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Nr. 256. 22. Jahrgang. 1. ficilßjf des.Hmiirls- KM« MkslilÄ Mittwoch, l. November 1965. Gesemtparteitag der sozialdemokratischen Arbeiterpartei Oesterreichs  . Wien  , 30. Oktober 1905. Vom Giebel des Arbeiterheims in Favoriten wehen zwei rote Banner herab. Sie sind das Zeichen, dajz hier der Gesamtparteitag der österreichischen Sozialdemokratie seine Verhandlungen abhält, die diesmal in erster Linie dem Kampfe um das allgemeine Wahl- recht gelten werden. An zweihundert Delegierte haben sich als Ver- treter aller Nationalitäten Oesterreichs   versammelt: Deutsche  , Tschechen  , Polen  , Italiener, Slovenen und Ruthenen. Alle Mitglieder der sozialdemokratischen Rcichsratsfraltion sind erschienen. Die Ar- beiterinnen sind durch zwölf Frauen vertreten: A delh. Popp, Therese Schlesinger, Marie Schramme! u. a. Die deutsche Sozialdemokratie hat Hermann Molkenbuhr  , die ungarländische B u ch i n g e r aus V u d a p e st, die sozialdemo­kratische Partei Russisch-PolenS Genossen W r o n S k Y entsandt. Genosse Dr. Adler gedachte in seiner Begrützungsansprache des heldenmütigen Kampfes der russischen Revolution..Wir können der russischen Revolution nicht helfen, aber wir können in unserem Lande auf unserem Boden für unser Volk, für unser Pro- lctariat, in unseren Kampfformen und mit unseren Kampf- Mitteln alles tun, um einigcrmahen mit Ehren vor jenen Helden und Märtyrern zu bestehen. Mögen sie ihre Aufgabe lösen. Bescheiden w i r unS, der u n s e r e n zu dienen. Und wenn wir einen Wunsch für unS selber haben, so ist eS der, daß es diesem Parteitage vergönnt sein möge, dre Kräfte dieser Arbeiterschaft, die unter den Sünden dieses Oesterreichs   aus tausend Wunden blutet, einmal in einem Moment, der siegvcrsprechend ist, zusammenzuraffen zu einem festen, entscheidenden Schlage.(Lebhafter Beifall.) Jetzt ist der Moment, wo uns das ganze Proletariat förmlich cntgegen- schreit: Jetzt vorwärts! Führt uns zum Kampfe.(Stürmischer Beifall.) Zu Vorsitzenden wurden T o m s ch i k- Wien und N e m e e» Prag   gewählt zu Bcisidern für die anderen Nationen Dr. Dia- m a n d- Lemberg(Pole), P i t t o n i. Trieft(Italiener), K o p a c- Trieft(Slovene) und Dr. Jarossewitsch(Ruthene); zu Schriftführern wurden gewählt: Frankl-Wien  , Hilbbrano- Karlsbad, Tusar-Krain und H u d e c- Lemberg  . Auf der Tagesordnung sieht außer den Berichten der Funktionäre:.Die Österreich  , fche Krise und das Wahlrecht";Der Generalstreik" und.Der Militarismus." Montag um 10 Uhr eröffnete Tomschik die Verhandlungen, ge- dachte der Toten, zu deren Ehren sich der Parteitag erhob, und begrüßte die Gäste. Molkrnbulw erwidert diesen Gruß mit einer Ansprache, in der er auf die engen Bande zwischen deutscher   und österreichischer Sozial­demokratie hinweist.Wir find." so sagt er,Blut von einem Blute, und nur auSeinandergeriffen durch die Politik der herrschen- den Klasse. Aber trotz des Riffes von 1866 fühlt sich das Prolc- tariat so einig wie vorher. Seit 1866 hat die kapitalistische Eni- Wickelung in keinem Lande Europas   so rasche Fortschritte gemacht wie in Preutzen-Dcutschland. Fürst Bismarck   hat einmal offen gesagt:Wir müssen Millionäre züchten!" Diese MillionärSzüchterei' hat er meisterhaf, verstanden, aber eS haben sich daraus Zustände entwickelt, die allmählich selbst für die Herrschenden bedenklich zu lverden beginnen. Dassoziale Königtum" hat Bankerott gemacht gegenüber dem kapitalistischen   Königtum, das sich mit außerordentlicher Schnelligkeit entwickelte. Di« kapitalistische Ent- wickelung wird bald den Punkt erreicht haben, wo alle ihre Hülfs- mittel erschöpft sind. In entscheidenden Branchen, in der Kohlen-, in der Eisenindustrie ist die freie Konkurrenz, die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft, bereits zerstört. In einem solchen Momente kommt nun ein Anlauf, diese industrielle Entwickclung wieder zurückzudämmen, jene junkerliche Agrarpolitik, die. den direkten Zweck verfolgt, die Jndustricbevölkerung zu dezimieren. Hand in Hand damit gehen die Versuche: die Rechte der Arbeiter zu ver. kürzen, das allgemeine Wahlrecht zu beseitigen und das Koalitions- recht zu rauben. War doch die Einleitung zur junkerlichen Zoll- kampagne die Zuchthausvorlage l Dieser Versuch ist allerdings an der Wachsamkeit der Arbeiter pescheitert. Aber jetzt wird jeder kleine Streik zu einer Aussperrung benutzt, um die Kräfte der Organisationen lahm zu legen. In dieser Lage, in der sich die deutschen   Arbeiter befinden, kommen ihnen die Brüder in Oester- reich und Rußland   zu Hülfe. Der Stoß, der hier geführt wird, trifft nicht nur den Zarismus, sondern auch die Bedienten des Zarismus in Deutschland  . Das Wort Freiligraths:.Ein kräftiger Schlag im Norden, das ist auch im Süden ein Schlag", gilt auch hier. Siegt daS allgemeine Wahlrecht in Ungarn   und in Oesterreich  , dann ist auch den Wahl- rcchtsfeindcn in Deutschland   die Waffe aus der Hand genommen. lBravol) So nehmen wir den größten Anteil an Ihrem Kampfe; Ihr Sieg ist auch unser Sieg! Die kapitalistische Entwickelung schafft auch die Kräfte, die zur Verbrüderung der Völker, zur Be- seitigung des Massenmordes führen. Noch immer sind neue Rüstungen mit der Kriegsgefahr begründet worden. Die Diplo- malen sitzen mit der Lunte am Pulverfaß. Aber dies freventliche Spiel mit dem. Glück der Völker ist nur so lange möglich, als die Völker sich führen lasten.(Lebhafte Zustimmung.) DaS Wett- rüsten lpt wieder ein Wettpumpen im Gefolge. Die Staaten Europas   haben so bereits über 1000 Milliarden Schulden gemacht, und ihre Völker find dem Kapital tributpflichtig geworden. Von dem Alp des Militarismus können die Völker nur durch die Sozia demokratie erlöst werden. So begrüßen wir auch aus diesem Grunde den Kampf, den Sie führen. Sie stehen jetzt auf der ersten Staffel, das Wahlrecht zu erobern. Mit seiner Hülfe wird Ihre Bewegung immer mächtiger werden. Das Wahlrecht bietet auch die Mittel, die Lage der Arbeiterklasse zu verbessern. Und jede Ver- besserung dieser Lage in einem Lande, ist auch eine Verbesserung für die anderen Länder; denn das Land, wo die Arbxiter am schlechtesten gestellt sind, ist ein Reservoir für den Mehrwertshunger der Kapitalisten, anderer Länder. So ist jeder Fortschritt, den Sie erringen, ein Fortschritt auch für uns. Und deshalb rufe ich: Glück auf zum Krieg I Glück auf zum Sieg!"(Lebhafter Beifall.) Buchingrr-Budapest   überbringt die Grüße der ungarländischen Sozialdemokratie.(Bravo I) Er gibt den Gefühlen Ausdruck, von denen die ungarisch« Sozialdemokratie beseelt ist: Kampf bis aufs Messer der Magnaten-Eliqu«! Sollten die Intrigen dieser Bande wieder gelingen, nun, so lverden sie erfahren, was Voltszorn ist! (Lebhafter Beifall.) Hierauf mnnnt. von stürmischem Beifall begrüßt, der Ver- trcter der Sozialdemokratie Russisch-PolenS, WronSki, das Wort: Aus einem Lande der Knechtschaft, wo der Kosak in der Fabrik ebenso unerläßlich ist wie Tampsinaschincn und Kohlen, wo die Arbeitermetzeleien zu einer staatlichen Institution geworden sind, komme ich in ein relativ freies Land lHeiterkeit) als Tiertreter des polnischen und jüdischer» Proletariats Russisch-PolenS. Es ist unser« tiefe Ueberzcugung, daß der Kampf, der in Oesterreich   und Ungar» setzt begonnen hat. unsere Sacl* ist. Wenn Ihr dazu kommt, d.'s alte Oesterreich z» demokratisieren, dann fällt auch eine der Wände, die uns von der Freiheit, von der Kultur, vom sozialen Fortschritt trennt. Auch wir haben wie Ihr verschiedene Rati-imlitäten unter uns: nebe» den Polen   Juden. Litauer, Weiß- russe.. und Deutsche  . Für die Deutschen   haben wir jetzt in Lodz   ein Blatt gegründet: den.Deutschen   Arbeiter".(Bravol) Alle unsere Nationen sind jeht zusammengeschweißt zu einem Kampf um Leben und Tod im wörtlichen Sinne, zu einem Kampf, wo man Kugeln mit Kugeln wechselt.(Stürmischer Bestall.) In diesem Jahre haben wir bereits fünfmal Missenktreiks gehabt, wo Lö0 000 bis 400 000 Arbeiter aus die Straße gegangen sind '"cht tagelang, sondern tvochenlang. An Hülse, auch an materieller. ans dem Ausland« fehlt es uns nicht. Diese Unterstützung ist viel > besser ausgefallen als die französische   Anleihe für den russischen Despotismus.(Heiterkeit.) Ich weise daraus nur hin, weil von verschiedenen Seilen behauptet wird, wir seien keine Sozialdcmo- traten. Man stützt sich dabei darauf, daß wir nicht nur die russische, sondern auch die polnische Republik   wollen. Lesen Sie unser Pro- grarnm: es ist identisch mit dem Programm der Sozialdemokratien aller Länder. Blicken Sie auf unsere Tätigkeit; unserem Rufe folgt das Proletariat, Hand in Hand mit uns geht die galizische Sozialdemokratie. Wir sind gewiß, daß wir unser Ziel erreichen werden. Wenn auch Tausende fallen, da» Licht einer besseren Zeit leuchtet schon herauf. Schon merkt der Feind, daß seine Tage ge- zählt sind; mit Scheinkonzessionen möchte er das Volk beschwichtigen. Aber wir werden diese Scheinkongessioneni in wirkliche Koni. zessionen verwandeln. Da tut rmr die kampfesftohe Luft gut, die ich hier atme. Wirft, kämpft weiter, dann werden wir noch neben einem freien Oesterreich ein freies Rußland   und ein freies Polen  erleben.(Stürmischer Beifall.) Dr. Viktor Adler  : Von allen Begrüßungen der ausländischen Bruderpartcien, die wir heute gehört haben, war uns eine ein ganz besonderes Erlebnis: jener Gruß aus dem revolutionären Rußland  . (Bravol) Wir haben die Sehnsucht, unser« Stimme dem kämpfenden Proletariat jenseits der Grenze irgendwie verständlich zu machen. Ich schlage Ihnen deshalb folgende Resolution vor, die von je einem Vertreter der deutschen  , der polnischen, der tschechischen, der slowenischen, der ruthenischcn und der italienischen Partei unterzeichnet ist: Ter Gesamtparteitag der internationalen sozialdemo­kratischen Arbeiterpartei in Oesterreich   begrüßt mit Begeisterung und dem lebendigsten Gefühl brüderlicher Solidarität den re- volutionären Kampf, den die geknechteten, der Freiheit und Menschenwürde beraubten Völker gegen den zarischen Absolutis­mus in Rußland   führen. Wir begrüßen sie alle bei ihrem großen befreienden Werke, ans den Millionen von Sklaven freie Menschen zu machen, den entrechteten, unterjochten Völkern ihr Recht und ihre Selbständigkeit wiederzugeben und die fluckwürdige Gewalt Herrschaft des Zarismus zu zertrümmern. Die Sozialdemo kratcn in Oesterreich   folgen der EntWickelung der Revolution in Rußland   mit der festen Hoffnung auf den baldigen Sieg des Volkes, einen Sieg, der auch der westeuropäischen Reaktion den Todesstoß versetzen wird. Indem wir in Oesterreich   unseren Kampf um die politischen Rechte des Volkes führen, sind wir uns auch dessen bewußt, daß tvir unsere revolutionären Pflichten er- füllen. Wir sind ein Teil derselben revolutionären, die Mensch- heit vorwärts treibenden Kraft, deren politischer Ausdruck der internationale Sozialismus ist. und unser Kampf dient überall denselben großen und erhabenen Zielen. In diesem Sinne senden wir den kämpfenden Scharen des Proletariats aller Nationen in Rußland   unsere glühenden Wünsche: Hoch die russische Ne volution! Hoch die internationale, völkerbefveiende Sozial demokratie!" Adler. Tascynski. Jarossewhtsch. Nemec. Kristan. Piscel. Diese Resolution wird unter stürmischen Hochrufen einstimmig angenommen. Die polnischen und teschechischen Delegierten singen den ersten Vers derR o t e n Fahne". Im Namen der tschechischen Delegation gibt Soukup-Prag   fol gende Erklärung ab:Die Delegierten der tschechoslawischen sozial demokratischen Arbeiterpartei in Oesterreich  , versammelt auf dem Gcsamtparteitage, erklären, daß sie im Hinblick auf den äußerst 'ritischcn Moment seines Zusammentritts, der ein Signal des gemeinsamen entscheidendsten Angriffes des Proletariats aller Nationalitäten in Oesterreich   auf die Wahlprivilegien und des Kampfes für das gleiche Wahlrecht ist, sich im gegenwärtigen, von ihnen als historisch anerkannten Momente nur dieser Sache widmen wollen. Im Hinblick auf den Beschluß der Gesamtparteivertretung, namentlich der polnischen, slowenischen und italienischen Genossen, welche eingehende Informationen fordern, verschieben sie die Verhandlungen über ihre Forderungen hinsichtlich der Frage der gewerkschaftlichen Organisationen auf eine der nächsten Sitzungen der Gesamtparteivertretung mit der Prager   und der Wiener   Ge- werkschaftSkommissionen, eventuell auf einen außerordentlichen gemeinsamen Parteitag, der berufen wäre, sich mit dieser Frage zu befassen. Wir fordern jedoch eindringlichst, diese Angelegenheit in kürzester Zeit zp erledigen, da wir ihre günstige und dem Nationalitäten- Programm der Gesamtpartei entsprechende Aus- tragung für eine unerläßliche Bedingung des weiteren gemeinsamen Vorgehens(Hört! hört!) und der Existenz der sozialdemokratischen Gesamtpartei in Oesterreich   halten.(Hört! hört!) An diesen Grundforderungen müssen wir schon deswegen festhalten, weil auch daS gemeinsame Vorgehen und die EntWickelung der gewerkschaft. lichen Organisation unter dem Proletariat in Oesterreich  , ent- sprechend den Intentionen der internationalen Sozialdemokratie, bedingt ist in der absoluten Gleichberechtigung und Gleichwertung der Arbeiterschaft aller Nationalitäten in Oesterreich  ." Dr. Adler beantragt, diese Erklärung ohne Debatte zur Kenntnis zu nehmen und dem Protokoll einzuverleiben. Hueber, Sekretär der österreichischen Gewerkschaftskommissson, widerspricht:Wir müssen zu dieser Erklärung sofort Stellung nehmen. Das sind wir der gewerkschaftlichen Organisation in Oesterreich   schuldig. Ucber sie darf nicht zur Tagesordnung go  schritten werden."(Beifall.) Dr. Adler: Daran denkt doch niemand. Nur jetzt soll nicht diskutiert werden. Nur für diesen Augenblick, nur für diesen Parteitag soll auf diese Auseinandersetzung verzichtet werden. Hueber zieht daraufhin seinen Widerspruch zurück, zumal da ein außerordentlicher Gewerkschaftskongreß bereits einberufen fei. Die Erklärung der tschechischen Organisation wird zur Kenntnis genommen. Begrüßungsschreiben von der französischen   Sozialdemokratie, die jetzt in(Ihn kons ihren Parteitag abhält, und von Letzner-London  sind eingetroffen. Es wird in die Tagesordnung eingetreten. Skaret-Wien   erstattet den Bericht der Gesamtparteivcrtretung, der in der Mitteilung gipfelt, daß politisch und gewerkschaftlich außerordentliche Fortschritte gemacht worden seien. Korinek-Wien   erstattet den Kassenbericht, der gleichfalls ein günstigeres Bild bietet als je zuvor. Wenn alle Nationalitäten ihre Schuldigkeit tun würden, so könnten ganz respektable Mittet in die Zentralkasse fließen, die dann zur Unterstützung der schwachen Organisationen verwendet werden würden. Im Namen der Kontrolleure beantragt Seitz-Wien   die Decharge. In der Diskussion wendet sich Vorek-Pardubitz   scharf gegen die Wiener  , weil sie dem Rate AdlerS folgend gewartet hätten und nicht vor den niederösterreichischen Landtag gezogen seien. Hätte man wegen deS Gassenbuben Lueger die Straße alarmiert, so hätten die Wiener   auch vor daS Landhaus spazieren und dem Beispiel der böhmischen Arbeiter in Prag   nachahmen können. Auch die gleich. gültige Haltung der ReichSratSfraktion in der Wahlrechtsfrage fei empörend gewesen. Andere tschechische Delegierte schließen sich dieser Kritik an und wünschen, daß der Parteitag sich auch mit der Schul frage in Wien  , Brünn   usw. befasse. Krisiau-Triest tritt den Klagen über die Lauheit Wiens ent- gegen. Solche Anrempelungen seien nicht im Interesse der Partei. Sie machten sich jetzt aber in tschechischen und auch in einigen deutschen   Parteiblättern breit. Es scheine so, als kopiere man Sitten aus dem deutschen Reich!( Heiterkeit.) Dr. Adler: Ich bin als daS eigentliche Karnickel bezeichnet worden, das diesmal nicht angefangen hat.(Heiterkeit.) Wenn die Genossen sich über die Aktion im Parlament gewisse abenteuerliche Vorstellungen gemacht haben, so ist es ja nur ihre Schuld, wenn sie enttäuscht worden sind. Tatsächlich hat die Initiative unserer. Parlamentarier den jetzigen Brand entzündet, und wir können mit ihnen durchaus zufrieden sein. Daß wir den richtigen Zeitpunkt für die Demonstrationen in Wien   abwarten, ist ebenso notwendig, als daß wir überhaupt eingreifen. Ten Kampf für das böhmische Landtagswahlrecht können wir in Wien   nicht führen, und den Kampf für das niederösterreichische Landtagsroahlrechi, verzeihen Sie, den verstehen wir besser.(Heiterkeit.) Wir wollten durch den Sie, den verstehen w i r besser.(Heiterkeit.) Wenn wir Ihnen(zu den Tschechen  ) nicht hineingeredet haben, wie S i e Ihre Aktion zu führen hätten, so haben Sie die Güte, auch etwas Vertrauen in u n s zu setzen. Wir führen einen solchen Kamps ja nicht zum ersten Male. Die Kunst des Wartens ist sehr schwer» aber Sie werden sie auch noch lernen.(Heiterkeit.) Winarsky-Wien schließt sich den Ausführungen AdlerS an. Tomaschek-Wien  (Tscheche) findet, daß man den ersten Impuls nicht ausgenützt habe. Die Abstimmung der deutsch  -bürgerlichen Abgeordneten im Reichsrate bei der Dringlichkeitsdebatte über die Einführung des allgemeinen Wahlrechts wäre anders ausgefallen. wenn sie unter dem Eindruck einer Straßendemonstration gestanden hätten. Muchitsch-Graz  : Wir Steiermärker haben keinen Anlaß, irgend- wie an dem Vorgehen der Partcivertretung und der Wiener   Ge- nassen hcrumzunörgeln. Wir haben auch zuerst geglaubt, daß diese» Parlament im Sturmlauf hinweggefegt werden müsse. Aber gerade die bisherige Entwickelung des Wahlrechtskampfes hat uns gelehrt. daß dieser letzte Schritt erst später gemacht werden muß.(Beifall.) Banek-Brünn  : Der Kampf gegen Gautsch hätte auf der Straße und im Parlament schärfer geführt werden müssen. Der Hinweis darauf, daß Gautsch als kranker Mann Anspruch auf Schonung habe, ist nicht stichhaltig. Wer krank ist, soll in Pension gehen und nicht die Zügel der Regierung führen. Die Wiener   waren immer an der Spitze der Bewegung, aber wenn sie so fortfahren, werden sie das Prestige bald verlieren. Pölzer-Wien  : Die Arbeiter Wiens   stehen durchaus hinter den Führern. Eine Versammlung der Werlstättcnvertrauensleute hat die Politik der Exekutwe durchaus gebilligt. Man wirft unS vor, daß wir dem Gautsch nicht die Fenster eingeworfen haben. Aber sind denn in Prag   die Fenster eingeworfen worden? Wir setzen jetzt alle Kräfte daran, eine würdige und machtvolle Demonstration für das Wahlrecht zu organisieren.(Beifall.) In seinem Schlußworte faßt Skaret nochmals alle Gründe zu- sammen, die für die Taktik der Wiener   und für die Taktik der Fraktion sprechen und beantragt: Der Antrag der Tschechen, die Parteiberichte künftig in allen Sprachen Oesterreichs   zu ver- öffentlichen, der Exekutive zu überweisen. Der Parteitag beschließt so und erteilt dem Kassierer einstimmig Decharge. Es folgt als nächster Punkt der Tagesordnung der Bericht über die parlamentarische Tätigkeit. Berichterstatter Reichsratsabgeordneter E. Pernerstorfer verweist auf den gedruckt vorliegenden Bericht, wirft einen Rückblick auf die einzelnen Phasen der parlamentarischen Tätigkeit und gelangt dann zu folgenden allgemeinen Ausführungen: Man hat uns Mangel an Schneidigkeit vorgeworfen. Was stellen sich die Unzufriedenen unter unserem Kampfe im Parlament eigentlich vor? Ein tschechischer Delegierter hat unsere Frage, was wir eigentlich hätten tun sollen, mit den Worten beantwortet: DaS ist Eure Sache! Keiner von den Kritikern ist imstande, etwas an» deres zu empfehlen, als was wir getan haben. Manche scheinen zu glauben: ein Tag im Parlament, wo ein Präsident nicht hin- ausgeworfen wird, ist verloren.(Heiterkeit.) In dieser Anschauung liegt doch eine gewiss« Verwilderung der Denkweise, die sich mit unseren Anschauungen vom parlamentarischen Leben nicht verträgt. So wenig wir im Parlament das ausschließliche Um und Auf sehen, so wissen wir doch, daß es eine Notwendigkeit für uns ist. Deshalb verlangen wir ein Parlament auf demokratischer Grundlage. Wer aber das Parlament grundsätzlich will, der kann es nickst täglich demolieren! Im Parlament können wir nur mit parlamentarischen Mitteln kämpfen, und das haben wir reichlich getan. Die letzte Session war ein großer Erfolg für unsere Fraktion. Ich bin davon überzeugt, daß wir das allgemeine Wahlrecht in kürze st er Zeit erobern werden. wenn der Kampf mit gehöriger Energie geführt wird. So dumm unsere Staatsmänner auch sind, d i e Ueber- zeugung haben sie doch, daß das allgemeine Wahlrecht nicht mehr aufzuhalten ist.(Lebhafter Beifall.) Stein-Wicn und Krapka-Proßnitz vertreten wiederholt den Standpunkt der Tschechen  . Niestner-Brünn warnt die tschechischen Delegierten, den Haß gegen Wien   in die indifferenten tschechischen Arbeitermassen zu tragen. Damit würde nur Unfriede gestiftet und würden unnötige Gegensätze geschaffen. Die Debatte wird hierauf abgebrochen und auf Dienstag vertagt. .» Ueber den Verlauf der heutigen Verhandlungen erhallen wir folgendes Privattelegramm: Wien  , 31. Oktober. Der österreichische Parteitag Verhandelle heute über Krise und Wahlrecht. Während des Referat« Ellen­bogens kommt die Nachricht von der Befreiung Rußlands  , vom Sieg der Revolutton. Ungeheuerer Jubel. Die Deutschen   singen die Marseillaise  , die Slawen die Rote Fahne. Der Parteitag wird unterbrochen und soll morgen schließen. Taten, nicht Worte werden gefordert. Dir Parteileitung beschließt für heute abend 7 Uhr eine Masscnbeuionstratien vor der Hofburg. Man ist entschlossen, sofort mit allen Mitteln das gleiche Wahlrecht zu erringen. Euq der Partei. Mehrere Parteigenossen richten an uns die Anfrage: Ob die ihrer Stellung enthobenen Redakteur« auch die ihnen zustehende Ge- Haltszahlung erhalten hätten. DaS ist doch selbstverständlich. In dem Briefe deS Vorstandes, in dem ihnen angezeigt wurde, daß man auf ihre Tätigkeit vom SS. Ottober ab verzichte, wurden sie auch ersucht, das ihnen bis zum 31. März 1900 zustehende Gehalt bei der Geschäftsstelle deS.Vorwärts" in Empfang zu nehmen. Diesem Ersuchen sind die betreffenden Genoffen am Montag gefolgt. Genosse Wetzkcr schreibt uns: Der Bericht über die General- Versammlung des Kreises Teltow  -Becskow enthält einen wesentlichen Irrtum. Genosse Hoppe hat in Beziehung auf mich nicht gesagt. ich hätte mir das V e r t r a u e n der Berliner   Genoffen verscherzt, sondern er hat davon gesprochen, ich hätte mir nicht die Sympathien der Berliner   Genossen erwerben können. Da« Wort.Vertrauen' hat Hoppe überhaupt nicht angewandt. Ich darf wohl auf Richtigstellung rechnen. Mit Parteigruß Wetzker. Mit dieser Erklärung, durch welche die Wiedergabe der Aus« uhnmgen des Genossen Wetzker nicht moniert wird, hat dieser selbst die Richtigkeit anerkannt. Wir können also dieselbe kritisieren als der Wahrheit entsprechend. » Der Bericht über die Verhandlungen in der Generalversammlung deS Zentral-WahlvereinS für Teltow  -BeeSkow-Storkow-Charlotten- bürg in Nr. 2SS desVorwärts" nötigt zu einigen Gegen- bemerknngen.