Dr. 128. 22. Jahrgang. 1. Anlagt des.Famärls" Kerlim Vallisblalt. Sonnabend, 3. Inn ! MS. k)errenkaus. vom 2. Juni, tl'/z Uhr. Bülow, Möller, Freiherr die allgemeine Beratung die Regelung der Berg- 42. Sitzung Am Mnistertische: Graf oon Rheinbaben. Auf der Tagesordnung steht zunächst der Berggesetz-Novelle betreffend arbciterverhaltniffe. Mini st erpräsident Graf Bülo«: Ich muß eS auch vor diesem hohen Hause meinem Nachbar, dem Herrn Handelsminister überlasien, die Ihnen unterbreiteten Vorlagen im Bergbau im einzelnen klarzulegen und zu vertreten. Ich möchte aber nicht unter- lassen, bei der Einbringung der in wirtschaftlicher und sozialer wie in politischer Beziehung gleich wichtigen Berg- arbeiterschutz- Vorlage in aller Kürze einige leitende Ge- sichtspunkte hervorzuheben. In ihrer gegenwärtigen Form ist diese Novelle das Ergebins langwieriger, ernster und gemein- samer Arbeit der Staatsregierung und des Abgeordnetenhauses. Sie enthält dasjenige, was nach der Ueberzeugung beider Teile die Novelle bringen muß, wenn der mit verfolgte Zweck erreicht werden soll. Die Gründe, von denen sich die Staatöregierung bei ihrem Vorgehen wie bei der Einigung mit dem Abgeordnetenhause hat leiten laffen, habe ich am vergangenen Freitag bei der dritten Lesung der Novelle im Abgeoronetenhause näher dargelegt. Ich bitte aber um die Erlaubnis, der Beratung dieses hohen Hauses einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken zu dürfen. Man hat der Staatsregierung vorgeworfen, daß sie während des Streiks gesetzliche Matznahmen zum Schutze der Bergarbeiter in Aussicht gestellt hat. Ich erwidere darauf, daß die Staatsregierung nichts versprochen hat, und daß fie Ihnen nichts vorschlägt, was nicht schon in der Hauptsache seit 16 Jahren als berechtigte Forderung anerkannt worden ist. Die Staatsregierung hat den Bergleuten nicht die Erfüllung während des Streikes entstandener und gerecht- fertigter Forderungen in Aussicht gestellt, sondern nur angekündigt, daß eine gesetzUche Regelung der Verhältnisse erfolgen solle, deren Aenderung schon seit längerer Zeit als nützlich und not- wendig erachtet worden war. Die Ihnen setzt vor« geschlagenen Neuerungen halten sich in den Grenzen unserer bisherigen sozialpolitischen Gesetzgebung. Von unnötigen Ein- griffen in die Rechte der Arbeitgeber und das Arbeitsverhältnis, insbesondere von irgend welchen Bestimmungen über die Lohnftage ist abgesehen worden. Was die Bestimmungen über die Arbeitszeit angeht, so ist von der Einführung eines MaximalarbeitstageS in dem Gesetzentwurf keine Rede; die Höchstdauer der Arbeitszeit soll nur insoweit festgesetzt werden, als dieses nötig ist, damit nicht durch exzeptionelle Bestimmungen, durch übertriebene Ausdehnung der Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter ernstlich gefährdet wird. AehnlicheS hat auf Grund der Reichsgewerbeordnung der Bundesrat schon für andere Gewerbe bestimmt. DaS gleiche war von der preußischen Staatsregierung schon vor 12 Jahren auch für die Berg« leute in Aussicht gestellt worden. Die Arbeiterausschüsse sollen zur Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern dienen. Sie bestehen m fiskalischen Gruben und auch in verschiedenen Privat« betrieben, ohne die Folgen hervorzurufen, welche von manchen Seiten befürchtet werden. Im großen und ganzen läßt sich sagen, daß die Novelle nichts enthält, was nicht in den staatlichen Gruben schon eingeführt worden wäre und sich nicht bewährt hätte. Ich möchte ferner daran erinnern, daß die königliche Staats» regierung durch ihre Behandlung des Streiks einen Ausstand von einer Ausdehnung, wie sie Preußen und die Welt kaum je gesehen hat, in ruhigen und gesetzlichen Bahnen hielt, und zum Abschluß brachte, bevor derselbe unserem ganzen wirtschaftlichen Leben, Arbeit- nehmern und Arbeitgebern, unheilbare Wunden geschlagen hat. Man hat die» zwar bestreiten wollen und behauptet, daß dieser Streik gar kein wirtschaftlicher Kampf, sondern lediglich ein politischer Streik gewesen wäre, deshalb hätte die Staatsregierung keine Zusage machen dürfen. Wenn die Voraussetzung zutreffend wäre, so würde ich auch die Ocmolusio akzeptieren. Nach meiner Ueberzeugung trifft aber die Voraussetzung nicht zu. Ich brauche nicht zu sagen, daß ich niemals darüber emen Zweifel gelassen hatte, daß ich den Streik an und ftir sich als einen ungerechtfertigten, leichtsinnigen, der Be- griindung entbehrenden ansehe und stets angesehen habe. DaS ändert aber nichts an den Tatsachen, über die man nicht hinweg« kommt, auch wenn man den Kontraktbruch so scharf verurteilt, wie ich ihn in meiner Antwort an die Bergleute und in meinen öffent- lichen Erklärungen im Reichstage und Abgeordnetenhause ver- urteilt habe. Mein Nachbar, der Handelsminister, hat diesen Streik einen Sympathiestreik genannt. Man könnte wohl auch von einem Streik des Mißtrauens sprechen. Der Funke, der au» der Bruchstraße auf- stieg, wurde durch den Wind des Mißtrauens weitergetragen und zündete überall im Ruhrrevier. Zun, Gefühl der Unsicherheit, die sich dabei stärker zeigte als die ruhige lkberlegung, trat eine Reihe von anderen Umständen, die kurz vorher erfolgte Stillegung ver- schieden« Zechen und die in der Hiberma-Angelegenheit enifaltete Macht des Syndikats. Das Gegengewicht lag in der Hoffnung namentlich der christlichen mchtsozialdenwkratischen Arbeiter auf eine gerechte Prüfung ihrer Lage durch den Staat. Ich bekenne freiwillig, daß ich eine schwere Versäumnis darin erblicken würde, wenn die StaatSreaierung. zumal bei der mit der Dauer de« Streiks fortschreitenden allgemeinen, nicht allein auf die innere Lage Preußens und de» Reiches beschränkten Kalamität, passiv geblieben wäre und nicht» getan hätte, um das Vertrauen in eine ruhige Entwicklung zu stärken. Durch unser Eingreifen haben wir der ruhigen Entwicklung gedient, nicht gegen die Arbeitgeber Partei ergriffen. Ich habe wiederholt dabei erklärt, daß die Vor« bedinaung für jede staatliche Aktion die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung und die Wiederaufnahme der Arbeit sei. Oder sollten wir die Beschwerden der Arbeiter schon deshalb» limwo ablehnen, weil sie auch von sozialdemokratischen Arbeitern unterstützt werden? DaS wäre nach meiner Ansicht in Wahrheit eine Politik ab irato. Dann würden wir am Ende dahin kommen, die ganze Versicherung der Arbeiter gegen Krankheit, Unfall, Alter als Kapitulation vor der Sozialdemokratie zu bezeichnen. Mit solchen Schlagworten lassen sich soziale Forderungen und Matznahmen nicht abtun. Ich für meinen Teil bleibe der Ueberzeugung und bin durchdrungen von der Wahrheit der Grundsätze, die der grohe Kaiser und sein große Kanzler aufgestellt haben für Sozial- resormen. Wenn uns m Zukunft Krisen bevorstehen sollten, so ist zu ihrer siegreichen Ueberwindung zweierlei erforderlich: Autorität der Monarchie, Autorität der StaatSgeivalt und ein gutes Gewissen gegenüber den Arbeitern. Ich halte e« für meine Pfliclit, das gerade vor einem Haus von konservativer Grund- färbe zu betonen in der Hoffnung und Zuversicht, gerade hier Ver- ständnis und loyale, kluge Mitarbeit bei de* Aufrechterhaltung der in dieser Frage engagierten StaatsauwritSt zu finden. Dieses hohe tauS hat die bedeutsame Aufgabe, daS zwischen der königlichen taatSregiemna und dem Haufe der Abgeordneten ver- einbarte Werk zu einem guten Ende zu führen. Da- mit wird der preußische Landtag gegenüber sozialdemo- kratischen BndSchtignngen und Hetzereien beweisen, daß « willen« und imstande ist. eine große sozialpolitische Aufgabe zu lösen. Er wird den Beweis dafür erbringen, daß die königliche StaatSregterung recht daran getan hat. die Regelung der betgbau- lichen Verhältnisse der preußischen Gesetzgebung vorzubehalten. Er wird beweisen, wie falsch es ist, zu behaupten, daß ein nicht au« allgemeiner, gleich«, geheimer und direkt« Wahl hervorgegangenes Parlament nicht auch Arbciterintercssen«ud Arbciterforderungen ohne Bonirteil und»nabhängig von Jnwrrffenrücksichten wahrnehmen und behandeln könne. Ein lateinische» Wort heißt: die es ab hoste. Ich glaube, daß es in der Sozialdemokratie keinen einzigen denkenden Kopf gibt, der nicht brennend wünscht, daß diese Vorlage gerade im Herrenhaus scheitern oder versanden möge. Die Sozialdemokratie lauert förmlich auf einen solchen Ausgang. Das können Sie schon aus dem Jndianergeheul sehen, das die sozialdemokratische Presse anhob, als eine Verständigung zwischen der Staatsregierung und dem Hause der Abgeordneten in den Bereich der Möglichkeit, m den Bereich der Wahrscheinlichkeit rückte. Sie möchte den Bergleuten höhnisch sagen, daS habt ihr von euerem Vertrauen auf oie Regierung, von eurem Glauben an die Monarchie. Wir wollen die Bergleute, von denen noch viele, von denen noch die Mehrheit sich zur Monarchie bekennt, nicht in Versuchung führen. Die Annahme der Vorlage wird nach der wohlerwogenen und bestimmten Ansicht der königlichen Staatsregierung der Sozialdemokratie zum Nachteil, einer ruhigen inneren Fortentwickelung im sozialen Frieden und der Monarchie zum Vorteil gereichen. Sie liegt in der gleichen Richtung treuer Fiirsorge für die Hiilfsbedürftigen, die die Begründer Branden- burgs, Preußens und des Reiches stets für eine der vornehmsten Pflichten gehalten haben. Im Interesse des Reiches und der Monarchie bitte ich diese» hohe HauS um Annahme der Vorlage.(Vereinzeltes Bravo.) Frhr. v. Manteuffel: Ich habe namens der konservativen Fraktion zu erklären, daß sie— laut fast einstimmigem Beschluß einer von mehr als 80 Mitgliedern besuchten Sitzung— das Bor - gehe» der Regierung auf diesem Gebiete nicht billigen kann, daß sie vielmehr das Gesetz als ein durchaus gefahrdrohendes und gefahr- bringendes bezeichnen muß. Nach einem Streik, der ohne äußere, ficht- bare Veranlassung schweren nach einem Kontraktbruch in die Erscheinung getreten war, hat die Regierung mit einer Arbeiterdeputation der- handelt, die eine Legitimation nicht hatte, und es ist nachher zu gesetzlichen Mahnahmen gekommen, die naturgemäß im Lande den Anschein, um mich ganz milde auszudrücken, erweckt haben, daß seitens der verbündeten Regierungen Partei für eine der streitenden Parteien genommen wurde. Daß eine derartige Annahme, die im Lande tatsächlich weit verbreitet ist, schwere Schädigungen im Gefolge haben muß, wird kaum jemand bestreiten. Trotzdem war man in der konservaiiven Fraktion einstimmig ent- schloffen, in die KoinmissionSberatungcn einzutreten, weil man sich sagte, eine so wichtige Borlage, wie oie, die unS heute beschäftigen wird, sei allerdings einer eingehenden Prüfung würdig, möge diese auch ausfallen, wie sie wolle. Femer ist ein nicht geringer Teil meiner Freunde der Meinung, daß, wenn man auch in die Verhandlung über diese Novelle ein- träte, man doch nicht in der Lage sein werde, für die eventuell noch ab- zuändernde Borlaae zu stimmen. DaS Unglück ist geschehen durch Einbringung dcS Gesetzes und wir dürfen es nicht verwehren durch seine Annahme. Wesentliche Abäilderungen würden sich überdies wohl schlverlich erzielen lassen, nachdem mit Mühe und Not im Abgeordnetenhaus ein Kompromiß zu Wege gebracht worden ist. Ein anderer Teil meiner Freunde meinte, daß es zu erhoffen sei, daß durch eine eventuelle Abänderung die Vorlage doch noch an- genommen werden könnte: man wollte also den Versuch machen, die gefahrbringenden Borschläge des Abgeordnetenhauses zn eliminieren. Seit Einbnngung der Vorlage konnte ich die Erinnerung an eine Episode nicht los werden, in der mein Vater, um ein Autogramm gebeten, einem Verehrer aufschrieb:„Die meisten Revolutionen werde» von oben gemacht!", was der Marschall Moltke gleich darauf mit einem.Einverstanden Moltke" bestätigte.(Heiterkeit.) Ich hege also die Befürchtung, daß die Regierung einen Schritt unternommen Jat, durch den die revolutionären Bestrebungen in gefahrbringender Zeise gefördert werden und kann das Gefühl der Bangigleit nicht mehr los werden. Ich will auf die Einzelheiten des Gesetzes und auf die große Zahl unserer Bebenken in bezug auf die Beseitigung des Wagen- uullens. auf die ArbeiterauSschüffe, die Beschränkung der Arbeitszeit. die Bestimmungen über das aktive und passive Wahlrecht jetzt nicht eingehen. Die Zahl unserer Bedenken ist recht groß. Trotzdem wollen wir allen Ernstes an die Beratung in der Kommission gehen, und daS kann ich versichern, daß auch kein einziger unter uns je daran gedacht hat, der Regierung einen öottss zu machen, daß man eine derartig wichtige Borlage hier» Umius ablehnen könne. Jdh werde des Grafen Bülow stets mit vollster Dankbarkeit gedenken, daß er bei den' schweren Kämpfen um den Zolltarif und bei den Handelsverträgen Seite an Seite mit nn« gekämpft hat zum Wohle der Landwirtschaft und daß « unter großen Schwierigkeiten, unter unausgesetzten Brrlrnmdungen und zahllosen Beschimpfungen dennoch es fertig bekommen hat, den Zolltarif durchzusetzen und dir Handelsverträge abzuschließen, wodurch die Berhältnisse der Landwirtschaft sich günstiger gestaltet haben. Ein zufriedener Bauernstand ist daS sicherste Bollwerk gegen die Sozialdemokratie. Ich bin dem Grafen Bülow auch ganz besonders dankbar dafür, daß er in der ersten Sitzung des Herrenhauses in diesem Hause am 16. Januar 1904 uns da» Gewissen geschärft hat, unsere Pflichten als Mitglieder de» Herrenhauses stets zu erfüllen. Graf Bülow sagte damals:»Der größte Staatsmann Preußens und Deutschland ». Fürst Bismarck , hat einmal gesagt, das Herrenhaus soll der Träger ein« Politik sein, die nicht mit Leichtigkeit den TageSsttömungen folge, sondern sollte den Regulator und Ballast de» Schiffe» darstellen. Möge diese uodlosss oblige auch in diesem neuen Bau die Signatur Ihrer Beratungen und Beschlüsse bilden."— Ich habe damals dankend über diese Ausführungen quittiert. Sollte nicht jetzt der Moment gekommen sein, wo wir verpflichtet find, al» Regulator und Ballast zu fungieren? Sollten die Worte deS Fürsten Bismarck nicht gerade heute mit be- sonderer Schwere an unS herantreten? Ich hoffe aber trotzdem fest, daß da« Herrenhaus die Vorlage gewissenhaft prüfen und seine Beschlüsse fassen wird zum Wohle und Heile de» Baterlande».(Leb- hafter Beifall.) Oberbürgermeister Lecker-Köln: Ich bin der Meinung, daß der Vorlage nicht die ungewöhnliche Bedeutung zukommt, die ihr der Vorredner beigemessen hat. Ein Angriffspunkt der Vorlage sind die obligatorischen ArbeiterauSschüsse. Die Besorgnis, daß die Arbeiter- auSschüsse ein Stützpunkt der Sozialdemokrat� werden würden wie die Krankenkassenvorstände, liegt ja sehr nahe: aber m dieser Richtung sind doch vom Abgeordnetenhause sehr wichtige Kautelen ge- troffen worden. Es werden in den Arbelterausschüsse» nur reifere Elemente vorhanden sein, während sich beim Streik herausgestellt hat, daß die Führung vielfach in den Händen der unretsen Jugend liegt. Die Frage der öffentlichen oder geheimen Wahl hat keine große Bedeuttmg. Wir haben die geheime Wahl längst zum Reichs- tage.(Zuruf:.Leiderl") ES wird ja viel darüber geklagt; aber erst in neuerer Zeit ist das geheime Wahlrecht doch wieder durch eine Vorlage der Regierung verschärft worden.(Zurufe: Leiderl leider!) Auch bei der Provinzialverwaltung besteht längst die gehciiue Wahl. Den Zeitpunkt der Einbringung der Vorlage halte ich auch nicht für günstig. Nachdem der Streik unter rücksichtslosem Konkraktbruch ausgebrochen war. hätte man nicht ein solche« Gesetz in Aussicht stellen sollen.(Sehr richtig I) Wir haben allen Grund, das RechtS- bewußtsein der Arbeiter zu steigem. Ich will der Regierung keinen Vorwurf machen, sondern, nur das Prinzip klar zum Ausdruck bringen. Ich erkenne an, daß für das Verhalten der Regierung wichtige Gesichtspunkte vorhanden waren. Ich halte e» für die Auf. gäbe o«S Staate», sich zu bemühen, einem so großen Streik ein Ende zu machen. Ein groß« Teil der Presse und auch der Reichstag haben ja durch ihre Parteinahme für die Streikenden die ganze öffentliche Meinung irre geführt. Die amtlichen Untersuchungen haben doch gezeigt, daß die Klagen die Arbeiter rm wesentlichen un- berechtigt waren. Aber das konnte niemand vorher wiffen. Ich möchte jedenfalls für die Zukunft wünschen, daß mit ionkraktbrüchigen Arbeitern erst verhoudelt wird, wenn der Vertrag wieder hergestellt ist. (Sehr richtig!) Wir müssen un» aber jetzt der Vorlage gegeniiverstellen. wie sie ist. Im Abgeordnetenhanse ist da» Gesetz von allen Parteien mitj alleiniger Ausnahme der Konservativen angenommen worden, und ich würde es als einen großen politischen Fehler ansehen, wenn hier nicht ausschließlich die Vorlage in d« Fassung unserer Kam- Mission mit großer Mehrheit angenommen werden würde. Ich hoffe, daß die Vorlage eine große Mehrheit finden wird.(Beifall tinks.) Minister Möll«: Wenn der Zeitpunkt der Einbringung der Vor- läge als ungeeignet bezeichnet wird, so bitte ich zu bedenken, daß der Streik, wenn er länger gedauert hätte, sehr bald viele Berufe geschädigt hätte. Niemals ist ein Streik von dieser Bedeutung und diesem Umfange so rasch und friedlich beigelegt worden. DaS Eingreifen der Regierung mutz also doch nicht ganz unprakttsch ge- Wesen sein. Die Regierungsvorlage enthält nichts, was nicht seit langen Jahren als notwendig anerkannt war. Die Abmachungen, die 1889 zwischen dem Vorsitzenden deS bergbaulichen Vereins und dem Abg. Hammacher bei der Beendigung des Streiks getroffen waren, wurden hinsichtlich deS MaximalarbeitstageS von den Bergwerksbefitzern deS- avouiert, bezüglich der SeilfahrtSdauer aber ausdrücklich anerkannt. Jahre hindurch haben die Arbeiter sich dann eine allmähliche Ber- längcrung der Seilfahrt gefallen lassen müssen. Als aber 1903 auf Bruchstratze der Versuch gemacht wurde, die Seilfahrt weiter zu ver« längern, traten die Arbeiter sofort in Streik. Auf zwei anderen S Zechen geschah das gleiche. Es war also bekannt, daß jeder Ber - uch der Verlängerung der Seilfahrt zum Streik führen würde. Was nun die Vorlage selbst betrifft, so richten sich die Borwürfe vornehmlich gegen die ursprüngliche Borlage. Dies« hat ab« im Ab« gcordnetcnhause Abänderungen erfahren, die, meine ich, diesem Hause willkommen sein müßten. Die Aufgaben der ArbeiterauSschüsse sind genau umschrieben, im Falle des Zuwiderhandelns gegen diese Be- stimmungen ist ein Recht auf Auflösung und Suspension geschaffen worden. Das passive Wahlrecht ist erheblich eingeschränkt worden. Die Frage des sanitären MaximalarbeitstageS haben wir aus- geschieden, indem wir nur sanitäre Gründe gelten ließen. Die hier vom Abgeordnetenhause getroffene Regelung ist zwar in der Praxis schwieriger durchzuführen, dafür aber individueller, gerecht« I In dem Verwaltungsstreitversahren besonders vor dem neugeschaffenen VcrgauSschuß bietet sie den Bergwerksbefitzern die größten Garantien. Ich glaube also, daß die Vorlage der Regirrung im Abgeordneten- Hause so erhebliche Abschwächungen erfahren hat, daß einem großen Teil der Mitglieder dieses Hauses die Zustimmung möglich sein wird. Dr. v. BurgSdorff: Ich bin als Referent der Kommission für die zweite und dritte Lesung gebunden; um so lieber benutze ich diese erste Lesung, um mich über die Vorlage auszusprechen.— Als der Streik ausbrach, ging ein Schrei der Entrüstung über diese geradezu sibirischen Bergwerke durch daS ganze Volk. Kaum einer, der nicht für die Arbeiter Partei ergriff. Aber allinählich zerteilten sich die Nebel. Es stellte sich heraus, daß die öffentliche Meinung in einer Weise irregeführt worden war. wie wir sie noch gar nicht erlebt haben. Allmählich wurde erkannt, daß e» sich um eine rein sozialdemokratische Machtprobe handle(Sehr gut I) die vorzüglich vorbereitet und lanziert war. Wenn alle Forde- rungen, die nachher gestellt worden sind, schon vorher erfüllt gewesen wären, wäre auch gestreikt worden. Es sollte eben a tont vri» gestreikt werden— die Zrntralleitnng in Berlin hatte es befohlen. Die Arbeiter haben sich schließlich an den Untersuchungen durch die RegierungSlommission nicht mehr beteiligt. Wer sich vor der Oeffentlichkeit so unsterblich blamiert hat, tut auch am besten, wenn er den Mund hält. Aus allen Untersuchungen hat sich nur daS eine ergeben, daß die Zechen- Verwaltung eine tadellose weiße Weste hat. Wenn die Sozial- demokratie die andere Hälfte ihres Programms auch erfüllt sehen will, so weiß sie jetzt genau, wie sie eS machen mutz. Ich bin fest überzeugt, solche Sachen, wie dieser Streik, wieder« holen sich um so schärfer und stärker, je weniger Energie wir zeigen. Mit tveißer Salbe ist da nichts zu machen. Unsere ganze Sozialpolitik bewegt sich auf ungesunden Bahnen. Wir haben langst die königliche Botschaft von 1881 auf Heller und Pfennig erfüllt— mit freudigem Herzen. Aber seitdem sind wir in deutscher Gründlichkeit weit über oaS Ziel hinausgegangen. Wenn wir als Guts- und Gemeindevorsteher oder in den Bezirks- und KreisauSschüsien arbeiten, sehen wir ja. wie jeder Unfall aufs sorg- sältigste ausgebeutet, ausgeschlachtet wird. Heutzutage freut sich der Arbeiter, wenn er bei einem Unfall zeitlebens einen K»ax behält, denn er steht sich bei der Rente viel besser, als wenn er sich mit seiner Hände Arbeit sein Brot verdient. Der Maximalarbeitstag naht unS za jetzt in sanitärem Gewände. Wir müßten den MaximalarbeitStag weiter ausdehnen auf die land- wirtschaftlichen Arbeiter. Denn eS ist keine Freude, in der Erntezeit bei 25 Grad Reaumur von früh um 5 bis abends um 8 zu arbeiten. Und v«geffeii Sie nicht, daß das notwendige Korrelat des MaximalarbeitstageS der Minimallohn ist. Bestrebungen auf Arbeits« lofen-Verstcherung tauchen immer wieder auf. Ich halte sie für direkt unmoralisch, weil sie einen notwendigen Faktor ausschalten, der besteht, seit die Welt besteht: die angeborne mensch« liche Faulheit. Jeder Arbeiter soll ein Abonnement auf die große Staatskrippe bekommen, ob er arbeitet oder nicht. So eliminiert man das Wort ber heiligen Schrift:.Im Schweiße Deines An« gestcht« sollst Dn Dein Brot essen." Aber ich bekenne mich als Ehrist immer noch zu diesem Grundsatze, und ich werde ihn nicht au» der Welt schaffen lassen, weder durch eine trügerische Humanität, noch durch Konuiveiiz gegen die Sozialdemokratie. ü»' Sind denn die Verhältnisse im rheinisch-westfälischen Kohlen- Sebiet überhaupt so. daß der Gesetzgeber einschreiten mutz? !» werde» kolossale Löhne gezahlt, dir LedenShaltung d« Arbeit« ist so enorm hoch, daß die anderen Provinzen entvölkert»verde». Die Leute werden doch schließlich nicht zum Bergbau ausgehoben. Wenn sie in den östlichen Provinzen mit 14 Jahren von ver Schule ent« lassen werden, suchen sie den lohnenden Erwerb im Bergbau. Wir sitzen in den Jahren noch auf der Schulbank unter der AutoritSt der Schul«, de« Direktor» und der ganzen Lehrerschaft. Wir werden be- straft, wenn wir ein Wirtshaus besuchen oder eine Zigarette rauchen. Der junge Arbeiter kennt keine Autorität und will keine über sich haben. Natürlich hat er auch seine Braut, mit der er sich auf den Tanzböden amüsiert. Nachher kann der BuShebungSkommiffar wohl die flache Brust, die bleichen Wangen und die bohlen Augen konstatieren. Aber ob sie von der Arbeit oder dem sonstigen Lebenswandel her» rühren, kann der kommandierende General nicht beurteilen. Wenn man diesen jungen Leuten die Flügel beschnitte, ihnen dt« Freizügig- »eit unterbände, ihnen beibrächte, wa» ihnen fehlt, Achtung vor den Aelteren. Achtung vor der Obrigkeit, wenn man auf dem guten Grunde weiter baute, den Kirche und Schule in ihnen bis zum 14. Lebensjahre gelegt haben, wenn dafür gesorgt würde, daß in den nächsten sieben Jahren nicht da» alle« verwahrloste, so würden wir unendlich viel segensreicher Ivirlen als wenn wir hier Arbeiter» ausschüffe einrichten und große StaatSthermometer anschaffen. Wir werden in der Kommission unter dem vollen Gefühl unserer Verantwortlichkeit beraten. Aber wir werden un« doch über- legen müssen, ob dem Arbeiter, dem so viel Rechte konzediert werden, nicht auch Pflichten obliegen, ob nicht den Arbeitgebern, die mit Pflichten überlastet sind, auch gewisse Rechte zur Seite stehen. ob das Recht der Arbeitswilligen nicht groß« ist, als das Recht der Stteitmden(Lebhafte» Sehr gut! Sehr richtig!), ob nicht oontr» bonos mores ein Koalitionsrecht konstruiert wird.(Biel- fache» Bravo!) Der ruhend« Pol. um den wir un» drehen werden. wird nicht der streikende Bergmann , sondern einzig und allein die ealus publica(das Wohl des Staates) sein. Wir werden darauf hinsehen, us quid dotrimenti oapiat res publica(daß der Staat keinen Schade» erleide) und last aot least(zuletzt und zuvörderst)— die Krone Preußen.(Lebhafter, anhaltend« Beifall. Der Redner wird beim Zurückkehren zu seinem Platze vielfach l e- glückwünscht.)
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