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Kr. 49. 23. Jahrgang. 2, KilM des Jarmarts" Knlim JuIWInlt Miwsch, 28. lehn« 1906. Verbandstag der Hafenarbeiter. Stettin . 26. Februar. Im ,, Westender GesellschaftShaus" zu Stettin trat am Montag- vormittag die 9. Generalversammlung des HafenarbeiterverbandcS Dusammen. Kurz nach 9 Uhr eröffnete der Verbandsborsitzende I. D ö r i n g- Hamburg den Kongreß. Lenz-Stettin hieß die Delegierten herzlich willkommen. Die weiteren Begrüßungsansprachen hielten namens der Or- xanisation ihr Borsihcnder Döring- Hamburg, der ReichstagZ- abgeordnete für Stettin Genosse Herbert und Pupar- Stettin namens des Stettiner GewerkschartskartellS. Hierauf konstituierte sich der Vcrbandstag. Cr wählte zu Vorsitzenden Döring- Hamburg und N e u m a n n- Stettin. Zum ersten Punkt der Tagesordnung: Bericht des Borstandes für 1994 und 1995 liegt ein umfangreicher gedruckter Bericht vor. den der Referent Döring in längeren Ausführungen ergänzt. Danach ergibt sich folgendes Bild für die verflossene Geschäftsperiode: Die allgc- meine Geschäftslage war in der Berichtszcit trotz des russisch - japanischen Krieges durchaus günstig. Die Bildung von Reederei. Vereinigungen, die vor 4 Jahren mit demSchutzverband deutscher Reeder" erst begann, hat seitdem rasche Fortschritte gemacht und sich immer ausgesprochener und schärfer gegen die Arbeiterorgani- sationen gerichtet. Erst kurz vor Jahresschluß hat sich in Hamburg ein neuesReeder-Syndikat" gebildet, angeblich zum Kampf gegen die Kosmoslinie in Bremen . Wahrscheinlich aber werden die Ecneraldirektorrn der beiden kämpfenden Gesellschaften, ein weißer und ein schwarzer Jude(Große Heiterkeit) sich bald zur gemein- samen Schröpfung des Publikums und der Arbeiter vereinigen. (Sehr wahrl) Die vom vorigen Verbandstag beschlossenen Erhebungen dcr Organisation über die Lohnvcrhältnisse. die Unfall- Häufigkeit und die Unfallursachcn sind zun, größten Teil abge- schlössen, doch noch nicht bearbeitet, da dazu die Kräfte mangelten; die Resultate sollen erst demAllgemeinen Schutzkon- greß der im Schiffsbau und in der Schiffahrt tätigen Personen" vorgelegt werden. Mi� den meisten anderen modernen Arbeiterorganisationen, mit 24 Zentralverbändcn, ist ein G e g e n s e i t i g k e i t s v e r- hältnis abgeschlossen worden, wonach der Uebertritt frei steht und die in einer Organisation bezahlten Beiträge in der anderen angerechnet werden. Ein engeres Kartellverhältnis ist mit den Zentralverbänden der Eisenbahner, Maschinisten und Heizer. Seeleute, Hafenarbeiter, Handels-, Transport- und Ver- kchrSarbeitcr geschaffen worden und von den Generalversamm- lungcn der übrigen Verbände bereits genehmigt. Alle diese Verbände werden auch auf dem Schutzkongreß vertreten sein, der voraussichtlich überaus stark beschickt, in Berlin vom 49. bis 21. März stattfinden wird. Auch die Holzarbeiter, Metallarbeiter und Schiffszimmerer haben ihre Beteiligung zu- gesagt. Vom Hafcnarbeiterverband werden sämtliche Gauleiter, ferner zwei Delegierte aus Hamburg und einer aus Stettin dazu entsandt werden. Die Grenzstreitigkeiten haben sich seit dem Abschluß der Gegenseitigkeitsverträge sehr vermindert und find fast ohne Ausnahme durch die Zentralvorstände beigelegt worden. Die internationale Organisation der Arbeiter reicht an die der Unternehmer bei weitem noch nicht heran. Immerhin ist die Internationale Transport- arbeitcr Föderation, seitdem auf dem letzten Kongreß in Amsterdam das Sekretariat von London nach Hamburg verlegt ivurde, bedeutend stärker und fester geworden, trotz des Rücktritts der Engländer vom Verbände. Die Mitgliederzahl der Föderation hat jetzt 499 999 erreicht. Die Agitation des Verbandes ist durch die Anstellung besoldeter Gauleiter und häufigere Ein- bcrufung von Gaukonferenzen sehr gefördert worden. Die Agi- tationskommissionen hingegen haben im allgemeinen versagt. Leider ist trotz der Einführung der Krankcnunterstützung die I l u k t u a- t i o n sehr groß. Die Zahl der Neueingetrctenen in den beiden Berichtsjahren 17 848 ist größer als die Mitglicderzahl des Verbandes überhaupt. Von den Neueingetretenen sind 16 366 oder mehr als 99 Proz. wieder verloren gegangen. Die Mit- gliederzahl des Verbandes ist demnach von 16 481 auf 17 716, gemessen in vollen Jahresbeiträgen, angewachsen. Berücksichtigt man die Erfahrungstatsache, daß ungeheuer viel� Mitglieder mit ihren Beiträgen rückständig find, so dürfte die wirkliche Mit- gliederzahl 21259 betragen oder 1482 mehr als am Schluß der letzten Geschäftsperiode(1993). Die Zahl der Streiks ebenso wie die der Lohnbewe- g u n g c n, die infolge der gestiegenen Kraft der Organisation und der guten Konjunktur ohne Streik erledigt wurden, ist gegen- über der vorigen Berichtsperiode bedeutend gestiegen. Augenblicklich liegen dem Vorstande nicht weniger als 23 Anträge auf Einleitung neuer Lohnbewegungen vor.(Heiterkeit und Hörtl hört!) Die zahlreichen Streiks in der Berichtsperiode haben dem Verband 221 745,19 Mk. gekostet und die Kasse sehr geschwächt. Zum besseren Ausbau der inneren Verwaltung hält der Vorstand die Anstellung zweier neuer Beamten für unbedingt notwendig. Ich bitte Sie, an dem Berichte des Vorstandes und an feiner Tätigkeit scharfe Kritik zu üben, aber doch in solchen Formen. daß der Verband Nutzen von der Diskussion hat.(Lebhafter Beifall.) Ten Bericht der MandatsprüfngSkommission erstattete Rock sie»-Hamburg. Anwesend sind 31 Delegierte, vier Gauvorsteher ohne Mandat, drei Mitglieder des Hauptvor- staiwes, ein Mitglied des Ausschusses, eines der Revisionskommission und eines der Redaktion. Die G c ne r a l kom m, sis i o n der Gc- wcrkschaften Teutschlands vertrstt Robert Schmidt. Berlm. den Transportarbeiterverband O. Schumann-Berlin , den See- mannsverband Müller-Hamburg und L ü n s e r- Stettin, die Internationale Transportarbeitersöoerption Jochade- Hamburg. ES folgt der Kassenbericht, den der Kassierer Treitm an n.Hamburg erstattet. Die Aus- gaben haben 1994 297 999 M., 1095 369 999 M. betragen und da- mit die Einnahmen um insgesamt 42 999 M. überstiegen. Der Kassenbestand ist infolgedessen von 39 999 M. auf 38 999 Ml zurück­gegangen. In den Lokalkasien ist hingegen das Vermögen um etwa 2999 M. gewachsen. Die Ausgaben verteilen sich folgendermaßen: Für Streiks und Aussperrungen 213 923 Ml, für Krankengeld 64 133 M.(besteht erst seit 1. Okwber 1994; 1995 erforderte das Krankengeld über 53 909 M.), für Sterbegeld 18 890 M.. für Ge- maßregelten und sonstige Notunitersiützung 11 912 M., für Rechts­schutz und Gcrichtskosten 6627 M. Für die Lohnkämpfe anderer Organisationen wurden 7929 M. verausgabt, darunter 3999 M für die Bergarbeiter und 1626 in Bezeugung der internationalen Soli- darität. Für Verbandstage und Konferenzen wurden 7569 M. aus- gegeben. Bon Stettin ist der Antrag gestellt, die Kosten hierfür ein- zuschränkcn, da der Nutzen nicht entsprechend groß sei; doch ist der Vorstand der entgegengesetzten Ansicht. Die Einrichtung der Kranlenunterstützung, die der vorjährige.Verbandstag beschlossen hatte, war dem Vorstande überlassen worden. Er hat sich bemüht, die Sache möglichst zu vereinfachen. Nach der Mttagspause wird beschlossen, mit G. Hähncl-Ham- bürg als Referenten das Prämienlohnsystem als besonderen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, um von vornherein gegen den. Plan seiner etwaigen Einführung bei der Hamburg -Anierika- nischen Packetfahrtgcfellschaft zu protestieren. Für die R e v i s i o n s- k o m m i s s i o n beantragt W i I l-Hamburg Entlastung für den Hguptkassterer. Für den Ausschuß berichtet Needel- Stettin über Beschwerden gegen die Einteilung der Wahlkreise zur General- Versammlung und über Verletzungen der Karenzzeit. Es wird in die Debatte über den Borstandsbericht eingetreten. Decker-Magdeburg: Der Verein zur Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt hat in einer Eingabe an den Grafen Posadowsky be- hauptet, für Ruhezeiten und Sonntagsruhe der Binnenschiffer brauchte nicht gesorgt zu werden, da. sobald die Anker gefallen, die Mannschaft an Land gehe, und erst wieder an Bord zu sein brauche, wenn die Fahrt fortgesetzt werden solle. Da hat der Unternehmer- verein entweder wissentlich oder unwissentlich falsche Tatsachen be- hauptet. Mit dem Zusammenschluß der großen Schifsahrtsgesell- schaftcn auf der Elbe war das sogenanntepatriarchalische Ver- hältnis" zwischen Schiffern und SchiffSherren vorbei, zumal die Ausbeutung sofort viel intensiver wurde. In allen Dienstverträgen derDrcibund-Gcsellschaften" so nennt man bei uns die ver- einigte deutsch -österreichische Gesellschaft, die Gesellschaft Kette und die Gesellschaft der Elbe - und Saaleschiffer, die gemeinsam das Szepter auf der Elbe führen ist den Schiffernunbedingter Gehorsam" vorgeschrieben. Von Mai bis September dürfen sie überhaupt nicht kündigen Bei der böhmisch-sächsischen Schiffahrts- gesellschaft heißt es sogar rm Dienstvertrag:Jeder Grnß hat mili- tärisch und Vorgesetzten gegenüber in st rammer Haltung zu erfolgen."(Stürmische Heiterkeit.) 16 Paragraphen handeln von unseren Pflichten, der 17. allein bestimmt unser Recht: Jeder Arbeiter hat auf anständige Behandlung Anspruch und kann wirklich begründete Beschwerden beim Verwaltungsrat vorbringen." (Heiterkeit.) Doch dürfen sich nie mehr als drei Arbeiter gleichzeitig beschweren. Unter diesen empörenden Zuständen arbeiteten wir einen Tarif aus; an der Elbe wurde er wenigstens teilweise ohne Kampf bewilligt. In Berlin wurde unter der Losung: Gegen densozial- demokratischen" Hafcnarbcitervcrbandl alles abgelehnt. Ter Streik war sehr erschwert dadurch, daß ein Teil der Berliner Schiffe in Lübeck , Hamburg oder Stettin lag. Infolge ständiger telephonischer Verbindung wurde trotzdem die Bewegung einheitlich durchgeführt und die Anerkennung des Tarifcs erzwungen. Jni nächsten Jahre wollen wir eine solche Regelung der Arbeitszeit durchsetzen, daß wir, sobald der Hafen erreicht ist, nur von 6 6 Uhr arbeiten Um das zu erzwingen, bedürfen wir aber auch Eure Unterstützung, die der Hafenarbeiter.(Lebhafter Beifall.) Modenmcit-Breslau schildert als Bezirksleiter für das Odergebiet die Lage der dorttgen Binnenschiffer. Daß diese die Sonntagsruhe trotz der Erhebungen nicht erhalten würden, hätten in Oberschlesien schon die Pfaffen gesagt. C l e m e n s-Duisburg(Bczirksleiter) entschuldigt den wilden Streik in Duisburg . Zwar sei er verloren gegangen, aber nachher hätten die Unternehmer doch vieles vom Tarife bewilligt. Außer- dem habe die plötzlich eintretende günstige Konjunktur sofortiges Handeln notwendig gemacht. Es sei doch unerträglich, daß die Getreidearbeiter z. B. noch nicht 35 Pf. pro Stunde verdienten. Von Emmerich bis Bingen feien 48 Häfen mtt 29 990 Hafen- arbettern, ein weites Arbeitsfeld, auf dem der Verband noch fast alles zu leisten habe. Nachdem noch eine Reihe weiterer Redner meist für das HauS- kassiercrsystem und für vermehrte Anstellung von Beamten ge- sprochen, einzelne dagegen zur Vorsicht bezüglich neuer Anstellungen gemahnt hatten, wird die Fortsetzung der Debatte auf morgen vertagt. Serickts-�eitung. Mordprozeß SchellhaaS. In dem Mordprozeß gegen dieEheleuteSchellhaaS wurde gestern die Verhandlung fortgesetzt. Die Angeklagte SchellhaaS hat sich soweit erholt, daß sie der Verhandlung folgen kann. Der Staatsanwalt führt aus, die Angeklagten sind des Raubes und Mordes an dem Rentter Heinrich Cramm schuldig. Bei den Angeklagten wohnte er bis März 1994. Seit der Zeit ist er verschwunden. Seine Wertpapiere im Werte von 83 999 M. und alles übrige Vermögen hat sich im Besitz der Angeklagten vorgefunden. Cramm, dessen Leichnam nicht aufgefunden ist, ist verschwunden, als sich das Dienstmädchen auf Urlaub befand, zu dem es von den Angeklagten gedrängt wurde. Bei den Angeklagten ist eine große Menge Cyankali vorgefunden. Die Angeklagten behaupten, sie hätten dies zur Farbenmischung gebraucht; das ist, wie die Sachverständigen begutachtet haben, Unsinn. Der alte Cramm ist mit Cyankali vergiftet. Hernach haben die Angeklagten die Leiche ver« brannt, nur so läßt sich wenigstens der auffallende Geruch und Rauch, der von vielen Zeugen bekundet ist. erklären. Die An- geklagten haben den Leichnam mtt dem Tranchiermesser und einem mzwlschen verschwundenen Beil zerstückelt und in der Feuerungs- anlage die Teile verbrannt. Das Schuldbewußtsein der Angeklagten ergibt sich ja auch aus den Bekundungen des DlenstmädchenS, dem sie einzureden suchten, sie solle aussagen, Cramm habe Geld gegeben usw. Der Angeklagte Marder ist der Urkundenfälschung und Hehlerei schuldig. Denn er hat gewußt, daß die Wertpapiere auf unehrliche Weise erworben sind, hat sie aber dennoch in gewinn- süchttger Absicht weiter gegeben und hierbei die Urkundenfälschung begangen. Für ihn ttttt der Staatsanwalt für die Zubilligung mildernder Umstände ein. Der Verteidiger Justizrat Bern st ein plaidiert für Freisprechung. Noch nicht mal erwiesen sei, daß der Rentter Cramm tot sei. Das ganze Gebäude der Anklage stütze sich auf allerlei Möglichkeiten, auf die hin man nicht zwei Menschen zum Tode verurteilen könne. Auch die Rechtsanwälte Dr. Dreifuß und Dr. v. P an n w i tz treten für Freisprechung der Angeklagten ein. Die Aerzte erklären, daß Frau Schellhaas nicht mehr verhandlungsfähig ist, sondern der Ruhe bedürfe. Die Verhandlung muß deshalb abgebrochen und auf morgen 9 Uhr ver- tagt werden._ Ungültige Beschränkung der Orchrstrionmusik. Eine Kreispolizei- Verordnung des Landrates zu Saarbrücken vom 2. Januar 1995 ve- faßt sich eingehend mit den in Gastwirtschaften auf- e st eilten mechanischen Musikinstrumenten. Der 3 der Verordnung enthält die weitgehende Bestimmung, daß der letrieb dieser Musikinstrumente(Orcheftrions und dergleichen) tag- l i ch in den Wirtschaften nicht vor 3 Uhr nachmittags beginnen darf und spätestens um 9 Uhr abends beendet sein muß. Der Gastwirt KavaleS, der diese Borschrist hinsichtlich seines Orcheftrions nicht be- achtet hatte, wurde in zweiter Instanz vom Landgericht Saarbrücken zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht stimmte dem Einwände des Angeklagten, daß die Verordnung ungülttg fei, nicht bei. Sie fei gültig, weil sie sich in den Grenzen halte, welche ß 19 II 17 Allgemeinen Landrechts und ß 6 des Polizeiverwaltungsgesetzes dem polizeilichen Verordnungsrecht ziehe. Als Rechtsstütze komme in Betracht§ 60 des letzteren Gesetzes, wo- nach Wein-, Bier- und Kaffeewirtschaften der polizeilichen Regelung unterliegen, sowie§ 6d, der der polizeilichen Regelung die Ordnung und Gesetzlichkeit beim öffentlichen Zusammensein elner größeren Anzahl von Personen unterwerfe. Zum Wirtschaftsbetriebe gehöre die Ausstellung der darin verwendeten mechanischen Musilinstrumente und Schankwirtschaften seien öffentliche Orte. Das Kammergericht gab dieser Tage der hiergegen vom Angeklagten eingelegten Revision statt, hob die Vorentscheidung auf und sprach den Angeklagten frei. Begründend wurde ausgeführt: Die Verordnung sei u n g ü l t.i g. Bei allen Polizeiverordnungen, die auf§ 6a bis 61(mit Ausnahme von 6d) begründet feien, lväre nottvendig, daß es sich im Sinne von Z 19 II 17 Allgemeinen Land­rechts darum handele, die Ordnung aufrecht zu erhalten und einer dem Publikum drohenden Gefahr entgegenzutreten. Das dies hier die Absicht gewesen sei, könne nicht angenommen werden. Das Kammergericht gehe im allgemeinen davon aus, daß Störungen durch Geräusche im § 369 Nr. 11 des Reichs-Sttafgesetzbuches erschöpfend behandelt seien. indem dort bestimmt wird, daß sich strafbar mache, wer ungebühr­licherweise nihestörenden Lärm erregt. Andererseits könne, wenn jemand nur b e l ä st i g t werde, noch nicht von einer dem Publikum drohenden Gefahr gesprochen werden. Der ganze Inhalt der vor- liegenden Polizeiverordrarng lasse erkennen, daß man nur gegen das von den Orcheftrions usw. ausgehende Geräusch anlämpfen wolle. Im Wege einer Polizeiverordnnng gehe das aber nicht. Eine nächtliche Schießaffäre lag einer Anklage wegen Bedrohung. Hausstiedensbruchs und Schießens in der Nähe bewohnter Gebäude zugrunde, welche den Maurer E r n st B u tz k e vor die zweite Straf- kammer des Landgerichts II führte. In der Scharnweberfttaße zu Friedrichshagen betrieben die Drägerschen Eheleute seit längerer Zeit ein Materialwarengeschäft. In der Nacht zum 39. Juni v. I. wurden sie durch ein wütendes Bellen des Hofhunden wach. Sie erblickten auf dem Hof einen Mann mit einer Flinte, der auf die Fenster ihres Schlafzimmers anlegte. Kaum war>... sie vom Fenster zurückgetreten, als ein Schuß durch die nächtliche Stille krachte, der sämtliche Hofhunde in der nächiteir Umgebung in Austuhr brachte. Die Kugel größeren Kalibers hatw die Jalousie durchbohrt und war durch die Fenster in das Zimmer eingedrungen, ohne glücklicherweise jemand zu treffen. Am nächsten Morgen wurden sofort Ermittelungen nach dem nächtlichen Schieß- bald angestellt, die auf den Angeklagten Butzke hinwiesen," der früher bei den D.ffchen Eheleuten gewohnt hatte und im Unfrieden von diesen geschieden war. Der Gendarm Kon- stabel nahm in der Wohnung des B. eine Haussuchung vor, bei welcher ein Gewehr beschlagnahmt wurde. Der Hofbüchsenmacher B a r e l l a stellte fest, daß die in jener Nacht ab- geschaffene Kugel au« dem Gewehr des Angeklagten stammte, welches auch noch stischen Pulverschleim enthielt. Auf Grund eines umfang- reichen Indizienbeweises verurteilte das Schöffengericht in Köpenick den Angeklagten zu drei Monaten Gefängnis, indem es an­nahm, daß es sich um einen Stacheakt gegen das Drägersche Ehepaar handelte. Die Strafkammer verwarf die Berufung des An- geklagten unter Bestätigung des ersten Urteils. Ein nettes Dreieck. Eigenartige Auffassungen belebten eine Ehebruchstragödic, die in den letzten Tagen durch eine Verhandlung vor dem Nürnberger Landgericht ihren würdigen Abschluß fand. Vor dem Gerichtstischc stand der 39 Jahre alte verheiratete Hopfen- arbeitcr B. S. und hatte sich wegen eines tätlichen Angriffes gegen seinen Logisherrn, den 24 Jahre alten lcdigen Bahnarbeiter V. E. zu verantworten. Vors.: Also Sie fühlen sich un« schuldig, obwohl Sie in der Hand ein Beil hatten und schrien: Wenn Du bis heute abend nicht aus dem Hause bist, dann schlage ich Dich totl"? Angell.: Gewiß l Ich war in einer der- artigen Aufregung, daß ich nicht mehr wußte, was ich tat. Vors.: Sie hatten damals auch sehr stark getrunken? An­geklagter: Ja, drei Glas Bier und für 5 9 Pf. Schnaps. Vors.: Sie gingen auch mit dem Plane um. die beiden zu er- morden? Singe IL(erregt): Nein, ich wollte ihnen nur Furcht einjagen. Vors.: Hatten Sie übcrhaupt�Bcwcise, die Ihnen erlaubten, so tatkräftig vorzugehen? Waren Sie nicht auch in dieser Nacht betrunken, als Sie den Zeugen im Bette Ihrer Ehefrau fanden? Erzählen Sie doch Näheres davon. An­geklagter: Ich kam an diesem Abend betrunken nach Hause. legte mich bei dem Auskleiden auf den Diwan und schlief ein. AIS ich aufwachte, es war gegen%2 Uhr früh, ging ich in das Schlaf- zimmer und fand dort den Logisherrn bei meiner Frau im Bette. Vors.: Hat dieser auch geschlafen? A n g e k l.: Ja, ich mußte ihn erst wecken. Vors.: Nun, womit erklärte er seine schwierige Situation? A n g e k l.(heiter): Er wäre eben- falls betrunken gewesen und seiaus Versehen" in das Zimmer gekommen. Vors.(lächelnd): Und auch in das Bett zu Ihrer Ehefrau? Sing eil.(ganz harmlos): Gewiß! Vors.: Haben Sie ihm das geglaubt? Sin gell,(heiter): Warum nicht? Das Publikum amüsiert sich großartig. Auch am Richter- tische erweckt diese Naivität große Heiterkeit. Vors.: Nun. Sie haben sich auch bald wieder versöhnt? An gell.: Ja, bei einem Glase Schnaps. Vor s.: Der Argwohn scheint Sie aber doch erfaßt zu haben, sonst wären Sie nicht zu dieser Straftat ge- kommen. Angekl.: Ja. als ich am nächsten Tag darüber nach- dachte! Vors.: Sie haben sich auch mit Ihrer Ehefrau wieder versöhnt? Angekl.: Ja, wegen den Kindern. Nun wird der famose LogiSherr vernommen, welcher hoch beteuert, mit der Ehe- frau seines Hausherrn unlautere Beziehungen nicht unterhalten zu haben. Er wäre tatsächlichaus Versehen" in das Zimmer ge- kommen! Vors.: Dieses Märchen können Sie einem anderen aufbinden, ich glaube es Ihnen nicht! Zeuge: Jal Vors.: ?ctzt sind Sie aber wieder gut Freund mit ihm? Zeuge schmunzelnd): Ja, Herr Richterl Daraufhin erklärt der Vor- sitzende die Beweisaufnahme für geschlossen und das Gericht zieht sich zu der Beratung des Urteils zurück. Nach wenigen Minuten wird dieses verkündet; es lautet auf eine Geldstrafe von 3 M. ev. 1 Tag Gefängnis. Unter großer Heiterkeit des Publikums verläßt der Angeklagte anscheinend ganz zufrieden den Saal. Enlassiingsgründe für kaufmännische Angestellte. Am Montag gelangten vor dem hiesigen KaufmannSgericht mehrere für die Frage der Entlasfungsgründe kaufmännischer Angestellter interessante Prozesse zur Verhandlung. Im ersten Falle klagte die Verkäuferin Grete M. gegen den Kaufmann M. wegen 55 M. rückständigen Gehalts. Sie hatte im Laufe des Winters ständig über schlechte Heizung des Geschästslokals zu klagen. Als an einem Januartage wieder die Kälte unerträglich war der Gasofen war bei 10 Grad Kälte ungeheizt beklagte sie sich darüber bei der Schwägerin des Geschäftsinhabers und fügte hinzu, sie sei schon ganz krank davon geworden. Als Antwort bekam sie darauf zu hören:Ach was, wer weiß, wovon Sie krank geworden sind, lvir wissen schon Bescheid." Das Kauf- mannSgericht entschied, daß die Klägerin berechtigt war, nach dieser ehrenrührigen Aeußerung sofort den Dienst zu verlasse» und sprach ihr die geforderte Rest summe zu. Im zweiten Falle klagte der Verkäufer I. gegen die Firma MichelS u. Co. wegen 239 M. Restgehalt. Er war sofort entlassen worden, weil er einem Einkäufer, der ihn lvcgen schlechter Bedienung zur Rede stellte, ein Stück Ware kräftig um die Ohren schlug. I. bemühte sich, nachzuweisen, daß der Geschlagene aar nicht sein Vor- gesetzter war. das Kausmannsgericht entschied indessen, daß eS in diesem Falle gleichgültig sei. ob der Herr sein Vorgesetzter war oder nicht, die Tatsache, daß sich ein Angestellter in einem feineren Detailgeschäft in Gegenwart von Kunden so benehme, berechtige den Chef zu sofortiger Entlassung. Der Kläger wurde demgemäß ab« g e w i e s e n. Schließlich trat noch die Firma P. Raddatz u. Co. als Klägerin auf. Sie verlangte von ihrem früheren EmpfangSherrn P. 260 M. Vorschuß zurück. Der Beklagte P. machte geltend, daß er, nachdem er neun Jahre im Hause treue Dienste geleistet, von dein erst kürzlich neu in die Firma eingetretenen Chef. Herrn Ritter, in der unerhörtesten Weise schikaniert worden sei. Im De- einher habe er drei Nächte hinte*r einander iS 12 Uhr gearbeitet, sich durch das ewiae Tür- öffnen ein rheumatisches Leiden zugezogen, und als ihm ver neue Chef, nachdem er ttotz der Nachtarbeit pünktlich morgen» zur Stelle war, doch wieder mit allen möglichen Ausstellungen und Schikanen das Leben schwer machte, da habe er es nicht mehr aus« halten können, und er sei in nervöser Ueberreiztheit nach Hause gc- gangen. Wenige Stunden später traf ein Schreiben ein, demzufolge er sich als sofort entlassen betrachten könne. Das