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untersuchen zu lassen. Jeder gesund befundene Reisende erfmlt einen Gesundheitsschein, welcher den Lokalbehörden des betreffe». den Bestimmungsortes vorgewiesen werden muß. Jeder an einer gastrischen Störung Leidende wird zurückgehalten und in dem hierfür eingerichteten Bahnhofslazareth unter- gebracht. Personen, an denen verdächtige Symptome festgestellt werden, können behufs ihrer Beobachtung zurückgehalten werden. Das Gepäck der Reisenden ebensowohl wie Postpackete werde» geöffnet und einer sorgfältigen Besichtigung unterworfen. Gebrauchte Wäsche und alle sonstigen Gegenstände, welche infizirt sein können, werden erst dann ausgehändigt, wenn sie durch Dampf desinfizirt worden sind. London , 1. September, einer Lloyddepesche zufolge werden in den marokkanischen Häfen alle aus Hamburg , SIltona und Havre eintreffenden Schiffe einer 14tägigen Quarantäne unterworfen. Diese Maßregel soll, falls es nöthig erscheint, später auf alle aus anderen Häsen ankommenden Schiff« aus- gedehnt werden, die in Spanien und Gibraltar einer Quarantäne unterstellt werden. Lökmlos. I» unsererreinlichsten Stadt der Welt" hat man urplötzlich eine ganze Menge sanitäre Mißstände entdeckt, an welche bis jetzt kein Mensch auch nur gedacht hat. Wenn die Behörden auf alle die Anregungen eingehen wollen, die sie aus dem Publikum erhalten. dann haben sie auf lange Zeit hinaus alle Hände voll zu thnn. Und das hat mit ihrem Wüthen die Cholera gethan.'Aber selbst bei der Cholera geht es ohne das landesübliche«Geschäft" nicht ab: die Preise der Desinfeklions- mittel klettern empor wie das Thermometer in der Mittagssonne. Chlor und Karbol sind heute sogefragt", daß sich kein Mensch ein Gewissen daraus macht, für die vielbegehrten Artikel so viel Geld zu verlangen, als er nur immer dafür bezahlt erhält. Die Hauptsorgc der Bewohner wendet sich in Anbetracht der Art der Seuche den Klosets zu. es kann nun nicht in Abrede gestellt werde», daß nach dieser Richtung hin Berlin den anderen Großstädten durchausüber" ist. Wie es in dem ver« feuchten Hamburg aussieht, haben unsere Leser aus den Schilderungen, die wir in den letzten Tagen gebracht haben, zur Genüge gesehen. Aber man komme nur erst mal nach Leipzig , Dresden , man sei verdammt dazu, diese Verhältnisse in Prag und Wien kennen lernen zu müssen, und man werde in ein Hotel zweiten Ranges in einer italienischen Stadt verschlagen, da erscheint Berlin wirklich als eine Hoch- bürg der Reinlichkeit. Und trotzdem bleibt auch bei uns noch sehr viel zu wünschen übrig und es ist dringend nolhwendig, sich nicht damit zu trösten, daß es in anderen Städten noch viel schlimmer aussieht als bei uns. Auf einen Uebelstand sei noch hingewiesen, der bisher über- sehen worden zu sein scheint. Wir meinen die Klosets auf den Neubauten. Dieselben befinden sich während der Dauer des Baues in einem schauderhasten Zustande. Die Anlegung dieser Anlagen ist so einfach wie möglich: In irgend einer ecke werden einige Löcher gebuddelt und in diese Tonnen hineingestellt. Als Brett dient ern sogenannter Netzriegel, der quer durch geht und damit ist die ganze Einrichtung fertiggestellt. Es dauert oft 45 Wochen, ehe die Tonnen auch nur einmal geleert werden. Von einer Desinfektion ist während dieser ganzen Zeit absolut keine Rede. Während der gewaltigen Hitze der letzten Wochen war es geradezu gefährlich, eins dieser Klosets zu benutzen. Bei de» Arbeitern stellte sich, wenn sie nur diesen erstickenden Dunst einathmcn mußten, Uebelkeit und Erbrechen ganz von selbst«in. Staats- und städtische Bauten machen von dieser Regel keine Ausnahmen, um diese Sache kümmert sich weder der Bauherr noch der Bau- meister. Der Polier kümmert sich auch nicht darum, er kann ja weggehen, wann und wohin er will. Es ist dieses Thema schon wiederholt in Versanrmlungen der Bauhandwerker erörtert worden, es gab nur eine Stimme der Mißbilligung, aber eine Remedur ist bis heute noch nicht geschaffen worden. Und doch wäre eine solche ganz leicht durchzuführen: bei Beginn eines Neubaues braucht nur sofort ein Anschluß mit der Kanalisation hergestellt zu werden, das ist mit großen Kosten durchaus nicht verlnllpft. Vielleicht bringt es die Cholerafurcht fertig, daß die Sanitätspolizei ihr Augen- und Nasenwerk nunniehr auch den Klosets aus den Neubauten zuwendet. Feuerbestattung und Cholera. Bekanntlich hat Professor Dr. Koch, als er vor mehreren Jahren in Toulon und Mar- seille die Cholera beobachtete, die Verbrennung der Wäsche und der Kleidungsstücke von an der Cholera Verstorbenen für zweck- mäßig erklärt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Leichen und die Kleidungsstücke von Personen, die an infektiösen Krank- heilen gelitten haben, die Weiterverbreitung der Infektion in hohem Grade begünstigen. Die Zerstörung durch die Flamme ist das sicherste, absolut sichere Tesinfektionsversahren, und es bedarf daher wohl nicht erst der Erwähnung, daß es allein richtig wäre, nicht nur die Kleidungsstücke, sondern auch die Leichen zu verbrennen. Einen Schritt weiter geht Herr Medizinalrath Dr. F r i e d r. Küchenmeister zu Dresden , dem man eine Broschüre Ueber die Verhütung und erste Behandlung der Cholera" ver- dankt. Der Verfasser sagt in derAllgenieinen Medizinischen Zentral- Zeitung":«Trc Hauptaufgabe der Medizinalpolizei jedoch müßte immer die sein, die Anslcckungsträger zu vernichten. Obwohl wir diese Träger nicht mit apodiktischer Sicherheit kennen, so liegt doch die größte Wahrscheinlichkeit vor, daß die Cholerabazillen dieselben darstellen. Wir müssen, bei jetzigem Standpunkte der Wissenschaft, also diese zu vernichten suchen. Und was giebt es da Einfacheres, als die Choleraleichen alle zu verbrennen?" Unserer bescheidenen Meinung nach giebt es allerdings etwas Einfacheres, nämlich die Aufstellung fester und transportabler Leichenverbrennungs-Oefen und die Feuerbestattung der Leichen aller an einer Epidemie gestorbenen Individuen, wie es bereits von der brasilianischen Regierung angeordnet ist. Am entschiedensten aber tritt in Nr. 60 derDeutschen Medizinalzeitung", Herr Dr, med. A. Blasch ko-Berlin für die Verbrennung ein und beendet seinen ausgezeichneten Aussatz über die Leichenverbrennung mit folgender beherzigenswerlhen Mah- nung:Sowie der erste Cholerafall auf deutschem Boden vor- fällt, ist es Pflicht der Behörden, die Erbauung Siemeus'scher Oesen nicht nur zu gestatten, sondern sogar zu befördern. Ge- setzlicht Hindernisse stehen zur Zeit dem nicht im Wege und es steht zu hoffen, daß, nachdem neuerdings auch Robert Koch sich für die Verbrennung der werthlose» Infektionsträger ausgesprochen hat, auch von Seiten der Ministerien dieser für die Zeiten der Epidemie geradezu segensreicken und erforderlichen Institution keine Schwierigketten in den Weg gelegt werden." Herr Dr. med. Philipp Herzberg schließt einen trefflichen Artikel für die Feuerbestattung, welcher in den Nummern 12, 13 und 14 der Zeitschrift Dr. Paul Börner's Deutsches Wochenblatt für Gesundheitspflege und Nettungs- wesen" enthalten ist, mit einer Fürsprache für die Kremation und sagt:Wir wollen es nicht wünschen und nicht hoffen, daß erst ein fühlbarer öffentlicher Mißstand den Regierungen unter dem Drucke der öffentlichen Meinung Veranlassung geben möge, der Neuerung Eingang zu verschaffen." Anläßlichfdcs Umstandes, daß die Cholera auö Asien auch zu uns vorgedrungen ist, em- pfiehlt es sich, die Regierungen darauf hinzuweisen, daß die Feuerbestattung das beste Mittel zur Beschränkung und Aus- rottung dieser schrecklichen Seuche ist. Wir haben diese«Stimmen der Zeit ", so schreibt die Flamme", nichts hinzuzufügen, als den Wunsch, daß das deutsche Reichsgesundheitsamt sich der Hilfe der Leichenverbren- uung zur rechten Zeit versichern möge! Der Egoismus der Besitzende« feiert in Zeiten all- gemeiner Roth seine ausschweifendsten Orgien. Wenn Krieg oder Epidemien, wenn gewaltige Naturereignisse oder Mißwachs und Theuerung ein Volk heinisucht, dann geräth die Kapitalistenklaffe vom Großgrundbesitzer, Schlotbaron und Börsenfürsten bis hinab zum kleinsten Hausbesitzer, Krämer und Sechsdreierrentier in fieberhafte Thätigkeit, um entweder im Trüben zu fischen und ihr Profitchen dabei herauszuschlagen oder sich wenigstens vor Schaden, und sei es auch auf Kosten Anderer, zu bewahren. Die Cholera bestätigt diese Erscheinung aufs Neue. In Hamburg hat die Seuche eine allgemeine Flucht der Reichen veranlaßt, und die Badeorte in Schleswig-Holstein sind von ihnen förmlich überflulhet worden. Daß ihnen ein guter Empfang bereitet wurde, dafür haben weilblickende Spekulanten gesorgt, welche, in Voraussicht dieser Panik, alle leerstehenden Wohnungen in jenen Orten vorweg gemiethet haben und nun mit hohem Preis- anfschlag wieder verniiethen. Die Flüchtlinge kümmert es nicht, daß sie auf diese Weise die Seuche erst nach allen Himmels- richtunaen hin verbreiten. Die Sicherung des lieben Ich geht ihnen über alles. Tie thatsächlich an mehreren Orten bereits auf diese Weise erfolgte Einschleppung auch in Berlin ist ja die Cholera von Hamburg aus eingeschleppt worden hat jedoch den Badeverwaltungen einen gewaltigen Schreck eingejagt und, um nicht selbst wieder durch den Ausbruch der Cholera und eine allgemeine Flucht der Badegäste geschäftlich geschädigt zu werden, beginnen sie, den aus Hamburg Zugereisten die Aufnahme zu verweigern. Aehnliches hat sich in Petersburg abgespielt. Als sich das Gerücht verbreitete, daß in der Nähe von Gerbereien, Ledcrlagern u. f. w. die Seuche nicht um sich greife, wurden die in oder an solchen Etablissements belegenen Wohnungen, die man sonst ob des ihnen herrschenden Gestankes stets den Armen über- lassen hatte, plötzlich von den Reichen zu Preisen gemiethet, die die Besitzer bald genug bis ins Fabelhaste hinaufzuschrauben wußten. Diesen widerlichen Blllthen am Baume unserer Herr- lichen Gesellschaftsordnung stellen wir den von einem bürgerlichen Blatte berichteten Fall gegenüber, daß in Berlin in der Auguststraße eine infolge der Hitze zu Boden gestürzte Frau von allen Passanten gemieden, aber endlich von zwei des WegeS kommenden Arbeitern aufgehoben und nach dem Kranken- hause getragen wurde. Für einen Besitzlosen gehört allerdings eine gewisse Beherztheit dazu, vor der Cholera standzuhalten; denn er ist ihr am meisten ausgesetzt und, wenn er angesteckt wird, werden Frau und Kinder dem Elende überliefert. Es ist kein Wunder, daß in Haniburg sich nicht genug Personen sinken, die den Transport der Kranken und Verstorbenen übernehmen wollen. Der Aufruf anedeldenkende Männer" wird leider ebenso wenig helfen, als die Entschädigung von S Mark pro Tag. Nnscre Gesellschaflsordnung, deren Haltlosigkeit gerade in diesen Tagen auch dein Blödesten klar werden nmß, hat fiel» mehr Thalen selbstsüchtigen Eigennutzes als solche selbstloser Auf- opferungsfrendigkcit gezeitigt. Wer in ihr nicht zu Gruude gehen will, der muß denken wie ihre Stützen und Träger, d. h. zuerst an sich und dann an andere. DaS Berliner Begräbnißwesen, oder richtiger sollte es heißenBegräbiiißunwescn", zieht in unseren seuchenschwangeren Tagen die Aufmerksamkeit wieder in besonderem Maße auf sich. So pompös die Leichenzüge der Wohlhabenden sind, so entsetzlich elend und pietätlos erfolgt die Beerdigung der Armen. Wer an einer derjenigen Straßen wohnt, die nach den Kirchhöfen führen, kann dies bejammernswerthe Schauspiel täglich beobachte» und namentlich in den heißen Tagen, wenn der Tod unter den Säug- lingen seine Ernte hält. Etwa um die sechste Stunde Abends fährt der Armen-Leichenwagen nach dem Kirchhof. Aus dem für eine Person berechneten Kulschersttz haben außer dem Kutscher noch zwei anders Personen Platz genommen, die beim Abladen der Leichen behilflich sind. Sie sitzen in der furchtbaren Enge und bei der herrschenden Hitze nicht sehr gemülhlich beisammen und der Kutscher treibt, um die Fahrt bald beenden, die Pferde zu schnellerer Gangart. Bei dem Armen-Leichenwagen fällt diese schnellere Leichenbesörderung schon gar nicht mehr auf. Plötzlich rennt ein Man» hinter dem Wagen her; der Mann trägt«inen kleinen Sarg auf der Schulter und ruft den Leichenkutscher, sobald er in dessen Nähe kommt, an. Zwischen Beiden entwickelt sich eine kurze Unterhaltung, die damit endet, daß der Mann den kleinen Sarg dem Kutscher hinausreicht, einige Zigarren folgen läßt und zu Fuß dem Wagen folgt. Der kleine Sarg wird oben aus dem Wagen von den Begleitern des Kutschers festgehalten. In welcher Verfassung die kleine Leiche wohl in die Erde kommen ,nag? Draußen auf der Chaussee schiebt ein etwa zwölfjähriges Mädchen einen mit einem Tuch verdeckten Kinderwagen vor sich her. Das Tuch ist durch die Erschütterung des Fahrens zur Seite geglitten und läßt einen in dem Kinderwagen stehenden kleinen Sarg erkennen. DaS den Wagen vor sich herschiebende Mädchen beißt bei dieser Beschäftigung wiederholt von einer Back- waäre ab, die es nach jedem genommenen Bissen wieder unter die Decke im Wagen versteckt. Auf Befragen erzählt das Mädchen, daß die Leute, denen ein kleines Kind gestorben sei, sich de» Wagen bei Bekannten geliehen und das Mädchen unter dem Versprechen, ihm ein Stück Kuchen zu kaufen, bewogen hätte», den Sarg mit der kleinen Leiche nach dem Kirchhofe zu fahren. Das Mädchen bezeichnet auch einen in einiger Eni- fernung dem Wagen folgenden Mann und seine Begleiterin, eine abgehärmte, junge Frau, als Eltern des verstorbenen Kindes. Diese und ähnliche Begräbnißbilder kann man in der Nähe unserer Kirchhöfe zahlreich beobachten. Von den gesundheits- gefährlichen Wirkungen solcher Begräbnisse mag einmal ganz ab- gesehen werden. Aber sind diese Begräbnisse nicht der vollendetste Hohn ans die von vielen Pfaffen gepredigte Pietät? Dabei muß man berücksichtigen, daß das Begräbniß- wesen Berlins im Großen und Ganzen konfessionell organisirt ist und daß kein Leichnam dem Schooße der Erde aus den Gemeinde-Kirchhöfen übergeben werden kann, wenn nicht vielerlei Förmlichkeiten bei Küster und Pastor erledigt sind. Sollte es für diese frommen Herren nicht ein Leichtes sein, für einen anständigen und unanstößigen Leichentransport zu sorgen in solchen Fällen, wo die Angehörigen der Verstorbenen die Mittel zur Besorgung eines solchen nicht besitze». Wo Millionen und Millionen zu neuen Kirchenbauten flüssig sind, wird man doch nicht sage» können, daß für solche nöthigen Zwecke das Geld fehlt. Müssen die frommen Herren denn nicht lürchten, in den Verdacht der widerwärtigsten Heuchelei zu gerathen, wenn sie solche Bestattungsweise ruhig mit ansehen und dann Anstoß nehmen an der bekannten Friedhofs- Inschrift:Schafft hier das Leben gut und schön! Kein Jenseits ist. kein Wiederseh»!" Die asiatische Cholera ist in drei Fällen aus Charlotten- bürg bakteriologisch festgestellt worden. Von den Erkrankten ist die Wittwe Antonie Angerstein, geborene Horlach, 1813 in Güstrow i. M. geboren, gestern Bormittag um 11 Uhr der tückischen Seuche in ihrer Wohnung, Sophie Charlottenstr. 22a,, erlegen. Ihr Sohn Paul, der 1851 in Lüblhen geboren ist, wurde als erster Cholerakranker in das gestern eröffnete Burackenlazareth eingeliefert und liegt schwer darnieder. Um einer Ausbreitung der Kraukheil vorzubeugen, ist die Leiche der Frau Angerstein eine halbe Stunde nach dem Ableben auf dem neuen Luffen- kirchhof beerdigt worden. Das Sterbehaus ist in allen seinen Theilen sofort desinfizirt worden und steht unter polizeilicher Beobachtung. Die dritte Cholerakranke ist die Wittwe Therese v. Knobloch, geborene Freiin v. Paleske 1833 in Spengabsken, Kreis preuß. Stargard , geboren, welche in ihrer Wohnung Kleist- straße 41 verblieben ist. Ihr Ableben ,st ,eden Augendlick zu rt'varten. Das Haus steht unter den strengsten Schutzmitteln. Weitere choleraverdächtige Fälle waren bis heute Morgen»n Charlottenburg nicht gemeldet. Ans dem Kraukeuhanse Moabit wird mitgetheilt. daß in vergangener Nacht ein Arbeiter August Pettte, em Freund de» an der asiatischen Cholera verstorbenen Krumrey. eingelusert worden ist, anscheinend an der asiatischen Cholera erkrankt. Nach einigen Einspritzungen schien es ihm gestern Mittag etwas besser zu gehen. Neuerdings sind 22 choleraverdächtige Personen in das Krankenhaus gebracht worden, bei denen die Cholera noch nicht konstatirt ist. Heute Vormittag wurden zehn cholera- verdächtige Personen entlassen. Die Milch- und Buttergeschäfte liegen völlig darnieder, denn seit Eintreffen der Hamburger Hiobsposten hat ein ganz kolossaler Preissturz in diesen Lebensmitteln stattgefunden. Aus den Kreisen der EngroS -Milchhändler geht uns die kaum glaub­liche Mittheilung zu, daß das Faß Milch, welches vor acht Tagen noch mit 11,50 M. auf den Bahnhöfen gehandelt wurde, am gestrigen Tage kaum noch mit 4,50 M. loszuschlagen war. Butter wird sehr wenig verlangt und Käse ist geradezu unver- käuflich. Infolge des panikartigen Zurückganges dieser Konsum- artikel hat der bekannte Meiereibesitzer Bolle an seine Kunden Zettel vertheilcn lassen, in welchen zu beweisen gesucht wird, daß die Auffassung der Aerzte von der Schädlichkeit der Milch eine irrthümliche sei und daß sich daher Niemand durch Warnungen einschüchtern lassen solle! Die sogenanntenErntefeste" muffen jetzt dazu dienen, die Berliner nach den Vororten zu ziehen, wo eS ihnen immer bequem gemacht ist, ihr Geld los zu werden. Die Berliner haben begreiflicher Weise eine Vorliebe dafür, des Sonntags mit Kind und Kegel hinauszupilgern, um die Genüsse einer Landpartie auszukosten. In glühender Sonnenhitze wandert man die staubige Chaussee entlang, um endlich halb verdurstet aus dem Platz an- J»kommen, allwo dieFeier" vor sich gehen soll. Natü'lich andelt es sich immer um denselben Zauber, ob das nun Schütze»« oder Erntefest heißt. Auf der Dorfwiese haben sich die ver- schiedenen Sehenswürdigkeiten, Verkaufsbuden, Schießstände, Würfelbuden u. s. w. etablirt, in den Gastwirthschasten giebl's schlechtes Bier zu trinken, und in den Sälen kann sich Jeder beim Tanz ein Schwitzbad leisten, der den üblichen Nickel abladet. Alles steht in Bereitschaft, um den ankommenden Berlinern einen tüchtigen Aderlaß am Geldbeutel beizubringen. In diesem Be- streben sind sie Alle einig. Der echte, Kaninchen verspeisende Neger, die mit einem halben Dutzend Kindern behaftete elektrische Jungfrau aus Rixdors und auch der Herkules, mit seinem nie richtig markirenden Kraftmesser. Daß dasNeueste aus der Zeit" auch nicht fehlt, dafür sorgen die verschiedenen Panoramen, welche ebenso die Mädchenmörder von Magdeburg wie die neuen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten ans der Walze haben. Einen sehr großen Raum auf diesen Festplätzen nehmen die Buden in Anspruch, welche das Hazardspiel kulliviren. z. B. die Würfelbuden. Die Berliner sind zwar in ihrer Mehr- zahlhelle" und fallen nicht mehr auf den Zauber hinein, aber es giebt noch immer eine Menge von denen, die nicht alle werden und ihr gutes Geld da sitzen lassen. Um die Sache noch ver- lockender zu machen, sind regelrechte Anreißer angestellt, welche einen Unentschlossenen schnell umzustimmen wissen. Sobald sich vor der Bude eine Menge Volkes angesammelt hat und die ersten Spieler verloren haben, erscheint der Anreißer auf der Bildfläche. Ter gewinnt natürlich immer, er verzichtet aber auf die gewon- nene goldene Tomback-Uhr und läßt sich lieber hierfür baares Geld auszahlen. Staunend sehen die Umstehenden, wie er drei zwanzig Markstücke ausgezahlt erhält und und mit denselben ver« gnügt schmunzelnd von bannen zieht um sie in der nächsten Viertelstunde dort wieder abzuliefern, von wo er sie be- kommen hat. Sein Beispiel hat aber doch Verschiedene angeregt, es ist so»schön, für fünf Groschen Einsatz 60 M. zu gewinnen. Und warum soll ihnen das Glück nicht ebenfalls lächeln? Sie riskiren also 50 Pfennig, um eben so sicher zu ver- lieren, wie zweimal zwei vier ist. Ihrem Beispiele folgen noch verschiedene Andere der Umstehenden, und so geht das Geschäft recht flott. Sobald das Jnteresfe des Publikums erlischt, muß der Anreißer wieder seine Rolle spielen. Die Gewinne bestehen meist aus der bekannten Tomback-Uhr, baarem Geld oder einem Revolver. Da hat es der, der seinen letzten Nickel verloren hat, wenigstens billig, wenn er sich eine Kugel vor den Kopf schießen will... Nach diesem Zuschnitt sind die Feste, die hent für dasVolk" arrangirt werden, sammt und sonders hergestellt. Für Belehrung ist ans denselben überhaupt nicht, für gute Unter- Haltung nur sehr selten gesorgt. Der Arbeiter thut am besten, er läßt die Vorortsbewohner ihre sogenannten Feste hübsch allein feiern und schließt sich an einen Verein, der unter der Leitung seiner Gesinnungsgenossen steht, an. In diesem werden wirk- liche Arbeiterseste gefeiert, die bilden und unterhalten zugleich. Die Genossen des l. Berliner Wahlkreises haben eine Ge- denkfeier der Wiederkehr des Todestages Lassalles arrangirt. Das Fest soll am 3. September in den Räunien der Bertiner Bockbrauerei stattfinden. Für ein reichhaltiges Konzert- und Gesangsprogramm ist Sorge getragen. Die Genossen wollen sich zahlreich an diesem Ehrenfeste bethelligen. Achtnna, Rixdors! Parteigenossen! Wie Euch bekannt sein dürfte, findet alljährlich im hiesigen Ort die Gedächtnißfeier für Ferdinand Lassalle statt, jenes Kämpfers und Bahnbrechers unserer Partei, welcher vermöge seiner tiefen Kenntnisse und edlen Charaktereigenschaften sich unsterblich gemacht hat. Unsere Pflicht und Aufgabe muß es nun sein, den großen Tobten, der uns stets als leuchtendes Vorbild vorgeschwebt hat, dadurch zu ehre», daß wir Alle, welche sich Parteigenossen nennen, vollzählig zu dieser Feier erscheine», um dieselbe zu einer würdevollen zu gestalten. Parteigenossen! Di« Feier ist laut Beschluß des Komitees auf Sonntag, den 4. September 1892, festgesetzt. Alles Nähere durch denVorwärts" und Plakate. Der Vertrauensmann: R. Koppen. Polizeibericht. Am 30. v. M. Morgens verstarb plötzlich in dem Hause Pallasstr. 10 ein Uhrmacher aus Rummelsburg . Er hat sich anscheinend mittelst Zyankali vergiftet. Im Land- «ehrkanal, unweit der Schlesischen Brücke, wurde die Leiche des am 23. v. M. ertrunkenen Arbeiters Goecks angeschwemmt. In einem Lagerkeller der Troguenhandlung von Branmüller, Zimmerstr. 35, entzündete sich Vormittags ein Ballon Benzol und setzte andere feuergefährliche Stoffe in Brand. Dabei erlitt der in dem Räume beschäftigte Lehrling Lelms im Gesicht und an den Händen schwere Brandwunden. An deinselben Tage wurde eine Frau in ihrer Wohnung in der Prenzlauer Allee er- hängt vorgefunden. Abends versuchte eine Frau in ihrer Wvh- nung in der Weydcngerstraße sich mittelst Salzsaure zu vergiften. Am 31. v. M. Abends erkrankte der Arbeiter August Pettke, der mit dem gestern erwähnten Krumrey am Nordhafen l zusammen gearbeitet hat, schwer an der asiatischen Cholera und wurde nach dem Krankenhause Moabit gebracht. In der Nacht zum l.d M fiel der unverehelichten Rufe in der Plätterei von Bierbach, Maneritr. 53, eine brennende Pelroleumlampe ans der Hand und setzte die Kleider des Mädchens in Brand. Das Mädchen erlitt schwere Verletzungen am ganzen Körper und mußte nach der Charitee gebracht werden. Ter am 30. v. M. an der asiatischen Cholera erkrankte und in das Krankenhaus Moabit überführte Arbeiter Krumrey ist in der darausfolgenden Nacht gestorben. Am 31. v. M. fanden drei Brände statt. Geviilzks�3eikunij. Ein unangenehmer Auftritt mit einem Gerichtsvollzieher lag einer Anklage wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. bezw. Gefangenenbesrriung zu Grunde, welche gestern vor der Berufungs -Strafkammer des Landgerichts L gegen den Kaufmann Marlin und den Restaurateur P i e p e n b u r a zur Verhand­lung gelangte. Der Gerichtsvollzieher Biller hatte den An»