Nr. 218.
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Vorwärts
9. Jahrg
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Sernsprech- Anschluß amt I, tr. 4186.
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
An die Parteigenossen!
Sonnabend, den 17. September 1892.
In Rücksicht auf die zur Zeit noch herrschende Choleragefahr, welche in einer Reihe von Wahlkreisen die Beschickung des Parteitages unmöglich macht, hat der Parteivorstand in seiner heutigen Sigung beschlossen, den auf den 16. Oktober d. J. nach Berlin berufenen Parteitag zu verlegen. Der Zusammentritt des Parteitags erfolgt, sobald in allen Wahlkreisen die Möglichfeit gegeben ist, Delegirte zu wählen und zu entsenden, und werden die Genoffen hiervon rechtzeitig benachrichtigt werden. Berlin , 15. September 1892,
Mit sozialdemokratischem Gruß
Der Parteivorstand.
in
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
mal verursacht ist. Es war daher Pflicht der Polizei, die das Vertrauen in diese meist durch Zeugen geführten Be Beendigung des Festes um 11 Uhr Nachts zu veranlassen und weise ganz nach freiem Ermessen" überlassen sei. Wo sich zu verhindern, daß sie in Maffen in der Stadt erschienen und Publikum und Gerichte als Vertreter derselben Weltdort im Vertrauen auf ihre große Anzahl Ruhest örungen anschauungen gegenüber standen, konnte diese freie Beweisund Gewaltthätigteiten verübten. Diese Aufgabe mußte mit Energie und Umficht ausgeführt werden und in dieser Art würdigung auch zu feinen Uebelständen weiter führen, als ist sie auch von dem Polizei- Inspektor Richard in zu denjenigen, welche menschliches Jrren überhaupt mit musterhafter Weise gelöst." sich bringen. Seitdem es aber vorkommt, daß auf Dies nur eine Probe aus dem Urtheil, welches der einen Seite Richter sizen, die völlig in bürger Dr. Diederich lichen Anschauungen wurzeln, auf der anderen Seite Beamtenbeleidigung, übrigens lichen wegen zu einer Geldstrafe, verurtheilt. Diese Probe bereits der Angeklagte mit seinen Zeugen als Vertreter einer richtet das Urtheil: denn Wirklichkeit feierten entgegengesetzten Weltanschauung stehen, ist die freie Beweisdie Dortmunder Arbeiter friedlich und ohne Waffen, würdigung" eine jener Einrichtungen geworden, die nur mit Gefang und Tanz, mit Weib und Kind, bei helleni noch einen hohlen Namen führen, sich mit der Wirklichkeit Lichterstrahl und mit offenem Visir ihr Maifest, und sie nicht mehr decken, durch die Entwicklung der Dinge, nicht Die bürgerlichen Richter hätten es eben so friedlich, nur nicht genau auf die Polizei durch die Schuld Einzelner. stunde, durchgefeiert zum Troste der guten Stadt Dortmund , tönnen niemals in den Aussagen der Zeugen, die auf wenn sich nicht bewaffnete Schußleute zu Pferd und zu dem Boden der entgegengesetzten Weltanschauung stehen, ß im Dunkel der Nacht aufgestellt und es für ihre Etwas erblicken, was nach ihren Begriffen glaubhaft ist. Jebes Aufgabe gehalten hätten, einzugreifen". Das Urtheil Wort, jede Miene der Arbeiterzeugen geht den Verläßt es aber bei obiger Stelle, die sich selbst tretern bürgerlicher Anschauungen wider den Strich. auf gegen Seine Urheber find Unwillkürlich bäumt sich in ihnen Alles Nicht mehr Staatsanwälte allein setzen die Welt in richtet, nicht einmal bewenden. arbeitenden die ihnen fremde Dents, Sprech- und Handlungsgetnechteten Erstaunen, indem sie beim unparteiisch sein sollenden Ge- mit Erfolg bemüht, dem richtsverfahren die Glaubwürdigkeit und Wahrheitsliebe der Volk zu zeigen, daß sie, die Richter selbst, die Schilderung weise einer Partei, deren Tendenzen auf den Umsturz der Beugen nach ihrer politischen Parteiangehörigkeit unter- von den gewaltthätigen" Arbeitern und der„ umsichtigen" Staatsordnung gerichtet sind". Die Brücke, auf welcher fcheiden und beurtheilen. Der Staatsanwalt Nomen hat Polizei nicht für überzeugend genug halten. Und so wird sich früher für alle Betheiligte gemeinsames Recht finden als Nachfolger den Breslauer Richter Schmidt gefunden, denn das Hamburger und Breslauer Mittel angewendet. füllbar. Deshalb häufen sich jetzt die Fälle von Hamburg , ließ, ist zusammengebrochen, und der Riß gähnt unausund Genosse Dr. Diederich in Dortmund erfährt jetzt eben- Es heißt in dem Dortmunder Urtheil: Breslau und Dortmund . Ohne besondere Verabredung befalls als Redakteur der Westfälischen Freien Presse", was Die Aussagen der Defenfionalzeugen( Beugen des An- steht hier wie dort die freie Beweiswi rdigung" ber bürger es heißt, im Klaffenstaat leben. Er hat das Urtheil im be geklagten) find nur mit Vorsicht aufzunehmen. Einer Partei lichen Richter darin, daß sie mehr und mehr die bürgerlichen rühmten Dortmunder Maifeierprozeß zugestellt erhalten angehörend, deren Tendenzen auf den Umsturz rnd theilt die langathmigen Gründe desselben wortgetreu in feinem Blatte mit. In diesen Gründen herrscht derselbe Gedankengang, wie in den Ro men'schen und Schmidt'schen Aeußerungen, nur etwas milder in der Form, aber ebenso fraß in der Sache.
Die
freie Beweiswürdigung“ und die bürgerliche Rechtspflege.
der Staatsordnung gerichtet sind, mit unreifen Beugen als die allein glaubwürdigen, die proletarischen und verhältnißmäßig geringem Verstande, theilweise viel be- als die„ befangenen" betrachten. Das arbeitende Volk und straft, bilden sie den Gegensatz zu den Polizeibeamten, deren seine Vertreter haben unter diesem Gerichtsverfahren einer Pflicht es ist, die Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, Uebergangszeit von der alten zur neuen Welt einige und sind in einem Rechtsstreit, in welchem es Marterstationen mehr durchzumachen. Es hilft aber nichts, sich um die von einem ihrer Genossen gegen den bürgerlichen Richtern„ Gerechtigkeit" predigen zu Polizeibeamte verübte Beleidigung handelt, wollen. Es handelt sich um den Gegensatz zweier Weltvon vornherein von der größten Befangen anschauungen, der sich auch hier äußert, und die Dualen heit." der bürgerlichen Rechtspflege für die Vertreter der kom
Die Anklage richtete sich gegen einen Artikel Dr. Diederich's, in welchem die" Thätigkeit" der Dortmunder Polizei in der Nacht der diesjährigen Maifeier geschildert war. Die Polizei war mehrfach gegen die Genossen ein- Die Dortmunder Genoffen werden sich ja hoffentlich gegen menden Gesellschaftsordnung können ja nur ein Mittel geschritten, die in einer Bahl von ca. 900 das Arbeiterfest diese Stelle ebenso energisch wenden, wie die Hamburger sein, die Herbeiführung der letzteren noch mehr zu befeierten, nicht pünktlich, wie die Polizei es wollte, 11 Uhr gegen die bekannte Aeußerung des jugendlichen Staats- fchleunigen. Nachts mit der Feier schloffen und schließlich im Zuge fich anwalts Romen. Wir unsererseits als ruhige Zuschauer
nach der Stadt zurückbegaben. Die Einzelheiten der Bufammenstöße zwischen Polizei und Arbeitern sind hier gleich giltig. Selbstverständlich steht das Dortmunder Landgericht auf Seite der Polizei. Es sagt wörtlich mit Bezug auf die Arbeiter:
Carmaux.
Carmaux, 18. September.
stellen an der Hand dieses neuesten Attes bürgerlicher Justiz fest, daß diese Rechtspflege immer mehr in Widerspruch mit der Sachlichkeit und Unparteilichkeit tommt, welche jedes Urtheil auszeichnen sollen. Nicht durch persönliche Schuld der betheiligten Richter! Dieselben unterstehen vielmehr Denn wenn man diesen Leuten gestattete, in einer so unbewußt dem Einfluß der sich stetig steigernden Klassenaußerordentlich großen Anzahl bis tief in die Nacht hinein zu gegensätze, die zu mildern in feines Menschen Macht liegt. Bergmanns Calvignac, eines Mannes, der schon zwanzig Wie schon bekannt, ist die unbegründete Entlassung des sammen zu bleiben, sich durch Spirituosen noch mehr zu er Als diese Klassengegensäge zwischen Besitzenden und Jahre bei den hiesigen Gruben beschäftigt ist, dessen Vater darin higen und ihre Leidenschaften noch mehr anzureizen, fo drohte bei ihrem Unverstande, bei ihrem Gifer und ihrer Arbeitern noch nicht so schroff waren, bestimmte man verunglückte, und der in furzer Zeit zuerst zum Borsteher der Unzufriedenheit gegen die staatliche Ordnung in unserer Strafprozeß- Ordnung, daß dem Richter die Wür Bergleute- Genoffenschaft, dann zum Bürgermeister unserer Stadt eine ernste Gefahr zu groben Ausschreitungen und blutigen digung der erbrachten Beweise, der Beweise der Anklage- und neulich zum Bezirksrath erwählt worden ist, die einzige Exzessen, wie ein solcher von ihnen in Dortmund schon ein- behörde und der Beweise des Angeklagten, der Glaube und Ursache des vorliegenden Streits.
Feuilleton.
Macbrud verboten.]
Die Waffen nieder!
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Kriege ein Ende machen würde, daran zweifelte ich gar nicht. Die Verbündeten hatten gefiegt, die Düppeler Schanzen waren genommen diese Schanzen hatten in Letzter Beit eine so große Rolle gespielt, daß Einnahme als endgiltig entscheidend erschien wie wollte Dänemark jetzt noch weiter sich behaupten? Die Verhandlungen zogen sich unglaublich lange hin. Dies wäre mir eine Qual gewesen, wenn ich nicht von allem Anfang an die Ueberzeugung gehabt hätte, daß das Er gebniß ein befriedigendes sein müsse. Wenn die Ver Die Nachricht ward mit einem Jubel aufgenommen, treter mächtiger Staaten, dabei vernünftige, wohlmeinende als wäre hinter diesen Schanzen das nunmehr eroberte Leute, sich zusammenthun, um ein so wünschensBaradies gelegen. Man umarmte sich auf den Straßen: werthes Ziel zu erreichen, wie Friedensschließung, wie Sie wissen schon? Düppel!... O unser tapferes Heer... könnte das mißlingen? Desto entsetzlicher war meine Eine unerhörte Großthat!... Jetzt danket Alle Gott ." Enttäuschung, als nach zwei Monate lang geführten Und in sämmtlichen Kirchen Absingung des Tedeums; Debatten die Nachricht eintraf, daß der Kongreß ununter den Militärtapellmeistern emfiges Romponiren von verrichteter Dinge wieder auseinandergehe. Düppelerschanzen- Marsch"," Sturm von Düppel- Galopp" Und zwei Tage später kam für Friedrich- der Marsch und so weiter. befehl!
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herabgelassen. In leichte und lofe Gewänder gehüllt, lag ich ermattet auf der Chaiselongue. Ich hatte die Nacht ziemlich schlaflos verbracht, und jetzt hatte mir ein traum mir deren hafter Halbschlummer die Augen geschlossen. Neben mir, auf einem Tischchen, stand eine Base mit duftenden Rosen. Durch das offene Fenster drang der Ton entfernter Trompetenübungen herein. Das Alles wirkte einschläfernd, dennoch hatte mich das Bewußtsein nicht ganz verlassen. Nur die eine Hälfte davon die Sorgenhälfte war mir geschwunden. Die Kriegsgefahr und die mir bevorstehende Gefahr hatte ich vergessen; ich wußte nur, daß ich lebte, daß die Rosen nach dem Rhythmus des Reveillefignals betäubend füße Düfte hauchten; daß mein geliebter Mann jebe Minute hereinkommen konnte und, wenn er mich schlafen sähe, nur ganz leise träte, um mich nicht zu wecken. Und richtig: im nächsten Augenblick öffnet sich die mir gegenüberliegende Thüre. Ohne die Lider zu heben nur durch eine linienbreite Spalte unter den Wimpern konnte ich sehen, daß es der Erwartete war. Ich machte Die Kameraden meines Mannes und deren Frauen Zur Vorbereitung und zum Abschied hatte er vierund- keinen Versuch, mich aus meinem Halbschlummer herauszureißen batten zwar einen Tropfen Bitterkeit in ihrem Freuden zwanzig Stunden Zeit. Und ich war auf dem Punkte, dadurch hätte ich möglicheriveise das ganze Bild vers becher; nicht dabei gewesen zu sein... bei einem solchen niederzukommen. In der toddräuenden, schweren Stunde, scheuchen können, denn vielleicht war die Erscheinung an Triumph fehlen zu müssen solches Pech"! wo eines Weibes einziger Troft darin besteht, den geliebten der Thür nur ein fortgesetter Traum, und vielleicht träumte Mir verursachte dieser Sieg eine große Freude; denn Mann neben sich zu haben, würde ich allein bleiben ich nur, daß ich die Lider Linienbreit geöffnet... Jetzt gleich darauf trat in London eine Friedenskonferenz zu müssen allein mit dem über alles bangen Bewußtsein, schloß ich dieselben ganz und gab mir Mühe, weiter zu ammen und vermittelte einen Waffenstillstand. Welches daß der geliebte Mann in den Krieg gegangen Welches daß der geliebte Mann in den Krieg gegangen wissend, träumen, daß der Theuere näher kommt sich herabbeugt freie Aufathmen dieses Wort„ Waffenstillstand" doch ge- baß es ihm ebenso schmerzlich sein mußte, in solcher und mir die Stirne füßt Wie müßte die Welt erst aufathmen dachte Stunde seine arme Frau zu verlassen, als es mir schmerzich damals zum ersten Male- wenn es allenthalben hieße: lich sein würde, ihn zu missen..
währt!...
die Waffen nieder
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auf immer nieder! Ich trug Es war am Morgen des 20. Juni. Alle Einzelheiten das Wort in die rothen Hefte ein. Daneben aber schrieb dieses denkwürdigen Tages sind mir eingeprägt geblieben. ich verzagt, zwischen Klammern:„ Utopia". Draußen herrschte drückende Hize, und um diese ausDaß der Londoner Kongreß dem schleswig - Holsteinischen zuschließen, waren die Rollvorhänge in meinem Zimmer
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So geschah es auch. Dann kuiete er neben mein Lager nieder und blieb eine Weile regungslos. Noch immer dufteten die Rosen und trarate das ferne Hornsignal. Martha, schläfft Du," hörte ich ihn leise fragen. Da schlug ich die Augen auf.
„ Um Gotteswillen, was ist's?" rief ich, zu Tode