dillig halten, wenn Parteigenossen Richterw i e Dr. Porzig, Lattmann und das Vor-standsmitglied des Reichsverbandes zurBekämpfung der Sozialdemokratie, Hage-mann, in allen Prozessen auf Grund derdurch keinerlei Kenntnis getrübten ernst-lichen Voreingenommenheit dieser Herrengegen die Arbeiterklasse und die Sozial-demokratie als Richter ablehnen würden.Die morgige Sitzung fällt wegen der Beerdigung desReichstagsdirektors aus.Freitag: Kolonialetat, eventuell Marine-Etat.Schwerinstag im Abgeordnetenhause.Am Mittwoch beschäftigte sich das Abgeordnetenhaus mitInitiativanträgen. Zunächst versuchten die Mittelstandsretterunter Führung des Herrn Hammer(k.) ihrem Groll gegendie Warenhäuser Luft zu madhen, indem sie unter dem Hin-weis auf die angebliche besondere Feuergefährlichkeitder Warenhäuser für diese besondere Vorschriften ver-langten. Es sollen Verkaufsräume nur im Erdgeschoß understen Stock eingerichtet und darüber befindliche Räume zumdauernden Aufenthalt von Menschen nicht benutzt werdendürfen usw. Die Herren von rechts und vom Zentrum wider-setzen sich mit Gewalt dem Fortschritt, es wird ihnen abernichts nützen. Selbst wenn ihr Antrag, der einer Kommissionüberwiesen wurde, angenommen werden sollte— was wirnicht glauben— werden sie der EntWickelung der Waren-Häuser ebenso wenig Einhalt tun können wie durchihre famose Umsatzsteuer. Einen natürlichen Entwickelungs-Prozeß vermag eben auch das Dreiklassenparlament nicht auf-zuhalten.Wie in dieser wirtschaftlichen Frage so marschierten auchin der Frage der Einführung der fakultativenF e u e r b e st a t t u n g, die ein freisinniger Antrag verlangte,die Konservativen Arm in Arm mit den Klerikalen. Der An-trag ist ja nicht neu, er ist schon wer weiß wie oft gestellt,ebenso oft mit den einfältigsten Gründen bekämpft und ab-gelehnt worden. Auch diesmal wieder versank der Antrag inden Orkus; das„christliche" Gefühl ist geschont, die Kircheberuhigt und der Aberglaube von dem Fortleben nach demTode kann weiter bestehen.Schließlich überwies das Haus einen Antrag auf Aende-rung des§ 53 des Kommunalabgabengesetzes(Regelung desSteuerverhältnisses zwischen Nachbargemeinden, von denen dieeine durch Einrichtungen der anderen belastet wird) nach kurzerBeratung an eine Kommission.Am Donnerstag fällt die Sitzung aus.Am Freitag werde» die beiden Novelle» zum Wahlgesetzerate».Der Zwischenfall Spahn-Erzberger.Die Abschüttelung des Herrn Matthias Erzberger durch HerrnSpahn und die„Köln. Volksztg." hat allem Anschein nach in denKreisen der Kaplanokratie arg verschnupft. Die von der klerikalenGendarmerie redigierten oder beeinflußten Blätter nehmen teilweiseoffen für das schwäbische Ilnkanti tsn-idls gegen die in staatlichenWörden steckenden gesättigten Staatsmänner des Zentrums Partei,und die„Köln. Volksztg." weicht mutig hinter allerlei Verlegenheits-bedenken zurück. Das Stuttgarter Zentrumsorgan, das„DeutscheVolksblatt", äußert sich z. B. in wegwerfender Weise über„jeneOrgane", die Erzberger angreifen, weil er„in die unhaltbarenZustände unserer Kolonialverwaltung hinein-geleuchtet hat. Der Abg. Erzberger hat hier ein großes Ver-dienst; das Volk wird ihm dankbar sein." Und dann heißt es mitpharisäischer Selbstgefälligkeit:„Auf das Wort eines Zentrums-Abgeordneten hin wird auch eher Abhülfe geschaffen werden, alsIvenn etwa Bebel diese Dinge vorgebracht hätte;denn wenn aus einer Partei heraus, die man zur Durchführung derKolonialpolitik nötig hat, auf Abstellung von Mißständen gedrungenwird, muß die Regierung darauf hören.... Daß nun bei einemsolchen Kampfe(wie ihn Erzberger gegen besagte Mißstände führt)nicht alles von gleicher Wichtigkeit ist, daß nicht jeder vonjedem Punkte überzeugt wird, daß vielleicht einmal, solangeman nach den Akten noch forschen und fragen muß, etwas zu-viel behauptet wird, liegt in der Natur der Dinge;daraus kann man gegen den, der mit best er Ueber-z.ugung der Wahrheit dienen will, keinen Vor-wurf erheben: das regelt sich auch im Laufe der Auseinander-setzung, da der Regierung volle Möglichkeit zur Gegenäußerung ge-geben fit."Am Schluß seines Artikels wendet sich dann das Blatt gegendie Darstellung,„als habe Dr. Spahn sich im Namen derZentrumssraktion gegen den Abg. Erzberger ausgesprochen".Das sei unrichtig und falsch, sogar böswillig erfunden. Dem gegen-über gibt das Blatt folgende Darstellung von den Vorgängen inner-halb der Zentrumsfraktion:„Der Abgeordnete Erzberger hat, bevor er seine Angriffe imPlenum des Reichstages vortrug, diese vielmehr derFraktion unterbreitet und mitgeteilt. Damals war dasMandat des Abgeordneten Spahn erloschen(infolge seiner Be-förderung) und es ist gar nicht ausgeschlossen, daß Dr. Spahn vondiesem Vorfall gar keine Kenntnis hatte. Ebenso steht fest, daßdie Zentrums fraktion sich nicht mit der Frage befaßt hat.ob Dr. Spahn fich gegen den Abgeordneten Erzberger aussprechensoll; wir hegen sehr berechtigte Zweifel, ob die Fraktion sich aufdie Seite Spahns gestellt hätte".Das Blatt stellt also die bekannte Aeußerung Spahnsnicht nur als dessen Privatansicht hin, sondern bestreitetihm sogar die Autorisatton zu einer solchen Aeußerung unddroht ihm mit einer Kraftprobe. Für dieinnerhalb des Zentrums bestehende politische Situation istdieser Kulissenkrieg immerhin recht interessant, denn eS gehen ausobiger Mitteilung folgende Tatsachen hervor:1. Herr Erzberger versichert sich in der Zeit, da Herr Spahn derFraktion nicht angehört, der Zustimmung der Fraktion zu seinemFeldzuge gegen die Kolonialverwaltung.2. Herr Spahn kehrt in die Fraktton zurück und erfährt an-geblich nichts von der Zustimmung der Fraktion zu Erzberger? Vor-gehen, obwohl das letztere in der Presse doch genug Staub auf«gewirbelt hat.8. Herr Spahn empfindet die Selbständigkeit des Herrn Erz-berger der Regierung gegenüber unangenehm, sieht sich in seinerparlamentarischen Führerrolle beeinträchtigt und riskiert einen kleinenStaatsstreich, um Herrn Erzbergers Uebermut zu dämpfen.4. Dieser Staatsstreich wird vom württembergischen ParteiorgandeS Zentrums als solcher gekennzeichnet.Doch damit ist die Sache noch nicht erledigt. Die„KölnischeVolksztg.", dasselbe linkskatholische Blatt, das erst seine Spaltendem Abg. Erzberger für seine Angriffe gegen die Kolonialverwalttrngzur Verfügung stellte, und ihn darauf als Scbwätzer abschüttelte,vollzieht in seiner gestrigen Abendnunmier eine neue Schwenkung.Sie bringt eine ihr aus„parlamentarischen Kreisen" zugegangeneZuschrift zum Abdruck, in der das Verhalten des Herrn MatthiasErzberger verteidigt und seine Verdienste um das Zentrum folgender-maßen gerühmt werden:„Dem Abg. Erzberger muß man zu großem Dankeverpflichtet sein, daß er sich mit so großem Eifer, unermüd-lichem Fleiße und einer weitgehenden Sachkenntnisin das schlvierige und neuerdings nicht immer wohlriechendeGebiet des Kolonialwesens hineingearbeitet hat. Er ist in Berlinimmer anwesend und kann sich daher auch leichter als andere Zeitund Muße für diese Studien nehmen; wenn er dann dieseStudien nicht nur in der Budgetkonmüssion. sondern auch auf derTribüne des Reichstages verwendet, so ist das nicht nursein Recht, sondern geradezu seine Pflicht. Sollteer in diesem Falle dann und wann in dem Eifer, den die Jugendhat und um den die Alten sie manchmal beneiden könnten, überdie Scknur hauen, so mutz man in aller Freundschaft ihn daraufhinweisen."Und auf diese zwar indirekte, aber trotzdem recht deutliche Ab-Weisung des kürzlichen Angriffes der„Köln. Volkszeitung" aus denAbg. Erzberger antwortet das Hauptblatt des rheinischen Zentrunislediglich mit allerlei armseligen verlegenen Redensarten über die Not-wendigkeit einer größeren Aktionsfähigkeit der Zentrumsfraktion undder Ermahnung an die Zentrninsivähler, bei der Auswahl der Reichs-tagskandidalen weniger auf die Kirchturmsintereffen ihrer Wahlkreisezu sehen.Höchst charakteristisch für den Einfluß der Kaplanokratie imZentrum!—*••Oeutrchee Reich.Rücktritt des Erbprinzen Hohenlohe?Die Budgetkommission hat, wie wir unter„Parlamentarisches"ausführlich berichten, heute den Posten eines Kolonial-Staats-sekretärs mit 17 gegen 11 Stimmen abgelehnt, dafür aber den einesUnterstaatssekretärs für das Kolonialamt mit 18 gegen 1l> Stimmenbewilligt, indem sie zugleich das Gehalt für diesen Posten von20 000 auf 25 000 M. erhöhte.Der Beschlutz wird, wie der„Lokal-Anzeiger" versichert, denRücktritt des zum Kolonial-Staatssekretär ausersehenen ErbprinzenHohenlohe zur Folge haben. Das Blatt schreibt:„Wir glauben gut unterrichtet zu sein, wenn wirannehmen, daß die Aufrechterhaltung jenes Beschlusses denRücktritt des Erbprinzen Hohenlohe von derFührung unserer Kolonialangelegenheiten zur Folge haben wird.Zwar trifft es zu, wenn jüngst ein nationalliberales Organausführte, der Erbprinz sei zu selbstlos, um für seine Ent-schließung die Aeutzerlichkeiten einer Stellung: Ehren, Würden,Rang und Gehalt maßgebend sein zu lassen. Indessen liegen er-sichtlich wichtige sachliche Gründe vor, die es für eine politischePersönlichkeit wie den Erbprinzen Hohenlohe ausschließen, aufden Vorschlag der Uebernahme eines als Abteilung des Aus-wältigen Amtes zu organisierenden Unterstaatssekretariats ein-zugehen. Nachdem der Kaiser, wie bekannt geworden, auf denVortrag des Reichskanzlers, in der beiderseitigen sicheren Er-Wartung, daß der Reichstag entsprechend beschließen werde, denErbprinzen Hohenlohe für die Leitung eines neu zu errichtenden.selbständigen Kolonialamtes in Aussicht genommenhat, die allerhöchste Ent schließung alsbald be-kannt gegeben und auf dieser Grundlage dievorläufige Wahrnehmung der Geschäfte desKolonialdirektors vom Erbprinzen Hohenloheübernommen war, ist es jetzt ein parlamentari-scher W i l l e n s a k t. der die Verwirklichung der kaiserlichenErnennungsabsicht unmöglich zu machen im Begriff ist. Nachsolchem Hergange, gleichsam aus der Hand der ablehnendenMehrheit ein anders geartetes Amt als Ersatz entgegenzunehmen,wird dem Erbprinzen grundsätzlich kaum möglich er-scheinen."Allem Anschein nach soll durch diese Mitteilung nur ein Druckauf das Zentrum und die Nationalliberalen ausgeübt werden, sichder„allerhöchsten Entscheidung" zu fügen und das Kolonialamtzu einem völlig selbständigen Ressort auszugestalten.—-Nach Richter Lenzmann.In die Fraktton der freisinnigen Volkspartei ist eine neue Lückegerissen worden: der Abgeordnete Justizrat Lenzmann ist denFolgen eines Schlaganfalls, den er gestern während der Sitzung deSReichstags erlitten, hellte morgen erlegen. Auch Lenzmann gehörtzu den parlamentarischen Veteranen des Freisinns, da er bereits seit25 Jahren— eine Pause von sechs Jahren abgerechnet— demReichstage angehörte. Der Verstorbene hat ein Alter von 63 Jahrenerreicht. Im Jahre 1881 wurde er vom Wahlkreis Dortmund inden Reichstag entsandt. Im Jahre 1887 schied er vorübergehendaus dem parlamentarischen Leben aus, da er sich mit der Ver-schmelzung der Sezessionisten mit der Fortschrittspartei nicht be-freunden konnte. Als sich dann die freisinnige Rechte als FreisinnigeBereinigung von der Freisinnigen Volkspartei loslöste, ttat er alsVertreter für Altena- Iserlohn wiederum in die Fraktton derletzteren ein.Lenzmann betätigte sich— seinem Berufe entsprechend—namentlich auf dem Gebiete deS Justizwesens, doch griff er als ge-wandter Debatter häufig auch in die Verhandlung über andereMaterien ein. Der Verstorbene stand sozialpolitisch vollständigauf dem nianchesterlichen Standpunkt Eugen Richters undstreifte im Laufe der Zeit auch seinen politischen Radi-kalismuS mehr und mehr ab. Der„Demokrat" betontemehrfach feine gut monarchische Gesinnung, wenn er sich auch ge-legentlich noch einmal eine„rote Krawatte" vorband, wie er dassechst ausdrückte. Auch seine Auffassungen von der Rechtspflegewaren nichts weniger als demokratisch; noch bei den letzten Justiz-debatten gab er die opttmistische Auffassung kund, daß im Westendes Reiches so etwas wie eine Klassenjustiz nicht existiere.Persönlich war Lenzmann keine unsympathische Persönlichkeit.Such sei daran erinnert, daß der Verstorbene während des Sozialistengesetzes wiederholt sozialdemokrattschen Sündern als Rechtsbeistandwackere Dienste leistete.—_Eine HülfSaktion für Jesko v. Puttkamer wird zurzeit vonHerrn Rittergutsbesitzer Dr. Schröder-Poggelow unter-nommen. Ein indiskreter Wind hat uns verraten, daß augenblicklichin Kolonialpolitikerkreisen eine Petition an die KolonialabteilungdeS Auswärtigen Amtes zirkuliert, die den Herrn Rittergutsbesitzerund Doktor zum Vater hat und die mit dürren Worten sagt, dieschwierige Lage in Kamerun, der Schutz der Beamten und das An-sehen des Reichs erforderten, daß Jesko nicht den vereinten Angriffender Akwa-Neger und Sozialdemokraten geopfert werde. Wenn irgendmöglich bitten daher die Petenten, den Mann nach Kamerun zurück-zusenden, später könne er dann aus anderem Grunde zurllcktteten.Neues sagt diese Petition nicht. Aber die Hülfsaktton ist an sichinteressant, weil sie zeigt, mit welchen Mitteln für den großen Kultur-Pionier gearbeitet wird.—Um ein amtliches Wort gegen den Flottenverein ersuchen drin-gend Freisinn und Zentrum als Belohnung ihrer Flottenftönnnigkeit.Die„Freie Deutsche Presse" brachte gestern einen Leitartikel, worinder Flottenverein des Versuchs bezichtigt wird, die StellungTirpitzens beim Kaiser zu untergraben, indem er dem Monarchenals der schwachmütige Mann denunziert wird. der nichtden Mut habe, vom Zentrum und von der Linken eineden Umständen angemessene Flotte zu fordern. Die Flottenvereinlerkonterkarierten zudem die Friedenspolitik der Regierung, die sich inder Borsicht der deutschen Marokkopolitik(!) gezeigt habe.„Wirkönnen uns»licht denken," schließt der Artikel des freisinnigen Blattes,„daß die gerade auch vom Flottenverein und noch mehr von denAlldeutschen angefeindeten Herren in der Wilhelmsttaße dazu gleich«gülttg bleiben. Aber wenn sie es nicht sind, darf man auch vonlhnen verlangen, daß sie sich rühren.Die„Kölnische Volkszeitlmg" druckte anderen Tags diesen Ar-tikel zum größten Teil ab und bemerkte schließlich zustiinmend:„In der Tat, das darf man verlangen. Das„sinnlose Wallen"unserer„Alldeutschen" hat ganz wesentlich zu der Trübung der inter-nationalen Lage beigetragen. Diese Leute vergessen vollstäildig,daß andere die Fei'isterscheiben bezahlen müssen, welche sie ein-werfen. Ohne Ziveifel wünscht»nan diese angenehmen Politikerauch in den Regierungskreisen auf den Blocksberg, wo sie ihrenHexentanz ohne Schaden für die Allgemeinheit aufführen könnten.Man sollte das aber auch bei jeder Gelegenheit unumwunden aus-sprechen."Die Braven betteln umsonst um das erlösende Wort. Sie dürfen dieRegierungsforderungen für die Marine bewilligen, aber daß dieRegierung ihnen deswegen den Gefallen tun»vürde, die Flotten-vereinler zu desavouieren, darauf werden sie vergebens»varten.Denn»venn den amtlichen Stellen der Uebereifer der Flottenfexeauch einmal im Augenblick ein wenig unbequem sein mag, sie wissenden Verein doch zu schätzen als den Schrittmacher des Marinismus,als den nicht zu verachtenden Mineur für die Marinevorlagen dernkunft. Und im Grunde genommen wissen das auch Freisinn undentrum; ihr beweglicher Appell ist mehr auf ihre Wähler, den» ausdie Reichsregierung berechnet.—Auch ein Volksvertreter.Der Wahlkreis Zschopan-Marienberg, der 20. sächsische, wird in,Reichstage durch Herrn Zimmermann, den einsttgen grimmen, jetztvor Behörden und Koniervativen zahmer gewordenen Antisemitenvertreten. Er hat ihn nach dem Tode unseres Genossen Rotenowerobert. Das heißt, er hätte ihn nicht erobert, wenn Recht Recht ge-blieb?» wäre. Denn wie die Wahlprüfungskommiision des Reichstagesfestgestellt bat. ist bei der Wahl ungesetzlich verfahren worden. DerWahlkommissar, der Amtshauptmann v. Oer hatte seine besondereAuffassung vom Wahlrecht und konnte als echter sächsischer Bureau«krat natürlich nicht zugeben, daß das sozialdemokrattsche Wahlkomitee,das ihn in mehreren Eingaben aufzuklären suchte, mehr von der Sacheverstcheals er. Und so wurden dann amTage der Ersatzwahl einigesechzigWahlberechiigte nicht zur Abstimmung zugelassen, weil sie nicht mehran jenen Orten im Wahlkreise wAhnten, für die sie in der Wähler«liste geführt wurden.(Die Wahl ivurde nach der für die Juni-Wahlen von 1003 angelegten Wählerliste vorgenominen, da sie inner-halb eines Jahres nach jenen stattfand.) Die Wahlprüfungs-kommission hat auf Grund des Wahlprotestes festgestellt, daßauf diese Weise 63 Wahlberechtigte ihres Wahlrechts beraubtworden find. Die Stimmen dieser 63 sind nach alter Praxisder Kommission dem unterlegenen Kaitdidaten, hier dem GenossenPinkau zuzuzählen und wenn das geschieht, so steigt seine Stimmenzahl im ersten Wahlgang über die absolute Majorität, die WahlZimmermanns hätte demnach für ungültig erklärt werden müssen.Aber zum Glück für Herrn Zimmermann ist bei der Wahl noch eineandere Gesetzwidrigkeil vorgekommen und wenn ihm die erste denHals bricht, so richtet ihn die zweite wieder ein. Der Gemeinde-und Wahlvorstand von Kempten hat nämlich nach einer neuenWählerliste wählen lassen. Wegen dieses Verstoßes hat die Wahl-Prüfungskommission den ganzen Wahlakt in Kempten für ungültigerklärt. Alle Stimmen, die dort gefallen sind, werden nicht mit-gezählt, d. h. werden den Kandidaten abgezogen. Und da nun injenem Bezirke Genosse Pinkau die weitaus meisten Stimmenerhalten hat, so verliert er durch die Kassierung dieses Wahl-altes am meisten, viel mehr, als seine Gegenkandidaten, undzwar so viel, daß er trotz jener ihm zugezählten 63 Stimniendie absolute Mehrheit im ersten Wahlgange nicht erreicht.Also zu lesen im Bericht der Wahlprllfungskommission des Reichs-rageS, worin die Gültigkeitserklärung der Zimmermannschen Wahlbeanttagt wird. Herr Zimmermann wird also voraussichtlichReichstagsabgeordneter bleiben, wenigstens bis zum Jahre 1008.Aber er bleibt eS lediglich, weil der Wahlvorsteher von Kemptengegen das Reichstagswahlgesetz verstieß. Er bleibt Abgeordneter vonUnrechts Gnaden. Ein Mandat, auf das er und sein Parteichen stolzsein dürfen.—_Die„StaatSbürger-Ztg." glaubt sich noch immer nicht genugblamiert zu haben. Sie behauptet, daß wir unseren Lesern hartnäckigverschweigen, daß Freiligrath 1870 auch das Gedicht„DieTrompete von Gravelotte" gedichtet habe. Die Redaktion des imRamsch ausverkauften Blattes hält die„Borwärts"leser also fürebenso unwissend, wie sie selbst ist. Die„Trompete von Gravelotte"und ihren Verfasser kennt jedes Schnlkind. Daß aber antisemitischeTrottel dieses Gedichtes wegen eine» Freiligrath für sich reklamieren,ist ei» Poetenlos, das einem anderen Dichter einmal den Stoßseufzererpreßt hat:Ein offner Wald am StraßenzaunIst dein Gedicht, du mußtts erttagen,Reibt sich an seinem schönsten BaumEin Schwein mit grunzendem Behagen.—Opfer über Opfer.Der Telegraph meldet die Namen neuer in den südwestafrika-nischen Sandwüsten gefallener Opfer der Kolonialpolitik. Am16. März sind bei Aragauros gefallen: Samtätssergeant GottliebSchopf, geboren am 18. 3. 80 zu Ditzingen; Halsschutz. Am12. März im Gefecht bei Hartcbeestmund leichtverwundet: GefreiterWalter Panzer, geboren am 14. 8. 82 zu Tanzig, Streifschuß Fuß-sohle. Gefreiter Franz Rickelt, geboren am 23. 10. 83 zu Berlin,Streifschuß linker kleiner Finger. Gefreiter Willi Weinreich, ge-boren am 23. 12. 82 zu Hohenstein-Ernstwl, Streifschuß Unterleib.Ferner: Reiter Alexander Schenk, geboren am 5. 11. 82 zuRosenberg, seit 8. März bei Tharob auf Jagd verntitzt. GefreiterFriedrich Neumann, geboren am 0. 3. 82 zu Bukowitz, am 16. Märznördlich Wasserfall auf Patrouille angeschossen— Bauchschuß—und an demselben Tage gestorben.Urteile vor der Verhandlung.Die mündliche Verhandlung soll nach dem Gesetz das alleinEntscheidende sein. Im Gegensatz dazu gibt es Richter, die die Ent-scheidung vor Beginn der mündlichen Verhandlung bereits fix und fertighaben. Als der konservative Abgeordnete Porzig jüngst im Reichs-tage bezweifelte, daß solche Fälle vorkämen, führten ihnen dieGenossen Stadthagen und Heine einige solcher Fälle an. Heinehatte unter anderem auf das Zeugnis der Referendare aus demJahre 1888 darüber Bezug genommen, daß der Präsident des Straf-senatS am Kammergericht im Jahre 1838 die sämtlichen Urteilebereits fertig auf einem Bogen in die Sitzung brachte, und denReferendaren überlassen wurde, das Urteil abzuschreiben. Die„Vossiiche Zeitung" veröffentlicht in ihrer gestrigen Abendnummerdie Zuschrift eines AmtSgerichtsratS, deren wesentlichster Teildahin geht:„Der Verfasser dieser Zeilen war ebenso wie der Herr Ab-geordnete Heine im Jahre 1383 als Referendar am StrafsenatdeS Kamniergerichts beschäftigt und ist in der Lage, die Be-hauptung des Herrn Abgeordneten Heine als falsch bezeichnen zukönnen. Der damalige, jetzt längst verstorbene SenatspräsidentDelius nämlich brachte lediglich einen großen Bogen mit...Die letzte Spalte enthielt einen Entwurf der Urteilsgründe, wieder Präsident Delius sie sich backte.... Wie nun die Notizenauf dem Bogen lediglich dazu bestimmt waren, dem Präsidentendie in seinen Händen liegende Leitung der Verhandlung zu er-leichtern, so enthielt die letzte Spalte nichts als ein Recktsgutachten,das er für sich selbst entworfen und das er allerdingsbereits i,l Form von„Gründen" gegossen hatte.Er hatte somit nur privatim eine Arbeit geleistet, die den Refe-rendaren bezüglich der ihnen überwiesenen Sachen ausdrücklich auf-gegeben wurde. Wenn diesen nun auch für die Absetzung ihrer Rechts-gutachten eine andere Form vorgeschrieben war, so wäre eS doch