vom Juni v. I.- d. h. aus der Zeit bald nach dem Er- scheinen unserer Artikel—, durch die Verteidigung zur Ver- lesung gebracht werden konnte, in welcher mehrfache Mißstände in den Gefängnissen gerügt und Anordnungen zu ihrer Be- feitigung getroffen sind.—_ Tie Junker auf der Jagd. Das preußische Abgeordnetenhaus hat am Montag eine Reihe von Gesetzentwürfen, darunter die Vorlage betreffend die Ausführung des Reichs-Viehseuchen-Gesetzes, ohne wesentliche Debatte in dritter Lesung angenommen. Zu einer erregten Auseinandersetzung zwischen den konservativen Agrariern und denen vom Zentrum kam es anläßlich der dritten Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Ver- waltung gemeinschaftlicher Jagdbezirke. Während das Zentrum in Uebercinstimmung mit der Regierung jedem einzelnen Jagdgenossen ein Einspruchsrecht gegen die Art der Verpachtung, die Pachtbedingungen und die Pachtverträge zu- gestehen will, wollen die Konservativen ein solches Einspruchs- recht nur gelten lassen, wenn mindestens ein Drittel der Jagd- genossen Einspruch erheben. Beide Parteien behaupteten natürlich, daß sie die wahren Vertreter des kleinen Grund- besitzes sind, und so entstand denn zwischen den Führern der Brotwucherer in beiden Lagern, den Herren Herold und w Oldenburg , ein Disput, der lebhaft an die Heinesche Schilderung des Disputs zwischen Rabbi und Mönch er- innerte. In namentlicher Abstimmung wurde schließlich mit !160 gegen 69 Stimmen die Vorlage nach den Beschlüssen zweiter Lesung angenommen, das Zentrum hat also über die Konservativen gesiegt. Gleich darauf lagen sich die eben noch feindlicheil Brüder in den Armen, um mit vereinten Kräften den so verhaßten Warenhäusern den Garaus zu machen; sie nahmeil die Novelle zum W a r e n h a u s g e s e tz, die jenes Monstrum preußischer Gesetzgebungskunst noch ungeheuerlicher gestaltet, nach einer geistig sogar noch unter dem üblichen Niveau des Hauses stehenden Debatte an. Gesetz wird die Novelle nicht werden, die Regierung, die am liebsten das jetzige Warenhaussteuer- Gesetz, mit dem sie glänzend Fiasko gemacht hat, wieder los werden möchte, wird ihr nicht zustimmen, um so weniger, da die neue vom Abgeordnetenhause verlangte Erdrosselungs- steuer nach einem Urteile des Ober-Verwaltungsgerichts der Reichsverfassuilg widerspricht und vom höchsten Gerichtshof zweifellos als unvereinbar mit der Reichsverfassung erklärt werden würde. Dienstag: Anträge betreffend Besoldung der Volks- schullehrer.—_ Berständignugskomödie. Die Presse der Landtagsmehrheit führt jetzt ein amüsantes Spiel auf; indem sie von Verständigung zwischen Regierung und Landtag redet, bietet sie gleichzeitig alle Mittel scharfmacherischer Logik auf, um der Regierung klarzilmachen, daß ihr die Parteien schon alles bewilligt haben, was nach der eigenen Ueberzeugung der Regierung notwendig ist, und alle Mittel offener und versteckter Drohung vor einer etwaigen Reichstagsaktion. Die Reise der Berg- gesetzkoinmission und die angeblichen oder wirklichen Aeußerungen der Mitglieder dieser Kommission über ihre Erfahrungen spielen dabei eine Rolle. Daß die Mitglieder dieser Kommission wirklich ebenso wie die Untersuchungskonlmissionen in der Tat keine Mißstände entdeckt haben wollen, kann man schon glauben. Hat doch selbst ein der „Vos fischen Zeitung" nahestehendes Kommissionsmitglied dieser geschrieben, daß alles in schönster Ordnung sei. Und das ist kein Wunderl Hat man doch, wie im„Bochumer Volksblatt" aus- fiihrlich dargelegt wird, die Gruben, die von der Kommission besucht wurden, für diesen Besuch sorgfältig hergerichtet. Arbeiter sind von den Kommissiousmitgliedern nicht befragt worden. Es ist unnütz, mit denen, die nicht sehen wollen, darüber zu streiten, ob und in welchem Umfange Mißstände bestehen. Daß man angesichts der Tatsache des Streiks der 200000 Arbeiter und angesichts ihrer zahllosen Beschwerden noch immer mit dem albernen Argument arbeitet, es beständen keine Mißstände, das ist nur ein Be- weis dafür, daß man keinen Bergarbeiterschutz gewähren will. Und nur als Kennzeichen dafür erwähnen wir diesen Streit abermals. Es ist ja überdies bekannt, daß der sanitäre Arbeitstag von der Regierung fallen gelassen worden ist. Nur um die ArbeiterauSschüsse wird der Verständigungsrummcl betrieben. In Beziehung auf das Verbot der politischen Betätigung gegen- über den Arbeiterausschüffen schreibt die„Kreuz-Zeitung ", sie hätte erwartet, die Regierung werde irgend einen Beweis für ihre Behauptung erbringen, daß dieses Verbot„dem Geiste der Reichsgesetzgebung" widerspreche. Das habe die Regierung nicht getan und auch die„Kreuz-Zeitung "— die gute Seele!— habe sich vergeblich bemüht, in irgend einem Reichsgesetze irgend eine Stelle zu finden, die dem Verbot der politischen Betätigung entgegen- stehe. Unter diesen Umständen sei die Haltung der Regierung nicht begreiflich und man könne den Konservativen nicht zumuten, der Rc- gierung noch weiter entgegenzukommen, als es durch die Kommissions- brschlüsie schon geschehen sei. Weit schärfer noch faßt eine auch von der„Kreuz-Zeitung " übernommene Auslassung der.Antisozialdemokratischen Korrespondenz" die Regierung an. Sie knüpft an Möllers Aeußerungen in der Kommission über die von der Regierung mit der Einrichtung der Arbeiterausschüsse verfolgten Absichten an, daß die Ausschüffe ein konservattveS Gegengewicht gegen die„gefährlichen und turbulenten Elemente" in den Gewerkschaften sein sollen, konstatiert darauf die prinzipielle Uebereinstimmung der Regierung mit den Mehrheitsparteien und bezeichnet auf dieser Grundlage die Verständigung als selbstverständlich. Aus diesem Grunde hält die Korrespondenz eS auch für aus- geschloffen, daß die Regierung unter irgend einer Form die Hand dazu bieten könne, die Erledigung der Berggesetzmaterie auf dem Wege der Reichsgesetzgebung herbeizuführen. Der Reichstag stehe in der beregten Frage prinzipiell auf anderem Boden wie die Regierung und die Regierung müßte sich selbst aufgeben, wenn sie einem Reichs- gesetze zustimmen wollte. Dann stellt die Korrespondenz fest, daß übrigens nach ihren Informationen die Regierung noch nicht einmal mit dem Gedanken gespielt habe, den Gegenstand der Landesgesetzgebung zu entziehen. Dasselbe entnimmt„zu ihrer Freude" die„Kreuz-Zeitung " ans den „B. P- N.", fügt aber aus eigenem noch die Drohung hinzu, daß die Regierung de» Ast absägen würde, auf dem sie sitzt, wenn sie die Hülfe des Reichstages gegen den Landtag annehmen würde. Der Landtag habe sich„bisher" als ein festes Bollwerk gegen den Um- stürz erwiesen, während der Reichstag im Kampfe gegen den Um- stürz seit anderthalb Jahrzehnten stets versagt und insbesondere die Zuchthausvorlage in für die Regierung geradezu demütigerer Form abgelehnt habe. Die„P o st", welche glaubt, es könnten einige nicht ganz rück- gratfeste"Elemente der Landtagsmehrheit aus Sorge vor der ReichStagSaMon der Regierung noch etwas entgegenkommen wollen, sucht diese Schwachen fest zu machen, indem sie darlegr, daß ver Reichstag sich nicht mit dem Inhalte der preußischen Vorlage be- gnügen werde. Er werde auf alle Fälle den Forderungen der Ar- beiter weiter entgegenkommen und das könne die Regierung ja doch niemals annehmen. Man brauche also vor der Reichstagsaktion keine Furcht haben und könne ruhig der Verständigung entgegen- sehen. Die„Mllnchener Allgemeine Zeitung" wieder sucht der Regierung klar zu machen, daß sie, wie die Dinge sich jetzt ge- staltet haben, vor der Oeffeutlichkeit nur in den Verdacht kommen könnte, im Schlepptau des Zentrums zu gehen, falls sie die Hülfe des Reichstages annähme. Zugleich aber arbeitet sie nach dem Rezept der„Post", daß das Zentrum um seiner Reputation vor den Arbeitern willen im Reichstage den die Beschlüsse des Bergarbeitertages auf- nehmenden sozialdemokratischen Anträgen zustimmen muß, denen aber die Regierung nicht zustimmen könne. So wird mit Hochdruck an der Verständigung gearbeitet, die in einer Zustimmung der Regierung zu dem von der Kommission pro- duzierten Wechselbalg bestehen soll. Schließlich ist noch interessant, daß die„Post" eine Notiz der „A n t i s o z i a l d e m o k r a t i s ch e n Korrespondenz" über- nimmt, die den Glauben an das soziale Königtum als Majeftäts- beleidigung bezeichnet. In der„Sozialen " Praxis" wurde jüngst von einem evangelischen Arbeiterführer ausgeführt, die christlichen Bergleute hofften fest auf den Kaiser, der sich eine Verstümmelung der Borlage nicht werde gefallen lassen. Darauf schreibt die erwähnte Korrespondenz: Offenbarer Zweck der Zuschrift ist der Wunsch einer etwaigen Einwirkung auf die allerhöchste Stelle, bezw. die Berechnung, an allerhöchster Stelle als vorhanden vermuteten Stimmungen schmeicheln zu wollen. Ein solcher Versuch eines„evangelischen Arbeiterführers konservativer Parteirichtung" kommt aber unseres ErachtenS einer Mnjestätsbcleidigung— natürlich nicht in straf- rechtliche!» Sinne— bedenklich nahe und ist auf alle Fälle mit der Ehrfurcht vor der allerhöchsten Person Sr. Majestät und mit der Achtung vor den verfassungsmäßigen Institutionen Preußens nicht in Einklang zu bringen. Wir fühlen uns in diesem Falle unschuldig wie neugeborene Kinder, und das wird uns ausnahmsweise auch die„Post" glauben, dennoch hätten wir nie gedacht, daß der Glaube an das soziale Königtum eimnal zur Majestätsbeleidigung gestempelt werden könnte. Daran ist aber nur die Achtung der Konservativen vor den ver- fassungsmäßigen Institutionen schuld! Wie haben wir doch die Konservativen bisher verkannt!— — Oeutfcbed Reich. Ein französischer Scherz? Aus Paris wird geineldet, der Ministerrat habe im Prinzip beschlossen, eine Abordnung nach Berlin zu senden, um die Regierung bei der Hochzeit des deutschen Kronprinzen zu ver- treten. Die Zusammensetzung dieser Sondergesandtschaft wird in einer der nächsten Sitzungen des Mnisterrats beschlossen werden. Die Regierung wird erwägen, ob diese Gesandtschaft ausschließlich aus Militärpersonen, oder ob sie aus Zivilpersonen gebildet werden soll, denen eine gewisse Anzahl von Vertretern der Armee beigegeben würde. Die Entsendung einer feierlichen Abordnung zu einer Gelegen- heit wie die Hochzeit im deutschen Kaiserhaus wäre eine französische Neuerung, die zunächst kaum glaubhaft erscheint. Würde sich die Nachricht dennoch bestätigen, so zeigt sich, daß Frankreich in der auswärtigen Politik deutsche Liebhabereien befolgt. Vielleicht könnte man in Pans meinen, in dieser Zeit des marokkanischen Zerwllrf- nisses durch dergleichen Höflichkeitsbekundung auswärtige Politik zu fördern!_ Religio» und Volksschule. Man schreibt uns aus Bremen : Die bremische Lehrerschaft scheint in ihrer mutigen Haltung gegenüber dem Religionsunterricht standhast zu bleiben. Wir er- wähnten vor kurzem den mir großer Majorität gefaßten Beschluß einer zahlreich besuchten Versammlung bremischer Lehrer und Lehrerinnen, wonach eine Kommission mit der Aufgabe bettaut wurde, für die Abschaffung des Religionsunterrichts aus der Volksschule die geeigneten Schritte einzuleiten. Dieser Beschluß hat naturgemäß auf die Orthodoxie aller Richttrngen, die liberale eingeschlossen, wie eine Fanfare gewirkt. Daß es sich aber bei der Haltung der bremischen Lehrerschaft augenscheinlich nicht nur um eine plötzliche vorübergehende Wallung handelt, geht aus einem neuerlichen Beschluß hervor, den die bremischen Volksschul- lehrerinnen am letzten Sonnabend für sich allein nach noch- maliger Beratung des frühere« gemeinsam mit den Lehrern gefaßten Beschlusses gefaßt haben. Der bremische Lehrerinnenverein(Abteilung Volksschule) hat sich auf folgender Resolution geeinigt: 1. Religion ist innerlichster, p e r s ö n l i ch st e r Herzens- kultus und läßt sich daher nicht unterrichten. 2. Bei der staatSseitig gewährten Glaubens- und Gewissens- freiheit werden in Bremen alle religiösen Richtungen als gleich- berechtigt angesehen; da aber die im sogenannten biblischen Ge- schichtsunterricht behandelten Stoffe verschiedene Auslegung zulassen, so wird sich die Schule zu den etwaigen gegnerischen An- sichten des Elternhauses vielfach in Widerspruch stellen und sich gegen den Willen der Eltern ein Propagandamachen für eine von diesen nicht verttetene Glanbensanschanung zuschulden kommen lassen. 3. Diejenigen Stoffe des heutigen Religionsunterrichts, welche von jedem als wirklich wertvoll und rein historisch an- gesehen lverden, können mit Leichtigkeit den übrigen Gesinnungs-Unterrichtsfächern angegliedert und noch durch diejenigen Stoffe der Weltliteratur ergänzt werden, die aus rein religiöser Empfindung entsprungen sind. Aus vorstehenden Gründen erklärt sich die heutige Versammlung des Bremischen Lehrrrinucnverrins auf das entschiedenste für die Ab- schaffung des lehrplanmäßigen ReligionS- und biblischen Geschichts- Unterrichts. Dieser Beschluß ist inhaltlich noch wertvoller als der frühere, denn er fordert nicht nur kurz die Beseittgung des Religions- Unterrichts, sondern er geht auf die Sache selbst ein und begründet die Forderung in einer ebenso fachmännisch zutreffenden wie logisch konsequenten und klaren Weise. Zudem wird die Abschaffung des Religionsunterrichts„auf das entschieden st e" gefordert. Man kann an diesem tapferen Beschluß der bremischen Volks- schullehreriimen seine helle Freude haben. Darin ist nichts enthalten von vorsichtiger Rechnungsträgerei, sentimentaler Koinpromisselci mit Gefühlsreligiosität und ängstlicher Verschleierung des letzten radikalen Zieles. Die Religion ist Privatsache des Einzelnen und gehört darum nicht in den öffentlichen Unterricht. Der sittliche und historische Ge- halt des jetzigen Religionsunterrichts kann den übrigen Gesinnungs- Unterrichtsfächern angegliedert werden, mit Leichtigkeit sogar, ver- sichern die bremischen Lehrerinnen, also pädagogische Fachleute. Hoffentlich hört man bald, daß die männlichen Kollegen in Bremen einen nicht minder entschiedenen und fortschrittsfreudigen Beschluß gefaßt haben.—_ Zum Oberpriifidenten von Brandenburg ist der Kasseler Regierungs - Präsident, früherer Landrat von Marburg , TrottzuSolz, er- nannt worden. Der Mann verttitt die Richtung der reaktionärsten Scharfniacher. AIS Intimer der Familie Stumm hat er seinerzeit unter der Flagge eines Anarchistengesetzes einen Entwurf aus- gearbeitet, aus dem dann die Uinsturzvorlage entstanden ist. Trott zu Solz gehört also zur eigentlichen mt'rlasscuschaft deS Freiherrn von Stumm.— Ei» Verfahren wegen MajestätSbeleidigung ist einem der„Tägk. Rundschau" aus Wilhelmshaven zugegangenen Drahtbericht zufolge von der dortigen Staatsanwaltschaft gegen die Urheber der falschen Mitteilungen über die Kaiserrede bei der Rekrutenvereidigung ein« geleitet worden. Ob sich das Verfahren bereits gegen bestimmte Personen oder etwa gegen„Unbekannt" richtet, wird nicht mitgeteilt. Die ersten Angaben machte die„Evang. Kirchen-Zeitung". Sollen nun wirklich schon fromme und majestätsgläubige Evangelische dem Majestätsbeleidigungswahn zum Opfer fallen? Einen Soldatenbrief aus Deutsch -Südwestaftika veröffentlicht der„Backnang er Volks freund". Der Brief rührt her von dein vor einigen Wochen in Südwestafrika am Typhus verstorbenen Reiter Karl Ei s e nm ann und ist vom 24. Februar aus Zwartfontein datiert. Es heißt darin: „Wir bekommen hier sehr wenig Proviant, nur halbe Portion statt ganze, was wir bekommen sollten. Wir haben hier schon einmal 5 Tage nichts als Fleisch und Wasser gehabt, da war es bald fertig mit uns. Vor einigen Tagen habe ich und noch ein Mann zwei Hottentoten weggeschossen am Wasser. Ein paar mal. wurde auf uns geschossen am Wasser, aber die Kerls trafen nichts. Ich habe bis jetzt drei Ge« fechte mitgemacht, eines bei Gois, eines bei Gochas und eines bei Nnab. Näheres darüber werde ich Euch mündlich erzählen, denn bei den Gefechten ging es ganz toll zu. Wir laufen hier noch lumpiger herum als draußen die Zigeuner. Hier macht man richttg gesagt eine Hungerkur mit. Hier bekommt man nicht einmal seine volle Portion, was jedem Mann zusteht, viel weniger Liebesgaben, welche draußen immer gesammelt werden. Wir haben hier noch keine Liebesgaben gesehen und draußen denken die Leute wunder, was wir alles bekommen. Man läuft hier herum wie lebende Skelette. So geht es uns in Südwestafrika. Sagt man ein Wort zuviel wegen dem Fr e s sen, so wird man ein paar Stunden an ein Geschützrad gebunden, von 11 bis 1 Uhr. in der stärksten Sonnenhitze; das nennt man auf deutsch „Preußische Disziplin". In unserer Batterie stürzte einmal ein Fahrer auf dem Marsche bei Nacht, als es dann der Oberleutnant Sch. sah, sagte er, hat denn der Schuft das Genick nicht gebrochen? Sie brauchen aber noch viel schlimmere Ausdrücke. Und mit solchen Menschen soll man ins Gefecht ziehen! Derselbe Offizier sagte auch einmal, ein Hottentotte sei ihm lieber als zehn Mann von uns. Und da soll so ein schwarzer Hund noch Respekt haben vor einem deutschen Soldaten." Die Klagen über mangelnde Verpflegung bilden übrigens ein stehendes Kapitel in den Soldatenbriefen. Auch über die verspätete Zustellung der Postsendungen von Angehörigen wird bitter geklagt. So beklagt sich in einem Briefe an uns der An- gehörige eines Schutzttupplers, daß ein am 24. Dezember 1904 ab- gesandtes Paket am 13. März den Adressaten noch nicht erreicht ge- habt habe. Der Brief führt ferner folgende Klage: „Ein Paket an Offiziere und Mannschaften der Südwestafrika- Truppe muß nach Vorschrift genau ll'/z Kilo wiegen, kein Gramm mehr. Es besteht dabei a) aus einer Blechkapsel, 10 Zentimeter hoch, 15 Zentimeter breit, 30 Zenttmeter lang, die netto 500 Gramm, nach dem Verlöten 510 Gramm wiegt und bei Engrosanfertigung 1,50 M. kostet. Diese Kapsel mutz b) von.einer Holzhülle um- geben sein(Papphiillen haben sich als unhaltbar bewiesen), die 150—100 Gramm wiegt und 25 Pf. kostet. Um das Ganze muß o> ein Stück Wachstuch genäht sein, das wieder 10 Pf. kostet. Nun aber das Schönste: in ein solches Paket geht nach allem Emballage« gewicht 2— 2>/.2 Pfund Ware hinein, also Zigarren. Chokolade, etliche Paar Socken, eine kurze Pfeife,— kein Paar Stiefel, kein Stück Wäsche, höchstens 3—4 Taschentücher oder ein Unter- Hemd aus Tropenstoff. Das Porto dafür läßt sich das Deutsche Reich mit 1 M. bezahlen. Also kostet das Paket ohne Inhalt 1,50 M.+ 0,25 Pf.+ 10 Pf.+ 1 SK.= 2,85 M.! Ist es denn wirklich nötig, daß sich das Reich-so armselig benimmt?" Auch wir sind allerdings der Ansicht, daß man Frachtkosten für so winzige Liebesgaben nicht zu erheben brauchte, sondern daß man lieber an den kolossal hohen Gehältern der höheren Offiziere— die mehr erhalten, als beim Chinafeldzug-- hätte sparen sollen. Daß die Pakete so klein sein müssen und daß sie erst nach vielen Monaten in die Hände der Mannschaften gelangen, er- klärt sich allerdings aus den trostlosen Verkehrsverhälttnffen unserer kostbaren Kolonie. Die jungen Leute, die so übel beraten waren. diesen Feldzug in einer wasserlosen, sandigen Einöde fiir ein ver- gnügliches Abenteuer zu halten, müssen jetzt eben für ihren Leicht« sinn büßen. Berlin , 15. Mai. Ein Telegramm auS Windhuk meldet: An Typhus sind gestorben: Unteroffizier Max Ziemba, geboren am 11. 5. 82 zu Namslau, am 10. Mai 1905 in der Krankensammelstelle Nanidas: Reiter Hermann Schön Herr, geboren am 0. 12. 82 zu Striesen , am 12. Mai 1905 im Lazarett Windhuk.— Ferner Reiter Arnold Keller, geboren am 20. 7. 83 zu Mül» heim a. Rh., am 11. Mai 1905 im Lazarett Kubub an Hirnhaut- entzündung infolge Sonnenstichs gestorben.— Reiter Wilhelm Dill, geboren am 1. 1. 81 zu Cochstedt , am 11. Mai 1905 im Lazarett Kalkfontein an Typhus gestorben.— Reiter Johann N o e, geboren am 20. 12. 31 zu Oberneudorf, am 11. Mai 1905 im Lazarett Gabeon an Malaria gestorben.— Hueland. Frankreich . Die Neutralitätsdcbatte vertagt. Paris , 15. Mai. Deputiertenkammer. Präsident Do um er gibt bekannt, daß mehrere Interpellationen, und besonders von V a i l l a n t(Sozialist) über die Neutralität im fernen Osten und von P r e s s e n s ö über die Neutralität und das Ein- dringen Frankreichs in Marokko eingegangen sind. Ministerpräsident R o n v i e r führt aus, daß die Regierung sich kürzlich über die von Baillant und Pressenss angeregten Punkte geäußert habe und daß sie sich jetzt nur wiederholen könne. Die Regierung habe den Behörden im fernen Osten Befehle erteilt. dafür zu sorgen, daß die Neutralität beobachtet würde. Der Ministerpräsident erklärt ferner, daß, wenn die Umstände ge- statten werden, den bereits abgegebenen Erklärungen neue hin- zuzufügen, er gern die Beratung annehmen werde.(Beifall.) Paillant sagt: Die Anordnungen der Regierung Iv erden nicht befolgt.(Widerspruch.) Jedenfalls be- folgen sie die Russen nicht.(Lebhafte Bewegung.) Aus diesem Grunde haben wir Erklärungen gefordert. Wir wollen den Krieg nicht, dafür wollen wir Gewißheit haben, und wir verlangen, daß morgen oder ü b e r ni o r g e n die Beratung darüber stattfindet.(Beifall auf der äußersten Linken.) R o u v i e r erwidert, daß niemand die Aufrichtigkeit und Loyalität der Regierung bezweifle und besteht auf der Vertagung der Beratung. Auf einen Zwischenruf fügt Ron vier hinzu, daß jedermann hier Frieden wünsche; es gebe hier nur Franzosen, welche das Be- streben haben, die Ehre Frankreichs und den Weltfrieden aufrecht zu erhalten.(Beifall.) Pressenss sagt. cS sei Zeit, daß die Frage, die in den fremde« Parlamenten beraten wurde, auch hier zur Verhandlung komme. Er sei überzeugt, daß Ronvier den Frieden weiter erhalten und die Nenttalität respekiiert wissen wolle, aber er lege großes Gewicht daraus, daß die Absichten der Regierung ausgeführt w ü r d e n. Er wünsche zu wissen, was von den Vertretern Frank» reichs geschehen sei und wolle Kenntnis haben von den Verhandlungen mit Rußland . Er beantrage daher, daß
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