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verlandeS der Verbände beschlossen, fich dem Ausstände anzuschließen, um die Revolution des Proletariats zu unter- stützen. Petersburg, 20. Dezember.  (Meldung der Petersburger Telegraphen- Agentur.) Das Streikkomitee der Beamten der Nikolausbahn hat beschlossen, morgen mittag den Ausstand zu erklären. Warschau  , 21. Dezember. Das Komitee der Petersburger Eisenbahner hat den Warschauer Eisenbahnern die Mitteilung zu- gehen lassen, daß der Ausstand heute um Mitternacht beginnen werde. Auch die hiesigen Feuerwehrleute sind gestern in den Ausstand ge- treten. Kavalleriepatrouilleu durchziehen die Straßen. Die Handels- leute erklären, daß der Handel vollständig daniederliege. Petersburg, 20. Dezember.  (Meldung der Petersburger Telegraphen-Agentur.) Wie aus Moskau   gemeldet wird, sind seit heute mittag die Angestellten aller dortigen Bahnen im Ausstände; alle Ausstäildigen sind bewaffnet. Der General- gouverneur hat über die Stadt den Zu st and des der- stärkten Schutzes verhängt. Jekaterinoslaw, 20. Dezember. Auf der Jekaterininskaja- Eisenbahn ist der Generalstreik proklamiert worden. Jeglicher Verlehr stockt. DasBerliner Tageblatt" bringt die folgende Privat- depesche aus Petersburg  : Da das hiesige Exekutivkomitee des Arbeiterkonseils von Moskau  abhängig ist, so ist der Beginn des hiesigen Generalstreiks erst auf heute mittag festgesetzt worden. Noch finden sich aus den, Lager der Freiheitsbewegung Stimmen, wie die des Professors M r l j u k o w. welche den Arbeilerkonseil vor diesem Schritt warnen, bevor es zu spät ist. Denn Miljukow spricht offen die Be- fürchtung aus, der Streik werde scheitern, weil die Arbeiter streik« müde seien. Ebenso hat sich Peter S t r u w e in einem gestern ge- haltenen Vortrag offen über die Machtlosigkeit der Revolutious- Partei geäußert und hervorgehoben, daß der Telegraphen- und Post- streik der Sache der Revolution mehr geschadet als genützt habe. Die Unkenrufe der liberalen Herren werden natürlich keinen Einfluß auf die kämpfenden Proletariermassen haben. Der Stein ist im Rollen! Der Rat der Arbeiterdeputierten hat sein Blatt herausgegeben, in welchem er zum sofortigen Kampf gegen die Re- gierung auffordert und erklärt, daß dieser Kampf fest beschlossen sei und auch nicht der letzte sein werde. Weiter heißt es in dem Aufruf: Die Regierung aber wirft in diesen Kampf ihre letzten Faktoren, die Armee und die Finanzen, hinein. Die Würfel sind gefallenl Wir nehmen diesen Kampf auf, denn die Regierung Wittes ist nicht imstande, ihr zweideutiges Spiel weiterzutreiben. Das Verbot von Zeitungen und die Arreste zeigen, was die Re- gierung beabsichtigt. Die Reaktion Wittes hat den Kampf vorzeitig heraufbeschworen. Auf ihn komme das Blut der Unschuldigen, das fließen muß! Wir erklären den Generalstreik! Kamps bis zum letzten Blutstropfen." polmlcbe debcrCicbt. Berlin  , den 21. Dezember. Worte und Taten der Freisinnige» Volkspartei. In einer Protestversammlung gegen die Tabaksteuer in Sprottau  , in der Genosse Kiesel-Berlin referierte, nahm auch der Reichstags-Abgeordnete M ü l l e r- S a g a n, der Vertreter des Wahlkreises Sagan-Sprottau, das Wort, um eine fulminante Rede gegen die neuen Steuervorlagen, sowie gegen Militarismus und namentlich die Kolonialpolitik zu halten. Nach dem Berichte des Sprottauer Wochenblattes" sagte er u. a.: Was die Ausgaben für Heer und Marine betrifft, so könne man dieselben ja zwar nicht ganz entbehren; man solle sie aber auf das notwendigste Maß beschränken. Und nun unsere Schutzgebiete in Afrika  ! Diese gerade sind es, welche uns am schwersten belasten, für die wir Hunderte von Millionen in einem Jahre hingegeben haben, um Krieg mit den Hereros führen zu können. Die Schutzgebiete sind nicht so viel wert, daß wir auch nur die Zinsen aus denselben wieder herausschlagen könnten. Was haben wir dort zu gewärtigen? Vor ein paar Tagen habe ein Geheimrat im Reichstage versucht, die Verhältnisse in Süd- Westafrika als glänzend hinzustellen, und er habe dies damit be­gründet, daß er erklärte, man könne dort auf 2 Hektar ein Schaf halten.(Stürmisches Gelächter.) Nun, da könne es sich ja jeder leicht selber ausrechnen, wie viele Hektar man besitzen müsse, um leben zu können. Da gehörten Hunderte von Hektaren dazu; man müsse ja der reinste Großgrundbesitzer sein." Einem solch demagogischen Volksversammlungs- radikalismus gegenüber ist es denn doch notwendig, die frei- sinnige Volkspartei nach ihrem parlamentarischen Auf- treten zu charakterisieren! Herr Müller-Sagan erklärte also zunächst in Sprottau  , daß man zwar die Ausgaben für Heer und Marinenicht ganz" entbehren könne, daß sie aber auf dasnotwendigste M a ß" beschränkt werden müßten. Danach sollte man doch wohl erwarten dürfen, daß Herr Müller-Sagan im Reichstage sich g e g e n die neue Flottenvorlage ausgesprochen hätte, die jährlich 70 Millionen Mark mehr fordert. Man sollte das umsomehr erwarten dürfen, als im Jahre 1900 die freisinnige Volkspartei die Flottenvorlage ab- gelehnt hat. Wenn die Partei vor fünf Jahren das Fünf- milliarden-Gesctz ablehnte, so fordert es doch die Logik, erst recht jetzt die das Gesetz umstürzende neue Vorlage abzulehnen, die nicht viel weniger als die Bewilligung der sechsten Milliarde ver- langt. Die freisinnige Volkspartei besitzt aber keine politische Logik! Da sich inzwischen ein erheblicher Teil ihrer Abgeordneten zur Flottenschwärmerei durchgemausert hat. begeht die ganze Partei einen totalen Umfall und tritt nunmehr für die Flotten- Verstärkungen deS neuen Flottengesetzes ein! Und Herr Müller- Sagan selbst, der noch vor einigen Wochen in derDeutschen freien Presse" die Flottenschwärmerei seines Fraktionskollegen Eickhoff zuerst ableugnete und dann nachdem Herr Eickhoff selbst diese Heuchelei durchkreuzt bekämpfte, unterzog sich im Reichstage der Aufgabe, die Zustimmung der Fraktion zu der Flottenvorlage zu b e g r ü n d e n. Er führte dabei einen allerliebsten Eiertanz auf. aber schließlich blieb ihm doch nichts anderes übrig, als die Zu- stimmung seiner Partei zu der Vorlage auszusprechen. So erklärte er in der Reichstaqssitzung vom 9. Dezember zunächst, daß seine Fraktion die Deplacementsvergrößerungcn der Linienschiffe ebenso betrachte, wie die Geschützfrage. Es seien das nur Fragen der T e ch n i k. sei die Schiffsvergrößerung(die pro Schiff 12 Millionen Mark mehr Kosten verursacht) notwendig, so dürfe Deutschland  nicht hinter den anderen Staaten zurückbleiben! Die Forderungen für Versuche mit Unterseebooten werde seine Partei ebenfalls be- willigen, desgleichen die Vermehrung der Torpedoboots-Divisionen. Nachdem er dergestalt die Zustimmung zu fünf Sechsteln der Rcgierungsforderungen ausgesprochen, behandelte er die Frage der 6 neuen Auslandskreuzcr als eine noch offene, wobeh er aber deutlich genug durchblicken ließ, daß seine Partei auch diesen Rest der Vorlage bewilligen werde, wenn in der Kommission die be- rühmten Nachweise ihrer Notwendigkeit geliefert würden! So also faßt in Wirklichkeit die freisinnige Volkspartei, Herr Müller- Sagan an der Spitze, die Beschränkung des Marinismus auf das notwendigste Maß" auf. Herr Tirpitz kann sich keine willfährigeren Werkzeuge wünschen! Und dabei erklärte Herr Müller-Sagan noch in derselben Sitzung, daß der deutsche Handel sich trotz der Flotte entwickelt habe und daß die Flotte dieSeeinteressen" höchstens gegen Kleinstaaten schützen könne! Genau so wie mit der Flottenpolitik der Freisinnigen Volks- Partei steht es auch mit ihrer Kolonialpolitik. Erst erklärte Herr Müller-Sagan am 9. Dezember, daß aus Südwest-Afrika niemals auch nur die Zinsen für die 800 Millionen, die der Krieg bereits gekostet habe, herausgewirtschaftet werden könnten, und dann versicherte er die Regierung der Z u st i m m u n g seiner Partei für die geforderten neuen Ausgaben. Wie Herr Müller- Sagan hatte es auch schon dessen Fraktionskollege Kopsch am 2. Dezember gemacht. Erst deklamierte er pathetisch,Unser Volk ist kolonialmüde" undIst ganz Südwest-Afrika e i n blühendes deutsches Menschenleben wert", und dann erklärte er namens seiner Fraktion die Bewilligung der Kolonialforderungen! Und das stellt sich dann in Volksversammlungen hin und donnert mit einem Demagogen des gleichen Kalibers, dem Zentrumsmann Erzberger   um die Wette gegen die Unsinnigkeit der Kolonialpolitik! Die italienische Krise. Rom  , 18. Dezember.(Eig. Ber.) Mit 253 gegen 190 Stimmen hat die italienische Kammer dem Mnisterinm Fortis ihr Vertrauen bestätigt, um gleich darauf das von demselben Ministerium vorgeschlagene Zollabkommen mit 293 gegen 135 Stimmen zu verwerfen. Theoretisches Vertrauen und praktisches Mißtrauen haben sich in der sonntäglichen Abstimmung vom 17. auf das trefflichste vertragen, genau wie dies am 29. Juni geschah, als die Mehrheit die Eisenbahnliquidationen verwarf, aber dem Kabinett ihrVertrauen" aussprach. Wenn es nach dem Wunsche einiger Ministeriellen gegangen wäre, so hätte man auch diesmal aus der Verwerfung des Handelsabkommens keine poli- tischen Folgen abgeleitet, so hätte man unterschieden zwischen dem Vertrauen für das Ministerium und dem Mißtrauen für sein Tun und Fortis wäre weiter am Ruder geblieben. Dazu hat sich aber der Ministerpräsident doch nicht hergegeben. Er hat ohne Um- schweife erklärt, daß er auch für die Abstimmung über das Zoll- abkommen die Vertrauensfrage stelle und ist hier gründlich, aber auch ohne Verlogenheit unterlegen. Vom Kabinett Fortis kann man sagen, daß es gerade an dem zugrunde gegangen ist, was die Gewähr seiner Existenz zu sein schien: an seiner farblosen, programmlosen Mehrheit. Diese Mehr- heit war das Alleranspruchsloseste, was man sich denken kann. Sie verlangte kein Programm, keine Folgerichtigkeit sie beanspruchte nichts weiter als ministeriell sein zu dürfen. Und nun muß gerade das Kabinett Fortis auf ein Zollabkommen mit Spanien   verfallen, das seinen Bestgesinnten das Ministeriellsein unmöglich macht. Die ewig ministerielle Mehrheit sah sich nämlich in der bösen Situation: es entweder mit dem Ministerium oder mit ihren Wählern zu ver- derben. Vor diese Wahl gestellt, zogen die meisten es vor, das Ministerium zu opfern. Und so ist das vorläufige Zollabkommen mit Spanien  , das für dieses Land die Mcistbegünstigungsklausel anwendbar machte, durch die verweigerte Bestätigung des Parlaments annulliert worden. Die spanischen Waren unterliegen von heute an wieder den allgemeinen Tarifsätzen, was für die spanischen   Weine, um die es sich hier vor allem handelt, einen Zoll von 20 anstatt 12 Lire für den Hektoliter bedeutet. Ob wirklich der Minimaltarif von 12 Lire für die italienische Produktion verhängnisvoll werden konnte, darüber hat elbst die lange Diskussion keine Klarheit ergeben. Sicher ist, daß die blinde, jeder Argumentation unzugängliche Panik, die dieser Tarifauf den Märkten verbreitete, verhängnisvoll zu werden drohte. Mit Recht wies der Abgeordnete Nitti(radikal) darauf hin, daß diese Panik allein genüge, um eine Situation von un­geahntem Ernst heraufzubeschwören, da in allen Krisen das psychologische Element eine ausschlaggebende Rolle spielt. In dieser Hinsicht muß man sagen, daß die Nichtbestätigung des Zollabkommens eine Wohltat, ja vielmehr ein Akt der Selbst- erhaltung war. Das Abkommen ist einer Art Lynchjustiz zum Opfer gefallen. War es denn aber an all' den bösen Dingen schuldig, die man ihm vorwärf? Das bleibe hier unentschieden fest steht, daß nur sein Untergang die Gemüter wieder beruhigen konnte. In A p u l i e n, wo Tausende von Soldaten zum Aufrechterhalten der Ruhe zusammengezogen waren, hat man das Votum der Kammer mit ungeheurem Jubel aufgenommen. Wenn die Beängstigung in Apulien   dessen schwergeprüften Provinzen man eine gewisse Nervosität zugute halten muß durch die tatsächliche spanische Konkurrenzgefahr nicht in vollem Maße gerechtfertigt war, so ist für die grundlose Panik in erster Linie die unkluge Art der Veröffentlichung des Dekrets verantwortlich. Man hat sich gar nicht um die psychologische Verfassung der Leute ge- kümmert, sondern sie ruhig vor den Kopf gestoßen. Auch ist eine übergroße Empfindlichkeit Apulicns denr bloßen Gedanken einer Konkurrenz auf dem inneren Markte gegenüber erklärlich, einmal durch den Umstand, daß jetzt die ganze Produktion dieser Provinzen sich im Weinbau erschöpft und dann durch den kostspieligen Trans- port, dem die apulischen Weine unterliegen und der vielfach höher st als die Verfrachtung per Dampfer aus Spanien  . All diese Umstände und ihr psychologisches Korrelat konnten der Regierung nicht verborgen sein. Die sozialistische Fraktion hat durch ihren Redner, den Genossen A g n i n i, den die Intoleranz und Ungeduld der Kammer nicht zu Ende kommen ließ, folgende Tagesordnung vertreten: In Erwägung, daß das Zollabkommen sowohl wegen seiner heimlichen und dem Zeitpunkt nach scvlecht gewählten Stipulierung als auch, weil es nicht als eine Anbahnung einer den Interessen der Konsumenten Rechnung tragenden Zollpolitik gelten kann, die Billigung der Kammer nicht verdient; in Erwägung ferner, daß die allgemeine Politik des Ministeriums den wirtschaftlichen und moralischen Interessen des Landes verderblich ist: geht die Kammer zur Tagesordnung über." Selten ist wohl in einer Zollfrage die sonst stets den Sozialisten obliegende Vertretung des Interesses der Konsumenten o wenig berechtigt wie in dieser. Eine Verbilligung deS Weins (guter Tischwein kostet im Detailverkauf 40 50 Centesimi pro Liter) st sicher wenn überhaupt erst wünschenswert nach einer Ver- billigung des Brotes, des Zuckers und der übrigen Nahrungsmittel. Verbilligung des Weins allein würde, wenn auch die Landleute einiger Landstriche dabei gewsinnen, im allgemeiiten nur zu einer Vermehrung der Delinquenz führen. Was die Aussicht über den Ausgang der Krise betrifft, so läßt folgendes darüber sagen: Der neue Kabinettschef muß, wie man sich hier ausdrückt, im Rahmen der jetzigen Mehrheit gewählt werden, d. h. er mutz ein Liberaler a la Fortis und Giolitti sein. Das Vertrauensvotum als Sterbesakrament schließt es aus, daß der König einen Oppositionellen, etiva Sonnino, mit der Kabinettsbildung betraut. Am nächsten liegt es, Forsts selbst wieder zu berufen, aber dieser, wenig kampflustig und ohne Ehrgeiz, scheint keine Neigung zu haben, sein Epikuräerdasein durch Regierungssorgen weiter zu der« kümmern. Sonst spricht man von Giolitti, Villa und sogar von Marcora, dem radikalen Fraktionschef, der sich, seit er Kammerpräsident ist, neue und herzliche Antipathien erworben hat. Es wäre leichtfinnig, heute eine andere Prophezeiung zu wagen als die, daß die Krise lang und schwierig und ihr Endergebnis ein Mischmasch sein wird ähnlich dem soeben verendeten Kabinett. Für die Sozialisten hat die Frage der ministeriellen Nachfolge nur ein recht beschränktes Interesse. » veurlckes Reich. Kolonialer Systcmwechsel? Eine Berliner   Korrespondenz weiß, wie wir demBerliner Tageblatt" entnehmen, allerhand über einenkolonialen System« Wechsel" zu erzählen. Man beabsichtige künftig nach englischem Vorbild die Kolonisation zu betreiben, deshalb habe man auch Herrn v. Liiidequist nach Südwestaftika entsandt. Dadurch werde auch künftig verhindert werden, daß Männer ohne die entsprechenden Kenntnisse und Eigenschaften in den Kolonien verwendet würden, wie das bisher einegünstige Vcrivandtschaftliche Konjunktur nur zu oft ermöglicht habe. Das klingt einstweilen nicht allzu wahrscheinlich. Der neue Kolonialsekretär, Prinz Hohenlohe- Langenburg  . ist doch gerade alles andere, nur kein Kolonialkenner. Zudem hat doch gerade auch er seinen Posten einergünsttgen verwandt- schaftlichen Konjunktur" zu danken! Ferner erzählt die Korrespondenz, der Kaiser selbst hat in letzter Zeit ein ganz besonderes Interesse ftir unseren Kolonialbesitz, seine Entwickelung und seine Zukunft bekundet. Der Kaiser hat sich genau über alle hier in Betracht konimenden Fragen unterrichten lassen, sowohl durch zahlreiche Vorträge wie durch persönliches Studium des betreffenden Materials. Und er hat dabei eigenen Aussprüchen nach die Einsicht getoonnen, daß es immernoch an der genügenden Anzahl von Männern fehle, die geeignet wären, einen engeren Anschluß unserer nicht-europäischen Dependenzen au das deutsche Mutterland herbeizuführen. Er habe ferner dem festen Willen Ausdruck gegeben, daß in Zukunft nicht nur die horrenden Geldausgaben vermieden werden müßten, die die letzten Aufstände verursacht haben und noch verursachen werden, sondern vor allem auch, daß nicht wieder so viel deutsches Blut in Kämpfen eingesetzt werden dürfe. Wenn der langen Rede kurzer lsinn der sein soll, daß unsere Kolonialpolitik künfstg voraussichtlicb sparsamer wirtschaften werde, so fehlt uns für eine solche Botschaft jeder Glaube! Auch dasenglische System" der Kolonialpolitik erfordert riesige Opfer. Der Wille zur Sparsamkeit mag zehnmal vorhanden sein, allein die Dinge sind stärker als der gute Wille. Wer kapitalistische Kolonial- Politik treiben will, muß auch koloniale Ausbeutnngspolitik treiben, die Eingeborenenaufftände hervorruft, deren Niederwerfung dann Unsummen verschlingt. Will man solche Opfer nicht bringen, so muß man schon auf die Kolonialpolitik überhaupt ver» zichtenl'_ Die CcntrumS-Agrarier gegen die Erbschaftssteuer. In Kempen  fand dieser Tage eine Versaminlung des rheinischen Bauernvereins statt, in der Freiherr v. Los die Erbschaftssteuer in jeder Form verwarf. Der dem C e n t r u m angehörende Freiherr brachte die bekannten Gründe der agrarkapitalistischen Steuerdrückeberger gegen die Erbschaftssteuer vor, namentlich betonte auch er wiederum das famose Argument, daß die Landwirtschast sich deshalb gegen die Erbschaftssteuer wenden müsse, weil diese Steuerreform den Grund- besitzern weniger Chancen zur Steuermogelei biete, als dem mobilen Kapital. Die Versammlung nahm schließlich folgende Resolutton an: Die zu Kempen   tagende Kreisversammlung deS rheinischen Bauernvereins protestiett energisch gegen die Einführung von Erbschaftssteuern, welche die Erbanfälle zwischen Aszendenten, Deszendenteu und Ehegatten zur Steuer heranziehen. Bei der Besteuerung der sonstigen Erbanfälle ist zu fordern, daß den Erben landwirtschaft- lich genutzter Grundstücke für die Entrichtung der Erbschaftssteuer eine ausgedehnte Ratenzahlung gewährt wird und daß ferner der Besteuerung nicht der gemeine Berkaufswert, sondern der Ertragswert zu Grunde gelegt wird." DieDeutsche Tages-Zeitung" erwartet, daß das Zentrum an dieser Kundgebung der Zentrums-Agrarier, die ja seine festeste Stütze bildeten, nicht achtlos vorübergehen könne. Das Zentrum wird wohl auch in der Kommission rechtzeittg umfallen. Desto mehr wäre es an der Zeit, daß die Zentrums-Arbeiter sich energisch rührten!_ Nichts abtrotzen lassen!" Den obigen scharfmacherischen Rat gibt dieDeutsche Tages-Ztg" der sächsischen Regierung. Nachdem sie einen Erguß des verrufenen Hetzblattes, derLeipziger Neueste Nachr.". abgedruckt hat, in dem die sächsische Regierung bestürmt wird, jede Schwäche zu vernteiden" undder Gewalt mit der Ge- Walt zu begegnen", fügt sie hinzu: Wir sind überzeugt, daß die sächsische Regierung nach wie vor dieses einzig wirksameGegengift" anivcnden werde. Sie muß aber auch den Schein vermeiden, als ob sie sich von den Straßendemonstranten irgendwie treiben oder einschüchtern lasse. Je unzweideutiger sie ihre feste Entschlossenheit bekundet, um so ungefährlicher werden die Versuche, die Agitatioit auf die Straße zu tragen! Daß dazu Nerven ge- hören, ist richtig; aber diese Nerven trauen wir den maß- gebenden Männer in Sachsen   zu, nicht nur dem Träger der Krone, nicht nur dem leitenden Minister, sondern auch seinen Amtsgenossen, insbesondere dem Finanzminister Dr. R ii g e r, der sich um Sachsen   in den letzten Jahren so ausgezeichnete Verdien st e erworben hat. Wir haben uickits dagegen einztiwenden, daß man seiner Zeit �wieder einen Versuch macht, das Wahlrecht zu reformieren, b e- zweifeln aber st ark, ob dieser Versuch gelingen werde.... Wogegen wir uns aber aufs entschiedenste wenden müssen und wovor wir aufs dringendste warnen, das ist eine nicht in der Sache liegen deBeschleunigung der Angelegenheit, die als ein T r i u m p h der G a s s e, der Masse und der Hetze aufgefaßt werden könnte und nur als solckier wirken wirken müßte." Wir trauen der sächsischen Regierung trotz alldem noch so ge- sunde Nerven zu, daß sie das Gegenteil von dem tun wird, was der Leipziger   und Berliner   Scharimacherklüngel empfiehlt. Wir geben diese Hetzstimmen nur wieder, um dem Proletariat ztt zeigen, welch' bodenlose Unverschämtheiten sich die Brotwucherer und Steuer- drückebergcr gegen die arbeitende Klasse herauszunehmen wagen. Wenn die Herren Landbündler in Berlin   zusanmtentommen. um ihre sektgespülten Kehlen heiser zuschreien", wenn sie im Zirkus Busch an die nicht ganz willfährigen Regierungsvertreter die stallduftende Ausforderung ergehen lassen,die Minister könnten ihnen sonst was", so betrachten sie es als ganz selbstverständlich, �daß die Regierung ihnen unigehend das beim Besuch der Amor-Säle erleichterte Portemonnaie durch Liebesgaben und Stenerschröpsungen der frondendcn Massen füllt. Wenn aber die schmählich eut- rechtete Arbeiterklasse die Gewährung der elementarsten Bürgerrechte fordert, so soll sich die Regierungnichts abtrotzen lassen" und lieber eittinal mit den blauen Bohnen da» zwischen Pfeffern!_ Altenburger StaatswciShcit. Im Landtag des Sachsen-Altenbtirger Landes kam eS vor­gestern zu einer hochkomischen Szene. ES kam die vom Genossen Horn-Kahla eingebrachte Interpellation zur Beantwortung:Welche Gründe sind der Regierung maßgebend gewesen, dein Wirte der