Hierauf folgt die Vernehmung des Angeklagten AhrenS. Dieser erklärt auf Befragen deZ Vorsitzenden, daß er sich nicht aus- lassen wolle, seine Aussage vielmehr verweiger und dem Gerichtshof überlasse, sich aus den Zeugenaussagen ein Bild zu schaffen. Ebenso verweigert er die Auslassung auf die Frage vom Staatsanwalt, in Welcher Farm er„Journalist" sei.f Der Vorsitzende verliest infolge dessen die Aussage des An- geklagten Ähren s vor dem Untersuchungsrichter. Danach ist er vom 4. Juni 1898 bis 4. Juni 1993 in Plötzensee interniert ge- Wesen. Er hat dort den Posten eines ExpeditionsschreiberS bekommen. er hat dort Zutritt zu den Personalakten gehabt und sich während seiner Arbeit stenographische Notizen und Abschriften aus den Personalakten mancher Gefangenen gemacht. Den größten Teil dieser Abschristen habe er schon während seiner Strafhast durch einen in die Freiheit entlassenen Gefangenen hinaus- schaffen lassen. Als dann die Affaire Ahrenberg spielte und über dessen Behandlung im Gefängnisse Nachrichten in die Oeffentlich- keit drangen, habe er den Gegensatz in der Behandlung eines ge- fangenen Prinzen und eines Mannes aus dem Volke dartun wollen und das Material deshalb Herrn Schneidt unterbreitet, von dem er wußte, daß er als radikaler Journalist den Mut hätte, derartige Dinge öffentlich zu behandeln. Auf eine Reihe weiterer Fragen des Vorsitzenden, die darlegen sollen, daß die angeklagten Redakteure die Mitteilungen des Ahrens ohne weitere Prüfung aufgenommen haben, erwidern diese, daß sie von der Authentizität der Mitteilungen voll- ständig überzeugt waren und daß sie bei etwaiger Nachfrage bei den Nebenklägern sicher die übliche Antwort erhalten haben würden: Alles erstunken und erlogen I Auf weiteren Vorhalt deS Vorsitzenden gibt Angekl. Schneidt zu, daß er zurzeit der Veröffentlichung des ersten Artikels im Ge- sängnis in Tegel darüber vernonimen worden sei. Es habe sich aber nach seiner Meinung darum gehandelt, den Ursprung des Artikels in einem Verfahren gegen„Unbekannt" zu er- Mitteln, weil man in dem Ueberlieferer des Materials einen Beamten vermutete.— Auch Angeklagter Ahrens behauptet, daß es in feiner Absicht gelegen habe, den Schleier, der über den Zuständen in Plötzensee liege, zu lüften und durch die Veröffentlichungen eine Er- örterung in einem gerichtlichen Verfahren zu veranlassen. Freilich habe er die Meinung gehabt, daß ein solches sich nur gegen die Aerzte und nicht gegen die Redakteure richten könne. Nach seiner Ansicht haben sich doch die Gefängnisärzte verschiedener grober Pflichtwidrigkeiten schuldig gemacht und hätten doch beispielsweise eine Anklage wegen Körperverletzung gewärtigen können. Er habe von Schneidt und auch von der Redaktion des„Vorwärts" Honorar freiwillig erhalten, ohne es zu fordern und habe sich um die Form, Wie seine Mitteilungen veröffentlicht wurden, nicht gekümmert. Angeklagter Schneidt und ebenso K a l i s k i erklären, daß die betreffenden Artikel dem Angeklagten Ahrens vor der Veröffentlichung nicht vorgelegen haben. K a l i s k i erklärt nachdrücklich, die Redaktion des„Vorwärts" würde es entschieden ablehnen, von jemandem, der ihr Material bringe, gleichzeitig Instruktionen entgegenzunehmen. Nach den Veröffentlichungen in der„Zeit am Montag" erfolgte gar nichts, diese selbst trugen nicht nur den Stempel der Wahrschein- lichkeit, sondern waren erkennbar Aktcndarstcllungen, so daß gar kein Zweifel an der Authentizität des Materials vorlag. Ich betone noch- mals, daß im„Vorwärts" keine Angriffe gegen die Herren Neben- klüger gerichtet sind, sondern dieselben sind in Schutz genommen gegen die Instruktion. die sie zwingt, so zu handeln, wie sie ge- handelt haben. Wenn wir, wie der Herr Borsitzende an- deutet, den Herren die Artikel vorgelegt hätten, so hätten fie ja gegen die Behörde, der sie unterstellt find, Stellung nehmen müssen, denn sie sind selbst nur untergeordnete Beamte in der Gefängnisverwaltung. Die Beamten sind selbst Opfer eines Systems, die nicht die Möglichkeit haben, sich dagegen zu schützen. Präsident: Sie haben sich also nicht nur mit dem einen von Ihnen gezeichneten Artikel befaßt? Angeklagter K a l i S k i: Ich habe natürlich auch die anderen Artikel gelesen. Präsident: Sie sagten vorhin, w i r waren von der Authentizität des Materials überzeugt. Angeklagter K a l i s k i: Ich kann natürlich nur die Verant- Wartung für den Artikel übernehmen, den ich gezeichnet habe. Meine anderen Ausführungen betreffen Grundsätze und Gepflogenheiten, unter denen solche Artikel aufgenommen werden. Ich selbst habe auf die weiteren Veröffentlichungen keinen Einfluß gehabt. Die Vernehmung der Angeklagten ist hiennit beendet. ES tritt eine halbstündige Mittagspause ein. Die Beweisaufnahme beginnt mit der Vernehmung deS jetzigen Direktors deS Gefängnisses in Plötzensee. Direktor? Sauer, Nach« folaerS des Direktors Geh. Rats W irth. Er gibt eine allgemeine Uebersicht über die lokalen und sonstigen Verhältnisse von Plötzensee. DaS ganze Gefängnis, das 1872 erbaut ist, umfaßt 25 Hektar. Zehn Morgen sind zu Gefängniszwecken und zu Dienstwohnungen bebaut. Die normale Gesamtbelegung beträgt 1409 Köpfe. 859 Gefangene befinden sich in Gemeinschaftshaft, 523 in Einzelhaft. ES werden im allgemeinen nur langstistige Strafen von 1—15 Jahren dort vollstreckt. Bei der sehr großen Ausdehnung der Anstalt, der Größe der gemeinschaftlichen Arbeitssäle und den vielfachen Berührungen, in welche die Gefangenen wohl oder übel zeitweis. mit einander kommen, sei eine strenge Disziplin geboten. Die Gefangenen kommen zumeist aus Berlin und rekrutieren sich auch aus rückfälligen Verbrechern. Auf Befragen, ob der Zeuge bei seinem Amtsantritt irgendwelche zurückliegenden Mängel, die der gesamten Anstalt anhaften, bemerkt habe, erwidert er, daß seiner Meinung nach es ein Fehler war, daß der Verkehr der Gefangenen unter sich nicht mehr eingeschränkt war. Er habe aus diesem Grunde eine Aenderung getroffen. Während stüher die Gefangenen gemeinschast- lich dem Anstaltsarzt vorgeführt wnrden, habe er veranlaßt, daß die in Jsolierhaft befindlichen Gefangenen in ihren Zellen, die übrigen in den Baracken untersucht würden. DaS habe er aus dem Grunde veranlaßt, weil eine große Anzahl Gefangene sich nur deshalb dem Arzt vorführen ließ, um mit den übrigen Gefangenen in Verbindung treten zu können. Nach bestimmten Tatsachen, die hierfür sprechen, vom Ver- leidiger Dr. Liebknecht bestagt, weiß er solche nicht anzugeben. Zeuge erklärt auf Befragen, daß für das leibliche Wohl der Gefangenen in sanitärer Hinsicht nach seiner Meinung gut gesorgt sei. Die ärzt- liche Oberleitung liege in den Händen des Geh. Medizinalrats Dr. Baer und des Medizinalrats Professor Dr. Pfleger. Ersterer habe die Abteilung der Jsoliergefangenen und der Jugend« lichen, sowie den allgemeinen schriftlichen Verkehr mit den BeHorden unter sich, während Dr. Pfleger seine ärztlichen Funktionen in den Gefängmssen I und II und im Lazarett versehe.— Vors.: Welche Meinung haben Sie über die Art der Dienstführung der beiden leitenden Herren Aerzte?— Zeuge: Ich kann nur sagen, daß beide meiner Meinung nach überaus treu und pflichtgemäß ihren Dienst versehen haben.— Zeuge erklärt weiter, Pflichtwidrigkeiten der Aerzte seien ihm nicht bekannt geworden. Geh. Medizinalrat Dr. Baer habe das Recht, außerhalb der Anstalt zu wohnen, Medizinalrat Dr. Pfleger hinterlaffe, wenn er aus der Anstalt herausgehe, wo er zu finden fei. Wenn Rot am Mann war und die AnstaltS- ärzte augenblicklich nicht zugegen waren, sei es niehrmalS vor- ? gekommen, daß Berliner Aerzte rasch herbeigeholt wurden. Als in- olge deS in der„Zt. a. M." erschienenen Artikels unvermutet eine Redlsion der Anstalt stattfand, seien einige kleine Monika hinsichtlich der ärztlichen Buchführung und des Jnstrumentariunls gezogen worden. Diese Monika seien sofort abgestellt worden. Die Aerzte haben stets die vorgeschriebenen Eintragungen in das Ver- ordnungSbuch zu machen, sie haben auch die Pflicht, den Geisteszustand_ der Angeklagten zu beobachten und bei in dieser Beziehung entstehenden Zweifeln die nötigen Schritte zur Unterbrechung des Strafvollzuges zu tun. Die hygienischen Einrichtungen der Anstalt seien durchaus gute, ins- besondere haben verschiedene Untersuchungen des Wassers durch das hygienische Institut der Universität, durch das hygienische Institut des Dr. MoscheleS stattgefunden und zu irgend welchen Ausstellungen in gesundheitlicher Beziehung nichtgeführt. Dasselbe Wasser, welches die Gefangenen trinken, trinkt auch das ganze große Heer der Be- amten. Die Sterblichkeitsziffer sei absolut nicht als eine besonders hohe zu bezeichnen, der Prozentsatz der Todesfälle sei gering. Aller- dings gibt der Zeuge dann auf Befragen der Verteidigung zu, daß Todeskandidaten aus dem Gefängnis beurlaubt oder entlasten werden, und daß deren Sterben oder Nichtsterben von der Verwaltung nicht beobachtet werde. Die Arrestzellen liegen im Souterrain, das Fenster liegt mit der Unterkante etwa 59 Zentimeter über dem Erdboden. Ihre Größe schwankt von 21—22 Kubikmeter bis zu 29 Kubikmeter. Jedes einzelne Gefängnis hat seine eigene Arrestzelle. Deren Lüftung geschieht durch die Fenster. Die Heizung geschieht durch die allgemeine Zenttalheizung, die Durchschnitts- Temperatur beträgt 14— 15 Grad Reaumur. Die Arbeitsbaracken haben ihre eigene Heizung. Die allgemeinen hygienischen Ver- hältnisst in diesen Arbeitsräumen seien seiner Kenntnis nach nicht schlechter als in den Arbeitsstätten in anderen Betrieben. Die Arbeitsräume unterstehen auch fortgesetzt der Konttolle der staatlichen Gewerbe-Jnspektion. Auf Bestagen des Rechtsanwalts Dr. Lieb- knecht erklärt der Zeuge, Beschiverden von Gefangenen über Mangel- haste ärztliche Behandlung und mangelhafte hygienische Än- richtungen seien wiederholt vorgekommen, sie kennzeichneten sich aber in den meisten Fällen von vornherein als un- begründet. Seit dem Erscheinen der Zeitungsartikel haben sich die Beschwerden allerdings sehr vermehrt. Grundlegende Mängel sind ihm, als er die Anstalt übernahm, nicht aufgefallen, doch gibt er ein gewisses Sichgehenlassen der Beamten zu, ins- besondere hätten sie den Gefangenenschreibern, zu denen auch der Angeklagte AhrenS gehörte, zu viel Vertrauen entgegengebracht. Der Zeug« ist auch zuerst auf den Gedanken gekommen, daß die Exzepte aus den Personalakten, wie sie veröffentlicht wurden, von dem Angeklagten A h r e n s herrührten.— Rechtsanwalt Dr. Lieb- knecht weist darauf hin, daß nach seiner Meinung die Gutachten über die Qualität des Wassers ,doch nicht so absolut günstig ausgefallen seien, wie es hier behauptet worden. In dem Gutachten des Instituts deS Dr. MoscheleS sei doch von einer Verunreinigung des Wassers die Rede. — Vorsitzender: Es handele sich da um das Gutachten eines Brunncnmachers über einen im dritten Hofe des Gefängnisses angelegten Brunnen und dieser sei eingegangen.— R.-A. Chodziesner als Vertteter der Nebenkläger: Es handelte sich um eine ganz akute Veranlassung zu der damaligen momentanen Verunreinigung des Brunnens, nämlich um den Bruch eines Rohres.— R.-A. Dr. Liebknecht: Auch das Gutachten des Dr. Proskauer vom Jahre 1895 ist weit davon entfernt, das Waffer als tadellos zu bezeichnen.— Vors.: Wir haben ja Herrn Dr. Proskauer hier und dieser wird uns sagen, daß das Wasser in gesundheitlicher Beziehung zu Bedenken keinen Anlaß gab.— R.-A. Dr. Liebknecht behauptet, daß nach dem Erscheinen der Artikel eine Ministerialverfllgung erlassen worden sei, durch welche die Zuständigkeitsverhältnisse, die Bestimmungen über die ärztliche Buchführung zc. in mehreren Punkten verändert worden seien. Er verliest die Bestimmungen dieser Verfügung vom 18. Juni 1994. Die Vorschrift, nach welcher die Gefängnisbeamten daS Verlangen, einen neu eingelieferten Gefangenen alsbald zu untersuchen, an den GefängniSarzt der Regel nach nur dann stellen sollen, wenn an dem Gefangenen KrankhettSerscheinungen wahrgenommen werden oder wenn der Verdacht obwaltet, daß der Gefangene von einer an- steckenden Krankheit infiziert sein könnte, hat vielfach dazu eführt, daß die alsbaldige Untersuchung solcher efangenen auch in Fällen unterblieben ist, in denen sie angezeigt gewesen wäre.— Auf die Frage des Rechtsanwalts Dr. L ö w e n st e i n, ob es vorgekommen sei, daß in einer Zelle, welche ftir eine bestimmte Anzahl Gefangener vorgesehen sei, bedeutend mehr Gefangene interniert worden sind, gibt Direktor Sauer diese Tatsache zu, dies wäre indessen nur bei einem plötzlichen Andrang von Gefangenen auf kürzere Zeit geschehen. Zeuge gibt auf Vorhalt des Verteidigers zu, daß es wiederholt vor- gekonnnen sei, daß in einer für eine Person berechneten Zelle drei Gefangene vorübergehend untergebracht waren. Der Vorsitzende meint, daß dies bei plötzlichem Andränge von Gefangenen in fast sämtlichen anderen Gefängnissen ebenfalls der Fall sei. Auf Be- fragen des Rechtsanwalts Dr. LöAvenstei», ob es vorgekommen fei, daß bei der Anfiiahme von Gefangenen mitunter 89 Personen in einem kaum 49 Kubikmeter haltenden Raum untergebracht worden sind, kann der Zeuge hierüber keine Auskunft geben, glaubt aber, daß dieS nicht der Fall sei. Einen weiteren Mißstand glaubt der Verteidiger in der Reinigung der Nachtgeschirre zu finden. ES sei häufig vorgekommen, daß die Gefangenen in Reihen aufgestellt ihre Nachtgeschirre ausgießen mußten und sich hierbei häufig beschmutzt hätten. Der Zeuge bestreitet, daß etwas derartiges vorgekommen sei. Die einzelnen Nachtgeschirre würden ähnlich wie in den Kranken- Häusern ihres Inhalts entleert und mittels übermangansauren Kalis desinfiziert. Wenn Bcschmutzungen hierbei passiert seien, so liege es an den betreffenden Gefangenen selbst. Einige weitere Fragen des Rechtsanwalts Dr. L ö w e n st e i n über die verschiedenen Arten der Disziplinarstrafen beantwortet der Zeuge dahin: es gebe einfachen Arrest, Mittelarrest und sttengen Arrest. Die strengste Form ist die Verdunkelung der Zelle unter Entziehung des Lagers und bei Wasser und Brot. DaS Höchstmaß dieser schwersten Form betrage sechs Wochen, die Verdunkelung könne nur bis zu vier Wochen verfügt werden, im übrigen habe die Er- Mäßigung an den vorgeschriebenen Tagen stattzufinden. Die Ver- hängung dieser Strafen erfolge nach Matzgabe der Bestimmungen der Gefängnisordnung. Die Zwangsjacke, auf die Rechtsanwalt Dr. Löwenstein hinwies, werde nur sehr selten und nicht als Strafe, sondern im äußersten Notfalle, bei Ausbruch von Tobsucht zc. angewendet. Ein Maulkorb werde nicht angewendet.— Angeklagter Schneidt behauptet, daß die Zentralheizung nur bis l/,19 Uhr unterhalten und die Arrestzellen nachtS nicht geheizt find. Direktor Sauer erwidert, daß die Temperatur zu jeder Tages- und Nachtzeit von ihm revidiert werde.— Angekl. Schneidt: Wie sind die Arrestgefanqenen des Nacht« beklcider?— Zeuge: Sie tragen Hose, Weste. Jacke. Unterhose und Unterjacke.— Rechts- anwalt ChodzieSner: Hat der Zeuge gehört,� daß die zu den Beamtenfamilien gehörigen Kinder, die das Wasser trinken, nach- teilige Folgen gehabt haben?— Zeuge: Nein, nie I— Angekl. Schneidt wünscht Auskunft über die Anstelluugsverhältnisse deS Aufsichtspersonals und behauptet, daß ein Teil derselben bei ge- ringsten Vergehen binnen 24 Stunden entlassen»verden können. Beamten, die so unsicher gestellt seien, hätten nicht den Mit, sich über Uebelstände zu beschweren.— Auf weitere Fragen des Rechts- anwalts Dr. Liebknecht bekundet Direktor Sauer, daß die Aufseher, die zunächst als Hülfsausseher beschäftigt werden, nach einer Probezeit von etwa drei Jahren als etatsmäßige Aufseher angestellt werden. Sie gehen aus dem Stande der Militäranwärter hervor, eine Ausbildungszeit für den Gefängnisdienst geht der Be- schäftigung als Hülfswärter nicht voraus. Sachverständiger Prof. Dr. Proskauer wird hierauf ein- gehend über die Wasserverhältnisse in Plötzensee vernommen. Er hat im Jahre 1895 auf Veranlassung der Ministerialbaukommission im Aufttage des Instituts für Infektionskrankheiten eine Untersuchung des Wassers vorgenommen und ist zu dem Schluß gekommen, daß es nach den Forderungen der Hygiene als einwandfrei zu bezeichnen ist. Der Verdacht der Infektionsgefahr des Wassers sei nicht vor- handen. In chemischer Beziehung zeige das Wasser Eisengehalt, der jedoch geringer sei, als bei dem meisten Wasser in Norddeutsch- land. Auch die in dem Wasser vorkommende Alge sei durchaus harmlos und gesundheitsunschädlich. Ueber die Wasserftage entspinnt sich eine lebhaste Diskussion. Rechtsanwalt Liebknecht betont, daß die harmlose Alge zwar als Gemüse ihm nock nicht vorgekommen sei; aber selbst wenn sie an sich wohlschmeckend und appetiterregend wäre, würde sie, wenn fie in Fäulnis übergehe, das Wasser ekel- erregend und gesundheitsschädlich machen. Dies wird zugegeben, nur meinen der Sachverständige und der Zeuge Sauer unter Unter- stiitzung des Vorsitzenden, der Wasserverbrauch sei so groß, daß ein Stagnieren des Wassers in der Leitung ausgeschlossen sei. Dr. Liebknecht stellt daher den Antrag, den durchschnittlichen Verbrauch und die Größe des Reservoirs genau festzustellen. Beschluß hierüber soll später gefaßt werden. Der Vorsitzende deutet an, daß die Gefangenen schuld seien, wenn sie faules Wasser erhielten, weil fie die Leitung dann nicht lange genug laufen ließen. Durch Befragen des Direktors Sauer wird jedoch festgestellt, daß in den Zellen der Gefangenen eine Leitung sich nicht befindet, und die Gefangenen zur Leitung nicht unmittelbaren Zutritt haben. Der Vorsitzende richtet an den Zeugen Direktor Sauer die Frage, ob ihm be- kannt sei, daß schon ein Gefangener in Plötzensee verdurstet sei. Die Verteidiger stellen fest, daß tatsächlich den Gefangenen nur ein bestimmtes Quantum Wasser zu bestimmten Zeiten geliefert wurde. Direktor Sauer gibt zu, daß auch jetzt, unter seiner Leitung. gewünscht wird, die Gefangenen an eine gewisse Regelmäßigkeit bei der Wasserentnahme zu gewöhnen. Um 3 Uhr wird die Verhandlung auf Dienstag früh'/,10 Uhr vertagt._ Gmebta-Zeitung. Gegen Fräulein Dr. jitr. Anita AugSpurz hat die Staatsanwalt« schast in Hamburg-Altona wegen Beleidigung des Altonaer Land- gerichtsdirektorS Dr. M e n s ch i n g Anklage erhoben. Fräulein A. wird beschuldigt, in einer in einem Hamburger Hotel abgehaltenen Frauenversammlung, in der ein vor einiger Zeit vor der» Schwurgericht in Altona verhandelter Notzuchtsprozei« zur Erörterung gelangte, die Art und Weise, in welcher der Landgerichts- direktor Dr. Mensching als Vorsitzender die Verhandlung leitete, einer beleidigenden Kritik unterzogen zu haben. Gleichzeitig wurden gegen die verantwortlichen Redakteure der sozialdemokratischen Zeittingen Hamburger Echo" und.Harburger Volksblatt" von vier beziehungs- weise acht Geschworenen, die bei der betreffenden Verhandlung ihres Richteramtes walteten, Strafanträge gestellt. In der Angelegenheit selbst handelt es sich um jene Schwurgerichtsverhandlung gegen vier junge Leute aus Blankenese , die beschuldigt wurden, gemeinsam mit einem Mädchen eine Bootsfahrt aus der Elbe unternommen und bei dieser Gelegenheit ihre Begleiterin vergewalttgt zu haben. Der Wahrspruch der Geschworenen lautete ttotz des offenkundigen Tat- bestandeS auf nichtschuldig, woraus die Angeklagten frei- gesprochen wurden, weil das mißhandelte Mädchen in sittlicher Be- ziehung nicht mehr unbescholten war.— Uns bereitet es immer eine gewisse Genugtuung, wenn auch einmal Leute aus bürgerlichen Kreisen die Annehmlichkeiten der modernen deutschen Gerechtigkeit zu kosten bekommen. Daß diesmal eine Dame zum Opfer erkoren worden ist, mag gerade nicht schön sein, trägt aber doch vielleicht dazu bei, daß auch etlichen unserer Gegner die Augen aufgehen. eingegangene Drucksdmften. Von der„Reuen Zeit-(Stuttgart , Paul Singer) ist soeben da» 33. Hest des 23. Jahrganges erschienen. Aus dem Inhalt des Heste» heben wir hervor: Eine verfehlte Rettung. — Der Kölner Gewerkschaftskongreß. Von Adolf Braun. — Die belgische Arbeiterpartei und die GewerkschastS- beweguna. Von Emil Vandervelde. — Generalstteik und Maiseier auf dem Gewerkschaftskongreß in Köln . Von Emil Kloth.— Eine Fusion aus ge- werkschastlichem Gebiet. Von Hermann Müller.— DaS französische Zunst- Wesen am Vorabend der großen Revolution. Eine wirtschastSgeschlchiliche Studie. Von Ludwig Ouessel.— Notizen: Eine wichtige Ausgabe der GewerkschastSpresse. Von Hugo Hillig. Der Simplontunnel w seiner Wirkung aus die Gartenbauprodukte des Südens. Von g—r. Die„Neue Zeit" erscheint wöchentlich emmal und ist durch alle Buch» Handlungen, Postanstalten und Kolporteure zum Preise von 3,25 M. pro Quartal zu beziehen: jedoch kann dieselbe bei der Post nur pro Quartal abonniert werden. Das einzelne Hest kostet 25 Ps. Probenummern stehen jederzeit zur Verfügung. Von der„Gleichheit", Zeitschrift für die Interessen der Arbelterinne» (Stuttgart , Verlag von Paul Singer) ist uns soeben die Nr. 19 des 15. Jahrganges zugegangen. Aus dem Inhalt dieser Nummer heben wir hervor: Der sünste Kongreß der deutschen Gewerkschasten in Köln. — Zur Frage der gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiterinnen. I. Von Luise Zieh. II. Von Marie Greisenberg.� III. Von Helene Grünberg. IV. Von Marie Wackwitz. V. Von W. Köhler.— Das genossenschaftlich» Arbeitsverhältnis. Von Simon Katzenstein. — AuS der Bewegung: Von der Agitatton.— Vom Schlachffeld des Klasscnkampses.— Politische Rund- schau. Von Q. Q.— Notizentcil: Gewerkschastlichc Arbeiterinnen- organisatton.— Soziale».— Frauen in öffentlichen Aemtern.— Feuilleton: Ein Traum im Wachen. Eine Phantasie. Aus dem russischen„Sozialdemokrat" Nr. 5 übersetzt von T. H-— Gesprach über Mönche und Soldaten. Von Gotthold Ephraim Lessing.— Vor Gericht. Von Wolsgang Goethe. (Gedicht.) Für unsere Kinder: Die neuen Boten. Von Alfted Meißner. (Gedicht.)— Die Lerche. Von Elisabeth Harttnann-Harder.— Da» Kind am Brunnen. Von Friedrich Hebbel. (Gedicht.)— Garibaldi. Von Mallvida v. Meysenbug. — Als alle Knospen sprangen. Von Ernst AlmS- loh.— Schweizerlied. Von Wolsgang Goethe.(Gedicht.) Der Springer. Von H. Ch. Andersen. Die„Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal Prei» der Nummer 10 Ps., durch die Post bezogen bettagt der Wonnementzprei» vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Ps-, unter Kreuzband 85 Ps.. Jahresabonnement 2.30 M. Der„Wahre Jakob" hat soeben dl« 10. Nummer sewe» 22. Jahrganges erscheinen lassen. Au» dem Inhalt derselben erwähnen wir die beiden farbigen Bilder„Bülow, der Allerweltsmusikant" und„Die Kohlenbarone in der Unterwelt" sowie die Jllustrattonen„Briesmarken-Polittker", .Unheimlich I".„Schiller-Ehrung".„Der Rattensänger von Worms",„Die Rache des HauSknechtS" und.Au» der Zeit". Der textliche Teil enthält die Gedichte.Da» alte Lied",„Nach der Schillerseier".„Die verkannte Novelle",„Dassewe in Graut",.Der neue Typ",„Jedem das Seine- „Christliche Liebe".„Der marokkanische Tops" und außer zahlreichen kleineren Beittägen noch die größeren Feuilletons.Uffsehn ",.Da» ABC de» Schick- sal»" sowie launige Bettachtungen von JotthUs Rauke in Berlin und Clan» Swartmul in Hamburg . Der Preis der 12 Seiten starken Nummer ist 10 Pf. Line Mutter sagt es froh der anderen. daß wir für die gute körperliche Entivickelung der Säuglinge in Zknorrs Hafermehl ein kostbares natürliches Präparat besitzen, das keinem der Kinder vorenthalten werden darf! Es steht fest, daß man mit Knorrs-Hafermehl durch Zusatz von Kithmilch ein der Muttermilch an Nährwert nahezu gleichkommendes Getränk erhält, welches den Säuglingen bestens bekommt und bei dem sie vorzüglich gedeihen. 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