Trieb zumVaterlande"—„das teuerste der Bande."Erinnern wir uns, daß während des Zeitraums, der zwischendiesen beiden entgegengesetzten Aeußerungen liegt, der Ausbruch derfranzösischen Revolution erfolgt war.— Unseren Dichterhatte die Revolution mitten in seinen philosophischen Studien� ge-troffen. Erst 1792 wird seine Teilnahme an der großen politischenBewegung lebhafter.Erwartungsvoll hatte er den Blick auf Frankreich gerichtet,von dort die heiß ersehnte Verwirklichung seiner Freiheitsgedankengehofft. Bald aber(1799) hören wir ihn klagen:„Eine große Epoche hat das Jahrhundert geboren,Aber der große Moment findet ein kleines Ge-s ch l e ch t!"—Getäuscht in seinen Hoffnungen, wird Schiller jedoch nicht un-gerecht in seinem Urteil. Er weiß, daß„die Freiheit in ihrenersten Versuchen sich immer als Feindin an-kündigt und erschreckt." Er übersieht es' Nicht, wie vielvon den Vcrirrungcn und Gewalttaten der Revolution auf dieRechnung der vorangegangenen Tyrannei zu setzen ist,die das Volk zur Selbstsucht erzogen und entsittlicht.Schiller läßt die Ideen nicht entgelten, was die Menschen ver-brechen, verliert nicht die Begeisterung für das Ziel, weil er mitdem Wege unzufrieden ist, auf dem es erstrebt wird.Im„Wallenstein ergreift Schiller zum erstenmal einengroßen geschichtlich- vaterländischen Stoff.Was ihn zur Wahl des Stoffes bestimmt, sagt er uns selbstin dem 1793 gedichteten Prolog des Stückes: er will den Zuschauer„aus des Bnrgerlcbens engem Kreis" auf einen„höheren Sckau-platz" versetzen,„nicht unwert des erhabenen Moments der Zeit:"„Jetzt an des Jahrhunderts ernstem Ende,Wo wir den Kampf gewaltiger NaturenUm ein bedeutend Ziel vor Augen sehn,Und um der Menschheit große Gegen st ände,Um Herrschaft und um Freiheit, wird gerungenstimmung gegen die Regierung gereizt tvurden. Da ist es dem»begreiflich, daß alles vermieden wird, was die böse Laune derKapitalisten steigern kann. Jede Ausdehnung des ArbeiterschutzeSist ein Eingriff in die Willkürherrschaft der Kapitalisten. Die beut-schen Kapitalisten wollen auch Herren sein. Im Staatsleben habensie die Herrschaft den Junkern überlassen, so wollen aber die Schlot-junker wenigstens den Arbeitern beweisen, daß sie„Herren" sind-In phrasenhaften Festreden und auf Ausstellungen wird die Sozial«Politik als Kultnrtat gepriesen und in der Praxis treibt man einePolitik, die selbst nach der Darstellung der Minister kulturfeindlichist. In dem Augenblick, als sich die Regierung vom Bunde derLandwirte zu der Wucherpolitik treiben ließ, schädigte sie nicht nurdie Arbeiter durch die Ausplünderung derselben als Konsumenten,sondern sie brachte sich den Kapitalisten gegenüber in eine Lage, inder auch die bescheidenste Sozialpolitik zum Stillstand kommenmußte.Was ist denn seit dem 3. Dezember 1993, als die Fortführungder Sozialpolitik in der Thronrede feierlich versprochen wurde, ge«schchen? An den Reichstag ist nicht die aller»bescheidenste sozialpolitische Vorlage gekommen-Diese Lücke entspricht völlig der sozialpolitischen Befähigung desGrafen Bülow.Und was tat der Bundesrat, dem doch durch dieZ§ 129e und 154 der Gewerbe-Ordnung ein ziemlich weitgehendesRecht zum Erlasse von Verordnungen zum Schutze der Arbeiter ge-geben ist? Drei Verordnungen sind publiziert. Am 17. Februar1994 wurden die für die Konfektion am 31. Mai 1897 erlassenenSchutzvorschriften auf kleinere Betriebe ausgedehnt. Dieses ist einminimaler Fortschritt, aber hiervon wird kein Grotzkapitalist ge-troffen. Dieser Fortschritt wird aber reichlich aufgewogen durcheine Verschlechterung, die durch eine Bunderatsverordnung vom19. Juni 1994 herbeigeführt ist, wonach es erlaubt ist, daß inMeiereien, Molkereien und Betrieben zur Sterilisierung von Milch,die Fabriken im Sinne der Gewerbe-Ordnung sind, es den Aus-beutern gestattet wird, die Frauen zur Nachtarbeit heranzuziehen,indem sie von morgens 4 Uhr bis abends 19 Uhr beschäftigt werdendürfen. Die dritte Bekanntmachung verkündet, daß die fürZigarrenfabriken am 3. Juli 1893 erlassene Verordnung bis zumIi Mai 1997 in Kraft blecht.•Was geschah auf dem Gebiete der Arbeiter»Versicherung? In der Krankenversicherung wird ein Eingriffnach dem anderen in das Recht der Selbstverwaltung unternommen,und die Gelder, welche zur Durchführung der Krankenversicherungaufgebracht sind, werden nicht selten benutzt zur Unterstützung not-leidender Aerzte. Für die FnvalidztätSversicherungkommt ein Erlaß in Betracht, der beabsichtigt, einen Wandel inder Zubilligung von Renten herbeizuführen. Da das Gesetz fürden Beginn der Invalidität eine Grenze geschaffen hat, nach welchereigentlich nur im Sterben liegende Arbeiter Invalidenrente erlangenkönnen, ist eine Praxis eingeführt, nach welcher man dem tatsäch-lichen Invaliden Rente gibt. Jetzt hat das Reichsamt des Innerndie Versicherungsanstalten angewiesen, nur dann Rente zu bewilligen,wenn jeder Buchstabe des Gesetzes erfüllt ist. Das hat zur Folgegehabt, daß weniger Renten bewilligt werden und in vielen Fällenden Leuten, die bereits Rente beziehen, dieselbe wieder ent-zogen wird.Also eine Ausdehnung eines minimalen Arbeiterschutzes aufkleinere Werkstätten in der Konfektionsbranche, Einschränkung desSchutzes für weibliche Arbeiter in Molkereien und Zerstörung derSelbstverwaltung in der Krankenversicherung und Rentenquetschereiin der Invalidenversicherung, das ist die Ausbeute BülowscherSozialpolitik. Graf Bülow hat als erster Diplomat die Wahrheitgesagt, als er am 19. Dezember 1993 erklärte:„daß von einemStillstand der sozialpolitischen Gesetzgebung nicht die Rede seinkönne." Bei einem Stillstand müßte das Alte erhalten bleiben.Hier kann aber nicht von Stillstand, sondern nur noch von Rück-schritten gesprochen werden.In Vorbereitung ist freilich immer sehr viel. Schon 1992suchte die Regierung durch die Erhebungen über die Arbeitszeitder Fabrikarbeiterinnen den Glauben zu erwecken, als werde innächster Zeit an Stelle des Elfswndentages der Zehnstundentagtreten. Aehnliche Hoffnungen werden durch andere Erhebungengelveckt. Der Beirat für Arbeiterstatistik beschäftigt sich mit Er-Hebungen über die Arbeitszeit im Fuhrwerksgcwcrbe, im Fleischer-gewerbe, in Kontoren, in der Binnenschiffahrt, in Plättanstaltenusw. Material gibt es genug. Ja es wird dem Bundesrat schon zuviel und er empfiehlt mit„Rücksicht auf die Finanzlage des Reichs"Sparsamkeit.Um von diesem toten Punkt wegznlvmmen, müssen die Arbeiterselbst Hand ans Werk legen. Sie i«üssen ihre Organisationenstärken, um eventuell das durch Streiks zu erobern, was die Ge-Jetzt barf die Kunst auf ihrer SchattenbühneAuch höhern Flug versuchen, ja sie muß,Soll nicht des Lebens Bühne sie beschämen."—Und wie herrlich hat Schiller die Aufgabe gelöst! Den Zu-schauer mitten in das Schlackstgetümmel des großen Wertkampfesführend, entrollt er dem deutschen Volke ein Bild seiner kläglichstenZerrissenheit; mit rückwärts scheuendem Blick die traurigsten Zeilenunserer Vergangenheit schildernd weist er zugleich hin auf die nochandauernden Schäden des Vaterlandes, auf den herannahendenneuen Wcltkampf um Herrschaft und Freiheit!—— WenigeMonate nach der erstm Aufführung des„Wallenstein" warNapoleon Herr von Frankreich und auf dem Wege Herr vonEuropa zu werden.--Noch herrlicher aber offenbart sich die Prophetengabe unseresDichters in seinem größten und im letzten Meisterwerke, dem„T e l l". Hier ist es, wo Schiller, �von innigster Vaterlandsliebeerfüllt, in dem Freiheitskampf der Schweizer dem eigenen Volkden Spiegel der Zukunft vorhält.Im„Tell", dem deutschen Hohenliede der Freiheit, rollt undgrollt schon der ferne Donner der Völkerschlacht, die zehn Jahrespäter Napoleons Herrschaft zertrümmert. In prophetischen Bildernwird uns des Vaterlandes Erniedrigung, seine Knechtschaft undWiedererhebung vor's Auge gestellt. Im„Tell" kehrt Schiller zuseiner Jugend zurück. Wieder ist's das Banner der Freiheit,das er emporhält,— diesmal aber nicht das Banner allgemeinmenschlicher Freiheit,�— die staatliche Freiheit, dieFreiheit des Vaterlandes ist's, die der Dichter verherrlicht.IV. Doch— nicht bloß nahenden Taten ein Herold—Schiller ist auch Werkmeisterdervon ihm verkündetenZukunftI Gleich jenen hohen Gestalten des alten Bundeskämpft er für das, was er prophezeit. Sein begeisterndesDichterwort ist's, dem der Deutsche zunächst die Befreiung vomFremdenjoche verdankt. Schiller selbst erlebte sie nicht— dieZeit der deutschen Erhebung, aber sein G e i st war es, der ausKörners Schlachtlicdern atmete,— sein Geist war es, der dieBrust der Jugend zu Todesmut entflammte, mitkämpfte in dergroßen Völkerschlacht und den deutschen Heeren zum Siege voran.leuchtete.Schiller ist der Schutzgeist unseres Volkes— zürnend,mahnend und strafend, wenn wir in Geistesschlafsheit verfallen,—ermutigend und begeisternd, wo immer deutscher Sinn sich zu regenbeginnt. So oft in unserem Lande das Streben nach Freiheit undEinheit erwacht, erwacht auch Schillers Gedächtnis im Volke;mit erneuter Liebe blickt eS auf feinen Dichter, blickt auf zu ihm,den Leitstern in Nacht und Not.—W i e aber sollen wir ihn würdig feiern?— Nicht durcheitles Schaugepränge, gleißend schöne Reden, nicht durch Fcftzügeund Huldigungen,—— durch Taten lassen Sie uns ihnfeiern— durch Taten würdig des großen Dichter»Propheten unseres Volkes, des Kämpfers fürFreiheit und Menschenwürde!Ist—„des Dichters Preis die schönste Krone der Tat,"so ist— die Tat, die er erzeugt, des Dichters schönsteKrone.—