Nr. ö�. 23. I KtilliP iltS Joriüirts" Knlim WsdlM Sonnabend, t7. Marz lWK. R.eicksrag. -arz. 67. Sitzung vom Freitag, den 16. nachmittags 1 Uhr. Am Bund-SraiStische: Prinz Hohenlohe. Der fünfte Nachtragsetat zum ReichShauShalt wird in dritter Lesung ohne Beratung angenommen. Hierauf wird die Debatte über den dritten Nachtrags- ctat für d i e S ch utzgebie te(Deutfch-Ostafrila) fort- gesetzt. Abg. Schräder(fr. Vg.) bemerkt gegenüber dem Abg. Dr. Spahn. daß das Recht, Beamten zu ernennen bezw. zu pensionieren, kein persönliches Recht des Monarchen ist, sondern ein politisches, und daß es daher der Kontrolle durch den Reichstag untersteht. Wenn der Abg. Ledcbour über die Brutalisieruug und Bcstialisierung der Europäer in den englischen und holländischen Kolonien geklagt hat, so hat er für die Vergangenheit zweifellos recht. Heute aber. wo der Nachrichtendienst so gut funktioniert, können Ausschreitungen immer nur vereinzelt vorkommen, da sofort von hier aus Remedur geschaffen werden kann. Wir erfahren jeyt sehr bald alles, was in den Kolonien passiert, sehr oft auch etwas, waS n i ch t passiert ist. (Heiterkeit und Sehr richtig I) Große Fehler sind gemacht worden. aber wir wollen die Vergangenheit vergangen sein lassen und wollen hoffen, daß wir in der neuen Zeit besser vorwärts kommen. (Beifall.) Abg. Schwarze-Lippstadt(Z.) wendet sich gegen die Bevorzugung des mohammedanischen Elements in den Kolonien. Des weiteren spricht sich Redner gegen den Affefforismus in der Verwaltung der Kolonien und für eine beffere Borbildung der Beamten aus. Im einzelnen bleiben feine Ausführungen auf der Tribüne un- verständlich. Stellvertretender Kolonialdirektor Prinz Hohenlohe : In bezug auf die Klagen über die Kolonialbeamten möchte ich hervorheben. daß wir sie jetzt nicht mehr lediglich aus den so viel verrufenen Assessorenkreisen nehmen, sondern von Jahr zu Jahr mehr Aerzte und Landwirte anstellen, die mit den Verhältnissen vertraut sind. Wir werden hoffentlich dazu kommen, daß alle hinausgehenden Beamten hier an, orientalischen Seminar vorher die genügende Vorbildung in Suaheli und anderen Eingeborenensprachen bekommen. ES hat mich gefreut, daß in den letzten Tagen von den verschiedensten Seiten des Hauses die Zuversicht auf das Gedeihen der Kolonien ausgesprochen ist. Die Kolonialpolitik ist keine Parteifrage!(Beifall.) Wenn cS mir beschieden sein sollte, die Kolonialpolitik von dieser Stelle aus noch einige Jahre weiter zu führen, so wird eS mir eine große Freude sein, die Nation einig in dieser Frage zu sehen. (Beifalls Abg. Kopsch(frs. Vp.): Die gestrige Rede des Abg. Dr. Arendt, die ja zunehmende Heiterkeit erregte, erinnert lebhast an die Agitation des Flottenvereins, von der ja gestern im Abgeordnetenhause die Rede war. Vielleicht wird die Rede des Dr. Arendt auch einmal als Schülerprämie verteilt werden.(Große Heiterkeit.) Der Abgeordnete Dr.tArendt sollte, nachdem seine Prophezeiungen in der Frage der Silbcrwährung so kläglich gescheitert sind, ettvaS vorsichtiger sein. Nach dem Aller seiner Prophezeiungen könnte man ihn zu den »Kleinen Propheten" rechnen, nach ihrem Erfolge aber zu den „Falschen Propheten". In allen deutschen Kolonien leben nur wenige Tausend Deutsche . Die Auswanderer gehen viel lieber nach Nord- amerika , wo sie Arbeit finden und wo die klimatischen Verhältnisse gut find. DaS deutsche Kapital, daS im ganzen für die Kolonien ausgegeben ist. entspricht einem Zinsenaufwand von etwa 26 Millionen jährlich. soviel wie die ganze Ausfuhr aus den Kolonien beträgt. Härte man dafür in Deutschland nicht lieber Schulen und Krankenhäuser bauen können? Dann wäre das Geld doch deutschen Handwerkern und Arbeitem zugute gekommen. Auch die Hoffnungen auf die Baum- wolle der deutschen Kolonien find übertrieben. Aus Togo haben wir im Jahre 1S04 nur 1032 Doppelzentner eingeführt, während wir aus Amerika 2'/, Millionen Doppelzenwer bezogen. Geld in die Kolomen zu stecken ist ein falscher Patriotismus. Die Herren, die fich ihres PatriottSmus rühmen, wollten fich nur auf Reichskosten bereichern, ich erinnere nur au die Kamerun -Eisenbahnaffäre. Soll ich die hohen Herren nennen? Ich glaube. Dr. Arendt wird sie kennen. In der Steuerkommisfion quält man sich, das Geld löffelweise für da« Reich zusammenzubringen und in der Budgetkommission gibt man es scheffelweise wieder au».(Sehr wahr I links.) Dem Herrn Kollegen Lattmann, der die Kolonialpolitik eine„Kulturaufgabe" genannt hat, möchte ich sagen, daß man zunächst doch einmal die niederen Schichten des eigenen Volles hinaufführen mutz auf die Höhe der Kultur, lleber die Sorge für die schwarzen Brüder sollte inan doch nicht die für die weißen vergessen.(Sehr wahr! links.) In Preußen aber leiden die Kultnraufgaben. Tausende von Lehr- krästen fehlen im preußischen BolkSschulwesen. Ohne die Ver dienste der Missionen zu verkennen, muß ich doch die konfessionslosen Regierungsschulen in Ostastika für besser halten. Ich bewundere aber die Konsequenz der Zentrumspartei , während sich die Konfer- vativen in Widersprüche verwickelt haben. Ich kann mir das nur so erklären, daß die astikanischen Regierungsschulen für die Kinder der Beamten und der Häuptlinge da sind. Deshalb will man da ein vernünftiges Schulsystem haben, während bei uns die Herren ihre Kinder ja nicht in die Volksschule schicken und diese daher dem KonsessionaliSmus ausliesern.(Sehr gut! bei der Frei- sinnigen VollSpartei.) Abg. Dr. Arendt(Rp.): Die Auswanderung aus Deutschland ivar an, stärksten unter der Herrschast der Caprivischen Freihandels- Verträge.(Stürmische Heiterkett links.) Ganz ungerechtfertigt ist der Vorwurf des Abg. Ledebour . daß ich selbst 1901 PeterS preisgegeben hätte. Unwahr ist auch die Behauptung des Abg. Ledebour, daß PeterS eine seiner Konkubinen habe aufhängen lasse». Das hat vor zehn Jahren der Abg. Bebel hier behauptet, es hat sich aber als ebenso falsch herausgestellt wie der Tuckerbrief. Bei der einen Hinrichtung, die mit der anderen gar nicht zusammenhing, handelte es sich um eine notorische Soldatenhure, mit der PeterS höchstens einmal vor längerer Zeit verkehrt hatte. Der sexuelle Hintergrund, die dem Dr. Peters angedichtete Eifersucht war also»„cht vorhanden. Zwei amtliche Untersuchungen über diese Hinrichtungen sind zuguusten PeterS ausgefallen. Erst ein dritter. hierfür zu, ammengerufener Gerichtshof hat PeterS verurteilt. Mit Recht hat der Verteidiger, Dr. Scharlach, erklärt, das Urteil sei von engherzigem Geist diktiert, der nicht begreife, daß die Bedürsiiisse der Lindenstraße nicht maßgebend sein konnten für den Kiliman- dscharo. Und der ehemalige Gouverneur v. Witzmann, ein persön- licher Feind PeterS, hat erklärt, er würde mit PeterS' SS Mann unter 120 000 kriegerischen Eingeborenen genau ebenso geurteilt und genau ebenso die Urteile vollstreckt haben. Vergessen wir doch auch die Verdienste deS Dr. PeterS um die„Perle" unserer Kolonien, Ostafrika nicht. Möchten wir noch viele Männer wie Dr. PeterS im Kolonialdienst haben. Bor dem Richterstuhl der Geschichte wird einst der Fall Peters ander« entschieden werden, als hier vor dem Reichstage. Dann aber wird der Abg. Bebel der Angeklagte sein. (Bravo ! rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Abg. Hagemann(natl.): Die Kolonien entwickeln in der Tat Baum- »voll- und z. B. in Togo Maiskulturen in Eingeborenenkultur. nicht im Plantagenbau. Wenn wir so die Eingeborenen zur Arbeit er« ziehen, werden wir sie auch aufnahmefähiger für unsere Produkte machen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Mg. Ledebour(Soz,): Ich habe mich mit den Ausführungen verschiedener der Herren Vorredner zu befassen. Der Abg. Dr. Arendt hielt gestern eine Rehabilitation Peters für notwendig und vernünftig. Ich habe nun darauf hingewiesen, daß Herr Dr. Arendt bereits im Jahre 1901 ähnliche Anstrengungen machte, und habe erklärt, daß er sich ständig bemühe, seinen Freund PeterS zu rehabilitieren. Dies will Dr. Arendt nun in Wrede stellen.(Abg. Dr. Arendt: Durchaus nicht. ich habe es doch vorgelesen!) Darauf kam es doch allein an, daß Sie unabläsfig daran arbeiten, den Dr. PeterS in der öffentlichen Meinung Deutschlands wieder herzustellen. (Lebhafte Zustimmung des Dr. Arendt.) Wenn Sie bei dieser Ge- legeuheit sich an meinen Parteifreund Bebel wenden, dann wenden Sie sich an die falsche Adresse. Sie müßten vielmehr nachweisen, daß das Gerichtsurteil gegen Dr. Peters unrichtig war. Aus Ihren Ausführungen ging mir aber der Beweis dafür nicht hervor. Es wäre allerdings jetzt die Aufgabe der Kolonialverwaltung, den Fall nochmals zu prüfen. Man kann von dem gegenwärttgen Leiter des Kolonialamts natürlich nicht verlangen, daß er ohne weiteres über den Fall genau orientiert ist. Nach diesen wiederholten Attacken deS Mgeordneten Dr. Arendt, die geeignet sind, das damalige Gerichtsurteil zu diskreditteren, würde ich eS allerdings für wünschenswert halten, die Sache noch einmal zu untersuchen, damit wir endlich den Fall PeterS loswerden.(Zuruf rechts: Den werden Sie nie los werden!) Da es sich um einen Urteilsspruch handelt, geht die Sache zunächst die Kolonialverwaltung an. Mein Freund Bebel hat sich seinerzeit allerdings nicht in jeder Beziehung als richtig informiert erwiesen.(Aha! und hört! hört! rechts.) Er hat die' Informationen, die ihm zugegangen waren, in die Oeffentlichkeit gebracht. DaS war sein Recht und seine Pflicht. (Abg. v. Kardorff: ES wäre seine Pflicht, den Namen desjenigen zu nennen, der ihm die falschen Informationen gegeben hat.) Nein, er mutzte seine Informationen hier im Reichstage vortragen. (Abg. v. Kardorff: Er mußte sie erst prüfen I) Die Gerichts- entscheidung hat das Austreten meines Freundes Bebel durchaus gerechtferttgt.(Abg. v. Kardorff: So? durchaus nicht!) Herr Dr. Peters ist zur Dienstentlassung verurteilt worden wegen der unsaubersten Geschichten, die einem Beamten überhaupt nachgewiesen werden können. Singen Sie Ihr Lied nur bei allen Gelegenheiten weiter, wenn Sie die Debatten des Hauses unnötig aushalten wollen. Dadurch diskreditieren Sie sich nur selbst.(Lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Ich habe die Kunstfertigkeit des Herrn Spahn bewundert, mit der er eS beistand, den Präsidenten nicht merken zu lasten, daß er in der persönlichen Bemerkung sachlich erwiderte. Herr Spahn bestritt, daß er dem Reichstag überhaupt das Recht aberkennen wollte, sich mit den Verhältniffen einzelner Beamten zu befassen, Nur über die Anstellung und Versetzung von Beamten sollte der Reichstag nicht sprechen dürfen. Ich akzeptiere es selbstverständlich, daß Herr Spahn seinen Eingriff in die Rechte dcS Parlaments verringert hat. Aber richtiger werden seine Ansichten dadurch nicht. Er selbst hat uns das Recht zugesprochen, hier über alle Beamten- petttionen zu verhandeln und die PetittonSkommission hat wiederholt mit den Regierungskommissaren Beschwerden, z. B. von Postbeamten über ihre Anstellung und Versetzung erörtert, ohne daß jemals prinzipieller Widerspruch erhoben worden wäre. Wiederholt sind solche Petitionen der Regierung überwiesen worden und die Ver- waltung hat daraufhin Remedur eintreten lassen. Die ganzen Ausführungen deS Abg. Spahn über die verfassungsmäßige Unzu- lässigkeit unserer Beamtendebatten sind also absolut gegenstandslos und ungerechtfertigt. Ich hielt es für notwendig, wenigstens in unserem Namen seinen Angriff auf die Parlamentsrechte zurück- zuweisen und hoffe, daß er bei keiner Partei im Hanse irgend welche Unterstützung finden wird. Auf meine Bemerkungen über die Stellung des Zentrums zu den Regierungsschulen hat der Abg. Erzberger geantwortet, daß sie ja auch in Preußen-Deutschland überall gegen die Simultanschule eintreten. Die ZentrumSpartei ist in der Tat konsequent geblieben: aber ihre Anschauungen find in einem Falle so falsch wie in anderen. Von unserem Standpunkte aus ist die Simultan- schule wünschenswert, und wenn es nach unserem Wunsche ginge, würden wir den Religionsunterricht völlig auS der Schule entfernen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich doch auf den unglaublich bizarren Zustand hinweisen, daß wir Sozial- demokraten allerdings in dieser Frage die entscheidende Stimme zu- gunsten der Regierungsschulen in der Komnnssiol, abgeben konnten. Daß wir aber im preußischen Abgeordnetenhause als stärkste Partei Preußen» die Stimme der Sozialdemokratie über die Schule noch nicht einmal hören lassen, geschweige denn auf die Entscheidung ein- wirken können!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Für Afrika sind wir in dieser Frage Regierungspartei, für Preußen haben wir noch keinen einzigen Abgeordneten; das ist doch ein unglaublich absurder Zustand.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr Erzberger mahnte wiederholt dringend, nur verheiratete Beamte in die Kolonien zu schicken, und der Kolonialdirektor ver- sprach, darauf hinzuarbeiten. Aber die Forderung des Abg. Erz- berger, aus so achtenswerten moralischen Gründen sie an sich hervor- geht, ist absolut undurchführbar, weil das Tropenklima für die weißen Frauen geradezu verderblich ist. Wenn eine weiße Frau fich in voller Kenntnis dessen, was ihrer harrt, entschließt, hinauszugehen, so können wir daS nicht hindern. Aber einen moralischen Druck aus die Beamten auszuüben, daß sie mit ihren Frauen hinausgehen, halte ich für eine verwerfliche Gewissenlosigkeit gegenüber den Frauen. Die Anregung mutz ja auch schon daran scheitern, daß naturgemäß sehr wenig ver- heiratete Beamte sich für den Tropendienst überhaupt melden. Wem, sie also die Tropenkolonien einmal haben wollen, so müffen sie auch daS Junggesellentum und alles, was drum und dran hängt, mit in den Kauf nehmen. Sie erklären es für eine abgrundtiefe Ver- derbnis, wenn die weißen Männer in geschlechtlichen Berkehr mit den einheimischen Frauen treten. Aber ein Mann, der lange in Ostastika gelebt hat, schreibt ganz offen, er hätte nie geglaubt. mit einem Suahelimädchen in nähere Beziehungen treten zu können, aber schließlich habe er eS so gemacht, wie alle— hören Sie: alle— seine Landsleute, und die Liebe habe ihm über manche langweilige Stunde in der afrikanischen Einsamkeit hinweggeholfen!(Lachen rechts.) Ihnen mag ja die Sache sehr komisch vorkommen— das ist bezeichnend für Sie— aber in Wahrheit ist es eine sehr ernste Frage: alle Ihre moralischen Wünsche scheitern an den natürlichen Verhältnissen. In der Debatte ist mehrfach die Auswanderungsfrage gestteift worden. ES ist erstaunlich, daß deutsche Reichstags- Abgeordnete noch so naiv sein können, diese Kolonien, die wir haben, als Auswanderungsgebiet für deutsche Bauern und deutsche Arbeiter anzusehen. Die klimatischen Verhältniffe sind nicht derart, daß Nordeuropäer dort die Arbeit— insbesondere im Freien— vertrügen. Die Kolonisationsversuche, die Frankreich seit Jahrzehnten mit Nordfranzosen gemacht hat, haben erwiesen, daß auch diese nicht anpassungsfähig find, daß fich nur Südstanzosen und besonders Südspanier dort mehrere Generationen hindurch halten. ES ist gar nicht daran zu denken, daß man den deutschen AuSwanderungssttom im großen Maßstabe nach den inneren astika« nischen Gebieten ablenken könnte. ES ist eine alte Erfahrung in allen Ländern, in denen fich daS wirtschaftliche Bedürfnis nach Aus- Wanderung einstellt. daß die Auswanderer dahin ihren Weg nehmen, wo sie die relattv günstigsten Existenzbedingungen finden. Die Auswanderung wird solange nach Amerika gehen, bis dies Land saturiert ist, und daS kann noch geraume Zeit dauern. Es ist also vollkommen aussichtslos, wenn man denkt, den AuSwanderungSstrom nach dem Innern Astikas ablenken zu können.— Daß es möglich ist. in den Kolonien Baumwolle und andere Produkte anzubauen, bestreiten wir gar nicht, aber auch im günstigsten Falle kann eine solche Produktion nicht die ungeheueren Kosten aufwiegen, die Deutsch- land jetzt schon auS der Kolonialpolitik erwachsen find und noch fort« während erwachsen müssen. Dem Wunsche deS Herrn Hagemann, daß die Eingeborenen mehr zur Kultur des Landes herangezogen werden, stimmen wir durchaus zu; wir find die schärfsten Gegner der Plantagenausbeutung, und gerade uns, den vaterlandsloscn Gesellen, ist eS zu verdanken, daß einige lOOO Onadratmeter Landes den habgierigen Klanen einer Ge- fellschaft entriffen und den Eingeborenen zur Kultivierung überlassen wurden. Wir sind aber deswegen prinzipielle Gegner unserer gegenwärtigen deutschen Kolonialpolitik, weil fie_ aufgebaut ist auf der Ausbeutung fremder Völkerstämme, weil sie zu UnterdrllckungSkriegen führt und weil sie mit dazu beiträgt, das eigene Volt, wenigstens die herrschenden Klassen des- selben, zu demoralisieren. Geheimrat Rose hat unS ja gestern den Beweis geliefert, wie demoralisierend die Kolonialpolitik wirft._ Er hat daS Prügeln von Eingeborenen auf den Marfchallinfeln direkt gerechtfertigt. Wir verwerfen die Prügelstrafe überhaupt; denn fie entwürdigt' die Deutschen , die sie ausführen, und die fie anbefehlen. Wir wollen nicht, daß unser Vaterland dadurch beschimpft und entwürdigt wird, daß durch uns die Prügelstrafe eingeführt ist. Und gerade bei den Marschallinseln handelt es sich um eine solche Einführung. Ich begreife nicht, wie Herr Rose mit vergnügter Miene hier solche Ausführungen machen kann.(Zuruf des LegattonSratS Rose.) Also vorzwanzig tahren waren die Schwarzen über daS Prügeln empört I Glauben ie denn, daß sie sich inzwischen daran gewöhnt haben? Ich wünschte, daß diese geprügelten Schwarzen zu den Waffen griffen und die Beamten niederschössen.(Lachen rechts.) Wenn noch irgend etwas nötig wäre, um zu beweisen, daß die Kolonialpolitik das Beamtenmaterial demoralisiert, so sind eS Ihre Ausführungen und Ihr Verhalten. Ich halte Sie für einen Mann, der mit der Durchschnittsmoral und der Durchschnittsmenschlichleit aller unserer Beamten in die Kolonien gegangen ist. Sie machen sogar einen sehr angenehmen persönlichen Eindruck.(Stürmische Heiterkeit im ganzen Haufe.) Als normaler Geheimrat mit dem roten Adlerorden liefern Sie den Beweis, daß ein solcher Mann, ivenn er in die Kolonien kommt, seine kulturellen Empfindungen in dem Maße verliert, daß er er- klären kann, früher wäre daS Prügeln gefährlich gewesen, jetzt aber nicht mehr; denn die Schivarzen können sich nicht mehr wehren, da fie keine Waffen haben! Eine schlimmere Verurteilung der ganzen deutschen Kolonialpolitik ist überhaupt niemals ausgesprochen worden. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Bachem(Z.) protestiert gegen die Behauptung des Abg. Ledebour, daß das afrikanische Klima für Frauen ungünstiger sein soll als für Männer. Geheimrat Seih: Es sind in dem Nachtragsetat 26 000 M. eingestellt worden, un, die Stationsbauten bester zu gestalten. Leider ist eS wahr, daß zahlreiche Stationen, nicht nur in Deutschostafrika . sondern auch in Kamerun und Togo , nur mit brennbarem Material gedeckt worden sind. Wir fordern aber jetzt in allen Etats Geld zur Befestigung der Vinnenstationen. Erbprinz Hohenlohe weist den Vorwurf der Hinterhältiakeir zurück: Ich kam, mich nicht erinnere daß in der Budgctkonimiffion eine so klare präzise Frage an uns ergangen ist. sonst hätte ich sofort die nötige Antwort veranlaßt. Abg. Gröber(Z.) meint, daß eine genaue Kontrolle der Ver- Wendung der vom Reichstag bewilligten Gelder doch möglich fein müffe. Geheimrat Seih: Die rechmmgSmäßige Kontrolle findet selbst- verständlich in der genauesten Weise statt. Ich habe nur gemeint, daß man nicht in jedem Moment in der Lage ist zu sagen, ob bei diesem oder jenem Bau 3000 M. mehr oder weniger veNvendet worden sind. Damit schließt die Debatte. Eine Reihe Abstriche, die die Konmtisfion beschlossen hat zirla 300000 M.— wird genehmigt. Bei den„Einmaligen Ausgaben" wird folgende Resolution angenommen: Der Reichskanzler möge veranlaffen: „Daß die mit den deutschen Kolonien verkehrenden deutschen Paffagierschiffe Schiffsärzte an Bord führen, die eine praktische Borbildung in der Erkennung und Behandlung von Tropen-Krank- Helten und bezüglich der Schiffshygiene durchgemacht haben, sowie daß solche Schiffe eine Ausrüstung zu mikroskopischen Unter- suchungen an Bord haben. die den Schiffsärzten die Erkennung der Tropenkrankheiten, insbesondere der Malaria durch mifto- skopische Untersuchung ermöglicht; 2. daß den ausgerüsteten Schiffen entsprechende Borteile bei der gesundhcitSpolizeilichen Untersuchung und Abfertigung in den deutschen Häfen eingeräumt werden. ES folgt die zweite Beratung des vierten Nachtrags- etats für Südwestaflika in Höhe von 30 000 000 M. Der Etat wird ohne Debatte bewilligt. Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung: Sonnabend 1 Uhr.(Kolonialetat. Garantie des Reiches für eine Bahn Dualla— Manenguba.) Schluß 6V« Uhr. _ parlamentarifckes. Annahme der Bierftcuer. Der Finanzreformkommiffion lag gestern ein neuer Antrag zu ß 3a der Borlage vor. Der von Dr. Becker eingebrachte, von den Konservativen, Nationalliberalen und dem Zentrum(außer Müllcr-Fulda ) unterschriebene Antrag schlägt eine von dem Kommlssionsbeschluß etwas abweichende Staffelung vor. Beginnend mit 4 M. bei 250 Doppelzentner, bei den folgenden 260 Doppelzentner auf 4.60 M., bei 500 auf 5 M., dann bis zu 1000 Doppel- zentner auf 6,60 M., in weiterer Folge steigend bis zu 3000 Doppelzentner auf 6,60 M. und von da bis zum Höchstsatz von 10 M. bei jedem weiteren 1000 um 1 M. steigend, so daß daS Maximum schon bei 7000 Doppelzentner erreicht wird. Nachdem Dietrich diesen Antrag als das weitgehendste Entgegen- kommen der Vorlage gegenüber bezeichnet, da hierdurch die zirka 26 Millionen nach den KommifstonSbefchlüflen erster Lesung fich auf etwa 30—31 Millionen erhöhen würden, erklärt Müller- Fulda, daß er auf Grund schwerwiegender Bedenken nicht mitmache. Der Staatssekretär v. Stengel erkennt an. daß dieser Antrag der Regierung mehr entgegenkomme, aber daS Resultat sei doch nur wenig erfreulich, und so werde der Bundesrat auf eine kräftige Heranziehung des Tabaks bestehen müffen.„Be- denken Sie", bricht er in Klagetönen aus,„bedenken Sie. wie die Verhältnisse des Deutschen Reichs beurteilt werden würden, wen» es nicht gelänge, die zu seiner Suftechterhalwng erforderlichen Mehr- kosten auszubringen, sowohl vom politischen wie vom finanziellen Standpunkte aus." Unsere Genossen Südekum. Stolle und Geyer sowie Dr. Müller-Sagau erklären sich mit größter Entschiedenheit auch gegen diesen neuen Staffelungsvorschlag; derselbe sei völlig sinnlos, da er weder den Verhältnissen, die in den obergärigen Brauereien herrschen, nach den Unterschieden zwischen großen und mittleren Betrieben in den untergärigen Brauereien Rechnung trägt. Südekum konstatiert, daß mit Annahme deS Antrages tue sämtliche» obergärigen Brauereien glatt wegrafiert werden würden, da fie als- dam, den Zucker doppelt versteuern mllflen, erst als Zucker und dann nochmal als Braustoff. Das bedeute einfach die Ver- nichtung dieser Brauereien. Als Gegner jeder indirekten Steuer, die in letzter Linie wie immer auf die Massei, abgewälzt wird, stimmen wir gegen die Vorlage und alle dazu vorliegenden Anträge. Dadurch lassen sich die Unterzeichner des Antrages aber nicht im mindesten beirren, er wi d bei der Abstimmung mit 16 gegen 12 Stimmen(Sozialdem., gu.fl, Wirtsch. Vg., der Pole und Müller-Fulda ) angenommen. Auf Antrag Speck hatte die Kommission w erster Lesung folgenden§ 6a neu beschlossen: „Bei der Einfuhr von Bier miS anderen deutschen Bundesstaaten in den Geltungsbereich des gegenwärttgen Gesetzes wird
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