Nr. 141.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
22. Jahrg.
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Mr. 1983.
Petersburger Briefe.
( Von unserem Korrespondenten.)
Petersburg, 16. Juni.
Dienstag, den 20. Juni 1905.
strebt ist. Unter dem Druck der Polizeimacht würde das Gericht den Winawer vielleicht zu einer langen Gefängnishaft verurteilen. In dem Falle wäre der Weg geöffnet zu einer gründlichen Abrechnung mit den Führern der Reformbewegung unter dem Vorwand der Gesezmäßigkeit. Nun aber treten sämtliche Mitglieder des Advokatenbundes herbei und verlangen gleichfalls vor Gericht gestellt zu werden, da Winawer in nichts schuldiger ist wie sie alle. Und was Trepow angesichts einer solchen Erscheinung tun wird, bleibt noch zu erfahren. Das Selbstbewußtsein der Gesellschaft wächst täglich, und wo früher nur die Einzelnen oder fleine Gruppen der Regierung zu trogen wagten, finden jetzt die Kühneren eine Stüße in der offenen Sympathie der ganzen Gesellschaft.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Dr. 1984.
Wunsch, bei Durchführung der Grundsäge der neuen Ordnung mitzuhelfen. Mein Wille, der Wille des Kaisers, eine Nationalversammlung einzuberufen, ist unerschütterlich. Ich wache täglich darüber; mein Wille wird ausgeführt werden. Das tönnen Sie schon heute den Bewohnern des Landes und ber Städte verkünden. Sie werden mich bei diesem neuen Werke unterstützen. Die Nationalversammlung wird wie früher die Einheit Rußlands mit seinem Kaifer herstellen und sie wird das Fundament einer Ordnung bilden, die auf den nationalen russischen Grundsägen beruhen wird.
Die Delegierten haben von dem Empfange einen guten(!) Eindruck gewonnen. Auch der Kaiser war befriedigt.(?) Der ganze Vorgang entbehrt fonach tieferer Bedeutung. Der Bar hat einfach sich zu einer Gefälligkeit der Angst berstanden.
Neue Mezeleien.
In Russisch- Polen haust die Horde des Zaren wieder entsetzlich. Das mißhandelte Volt übt Selbsthülfe. In Warschau wurde ein Oberschußmann erschossen.
Bu blutigen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Kosaken
Am Sonntag marschterten nach dem B. T."- 2000 BerKirche im Nachbarorte Lagiewniki nach Lodz . An der Stadtgrenze wurde ihnen vom Militär der Weg bersperrt. Die Kavallerie gab aus ihren Karabinern mehrere Salvent ab. 38 Personen find tot Berichte aus dem Gouvernement Mohilet Bestätigen bie Ausbreitung der Bauernunruhen.-
Der Krieg hat das russische Wolf in vielen Beziehungen erschöpft und nicht am mindesten im Bereiche der Gefühle und der Leidenschaften. Hier in Petersburg wenigstens hat man beinahe die Fähigkeit verloren, die Größe des historischen Moments zu empfinden. Selbst die Vernichtung der Flotte hat nur eine borübergehende Erregung hervorgerufen und augenblicklich fümmern sich nur sehr wenige um die Friedensaussichten. Es wäre aber unrichtig, die Ruffen für ein außerordentlich stumpfsinniges Volt zu Trotz allem Pessimismus, trotz aller Müdigkeit wird die Agitation erachten. Wenn man in einem Chaos lebt, wo von Ordnung, Gefeß von allen Seiten unaufhaltfam fortgefeßt. Der„ Bund der Bünde " und zweckmäßiger Tätigkeit feine Spur zu bemerken ist, wo alles hat die Absicht, einen Boykott verschiedener Regierungsinstitutionen vom Zufall abhängt, von den zufälligen Stimmungen eines in Gang zu seßen. Der Bauernbund, der neulich in den Zentralwillenlofen, aber hartnädigen Monarchen, wo die flar aus- provinzen gebildet worden ist, will die administrativen Organe auf gesprochenen Forderungen der öffentlichen Meinung wirkungs- dem Lande durch Kantonal- Verwaltungsbehörden und Gerichte erlos zu sein scheinen, to nur Unsinn herrscht und selbst drohende setzen, welche die Bauern selbst errichten. In jeder Stadt gibt es Aufstände keinen ernüchternden Einfluß auszuüben scheinen, fast täglich einen neuen Streit. Ueberall berlangen Leute ihre dann werden die Gefühle müde, man hört beinahe auf zu Rechte, selbst diejenigen, die vor zehn Monaten kaum wußten, daß hoffen und ohne Hoffnung bleibt der politische Gebante tot. fie Rechte hatten. Das Gefühl der eigenen menschlichen Würde tam es in Dzorkow. Benn man in Petersburger literarischen Streifen jetzt die Frage greift immer weiter Plazz, und die Nachgibigkeit, die viele gestellt, wo ist der Ausweg? so bekommt man verschiedene, aber immer wöhnt waren als ein besonderes Kennzeichen des russischen sonen, darunter auch Juden, mit Fahnen und unter Gesang von der unbestimmte Antworten. Vielleicht dauert der Kampf noch Jahre". Charakters zu betrachten, ist jetzt, bei günstigeren Umständen, fagen einige, die Regierung wird sich auf unbedeutende Bu- viel weniger bemerkbar. Der moralische Druck des Prestige geständnisse einlaffen und dadurch versuchen ihre finanzielle Lage zu der Regierung ist aufgehoben worden. Man fürchtet sie, aber man fichern. Denn in den Finanzen liegt der Kern der Frage"." Ein achtet sie nicht mehr. In der vorigen Woche nach der Tsushima - und verwundet. Ausweg", meinen andere, ist vielleicht nur in Bomben zu schlacht vereinigten sich die verschiedenen Semstwoparteien und finden", und merkwürdig ist es, wie in den letzten Monaten der nahmen ein Ultimatum an den garen einstimmig an. Es war der Glaube an Bomben sich gestärkt hat, selbst in Streifen, two der legte Versuch, einen friedlichen Ausgang aus der unerträglichen Terrorismus früher ausdrücklich verurteilt wurde. Der unerträgliche Drud Lage zu finden. Niemand erwartete, daß Nikolaus auch nur für ber Gewalt von oben führt am Ende zu Berzweiflung und außer Gewalt einen Augenblick ben Mahnruf beachten würde. Doch hat er gum weiß die Verzweiflung teine Hülfsmittel. Diejenigen, welche sich zum allgemeinen Erstaunen sich bereit erklärt, einige von den SemstwoGlauben an Bomben noch nicht bekannt haben, glauben doch an die delegierten zu empfangen und sich mit ihnen über den Zustand des heilvolle Wirkung des Krieges auf den Lauf der inneren Geschichte Landes zu unterhalten. Zum ersten Male seit seiner Thronbesteigung Rußlands und hoffen, daß das Seer, wenn es zurüdtommt, die wird er die Gelegenheit haben, die Stimme einiger Vertreter des Stimmung und die Mittel für einen allgemeinen Aufstand mit Boltes zu hören. Was daraus werden wird, ist schwer zu sagen, bringen wird. Von der Arbeiterbewegung im Süden und im Westen aber das Ereignis an sich selbst ist symptomatisch. Es ist kaum zu hofft man noch vieles; in Petersburg trägt diese Bewegung jetzt hoffen, daß das Bulyginsche Projekt einer Scheinkonstitution durch einen mehr rein ökonomischen Charakter, obgleich die Arbeiter auf diesen Empfang bereitelt werden wird. Wenigstens aber wird der ihren Versammlungen in den Fabriken Resolutionen gegen die Forts Bar darüber die Wahrheit erfahren. fehung des Krieges und gegen den Versuch, durch Einberufung einer Ständeversammlung dem Bolle Staub in die Augen zu werfen, einstimmig annehmen, und in der letzten Zeit atvei große Arbeiterversammlungen in der Nähe der Stadt unter offenem Himmel statt gefunden haben, bon denen eine auf der Waffili- Insel abgehaltene von Polizei und Militär ganz ungestört vor sich ging.
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Die Revolutionierung der Offiziere.
Von der gewaltigen Gärung, die nunmehr auch die Armee erfaßt, gibt ein bedeutsamer Vorgang Stunde, über den selbst ein offizielles Telegrammt wie folgt berichtet:
Die internationale Spannung ist noch feinesivegs behoben. Allerdings ist in Paris nach den erregten Besorgnissen der legten Tage der vorigen Woche einige Beruhigung eingetreten.
Es ist äußerst schwer zu beurteilen, wietveit die Pariser Kriegsbesorgnis berechtigten Grund hatte. Teils glaubte man, Fürst Bülow beabsichtige, da Rußland schwer geschwächt ist, die Marokkofrage auszunügen, um Frankreich zu demütigen oder sogar das Berfahren Bismards mit der spanischen Thronkandidatur von 1870 nachauäffen. Teils fürchtete man englische Intriguen: England wolle Strieg mit Deutschland , ehe dieses Land seine Seerüstung weiter betrieben habe, und suche deshalb den Zwist zwischen Frant Petersburg, 19. Juni. In Krasnoje- Sjelo versammelten reich und Deutschland zum äußersten zu schüren. Selbst die Ablehnung fich am 15. b. Mts. einige hundert Offiziere zur Beratung der Teilnahme an der Maroffofonferenz durch England wurde in Paris über die Lage, welche die Armee in der letzten Zeit in der äußerst mißtrauisch aufgefaßt. Es schien, als wolle England die vom Gesellschaft einnimmt. Während der Beratung erschien französischen Volt wie von der französischen Regierung gewünschte General Rehbinder, der Gehülfe des Chefkommandanten des Verständigung mit Deutschland über Marokko stören. Petersburger Militärbezirks Großfürsten Wladimir, und Nun wird gemeldet, daß die englische Regierung jene Ablehnung verlangte sofortige Auflösung der Versammlung, die un- in Fez zu einem Zeitpunkt bekundet hat, in dem sie annahm, einem gefehmäßig sei. Hierauf trat eine Gruppe von Offizieren vor Wunsche der französischen Regierung nachzukommen; der Auftrag und erklärte, fie feien alle trene Untertanen ihres Kaisers, an den Gesandten Lowther war noch gerade bor Delcassés Sturz fönnten aber nicht weiter die Rolle von Polizeifoldaten gegeben worden. Jetzt wird aus London erklärt, der Protest Lotothers spielen, die ihnen seit einigen Monaten aufgedrungen sei. Diese Rolle trenne fie vollständig von der Gesellschaft, der gegenüber sie
eine Art Henkerrolle
hätten. Der General Rehbinder verlangte trotzdem, daß die Versammlung auseinanderging, und versprach, in naher Zukunft eine geschmäßige Versammlung einzuberufen.
Doch hat man bis vor wenigen Tage die Lage als eine ber zweifelte betrachtet. Die erste Antwort der Regierung auf die Ent rüstungsrufe, welche nach der Niederlage Roschdjestwenskhs sich überall in der Presse laut machten, war die Anerkennung Trepots als Bolizeiminister mit außerordentlichen Vollmachten. Den Titel Bolizeiminifter trägt er nicht offiziell; er ist nur Gehülfe des Ministers des Innern und Verwalter der Polizei und der Gendarmerie, Doch liegt die polizeiliche Autorität, über welche der Minister des Innern bisher verfügte, jezt gänzlich in den Händen Trepows. Eigentlich hat er nicht mehr Macht als Plehwe hatte, aber Blehwe, als Minister bes Innern, Tonnte sich nicht immer bon bloß polizeilichen Rüdsichten Teiten laffen; jekt muß sich Bulygin um die rein administrativen Fragen fümmern, während Trepot seine ganze Aufmerksamkeit der Unterdrückung der Reformbewegung durch Polizeigewalt zuwenden kann. Außer Trepot selbst und einigen von seinen Freunden befriedigt diese Er nennung fast niemand in den offiziellen Streifen. Bulygin fühlte sich so beleidigt, daß er fofort um seine Entlassung bat, und als vor einigen Tagen Trepot zum erstenmal im Ministerrat erschien, gab Der Empfang der Semstwo- Deputation. feine Gegenwart Anlaß zu einem heftigen Zusammenstoß, infolge- Der historische Augenblick" ist nunmehr Wirklichkeit geworden. deffen Solsth, der Borsigende, und Baron Nolde, der Gekretär des Der Bar hat sich entschloffen, die Abordnung des verbotenen Gemstwo Nats, sowie Manuchin, der Justizminister, den Saal ver- Kongreffes zu empfangen. Der Bar hat fogar eine Rede gehalten, ließen. Erepows Stellung ist noch eine sehr schwankende, aber es ergibt sich, daß die von ihm angekündigte National doch fängt er schon an feine Flügel auszubreiten und hat den versammlung nichts wie ein elender Betrug ist. Die Erklärung, daß ratlos gewordenen Finanzminister um größere Summen gebeten. Die Nationalversammlung auf den nationalen ruffifchen GrundWahrlich ist Trepots Aufgabe nicht leicht. Hier in Petersburg fann fäßen" beruhen werde, beweist, daß es sich auch nicht um den Aner derartig auf die Bensoren eintvirken, daß fie die Lage der beiden fang verfassungsmäßigen Lebens handeln wird. radikalen Zeitungen, welche täglich durch ihre Hände gehen müssen, immer schwerer machen wenn das so weiter geht, werden es die Herausgeber gewiß nicht aushalten können. Aber um die Reform. bewegung zu unterdrücken, find die Blehweschen Mittel nicht mehr hinreichend. Die Führer in die Provinz zu verbannen heißt jest bie Agitation unter den Bauern fördern. Die Arbeiter, die aus Petersburg auf das Land verschickt worden sind, haben in den Dörfern den Boden für einen Aufstand ebenso tüchtig vorbereitet wie die Soldaten die vom Krieg zurückgekehrt sind und die jetzt in vielen Fällen zu Borkampfern aufständischer Bauern geworden sind. Leicht ist es zu berhaften, aber am Ende werden die Gefängnisse überfüllt und jetzt ist die ganze Gesellschaft so einmiltig im Verlangen nach Reformen, daß es immer schwieriger wird, gewisse Leute als im politischen Sinne besonders verdächtige auszuzeichnen. Neulich sind einige Mitglieder eines der Petersburger sozialdemokratischen Komitees verhaftet worden und Terroristen sind für die Polizei immer eine willkommene Beute. Aber gegen die politische Bewegung, die sich in den Berufsbünden ausdrüdt und Mitglieder aller Parteien in fich schließt, hat die Polizei noch nicht ein zutreffendes Mittel gefunden. Sie versucht eben eines. Gegen den Rechtsanwalt Winawer ist die Anklage erhoben worden, daß er, als Mitglied des Advokatenbundes, den Umsturz der bestehenden Regierung herbeizuführen be
Die offizielle ruffische Telegraphenagentur berichtet über den Empfang:
Petersburg , 19. Juni. Heute mittag empfing der Kaiser im Mexandriapalaste in Peterhof die Abordnung des Semstwo tongresses in Moskau sowie die Bürgermeister und Vertreter von Petersburg . Die Abgeordneten des Moskauer Kongresses: Petrunke witsch, Roditschew, Fürst Tschakowsky, Fürst Dolgorukow , Fürst Lwow, Kowalewsky, Nowofilzew, Lwow , Fürst Trubeztoy, Golowin, stehen unter Führung des Grafen Heyden. Die Abgeordneten Peters burgs find Baron Korff, Nititin und Fedorow.
Fürst Trubezkoy richtete an den Kaifer eine längere Ane sprache, in der er die schwierige Lage Rußlands darlegte, welche die Semstwos gezwungen habe, sich an den Kaiser direkt zu
wenden.
Die Ausführungen des Fürsten Trubezkoy, die eine halbe Stunde bauerten, machten einen tiefen Eindruck(?) auf den Kaiser.
Sodann sprach Fedorow als Vertreter Petersburgs. Der Kaiser erwiderte in längerer Nede. Er gab seinem Be dauern Ausdruck über die ungeheueren Opfer, die der Krieg forderte, besonders über die letzte Niederlage zur See. Der Kaiser schloß mit den Worten: Ich danke Ihnen, meine Herren, für die Gefühle, die Sie zum Ausdruck brachten. Ich glaube an Ihren
fei überhaupt nur dagegen gerichtet gewesen, daß der Sultan zu einer internationalen Sonferenz ohne vorheriges Befragen Englands aufgefordert habe; auch sei die britische Regierung zur Teilnahme an der Konferenz bereit, sobald Frankreich es wünsche, denn sie wolle durchaus alle Pflichten erfüllen, die ihr aus dem Abkommen vom April 1904 erwachsen.
Frankreich selbst hat sich über die Konferenzfrage noch nicht schlüssig gemacht. Es wird aus Paris vom 19. d. M. gemeldet, daß Rouvier in seiner legten Konferenz mit dem deutschen Botschafter Fürsten Rabolin die Mitteilung machte, daß er zwar die Einberufung einer internationalen Maroffofonferenz prinzipiell nicht ablehne, andererseits aber Vorberhandlungen mit Berlin über das Programm der Konferenz wünsche, wodurch die Arbeiten der Konferenz eine bedeutende Erleichterung erfahren würden. Eine andere Bariser Meldung behandelt eine Unterredung, welche die Delegierten der demokratischen Linten mit Nouvier hatten. Aus ihren Mitteilungen gehe hervor, daß in der Maroffofrage der Vorschlag einer Konferenz noch nicht entgültig angenommen ist, es scheine jedoch sicher, daß, wenn diese Konferenz zusammentritt, dies nur den 8wed haben wird, die bereits vorher zwischen Frankreich und Deutschland abgeschlossenen Uebereinkommen zu ratifizieren. Es scheine ebenfalls sicher, daß die französische Regierung der deutschen alle Garantien geben wird, welche Deutschland zur Wahrung seiner Interessen in Marokko zu fordern berechtigt ist. Andererseits aber könne Frankreich - so wurde erklärt- feine freundschaftliche Haltung gegenüber England nicht ändern.
Da alle internationalen Beziehungen durch den oftastatischen Krieg, durch die Niederlagen Rußlands und den machtvollen Aufstieg Japans , ins Schwanken geraten sind und da diese Ereignisse auf die europäischen Staaten und ihr Bündnissystem notwendigerweise gewaltige Rückwirtungen üben werden, so gilt es ganz gewiß, daß jezt mehr noch denn je die Nationen selbst die Augen offen halten und bie Werte der Diplomatie sorgsam berfolgen. Die Diplomatie spielt auf dem internationalen Schachbrett und läßt die Völker gleich toten Figuren gegen einander marschieren. Die Diplomatie treibt ihr Spiel in aller Heimlichkeit; die Völker wissen nicht, was fie thut, sie werden blind hin- und hergestoßen und ahnen nicht, wie dicht sie am Abgrund des Verderbens stehen.