Nr. 180. 22. Jahrgang. 1. frilngt des„üoraiitls" ßtrlintt lolMlott Freitag, 4. August 1S0S. Hus der parte!. Aus dem Parteitags-Komitce in Jena ersucht man uns um die Leröffentlichung dieser Notiz: Das Parteitags-Komitee hat in einer der letzten Versammlungen deS Wahlvereins berichtet über die Borarbeilen, die der Parteitag nun einmal als Begleiterscheinung hat. Dabei haben auch einige Abende zur Unterhaltung oder Abwechselung sür die Delegierten Be- rücksichtigung gefunden. Nach den, nun unser Berichterstatter in der.Tribüne' die Ver< Handlungen der betreffenden Wahlvereins- Versammlung veröffent licht hat, kommen einige Parteiblätter und erklären, die Jenaer Ge- nossen bieten des Guten zu viel. Dem ist nicht so I Was soll denn eigentlich geboten werden?! Sonntag, den 17. September, wenn der Parteitag seine geschäft- lichen Angelegenheiten erledigt hat, die gewöhnlich i'/a— 2 Stunden in Anspruch nehmen, soll von 9 Uhr ab ein Empfangskommers statt- finden. Am Montag vollständig frei. Die Delegierten sollen sich an dem Abend von den Strapazen erholen. Am Dienstag Volts- Versammlung. Ihm soll Mittwoch nachmittag ein Ausflug nach der Leuchtenburg(natürlich bei gutem Wetter) unternommen werden, vorausgesetzt, das; der Parteitag dementsprechend beschließt. Auch dieser Ausflug würde keine Strapaze, sondern eine Erholung für die Delegierten sein. Aber außerdem würde dieser halbe Tag. der den Verhandlungen entzogen werden soll, doch nicht die Geschäfte des Partei tages stören— im Gegenteil fördern. Am Donnerstagabend ist ein Jnstrumentalkonzert geplant, ein Kunstgenuß, der wahrlich unseren lieben Gästen wiederum keine Anstrengung verursacht. Ob aus dem humoristischen Abend, der am Freitag stattfinden soll, etwas wird, steht noch dahin. Aber sollte letzteres der Fall sein, dann nur keine unnötige Sorge, wir glauben, sie ist nicht recht ain Platze. Das ParteitagS-Komitee hat sich mit dem Parteivorstand schon längst in Verbindung gesetzt und beide Teile sind der Ansicht, daß die Ver- gnügen, und hauptsächlich die kostspieligen, unterbleiben sollen und das geschieht in Jena bestimmt. Zum Orgimisationsstatut. In der.Bremer Bürgerzeitung' werden eine Anzahl Abänderungsvorschläge zum Entwürfe des Organisationsstatnts be- handelt, die von der Krciskonferenz in Erftirt beschlossen Ivorden sind. An Stelle der ZK 7 bis 14 des Entwurfes sollen unter Weg- fall der§§ 11 und 12 folgende zugleich umgestellte Vorschriften treten: Gliederung. § 7. Die Grundlage der Organisation bildet für jeden Reichstags Wahlkreis der sozialdemokratische Verein, dem jeder im Wahlkreise wohnende Parteigenosse, sofern ihn nicht zwingende Gründe daran hindern, als Mitglied anzugehören hat. Erstreckt sich der Wahl- kreis über eine Mehrzahl von Ortschaften, so können in allen Orten, in denen Parteigenossen vorhanden sind und die sonstigen Ver- hälwisse es zulassen, Ortsvereine des sozialdemokratischen Vereins gebildet werden. § 8. Die sozialdemokratischen Vereine schließen sich zu Bezirks- verbänden sowie zu Landesorganisationen zusammen, denen die selbständige Führung der Parteigeschäfte nach eigenen Statuten ob- liegt; diese dem Parteivorstand mitzuteilenden Statuten dürfen mit dem Organisationsstatut der Gesanitpartei nicht im Widerspruch stehen. Die Vorstände haben ihre erfolgte Wahl dem Parteivorstand mitzuteilen. Z 10. Die Festsetzung der Mitgliederbeiträge ist den Bezirks- verbänden überlassen. Die Wahlkreise haben mindestens 2ö Proz. ihrer aus den Beiträgen und Eintrittsgeldern sich ergebenden Ein- nahmen an die Zentralkasse abzuführen. Der Parteivorstand ist berechtigt, einzelnen Wahlkreisen im Bedarfsfalle einen über 75 Proz. dieser Einnahmen hinausgehenden Betrag zur Eigenverwendung zu überlassen. 8 13. Die Borstände der Wahlkreisorganisafionen haben all- jährlich bis zum IS. Juli dem Parteivorstande Bericht zu erstatten. Der Bericht muß enthalten Angaben über: Art und Umfang der entfalteten Agitation, die Zahl der im Wahlkreise organisierten Parteigenoffen, die Höhe des von den Mitgliedern erhobenen Partei- beitrages, die Summen der gesamten Einnahmen, die Art der Ver- Wendung der dem Wahlkreise verbliebenen Gelder. Den gleichen alljährlichen Bericht in bezug auf ihre Tätigkeit und die Verwendung der ihnen vom Parteivorstande überwiesenen Gelder haben die Vorstände der BczirkLverbände und Landes- organisafionen zu erstatten. § 14. Die planmäßige Agitafion unter dem weiblichen Prole- tariat wird durch weibliche Vertrauensperson betrieben, die möglichst an allen Orten im Einvernehmen mit den Partei-Jnstanzen gewählt Iverden. 8 9. Wo aus gesetzlichen Gründen die in den§§ 7 und 8 gegebenen Vorschriften nicht ausführbar sind, haben sich die Partei- genossen in anderer, dem Landesrecht entsprechender Weise zu organisieren. In solchen LandeSteilen und Wahlkreisen haben die Parteigenoffen alljährlich im Anschluß an den Parteitag eine oder mehrere Ver- trauenspersonen zu wählen, deren Adressen sofort dem Parteivorstande mitzuteilen sind. Die Art der Wahl bleibt den Parteigenoffen über- lassen. Für diese VerttauenSpersonen gelten die Bestimmungen deS (jetzigen)§ 13 in sinngemäßer Anwendung. Die Vertrauenspersonen sind berechfigt, fteiwillige Beittäge ent- gegenzunehmen und durch besondere Marken zu quitfieren. Dann soll die Reichstagsftattion durch Delegierte vertteten sein. deren Zahl ein Viertel der Fraktion nicht übersteigen soll. Schließ- lich sollen die§§ 22 bis 25 in dieser Form und Reihenfolge gefaßt iverden: Parteivorstand. 8 25. Der Parteivorstand besorgt die Parteigeschäfte; inS- besondere hat er durch geeignete Maßnahmen die prinzipielle Auf- klärung und Schulung der Parteigenossen zu fördern, sowie die prinzipielle Haltung der Partei-Organe zu kontrollieren. Der Parteivorstand entscheidet über Differenzen, die sich bei der Aufstellung von ReichstagSkandidaturen zwischen den Genossen eines Wahlkreises und den Bezirks- oder den Vorständen der Landes- organisafionen ergeben. 8 22. Die Zahl der Mitglieder des Parteivorstandes bestimmt der Parteitag. Die Wahl der Vorstandsmitglieder erfolgt auf dem Parteitag mittels Stimmzettels in einem Wahlgange und nach absoluter Mehrheit. Hat ein Kandidat die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen nicht erhalten, so findet Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten statt, auf welche die meisten Stimmen ge- fallen sind. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Die beiden Vorsitzenden sowie den ersten Sekretär und den Kassierer ernennt der Parteitag. Die weitere Verteilung seiner Ge» schäfte nimmt der Parteivorstand selbst vor. 8 23. Der Parteivorstand verfügt nach eigenem Ermessen über die vorhandenen Gelder. Der Parteivorstand oder die Kontrollkommission können durch keinerlei Rechtsgeschäfte die einzelnen Parteigenossen oder die Partei verbindlich machen. Auch erwirbt kein Parteigenosse oder ein anderer durch Verträge mit dem Parteivorstande oder der Kontrollkommission ein klagbares Recht gegen diese oder ihre Mitglieder. Kein Parteigenosse hat ohne ausdrücklichen Beschluß des Partei- tageS ein klagbares Recht, die Geschäftsbücher oder Papiere des Parteivorstandes, der Kontrollkommission oder der Partei einzusehen oder sich aus ihnen Abschriften oder Auszüge anzufertigen oder eine Auskunft oder Uebcrsicht über den Stand des Parteivermögens zu verlangen. Hierdurch wird das Recht der Delegierten, während der Tagung des Parteitages Einsicht in die Bücher zu nehmen, nicht berührt. 8 24. Die Mitglieder des Parteivorstandes können für ihre Tätigkeit eine Besoldung beziehen. Die Höhe derselben wird durch den Parteitag festgesetzt. 8 26. Scheidet ein Mitglied deS Parteivorstandes aus, so ist die Vakanz durch eine von der Kontrollkommission vorzunehmende Neuwahl zu ergänzen._ Der Krcispartcitag für Naumbnrg-Zeitz befürwortete die An- stellung eines Parteisekretärs für den Bezirk Merseburg . Ferner wurde beschlossen: „Der Kreistag verpflichtet die Parteigenosse», mit aller Kraft bei den Stadtverordneten- und Gcmeindevertreterwahlen einzutreten, Als Kandidaten sind nur aufzustellen und zu unterstützen, die politisch organisiert sind." Dem Entwürfe zum Organisationsstatut stimmte die Bersamm« lung zu. Die beantragte Verhandlung über die Maifeier und den politischen Massenstreik wurde abgelehnt. Mit der Bitte um Veröffentlichung, der wir hiermit nachkommen, erhalten wir folgende Zuschrift: Magdeburg , den 1./8. 1905. Werte Genossen! Sie brachten in der Sonntagsmimmer vom 2./4. 05 im„Vor- wärts" die Nachricht, daß ich ans der Partei infolge der Affäre Bader— Albert ausgeschlossen wäre. Dies ist nicht zutreffend.— Ich habe bisher von einer Berichtigung Abstand genommen, da ich an- nahm, daß die örtlichen Partei-Organisationen den Ausschluß aus dem Sozialdemokratischen Verein zurücknehmen würden. Da dies aber nicht der Fall ist, bitte ich zu berichfigen, daß ich nur auS dem Sozialdeinokrauschen Verein ausgeschlossen bin, jedoch als Sozial- demokrat Mitglied der Partei geblieben bin. Ich habe auch schon meine Parteibeittäge nach Berlin gesandt. Mit Parteigruß Erich Wendland t. Wir halten einen solchen Zwitterzustand nicht für angemeffen, allein das gegenwärtige mangelhafte Parteistatut gestattet ihn. Wir hoffen, daß durch das neue Statut Klarheit in diesem Punkte ge- schaffen wird, so wie es der vorliegende Entwurf vorsieht. Hus Industrie und Handel. Pariser Zuckerkrach. AuS Paris brachte dieser Tage der Telegraph die Kunde, daß der nationalistische Abgeordnete für Clamecy , zugleich Gründer und Hauptbesitzer des Pariser Warenhauses„Le Printemps", Eigen- tümer der beiden Blätter„Presse" und„Patria" und Börsen-Groß- spekulant, Jules Jaluzot , an der Pariser Warenbörse ungefähr 15 Millionen Frank bei Zuckerspekulationen verloren habe und sich, da er diese Summe nicht zur Verfügung hatte, für zahlungsunfähig erklärt habe. Ucber die Art und den Umfang seiner Spekulationen lauteten zunächst die Nachrichten so widersprechend, daß aus den Telegrammen kein genauer Einblick zu gewinnen war; die neuesten Pariser Blätter, namentlich eine instruktive Schilderung des Falles durch unseren französischen Genoffen Rouanet ,n der„Humanite", bringen jedoch jetzt über die Jaluzotschen Machenschaften Auf- klärung. Jaluzot spekuliert seit vielen Jahren mit Vorliebe auf dem Zuckermarkt und hat mehrfach auf diesem bedeutende Erfolge erzielt. Einen großen Coup führte er zu Anfang des Jahres 1900 aus. Er brachte damals den größten Teil der französischen Zuckervorräte in seinen Besitz und wußte darauf die Preise derartig zu treiben, daß er an 13 Millionen Frank„verdient", richtiger erschwindelt haben soll. Die Sache erregte solches Aufsehen, daß damals das Kabinett Waldeck-Rousseau es für angezeigt fand, seine Machenschaften unter die Lupe zu nehmen. Es ließ seinen Briefwechsel mit den Firmen, die seine Aufträge ausführten, mit Beschlag belegen. Daraus ergab sich, daß er 469 000 Sack Zucker bei Riviere, 304 000 bei Lacaussade und 160 000 bei Leprout et Boudreau hatte. Rouanet legte damals die Machenschaften Jaluzots in der Kammer klar und erreichte es, daß die parlamentarische Immunität für diesen aufgehoben und er den Gerichten ausgeliefert wurde, die ihn aber freisprachen. Als im Herbst vorigen Jahres nicht nur in Paris , sondern auch an den deutschen und englischen Zuckcrmärkten eine starke Hausse- bcwcgung einsetzte, gehörte Jaluzot zu den ersten, die sich an dem Haussetreiben beteiligten. In dem Berichte über die Zuckerrüben- ernte wurde diese zu niedrig eingeschätzt und daraufhin ein Ausfall für Frankreich von 200 000 Tonnen berechnet. Andererseits aber übertrieben die Haussespekulanten in ihren Veröffentlichungen in stärkstem Maße den wahrscheinlichen Verbrauch, indem sie die Zahlen des Verbrauche? von 1903/04 als Grundlage annahmen. Sie rechneten nicht damit, oder wollten vielmehr nicht damit rechnen, daß im Jahre 1903/04 die Zunahme des Verbrauches eine künstlich er- höhte war, weil durch Zollgeschäfte die Zahlung der Abgaben auf den im Juni, Juli und August verbrauchten Zucker auf die drei folgenden Monate gestundet worden war. Die Verbrauchsstatistik, die auf Grund der im September, Oktober und November 1903, also auf daS Rechnungsjahr 1903/04 erhobenen Abgaben aufgestellt war, umfaßte in Wirklichkeit die drei vorhergehenden Monate mit. Dank dieser Mache stiegen die Zuckerpreise inS Unerschwingliche. Die Zucker- fabriken schloffen sich der Spekulation an, die gewaltige Kurssprünge und ein lockeres Börsenspiel hervorriefen. Alle Gesellschaftsschichten beteiligten sich daran. Pon 26 Fr. stieg der Kurs auf 46 Fr. Die Rübenzuckerproduktion stellte sich jedoch alsbald als größer heraus. Die Rohrzuckererzeugung der Kolonien ergab ebenfalls ein größeres Quantum. Ferner ging der Konsum zurück, besonders der Zuckerverbrauch der Konserven- und Wein-Jndustrie. Die Preise konnten sich nicht halten. Mehrere Haussiers flogen auf. Jaluzot hielt sich bis zuletzt; dann kam auch er an die Reihe, und mit sich hat er die beiden Firmen Parville und Leprout et Boudreau m den Abgrund gezogen. Jetzt will der Abgeordnete, Zeitungs- und Warenhausbesitzer Jaluzot sich mit seinen Gläubigern vergleichen. AuS dem Waren- hause„Printemps " bezieht er jährliche Einkünfte in Höhe von 1% Millionen Frank, außerdem wirft sein Grund- und Zeitungs- besitz ihm jährlich etwa eine halbe Million ab. Einen Teil dieser Summen will er seinen Gläubigern verpfänden, bis die Schuld ab- getragen ist. Ob diese sich darauf einlassen, ist noch nicht bekannt. Die ganze Affäre ist für unsere moderne„Wirtschaftsordnung" höchst charakteristisch; sie zeigt, wie Millionen verdient werden durch künstliche Verteuerung eines unentbehrlichen Nahrungsmittels und zugleich, welche enge Verbindung zwischen der Börsenspekulation und der„wohlanständigen" kapitalistischen Presse besteht. Jaluzot dienten seine beiden Blätter nicht nur für seine„vaterländische" Politik, sondern zugleich zur Stimmungsmache für seine Hausse- spekulationen. _ Die Aachener Lederfabrik, Aktiengesellschaft, die ehemalige de Hesselle-Gescllschaft, ist seit dem Krach im Juli vorigen Jahres. der die großartigen Schwindeleien ihres Direktors de Hesselle ans Licht brachte, noch immer nicht wieder zu einer ruhigen Geschäfts- führung gelangt. Jetzt liegen sich Auffichtsrat und Direktion in den Haaren. Von verschiedenen Seiten werden Zirkulare in die Welt geschickt, in denen bald dem Direktor Dr. Jörissen schwere Vorwürfe gemacht werden, bald dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats Leopold Fischer . Aus den verschiedenen Aufrufen an die Aktionäre geht her- vor, daß in der Verwaltung der Gesellschaft tiefgehende Differenzen bestehen. Nach einem Zirkular, das, wie das„Verl . Tagebl." meldet, der Vorsitzende des Aufjichtsrats Leopold Fischer versendet, sind er und andere Mitglieder des Aufsichtsrats sich darüber einig. daß Dr. Jörissen zur Leitung des Unternehmens völlig ungeeignet sei, daß er den fachmännischen Beratern und dem Auffichtsrat Schwierigkeiten und Widerstand entgegensetze. Andererseits wird aber behauptet, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats bei Einkäufen für die Gesellschaft eine Provision sich ausbedungen habe, eine Be- hauptung, die Fischer in seiner Entgegnung nicht vollständig zu ent» Iräften vermag. Er muß vielmehr zugeben, daß er nach einem zwischen ihm und dem Vorstande verabredeten Abkommen als„Aus- käufer" fungieren sollte, und zwar gegen eine Vergütung. Er sei allerdings von dem geplanten Abkommen zurückgetreten. Zur Lage des Baumwollmarktes in den Vereinigten Staaten von Amerika veröffentlichen die im Reichsamt des Innern zusammengestellten„Nachrichten für Handel und Industrie" einen interessanten Bericht des deutschen Generalkonsulats zu New Jork über die Gestaltung des amerikanischen Baumwollmarttes, der um so mehr Beachtung verdient, als von dieser Seite die ameri» kanische Marktlage mehrfach weit richtiger beurteilt worden ist. als von der zu einem erheblichen Teil unter dem Einfluß bestimmter Jnteressenkliquen stehenden amerikanischen Handelspresse. Der Bericht ist datiert vom 10. Juli und knüpft an die letzte Schätzung des amerikanischen Ackerbau-Amtes und die darauf aufS neue zum Durchbruch gelangte Hausse an der New Forker Baum» Wollbörse an und führt dann aus: Auf Grund der bis jetzt vorliegenden Nachrichten Schlüsse auf den Umfang der diesjährigen Ernte zu ziehen, ist jedenfalls gefähr» lich. Solche Nachrichten werden häufig nur zu Spekulationsgwccken veröffentlicht. Selbst die Schätzungen über die letzte Ernte schwanken noch gegenwärtig zwischen 13 und 14 Millionen Ballen. Diese Tat- fache beweist, wie verfehlt es sein würde, auf einen bestimmten Er- trag der Ernte 1905/06 zu spekulieren. Nach Ansicht des Präsidenten der Baumwollbörse sollen jedenfalls zirka 12 Millionen Ballen der letztjährigcn Ernte tatsächlich an die Konsumenten verkauft worden sein; die Spinner müßten also reichlich mit Baumwolle versehen sein, Bereits wurde darauf hingewiesen, daß für den Sommer höhere Preise zu erwarten seien, da der Süden fest entschlossen sei, den Ueberschuß der Ernte nicht um jeden Preis loszuschlagen. Das Er» wartete ist eingetreten. Die Situation hat sich jetzt aber insofern geändert, als die Spekulation über das vernünftige Ziel hinaus- geschossen ist. Ein Preis von 9 Cents dürfte den tatsächlichen Ver- Hältnissen entsprechen; was darüber ist, kann mit ziemlicher Sicher- heit als Manipulation der Haussepartei angesehen werden. Es sind immernochzirka1bis2MillionenBallenvonder letzten Ernte übrig, die untergebracht werden müssen, und, wenn auch der Konsum erheblich gestiegen ist, so werden die Spinner doch zurückhaltend sein, da sie es nicht nötig haben, die hohen Preise zu bezahlen. Die bei dem„Journal of Commerce" von zirka 1500 Korrespondenten am 30. Juni d. I. eingegangenen Berichte schätzen im Gegensatz zur Regierung die Aus- sichten der Ernte auf 81,2 Proz. Privatbriefe an verschiedene Kommissionshäuser in New Uork schildern die Lage, besonders westlich vom Mississippi als durchaus günsfig. Danach scheint eine Reaktion als unausbleiblich und so denken auch alle ruhigen Baumwollfirmen. Der Banmwollmarkt wird bis auf weiteres ein unruhiges Ge- präge behalten. Das Publikum ist in die Spekulation hineingegangen. obwohl es stets gefährlich ist, nach einer längeren Aufwärtsbewegung in den Markt zu gehen. Es wird sich das alte Spiel wiederholen. Die Preise werden noch weiter steigen, der Hauptbestandteil der enormen Hausse-Engagements wird auf das spekulierende Publikum abgeladen werden und ein es Tages kommt der Krach. Die Haussespekulanten haben in den letzten Tagen ganz bedeutende Geldsummen verdient und auch tatsächlich realisiert; man spricht von 10 Dollar proBallen. Sie sind also mit Kapital gut ausgerüstet und jederzeit bereit, sich auf die Baisseseite zu schlagen. um auch dort ihren Nutzen zu finden.... Soziales. MugdaniSme«. In der„Freisinnigen Zeitung"(„Freie Deutsche Presse") findet sich folgende Nofiz: „Für die Wirtschaft in den sozialdemokrafisch geleiteten Krankenkassen ist bezeichnend eine Meldung auS Brandenburg a. d. Havel , wonach die Generalversammlung der dortigen„Allgemeinen Krankenkasse' die Auflösung beschlossen hat. Die Anforderungen waren schließlich so große, daß der Reservefonds auf 89000 M. heruntergegangen ist. ES mußte deshalb eine Erhöhung der Bei» träge vorgeschlagen werden. Damit wäre jedoch nur vorderhand geholfen. Die ganzen Verhältnisse sind so verfahren, daß nur eine Auflösung angebracht erschien." Die„Freisinnige" hat so viel Erfahrung im Lügen, daß sie eigentlich wissen könnte, daß'zum Lügen auch etwas Ver- stand gehört. Sie lügt aber trotzdem ganz ohne jede Spur von Verstand. Die Allgemeine Krankenkasse in Brandenburg hat nämlich niemals unter sozialdemokratischer Leitung gestanden. Stets war der Vorsitzende ein Unternehmer und zwar meistens ein freisinniger oder liberaler. Von diesen nennen wir aus neuerer Zeit den Schuh - warenfabrikanten Warschauer, den nattonal- liberalen oder schon mehr konservattven Kommerzienrat Lehmann und den Mühlenbesitzer A. Thiede, bei der letzten Reichstagswah! Vorsitzender des„libe- ralen Wahlkomitees". Gegenwärtig führt der Schnetdemühlenbesitzer Raschig den Vorsitz. Und die angestellten Kassenführer walten seit Jahrzehnten ihres Amtes, sie sind alles andere, nur keine Sozialdemokraten. Der Einfluß der Sozialdemokraten auf die Kassen- Verwaltung war leider so gering, daß ihre Schritte zur Hebung der Kassenlage erfolglos blieben. Zu der mißlichen Lage der Kasse hat nicht wenig der Umstand beigetragen, daß freisinnige Unternehmer durch Gründung von Betriebskassen der Kasse das bessere Mitgliedcrmaterial entzogen haben. Wenn wir Parteien für die Lage der Kasse verantwort- lich machen wollten, dann könnten wir höchstens die freisinnige Partei verantwortlich machen. KoufmannSgericht. Braucht ein kaufmännisches Lehrfräulein Botendienste z» ver- richten? Diese Frage wurde durch Urteil deS Gerichts am Donnerstag ausdrücklich verneint. Es handelte sich um die Schadenersatzklage eines LehrfräuleinS gegen einen Goldschmiedemeister aus der Leipzigerstratze wegen ungerechtfertigter Entlassung. DaS Fräulein, das nebenbei bemerkt eine höhere Töchterschul- und Pensionats- bildung genoffen hat, sollte von dem Beklagten laut Engagements» Vertrag zur Verkäuferin und in der Buchführung ausgebildet werden und zwar gegen ein monatliches„Salär" von sage und schreibe zehn Reichsmark. Nun verlangte der Chef von dem Fräulein. daß es des Sonntags, wo nicht verkaust wurde, nach dem Laden gehen solle, um nachzusehen, ob während der Nacht auch vielleicht dort eingebrochen worden sei. Zum Zeichen da- für, daß dieser Auftrag auch befolgt war, sollte das Fräulein eine Zeitung, die der Briefträger am Sonnlagmorgen in den Laden- riefkaften steckte, von der Leipzigerstratze zu dem am Friedrichshain wohnenden Bruder des Chefs tragen. Diese Zumutung lehnte daS Fräulein im Einverständnis mit ihren Eltem unter der Begründung
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