Nr. K2. 22. Jahrgang. 1. Miijt Ks Jomätlf Inlinct AIKsdlM Freitag, 18. August 1903. Die vierte elsaß -iothringische Gelverkschastskouferenz tagte am 13. und 14. August in Mülhausen . Als Vertreter der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands wohnte K u b e- Berlin den Verhandlungen bei. Der Tätigkeitsbericht wird von Bär-Strahburg gegeben. Die Zentralkommission erledigte ihre Geschäfte in 23 Sitzungen. Die letzte Konfereuz hatte be- schlössen, das Steinbruchgebiet zu bearbeiten. Leider köimen Erfolge noch nicht aufgewiesen werden. Es ist also ein anderer Weg zu be- schreiten. Durch das neue Vereins- und Versammlungsgesetz wird eine unhaltbare Situation geschaffen. Die Zentralkommission be- richtete an sämtliche Gewerkschaften, keine Schritte zu unternehmen, was jedoch einzelne Gewerkschaften nicht beachteten. Die Zentral- kommission veranstaltete außerhalb Strasburgs 21, in Straßburg 22 Versammlungen. Das Berichtsjahr ist befriedigend und es steht zu hoffen, daß d«e günstige Entwickelung anhält. Den Bericht der örtlichen AgitationS-Kom> Missionen und Kartelle gibt Heisch- Straßburg: Das Berichtsjahr ist für uns äußerst günstig; neben dem Ausbau der alten Gewerkschaften konnte zur Neugründung verschiedener Gewerk- schaften geschritten werden. In der sich anschließenden Diskussion wurden von verschiedenen Rednern die Schwierigkeiten dargelegt, die sich der Organisations- arbeit entgegenstellen. Ein Hauplmoment bilde die Rückständigkeit der Lothringer Bevölkerung und die Nationalitätsunterschiede. Während der Markircher Delegierte über den Mangel an ftanzösisch sprechenden Agitatoren klagt, besteht in Mülhausen ein solcher an italienischen Referenten, der durch das rigorose Vorgehen der Be- Hörden verursacht wird, da jeder agitierende Italiener ausgewiesen wird. Im letzteren Orte sah man sich durch die gemeine Kampfes- weise der„Christlichen " veranlaßt, durch große öffentliche Versamm- lungen die Arbeiterschaft über die Ziele dieser Gegner zu in- formieren, und der Erfolg sei ein durchschlagender gewesen. Zum Regulativ liegt ein AbänderungSantrag des Orts- Vereins der Buchdrucker Mülhausen vor, den Sitz der Zentralkommission jeweilig durch die Konserenz zu bestimmen; der Antrag wurde nach längerer Diskussion angenommen. Eine längere Debatte wird durch den Antrag Metz hervor- gerufen, für die Gewerkschaften Lothringens ein Arbeitersekretariat zu errichten. Gegen den Antrag sprechen namentlich K u b e- Berlin (Delegierter der Generalkommission) und Arbeitersekretär Porten- ! i r ch n e r- Saarbrücken. Schließlich wird ein Antrag B r ö h l an- fjenonimen:.Die vierte elsaß -lothringische Gewerljchaftskonserenz tellt sich nach den Ausführungen der Kollegen Kube und Porten- kirchner in der Angelegenheit des Metzer Agitationsbezirks auf den Standpunkt, daß es bei dem bisherigen Modus verbleibt. Die Gewerkschaftskonferenz ist ferner der Meinung, daß der Bezirk Metz von Saarbrücken aus besser bearbeitet werden kann, als von Straß- bürg; es bedarf hierzu nur der gegenseitigen Verständigung." Neber das neue Vereins- und Bersauimlungsgesetz und daS Koalitionsrecht der Arbeiter in Elsaß -Lothringcn referiert Dr. Georg W e i l l- Straßburg: Für das bisherige VereinSrecht waren außer dem§ 152 G-O. die landesgesetzlichen Bestimmungen, namentlich da nicht unzwei- deutig festgestellt ist, ob der 8 152 nur auf vorübergehende oder auch auf dauernde Arbeitervereinigungen anwendbar ist, maßgebend. Auch die Entscheidung deS Reichsgerichts im bekannten Prozeß der Mülhauser Textilarberter geht einer klaren Beantwortung der Frage aus dem Wege. Jedenfalls war auch die Praxis der VerwaltungS- behörde sehr verschieden. Aber maßgebend blieben doch die Art. 2S1 bis 294 des Oods pönal und das Gesetz vom 19. April 1834.— Bezüglich des Versammlungsrechts galt bei uns das Gesetz von 1863, das ebenso wie die vereinsgesetzlichen Bestimmungen die Genehmigungspflicht vorsieht. Das neue Gesetz schafft für daS Vereins- und für daS Versammlungsrecht diese Genehmigungspflicht ab: DaS ist der große Vorteil, den das neue Gesetz bietet, weit weniger aber für die gewerkschaftliche als für die politische Bewegung, da auch unter dem alten Recht vielfach eine Genehmigung nicht verlangt, in den letzten Jahren aber nie verweigert lvurde. Immerhin ist in bezug auf das VereinSrecht der Vorteil am fühlbarsten. Dagegen sind von jetzt ab die Minderjährigen als auS den GeWerk« schaften ausgeschlossen zu betrachten, während Frauen und Ausländer zugelassen sind. Redner zitiert Aeußerungen der Regierung im Landesausschuß hierzu, die jedernalls vom ordentlichen Richter als matzgebend für die Interpretation betrachtet wurden.— Für das Versammlungsrecht ist bei der bisherigen Praxis der Privatversanun- lungen die Abschaffung der Genehmigungspflicht lange nicht so wichtig wie für die politische Partei. Aber auch hier sind die Minder- jährigen ausgeschlossen, während Frauen und Ausländer zugelassen sind. Außerordentlich bedeutungsvoll ist der Umstand, daß an den Privatversammlungen nichts geändert ist. da das Gesetz nur die öffentlichen Versammlungen behandelt. Redner geht dann noch aus die reaktionärsten Bestimmungen deS Gesetzes, die§8 7, 12 und 16 ein und bemerkt, daß die Arbeiterbewegung den hierdurch geschaffenen Schädigungen wohl auszuweichen verstehen wird. DaS Fazit aus dieser Darstellung lautet dahin: Für die Gewerkschaftsbewegung ist der einzige Vorteil deS neuen Gesetzes mehr rechtlicher als tatsächlicher Natur, da bezüglich des Vereins- rechtes die Praxis nicht durchweg streng war und auf dem Gebiete des Versammlungsrechtes die Privatversammlungen vorzügliche Dienste leisteten. Die Geiverkschaften müssen thr Hauptaugenmerk auf den AuS- schluß der Minderjährigen richten. Herr v. Köller hat einmal er- klärt, er nütze uns gegenüber die.Latitüden" der Gesetze auS. Ein- mal ist keinmal— und folgen wir diesmal dem guten Beispiel deS Herrn v. Köller I(Große Heiterkeit.) Redner erörtert dann in, einzelnen, wie ohne Verstoß gegen das Gesetz die Minder- jährigen zu guten Gewerkschaftlern erzogen werden können. Jeden- falls sei nicht an einen Verzicht auf die Organisafton der Jugend- lichen zu denken I Wenn die Gewerkschaften es verstehe», dieser ungünstigen Bestimmung des Gesetzes zu entgehen, dann wird auch dieses Produkt Köllerschen Geistes sie nicht hindern, ihre wichtige Aufgabe durchzuführen, die nicht nur darin besteht, sofortige praktische Vorteile für die Arbeiterklasse zu erringen, sondern sie auch in ihrem Wissen und Können zu heben, und damit eine wertvolle Kulturarbeit zu leisten.(Lebhafter Beifall.) G s e l l- Mülhausen: In den Zahlstellen erblicke ich nicht selb ständige Vereinigungen, sondern nur Filialen der altdeutschen Ge werlschaften. Daher muß daS am Sitz des Vereins geltende Recht auf dieselben Anwendung finden. Dieselben stehen vollkommen unter der Verwaltung der Zentralvorstände und haben keinerlei eigenes Bestimmungsrecht oder separate Buchführung. Die Be- stimmung befteffend Einreichen« der Mitgliederlisten öffnet den DennnziationSgelüsten der Polizei Tür und Tor. Ein weiterer Redner vertritt die Ansicht, daß die Gewerkschaften nach dem Gutachten Plancks nicht als sozialpolitische Vereine zu betrachten seien und folglich in dieser Hinsicht durch daS neue Gesetz nicht berührt würden. Außerdem bestehe der A 152 der Gewerbeordnung. der den Arbeitern da» Koalitionsrecht gewährleiste, und Reichsgesetz gehe vor Landesgesetz. Dr. Georg Wcill-Straßburg bezweifelt zunächst, daß— nament lich nach den Erklärungen der Regierung im LandeSauSschuß— der ordentliche Richter im Prozeßsalle den Begriff„sozialpolitisch" nicht auf die Gewerkschaften anwendbar erachten würde. Selbstverständlich wäre aber gegen die Durchführung des Standpunktes des zlveitcn Diskussionsredners vor Gericht nichts einzuwenden. Auch nach der Richtung habe er lein übermäßiges Vertrauen in die Rechtsprechung. daß sie entscheiden � werde, die elsaß - loth ringischen Zahlstellen unterlägen nicht unserem Landesrecht, sondern dem Recht desjenigen Bundesstaates, wo der Sitz des Zentralverbandes ist. In diesen Beziehungen habe der Gesetz- geber eine deutliche Scheidung überhaupt nicht gegeben. Wir müssen aber auch den ungünstigsten Fall in Betracht ziehen. Redner geht noch auf die Frage der Privatversamn, lungen ein. Er bemerkt, daß eine Versammlung dann als Privatversammlung anzusehen sei, wenn ein bestimmter Personenkreis sich zusammenfinde. Die schriftliche persönliche Einladung sei lediglich als Nachweis zu betrachten, daß der Kreis der Eingeladenen beschränkt sei, sie sei daher überflüssig. wo es sich um eine Versammlung streikender oder organisierter Arbeiter eines gewissen Berufes handelt. In den Verhandlungen am Montag wurde zum Vereins- und Versammlungsrecht eine Resolution angenommen, in welcher gesagt wird, daß die Zahlstellen der zentralisierten Gewerkschaften in Elsaß-Lothringen keine selbständigen Vereine sind und daß infolge- dessen dieselben nicht unter das elsaß-lothringische Vereinsgesetz fallen. Zur Frage der kommunalen Arbeitsnachweise wurde eine Resolution angenommen, in welcher es den organisierten Arbeitern zur Pflicht gemacht wird, an dem Ausbau der Arbeits- nachweise mitzuwirken._ Erste Gkneralverslimmlung des Uerbaudes freier Gast- und Schankwirte Deatfchlands. Magdeburg . 16. August 1905. 3. Tag. Vormittags-Sitzung. Die Verhandlungen beginnen mit der Berichterstattung der Statutenberatungs-Kommission. Die Vorschläge der Kommission gelangen größtenteils zur Annahme. Der Name des Verbandes bleibt unverändert. Als Zweck der Vereinigung wird ausgesprochen, die materielle und geistige Lage des Gastwirts- gewerbes zu heben und zu fördern. Mitglied kann jeder Gastwirt werden, der sich mit den Grundsätzen der sozial- demokratischen Partei einverstanden erklärt und politisch organisiert ist. Mitglieder dürfen einem anderen Wirteverein nicht beitreten. Die Beitrags- und Unter« stützungssätze bleiben unverändert. Die Frauen verstorbener Mit« glieder können die Mitgliedschaft beibehalten. An Orten, wo der Verband mindestens 10 Mitglieder hat, muß eine Ortsverwaltung errichtet werden. 30 Proz. der Verbandseinnahmen sollen den ört« lichen Kassen verbleiben. Bei etwaiger Auflösung des Verbandes soll sein Vermögen der sozialdemokratischen Partei überwiesen werden. Das Verbandsorgan,„Der freie Gastwirt", soll statt monatlich künftig alle 14 Tage erscheinen. Rechtsschutz wird den Mitgliedern in allen Fällen gewährt, die für den Beruf von all- gemeinem Interesse sind. Das RechtSschutz-Reglement wird nach den Vorschlägen der Kommission angenommen. Die n ä ch st e eneralversammlung soll in Hamburg abgehalten werden. In der Debatte über Agitation erörtert Schul tz-Hamburg Vorkommnisse bei dem Hamburger Bierboykott. Bei passenden Gelegenheiten müßten von der Hauptkasse Mittel zur Agitation be« willigt werden. Schmutz« Weißensee weist darauf hm, daß sich die Wirte auch gegen Maßnahmen der Großbrauereien wenden müßten, die den Stand der kleinen Wirte ebenfalls bedrücken. Geklagt wird darüber, daß in einzelnen Orten mehr Wirte in der Partei- Organisation seien, als im Verband. Eine große Anzahl zur Agitation gestellter Anttäge wird dem Vorstand zur Berücksichttgung überwiesen. Die Einteilung des Verbandes in Gaue wird abgelehnt. dagegen eine solche in Agitationsbezirke angenommen. Zwecks gemeinsamen Bezuges von Kohlensäure und Berbilligung des Preises derselben sollen Schritte unternommen werden. Bei den Beratungen über die Presse wird auf Antrag Litfin beschlossen. daS Amt eines Verbandsvorsitzenden und des Redakteurs in einer Hand zu vereinigen. Gewählt wird zu dem Amt Ewald- Berlin. Der Vorsitzende soll mit 100 M. monatlich entschädigt werden. Gewünscht wird, daß mehr Inserenten gewonnen werden. Alle Bekanntmachungen usw., die den Beruf betteffen, müßten dem Verbandsorgan zugestellt werden. Dem bisherigen Redakteur Litfin werden 250 M. und dem Kassierer Francke 200 M. Ent- schädiguna bewilligt. Der Kassierer soll künftig 1'/, Proz. der Ein- »ahme als Entschädigung haben. Zum Kassierer wird nach zwei Wahlgängen Fischer- Berlin gewählt. Zu VerbandSrevisoren bestimmt die Versammlung: Hoffmann-Berlin , Münzer-Berlin und Bartsch-Charlottenburg. Zum Sitz des Ausschusses wird Hamburg wieder- gewählt. Mit Erledigung einiger weiterer geschäftlicher Angelegenheiten find die Verhandlungen erschöpft. Ewald- Berlin resümiert in seinem Schlußwort kurz die Arbeiten der Generalversammlung. Ihn fteue die deutlich auS- gesprochene Absonderung von den hurrapatriotischen bürgerlichen Wirteverbänden. Der Verband werde fortschreiten. Jeder müsse seine Schuldigkeit tun. damit alle Sozialdemokraten unter den Wirten Mitglieder würden. Als erste müßten die Wirte beitteten, die leitende Stellen in der Partei bekleiden. Ein Hoch auf den Verband schloß um 3 Uhr nachmittags die erste Generalversammlung._ Huö der frauenbewegung. Die sozialdemokratische» Frauen Berlins nahmen am Mittwoch in einer gutbesuchten Volksversammlung in den Arminhallen zum Parteitage Stellimg. DaS Referat hatte Genossin Klara Zetkin übernommen. Einleitend hob sie hervor, daß der diesjährige Parteitag im Zeichen eines gewaltigen Ereignisses der Weltgeschichte, dem der russischen Revolution zusammentrete. Diese habe ohne Zweifel einen anfeuernden Einfluß auf daS Proletariat aller kapitalistischen Länder ausgeübt. Uebcrall sei die revolutionäre Kainpfbegeisterung deS Proletariats belebt worden. ES sei ja auch das moderne Jndustrieproletariat die treibende Kraft und das feste Rückgrat in der derzeitigen revolutionären Beweguiig Rußlands , wenn es auch falsch wäre, zu behaupten, daß es allein im Kampf auf Leben und Tod jetzt dort stände, wo eö sich erst mal darum handelt, eine UebereiilstimiNlmg zwischen den fortentwickelten wirtschaftlichen Verhältnissen und den politischen Verhältnissen herbeizuführen. ES komme dem Proletariat aller Länder zum Bewußtsein, welch revolutionäre Macht in seinem Schöße schlaf«. Die Auffaffung, daß Revolutionen überwunden seien, zum alten Eisen gehörten, jene ge- mütliche Auffassung von der geschichtlichen Entwickelung, daß man mit Hülfe von allerlei Reformen gemächlich hinübergleiten werde in den sozialistische» Zukunftsstaat, sei gründlich niedergeworfen worden. Der Parteitag stehe gegenüber einer revolutionären Stimmung in den Mafien. Allerdings könne man daS nicht allein ableiten von den Vorgängen in Rußland . Sie hätten jedoch dazu beigetragen, scharf in die Erscheinung treten zu lassen, was im letzten Grunde hervorquelle aus der schärfere» Zuspitzung der Klassengegensätze und des Klassenkampfes, aus der geschichtlichen Entwickelung. In dem Maße, wie die revolutionäre Willenskraft sich mehr betätige und die proletarische Bewegung anschivelle, wachse auch der Widerstand der herrschenden Klaffen, sogar gegen die bescheidensten Reformforderungen des Pro- letariatö. Und so komme wieder nachdrücklich diesem zum Bewußt- sein, daß eS nicht vorwärts gehe in einem gemächlichen Techtel- mechtcl mit der bürgerlichen Gesellschaft und etwelchen Reform- freunden, sondern nur im Gegensatz dazu samt den bürgerlichen Reformisten. Im Vordergründe deS Parteitage» ständen Fragen, die Kampf- fähigkeit zu erhöhen, die Opferivilligleit und Einsicht der Parteigänger zu vertiefe«' und d'e Äampffreudiglcit zu flärle««. Die Frage, ob die provisorische Tagesordnung des Parteitages geeignet sei, den Aufgaben eines sozialdemokratischen Parteitages zu entsprechen, müsse sie mit Ja beantworten. Wenn gesagt worden sei, die Tages- ordnung sei zu nüchtern und werde des agitatorischen Einflusses aus die Massen entbehren, so müsse sie dazu bemerken, daß nicht die Aufführung von Paradestücken die agitatorische und werbende Kraft des Parteitages nach außen erhöhe, fondern daß er um so agitato« rischer und werbender wirken werde, je mehr Direktiven gegeben würden, die nachhaltig wirken müßten. Und dazu sei eine ernst- hafte Behandlung der bis jetzt dem Parteitag gestellten Aufgaben durchaus geeignet. Rednerin wendet sich deshalb dagegen, noch lveitere Punkte auf die Tagesordnung zu bringen, namentlich geht sie näher auf die Anregung ein, die„Weltpolitik" aus dem Parteitage be- sonders zu behandeln. Wollte man die„Weltpolitik" so erörtern, wie es nötig wäre, dann könnte es nur eine tiefgründige Behandlung vom Standpunkte der gesamten weltwirtschaftlichen Entwickelung aus sein. Das erfordere aber gründliche Vorbereitungen, und setze, solle es nutzbringend sein, eine eingehende Behandlung in der Parteipresse voraus, die ebenfalls alle Zusammenhänge von Weltwirtschaft und Welt- Politik erörtere. Uebrigens biete die Frage des politischen Massenstreiks genügend Raum, die Frage.Weltpolitik und Proletariat" mit zu erörtern. Rednerin geht dann auf die Entstehung deS Organisationsentwurfes ein und stellte fest, daß, was dieser vorsehe, das mindeste fei. was nach Richtung einer straffen Zentralisation geboten werden könne. Was die Vertretung auf den Parteitagen angehe, so sei die Kommission davon ausgegangen, daß es einer Neuregelung deS Delegationssystems bedürfe, daß aber erst die Grundlage des bisherigen geändert werden müsse, somit die Neuregelung erst nach dem Inkrafttreten des neuen Organisationsstatuts eintreten könne. Zweifellos wäre es ja eine Ungerechftgkeit, daß heute der Wahlkreis, der die stärkste Organisation habe und materiell am meisten leiste, nicht mehr Delegierte entsenden könne, wie der kleinste Wahlkreis mit wenig organisierten Genossen. Daß jeder Kreis drei Delegierte senden könne, führe auch zu den ihrem Wesen nach fiktiven Mandaten, die aus Gefälligkeit erlangen könne, wer Geld genug habe, seine Unkosten als Delegierter eines politisch unentwickelten Kreises selbst zu tragen. Daß darin einmal Wandel geschaffen werde, fei wichtig. Indessen müsse aus dem genannten Grunde noch mit der Aenderung des Delegationsmodus gewartet werden. Dieser Umstand habe auch eine ganze Reihe Kommissionsmitglieder davon abgehalten, dafür zu stimmen, daß die Anteilnahme der Fraktion als solcher beschränkt werden solle. Sie würde für solche Beschränkung für die Zukunft zu haben sein, denn sie halte es für sehr wichtig, daß auf den Parteitagen sozusagen das„Laienclcmcnt" mehr hervortrete. ES sei falsch, daß durch eine Beschränkung deS Rechts der Fraktionsmitglieder, ohne weiteres am Parteitag teil- zunehmen, die Abgeordneten zu Genoffen zweiter Klasse herabgewür- digt würden. Im Gegenteil nähme man ihnen nur ein Vorrecht, dessen sie sich jetzt erfreuten. In ihrem Recht als Parteigenossen würden ja die einzelnen Abgeordneten nicht beschränkt. Wenn Abgeordnete gezwungen wären, mit anderen Genossen bei der Delegiertenwahl zu konkurrieren, in den betreffenden Versammlungen zu erscheinen, ihren Standpunkt zu den verschiedensten Fragen klarzulegen und dann wieder bei der Berichterstaltimg über den Parteitag am Platze zu sein, so wäre daS außerordentlich wertvoll. Es würde eine für beide Teile nützliche Fühlung zwischen dem parlamentarischen Ver- treter und der Masse der Genossen herbeiführen. Daß neben der geschlossenen Organisation das Vertrauensmänner- lystem fortbestehen soll, hält Rednerin für keinen Fehler. Selbst wenn gelegentlich einmal MißHelligkeiten daraus er- wachsen sollten, so wären diese doch weniger nachteilig für das geistige Leben der Partei, als eine absolute Einkapselung in die festgeichlogene Organisatton.— Rednerin legt die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Bestimmungen über die Frauen dar und glossiert unter großer Heiterkeit die Befürchftmg mancher Genoffen, daß die Parteitage von Frauendelegierten überschwemmt werden würden. Das hinderten schon die geringen materiellen Mittel und die großen Kosten. Selbstverständlich würden die Frauen sich mit den Genossen ins Einvernehmen setzen. Wenn es in einzelnen Städten zu Reibereien gekommen sei, so sei nur zum Ausdruck gekommen, daß dort von vornherein schädliche und ungesunde Verhältnisse zwischen den Genossen und Genossinnen bestanden. Gerade da, wo die Frauen in der Bewegung Fortschritte geinacht hätten, hörten die Reibereien auf. Die Frage der Maifeier werde auf diesem Parteitage wieder einmal griindlich, mehr als seit langem, aufgerollt werden, und zwar nicht bloß wegen der schroffen und zu mißbilligenden Stellung« nähme des Gewerkschaftskongresses, sondern auch, weil sich in vielen Orten die Tendenz zeige, der Maifeier mehr und mehr den Charakter der Dcmonstrationskundgebung zu nehmen und sie zu einenr gemüt- lichen Fest zu machen, wie es jedes andere Fest auch sei. Selbst wenn wir nicht durch den internationalen Kongreß in Amsterdam gebunden wären an die Feier durch Arbcitsruhe als der lvürdigsten, so müßten wir doch dafür wirken. Die Gewerklchasts« führer Verlviesen auf die angeblich großen Kosten der Gewerkschaften ajls der Maifeier. Die Verbandsberichte ließen aber nur ver- hältniSmäßig kleine Aufwendungen dafür erkennen. Darauf verweise man auf die großen Opfer der Lokalkassen. Die könnten doch wohl nicht so bedeutend gewefen sein, sonst hätten die Lokalkassen sie wohl nicht decken können. Sie könne auch den Einwand nicht anerkennen, daß die ArbeitSruhe Airlaß zu Tarifbrüchen durch die Unternehmer gebe. Ob das Unternehmertum einen solchen durch- setzen könne, hänge doch immer von der Konjunktur ab und wenn es sich mit der Konjunktur vertrage, werde das Unternehmertum auch jeden anderen beliebigen Grund benutzen. Alle etwaigen Ge- fahren aus der Maifeier würden nicht beseitigt durch ein Flaumachen. fondern durch intensive Agitafton dafür, um alle Gewerkschafts- Mitglieder von ihrer Bedeutung zu überführen, mit anderen Worten: Durch Hineintragung des sozialistischen Geistes I Es müsse aber auch energisch der routinemäßigen Uebung entgegengetreten werden, die der Maifeier vielfach nur die Eigenschaft eines gewöhnlichen Festes gibt. Hillsichtlich der Frage deS politischen Massenstreiks verweist Rednerin in der Hauptsache auf ihren Vorttag darüber, den sie vor nicht langer Zeit m Berlin hielt und über den auch der„Vorwärts" berichtet hat. Der Parteitag werde die Aufgabe haben, mit aller Schärfe die Unterschiede zivischen dem politischen Massenstreik und alleil anderen großen proletarischen Streiks festzustellen und daS revolutionäre Wesen des politischen Massenstreiks sowie seine AnwendungSmöglichkeiten klarzulegen. Rednerin skizziert noch einmal ihre den Berliner Genossen und Genossinnen bekannte Auffaffung zu der Frage selber und empfiehlt zur Information die Broschüre der Genossin Roland- Holst . Run sei allerdings in einem Artikel behauptet worden, die Genossin Holst sei nur darauf aus. alles auf den politischen Masscustreik einzurichten, und sie übersähe die Notwendigkeit der Revolutioniernng der Massen. Wer da? sage, habe aber die Broschüre nicht ver- stehen können oder wollen, denn sie sei geradezu ein hohes Lied auf die Revolutionierung der Köpfe, die wesentliche voraus- setzung fei. Die Partei und die Gewerkschaften hätten dabei mit- zuwirken; in die Gewerkschaften müsse der rechte sozialistische Geist hineingebracht werden. Für die Partei ergebe sich auS der Frage de» politischen Massenstreiks noch die intensive Aufklärung der Frauen und die sozialistische Beeinflussung der Jugend. Im kritischen Moment, wo die Herrschenden de» Boden der Gesetzlichkeit ver- ließen. um das Proletariat blutig zu zerschmettern, müßten möglichst viel junge Leute sich sagen, daß sie zwar Soldaten seieii, aber Soldaten der Freiheit.(Stürmischer Beifall.) Sie werde in Aemciiischaft mit Heinrich schulz beantragen, aus die Tagesordnung des nächstjährigen Parteitags die„Erziehung der Jugend" zu jetzen.— Der Parteitag in Jena werde wahrscheinlich
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