rp,. 73. 23. mm 1. litllM iltg..vnriliiirts" Ktrlilltl VsllisdlM»Mmch. 28 U-r, IM.Keicksrag.7V. Sitzung. Dienstag, den 27. März, nachmittags 1 Uhr.Am Tisch des Bundesrats: v. Tirpitz. Prinz Hohen-lohe.Eingegangen ist das Etatsnotgesetz.Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Beratung desG-feyentwurfeS betr. Uebernahme einer Reichsgarantie für dieEisendahn von Duala nach den Manengubabergen.Der Gesetzentwurf wird ohne Besprechung definitiv ange-, rammen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und des DänenJessen.Darauf wird die zweite Beratung deS FloltengesetzeSfortgesetzt.Abg. Dr. Spahn(Z.): Ich hätte mich auf eine kurze zu-stimmende Erklärung bcichränken können, wenn ich nicht auf einigeAusführungen vom gestrigen Tage zurückkommen müßte. DemAbg. Bebel gegenüber bestreite ich, daß wir einen Wechsel in unserenAnsichten vorgenommen haben. Wir haben uns bei früheren Vor-lagen niemals für alle Zukunft festgelegt. Seitdem haben sich dieVerhältnisse sehr geändert. Wir müssen jetzt damit rechnen, daßwir einenKrieg mit England und Frankreich zugleichführen müssen. In einem solchen Falle müssen wir aber eineBlockierung unserer Küsten verhindern können.Zu der Vorlage ist ein Antrag des Abg. Ablaß eingegangen:Die Kosten der Flottenvorlage durch eine ReichSvcrmögcnSsteuerzu decken und die Bewilligung von der Einführung dieser Steuerabhängig zu machen. Dieser Antrag stellt ein singulärcs(außer-gewöhnliches) Vorgehen dar. von dem ich nicht weiß, ob es Vor-aänger hat. Ich meine, es wäre am besten, den Antrag der Steuer-tommission zu überweisen.(.Heiterkeit im Zentrum.)Abg. Frhr. v. Richthofen(k.): Mit Freuden kann ich anerkennen,daß der Sinn für die Flotte nie so stark gewesen ist wie heute!Das Verständnis dafür ist gewachsen in allen Kreisen der Be-völkerung, und zwar nicht durch die Agitation. Der Sinn für dieFlotte war zu allen Zeiten das Barometer für die Reichsseele desdeutschen Volkes. Als der Große Kurfürst, der erste Prophetdeutscher Einheit, daran ging, seine Pläne zu verwirklichen, dagründete er eine Flotte. Als das Parlament in Frankfurt zu-sammentrat, war der erste Gedanke die Schaffung einer Flotte.Als der Norddeutsche Bund ins Leben trat, war es ebenso. Als dasDeutsche Reich entstand, wiederholte sich der Vorgang. Von allenParteien hat sich nur noch eine Partei gegen den Inhalt derVorloge gewandt. Eine zweite hat sie aus an sich sehr wichtigenpolitischen Prinzipiengrünoen abgelehnt, hauptsächlich weil sie dieetatsmäßige Bindung auf Jahre hinaus verwarf. Aber nur mitHülfe dieser Bindung ist ein billiger Bau und eine sichere Kalkulationauf Jahre voraus möglich Ich schließe also mit der Bitte umunveränderte Annahme der Vorlage.(Bravo! rechts.)Abg. Dr. Müller-Sagan(frs. Vp.) verliest im Namen der Frei-sinnigen und der Deutschen Volkspartei folgende Erklärung:„Wirstimmen der in dem„Entwurf einer Novelle zum Gesetz betr. diedeutsche Flotte vom 14. Juni IRXT geforderten Vermehrung derAuSlandSschiffe an sich zu und sind bereit, im Rahmen desEtats die zum Bau der geforderten AuSlandSschiffe nötigenMittel zu bewilligen. Wir sind jedoch nach wie vor Gegner einerebenso überflüssigen wie unkonstitutionellen Bindung des AuSgabc-bewilligungSrcckteS des Reichstages im Rahmen eine? Gesetzes,umlomehr, als die Geschichte deS letzten JassrzehntS die Unmöglichkeitder Einhaltung eines gesetzlich festgelegten Bauplanes erwiesen hat.Aber selbst wenn wir unter den jetzigen politischen Verhältnissendiese schweren konstitutionellen Bedenken nicht als entscheidend er-achten wollten, müßten wir volle Sicherheit dafür haben, daß diezur Verschärfung der Flotte erforderlichen Mehrausgaben nur trag-fähigen Schultern auferlegt und nicht im Widerspruch zu§ ö desFlottengcsetzeS vom 14. Juni ISM durch indirekte, den Massen-verbrauch' von neuem belastende Steuer» oder durch Handel undGewerbe schädigend«, den Verkehr erschwerende Stempelabgaben?«deckt werden. Wir beantragen daher, die Mittel für die Mehr-orderungen zum Ausbau der Flotte aus einer Reichsvermögens-fteuer zu beschaffen und unterbreiten dem Hause zugleich ent-sprechende Ergänzungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf."(Dergestern gegebene Antrag Ablaß.)(Bravo! links.)Staatssekretär im Reichsmarineamt v. Tirpitz: ES erfüllt michmit Genugtuung, daß der Abg. Dr. Müller- Sagau und seinepolitischen Freunde die Forderungen der verbündeten Regierungennach ihrer sachlichen Seite hin anerkennen. Wenn sie aber dieBindung ablehnen, so fühle ich mich doch gedrungen, hier persönlichmeine Ansicht und die Ansicht aller Experten(Sachverständigen)auszudrücken, die Ansicht nämlich, daß wir nicht annähernd so weitgekommen wären, wenn wir nicht den großen lebendigen Plan desFlottengcsetzeS gehabt hätten. Die ganze Entwickelung unsererWerften, unserer Hafenbauten, unserer Kasernen, unserer Schulen,unserer Lazarette, kurz des ganzen Zubehörs einer großen Marine,macht eine langjährig« Bindung notwendig. Wir hätten den Schiffs-bau nicht so regeln können, ebensowenig die Anpassung des Personal.zuwachses an den Materialzuwachs. Ich habe auch mit einer großenReihe von Experten des Auslandes gesprochen, und überall ist mireine zustimmende Antwort auf meine Frage nach dem Nutzen langerBindung zuteil geworden. Ich glaube, daß es uns nur durch dasFlottcngesetz möglich geworden ist. daß unsere Flotte nach meiner.persönlichen Ansicht der französischen jetzt schon gleichwertig ist.(Hört! hört!)Was die etatsmäßigen Bedenken anbetrifft, die in der Er-klärung deS Abg. Dr. Müller-Sagan Ausdruck gefunden haben, somuß ich doch, wie schon in der Kommission, darauf aufmerksammacben, daß der 8 b deS FlottcngesetzeS, unter welches ja auch dieseneuen Schiffe fallen sollen, die alljährliche etatSmäßigc Bewilligungder Kreuzer vorsieht; eine gesetzliche Bindung deS Reichstages fürdie Bewilligung dieser Kreuzer besteht also nicht. Allerdings rechnendie verbündeten Regierungen darauf, daß eine Ablehnung derKreuzer nach Annahme dieses Gesetzes nur in ganz unabwendbarenFällen erfolgen soll! Vielleicht tragen diese meine Ausführungendazu bei. daß der Abg. Dr. Müller-Sagan und feine Freunde dieFrage ihrer Zustimmung zu den Gcsamtforderungen für unsereMarine noch einmal in Erwägung ziehen.(Bravo I rechts.)Abg. Graf Arnim(Rp.): Auch ich bin der Ansicht, daß der An-trag in die Stcuerkommifsion gehört. Wa» die Vorlage selbst be-trifft, so handelt es sich nur um einen Wechsel, der 1900 unter-schrieben und nunmehr präsentiert ist. Leider scheint mir, daß dieErfahrungen der letzten Jahre und_ insbesondere des russisch.japanischen Krieges, nicht genügend berücksichtigt sind. England hatauf Grund dieser Erfahrungen 18 Schiffe ausrangiert. Amerika17 Schiffe. Da scheint mir doch, als ob auch wir die Altersgrenzeherabsetzen müßten.Die einzige Partei, welche auch diese den Handel besondersschützende Vorlage abgelehnt hat, ist die Sozialdemokratie. Ich binaber überzeugt, daß der gesunde Sinn deS Volkes sich nicht unterdiese Politik der Sozialdemokratie beugen wird, die nach einemWorte deS Fürsten Bülow den nationalen Selbstmord bedeutet.Herr Bebel hat ja offen erklärt, daß er eine Niederlage, wie siedie Franzosen l870 erlitten haben, für Deutschland herbeisehnt, fallsdieselbe die soziale Republik bringen würde.(Hört! hört! rechts.)Aber die Arbeiter werden eS nicht verstehen, daß sie deshalb vater.landSloS, floltenloS werden sollen, weil die Sozialdemokratiemanchmal ihre Interessen vertritt. Herr Bebel beschlvert sich überdaS agitatorisch« Benehmen des FlottenvereinS!(Heiterkeit rechts.)Die Partei, die für die Freiheit der VereinStäligkcit schwärmt, bc-zeichnet diesen Verein als gemeingefährlich, weil er ihr unbequemist und ihr bei den Wahlen vielleicht das Waffer abgraben kann.Was patriotisch ist, kann überhaupt nicht gemeingefährlich fein.(Sehr richtig! rechlS,) Gerade im Interesse der Arbeiter liegt es.diese Vorlage anzunehmen. Ich freue mich nicht nur über die auf-klärende Tätigkeit des FlottenvereinS, sondern auch über die Spendeder Jugend. Wenn für die 60 000 Mark auch nur ein Boot an-geschafft wird, daS als Spende der„Flottcnjungcn" im Ausländeerscheint, so wird das einen erhebenden Eindruck machen.(Beifallrechts.)Abg. Dr. Müller- Meiningen(frs. Vp.) begründet den AntragAblaß auf Einführung einer RcichSvermögenSsteuer zur Deckungder Mehrforderungen des Flottengesetzes.— Der Patriotismusauf Kosten anderer ist nicht viel wert; wer die Flottenforderungenwirklich populär machen will, muß für unseren Antrag stimmen.(Lebhafter Beifall links.)Reichsschatzsekretär Frhr. v. Stengel: Der Bedarf für dieFlottenvorlag« ist einbezogen in den allgemeinen Deckungsbedarfder im vorigen Jahre eingebrachten RcichSfinanzreformvorlagc.Diese Vorlage hat die Kommission in angestrengter Arbeit in etwa40 Sitzungen fast bis zum Ende beraten. In dieser Kommission istein Versuch, eine Resolution uuf Einführung einer direkten Reichs.cinkommenS- und Veimögensiteuer an den Reichstag zu bringen,gescheitert. Die unterlegene Minderheit verlangt nun vom Plenum,daß cS die Arbeiten der Kommission vor ihrer Beendigung durch-kreuzen soll. Ich enthalte mich jeder näheren Kritik dieses Ver-fahrcnS(Unruhe links) und beschränke mich lediglich auf die Er-klärung, baß die verbündeten Regierungen einmütig entschloffensind, jeden Versuch einer direkten Reichöeinkommen- oder Reichs-Vermögenssteuer unbedingt abzulehnen.(Bravo! rechts.) Ich bitteSie, den Antrag Ablaß abzulehnen.(Bravo! rechts,)Abg. Licbrrmann von Sonnrnberg(Wirt. Ver.): Der AntragAblaß«st mir theoretisch sympathisch. Aber auch, wenn nicht alleSchwierigkeiten vorliegen würden, müßten wir diesen Antrag jetztablehnen.(Zuruf links: Warum?) Der freisinnige Antrag scheintmir nur eine Rückendeckung für eventuelle Ablehnung der Vorlagezu sein, eine Rückendeckung gegenüber der flottenfreundlichenStimmung in den freisinnigen Wählerkreisen.Abg. Mommsew(frs. Vg.): In allen bürgerlichen Parteienhaben sich die Ansichten über die Flotte sehr geändert. Man irrt sichaber, wenn man diese Meinungsänderung der Agitation des Flotten-Vereins zuschreibt. Damit schreibt man diesem Verein eine Be-deutung zu, die er nicht besitzt.(Sehr richtig! links.) Der Flotten-verein hat vielleicht mehr geschadet als genutzt. Die gestrige Rededes Abg. Bebel z. B. bestand außer aus Rcminisccnzen aus denstenographischen Protokollen parlamentarischer Verhandlungen überMarinevorlagen aus nichts anderem als aus einer Polemi! gegenden Flottenverein. Die Anfänge der deutschen Flotte sind demLiberalismus zu danken.(Unruhe rechts.) Sie(zu den Konfer-vativen) waren damals Gegner der Flotte, Ich freue mich, daß jetztauch die Konservativen der Flotte mit derjenigen Sachhchkeitgegenüberstehen, die wir gewünscht haben, und ich hoffe, daß Sieimmer auf diesem Standpunkt stchcn bleiben werden, auch wenn diePolitik einmal nicht so gehen sollte, wie cS die Herren wünschen.(Sehr gut! links. Große Unruhe rechts.)Was die finanzielle Deckung betrifft, so ist unsere Stellung zumAntrage Ablaß klar. Für daS Volk hat die Erbschaftssteuerschlechterdings die Bedeutung einer direkten Steuer. Warum hatsich denn auch sonst die RcichSregierung jahrzehntelang gegen eineErbschaftssteuer gesträubt? DaS eine steht fest; Die Art und Weise.wie die Steuerkommission aus allen Ecken und Endchen kleineSteuerchen, die gar keinen Sinn haben, zusanimensucht, verträgtsich auf die Dauer schlechterdings nicht mit der Würde des DeutschenReiches.(Sehr richtig! links.) Wir würden jedenfalls sehr vielleichter weite VolkSkrcisc, auch solche Kreise, die zur Wahlurne deöHerrn Bebel gehen, für die Flotte umstimmen können, wenn dieAusgaben ourch eine direkte RcichSftcuer gedeckt würden. Wir findfür den Antrag Ablaß, wie wir immer für eine direkte Reichs-cinkommen- und BcrmögenSsteuer gewesen sind. Wenn man imAntrage Ablaß ein Mißtrauensvotum gegen die Steucrkommissiongesehen hat. so ist ein solches Mißtrauen wirklich nicht unberechtigt!(Sehr richtig! linlS.) Ich fürchte freilich, die Mehrheit deS HauseSwird den Antrag derselben Steuerkommission überweisen, für dieer ein Mißtrauen ausdrücken wollte!Finanzminister v. Rheinbaben: Obwohl der Vorredner und seinePartei den Antrag Ablaß nicht mitunterzeichnet haben, tverden sieihm doch, wie ich zu meinem Bedauern vernommen habe, zustimmen.Daher erscheint eS mir als meine Pflicht, den ernsten Bedenken,denen bereits Frhr. v. Stengel AnSdruck gegeben hat, auch meiner-seitS Worte zu verleihen.— Wenn ich mich meiner juristiseljen Vergangenheit entsinne, möchte ich sagen, daß der Antrag Ablaß ver-dient,„angebrachtermoßen und nach dem Klagefundament abge-wiesen zu werden". Sie haben alle Steuervorlagen einer Kommissionüberwiesen, und es würde den Gepflogenheiten deS Hauses wider-sprechen, mitten im Laufe der KommissionSbc ratungen ein einzelnesSteuerobjekt den Beratungen der Kommission zu entziehen undwieder vor da? Plenum zu bringen, Ter Abg. Mmnm,en hat sichdie Sache mit der Vermögenssteuer sehr leicht gemacht. Tie ganzeSache bei der außerordentlichen Verschiedenheit der Verhältnissedurchzuführen, hat er freundschaftlichst uns überlassen,(Heiter-kcit rechts.) Den Vorschlag, eiustn-eilen das preußische Ergänzungssteuergesetz überall in den deutschen Landen einzuführen, hat er sichdoch wohl nicht genügend überlegt; denn es ist mif preußischen Ver-Hältnissen aufgebaut, auf die preußische Behördenorganisation. daSganze preußische öffentliche Recht und paßt auf die total anderenVerhältnisse Bayerns. Elsaß-LotHringenS oder Hamburgs ganz undgar nicht. Es war schon ein außerordentliches Entgegenkommen,haß wir die Erbschaftssteuer bewilligten. Nachdem wir nun die eineBacke hergereicht haben, will man uns auch auf die andere noch einenStreich versetzen.(Heiterkeit.)Abg. Biising(natl.): Als Vorsitzender der Steuerkommissionhalte ich mich doch für verpflichtet, einige Worte gegen die Kritik deSHerrn Mommscn zu sagen. Wir haben uns nach bestem Wissenbemüht, das große Ziel zu erreichen, zu dessen Erreichung wir ein-gesetzt sind: die Durchführung der ÄcichSiinanzreform, Ob dieKommission im einzelnen das Nichtige getroffen hat, wird das hoheHaus in zweiter Lesung entscheiden. Kritisieren ist leicht,«S hcrnMtsich um daS Bessermachen. Wer daS kann, soll der Kommission will-kommen sein.(Lebhafte Zurnfo bei den Sozialdemokraten: Reichs-einkommenfteuerl) Auch das ist leicht gesagt, Sie wissen, daß einderartiger Beschluß auf die Zustimmung der verbündeten Regierungennicht rechnen kann. Die Kommission hat sich von Anfang an aufden Standpunkt gestellt, nur das Erreichbare zu erstreben, allesandere ist graue Theorie.(Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)Wer die Reichsfinanzreform ernsthaft will, der kann nur für Steuerneintreten, welche die Zustimmung der Mehrheit des HauseS und derverbündeten Regierungen finden können,?tbg. Vruhn(Ant,): Wir sind zwar für eine ReichövermögenS-steuer. lehnen aber doch jetzt den Antrag ans Einführung einersolchen ab. Wir hätten zwar ein« weitergehende Flottenvorlagegewünscht, erkennen aber doch die«eise Beschränkung in der Re-gierungßvorlage an.Abg. Bebel(Soz.):Dem Antrag Ablaß werden wir zustimmen, nicht weil wir ihnin allen Einzelheiten billigen können, sondern weil wir mit seinemGrundgedanken: daß die Kosten der Flottenvorlage von den leistungS-fähigen Schultern getragen werden sollen, einverstanden sind,Herr Büsing hat sich alS Vorsitzender der Steuerkommissionveranlaßt gesehen, für diese Kommission mit warmen Worten ein-zutreten, IvaS ich ihm nicht übelnehme. Wenn er aber glaubt, daßdie Resultate dieser Kommissionsberatimg bei der Mehrheit derNation irgendwelchen freudigen Anklang finden werden, erwarteter etwas, was niemals eintreten wird,(Sehr richtig I bei denSozialdemokraten,). Die ganze Art und Weis«, wie die Steuer-kommtssion ihre Arbeiten zu lösen versuchte, hat nach außen hinden denkbar ungünstigsten Eindruck gemacht. Man hat die Ueber-zeugung bekommen, daß die Kommission sich in ständiger Verlegen-heit befindet, daß sie erst mühselig Majoritäten zusammensuchenmuß für möglichst verkehrte Steucrprojekte. Wenn Steuern verlangtwerden für Projekte, von denen in erster Linie die besitzendenKlassen Vorteil haben, dann verlangt jeder im Volke, daß dieherrschenden Klassen auch die nötige Opferwilligkeit beweisen, umdie Mittel für die Zwecke zu beschaffen,(Sehr richtig! links,),Frhr. v. Stengel und der preußische Finanzministcr sind mit großemEifer gegen den Antrag Ablaß zu Felde gezogen. Durch die Stimmung im Hause war dieser Eifer eigentlich nicht be�cundet; denndie.Herren wissen ganz genau, daß die große Mehrheit des Hausesfür den Antrag Ablaß nicht zu haben ist. Aber es liegt ein psyclw-logisches Mmnent in der Art der Bekämpfung dieses Antrages. DieHerren fühlen jedenfalls deutlich, daß dieser Antrag bei der großenMasse der Nation unter allen Umständen auf Sympathie rechnenkann.(Lebhaftes Sehr richtigl links,) Und um dieser Sympathienach Möglichkeit zu begegnen, führen sie eine ganze Reihe von formalen Bedenken an. die der Einführung dieser Steuer entgegen-stehen. Für uns gibt eS kein Bedenken, das dieser Steuer ernsthaftim Wege stehen könnte, akö nur das eine: das ist der fehlende Wille.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Man konnte sich aller-dings kurze Zeit dem Glauben hingeben, daß die Antragsteller fürArtikel 6 des FlottcngesetzeS«S mit ihrem Antrag ernst nehmenund bei Auftauchen neuer Steuerobjekte vor allen Dingen für Ein-Haltung dieser Bestimmung eintreten würden. Wer aber glaubte,sich auf die Festigkeit der Herren vom Zentrum verlassen zu können,der ist wieder einmal gründlich hereingefallen. Die Viersteuer unddie Tabaksteuer gehören zu den Objekten, die unzweifelhaft unterArtikel 6 fallen,(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) ESist also zweifellos, daß daS Zentrum den Artikel 6 schon heute preisgegeben hat; wir werden bei Gelegenheit der Erörterung der Steuer-vorlagen noch näher darauf zu sprechen kommen,— Wenn HerrBüsing sagt, eS handele sich darum, das Erreichbare zu verlangen.so ist das ja alle Zeit das Programm der Nationalliberalen ge-Wesen. Darunter hat man bei ihnen stets verstanden, daß manetwas Bestimmtes nicht erreicht, weil man es nicht erreichen will.(Sehr richtigl bei den Sozialdemokraten.) Ein Parlament, das sichfeiner Stellung bewußt ist, ist nicht dazu da, mit der Regierung zupaktieren und nach ihrer Pfeife zu tanzen. Das„Erreichbare" istfür Sie der bequeme Weg, auf dem man allen unangenehmen Er-örterungen aus dem Wege geht.(Sehr richtigl bei den Sozialdemo-kraten.) Ich bin zu sehr im parlamentarischen Leben alt und graugeworden, um nicht diese Art Taktik zu durchschauen.Damit habe ich kurz den Standpunkt meiner Freunde dar-gelegt. Es versteht sich,'daß wir immer und immer wieder für eineReichSvermögenssteucr und Rcichseinkommcnsteuer eintreten. DerStaat hat die Aufgabe, in erster Linie Vermögen und Besitz seinerAngehörigen nach außen zu schützen. Je größer daS Vermögenund das Einkommen ist, desto größer ist die Aufgabe des Staates.Nichts ist vernünftiger und gerechter, als daß je nach dem Maß« deSSchutzes auch die Opfer bemessen werden. Diejenigen, die der An-ficht sind, daß Recht und Gerechtigkeit maßgebend sein sollen, müssenauch dafür sein, daß diejenigen, die am meisten haben, am meistenbezahlen.(Sehr wahr! links.)Ich will nun zunächst einen kleinen Irrtum des Staatssekretärsrichtig stellen. Der Herr Staatssekretär hat gestern meine AuS-führungcn dahin verstanden, daß ich der Marinevcrwaltung wegenihres früheren Hin- und HerschwankenS in der Frage des Flotten-nusbaues einen Vorwurf gemacht hätte. DaS ist durchaus nicht derFall gewesen. In dieser Richtung habe ich gar keine Erörterungengemacht, weil unser Standpunkt in dieser Frage ein durchaus ab-lehnender ist. Ich habe mich nur auf Aeußerungen des Abg. Lieberbezogen. Es ist auch ein Grundirrtum, wenn Herr Dr. Spahn dieSache so darstellt, als ob Dr. Lieber gerade für einen festen Plangewesen wäre. Einen bestimmten festen Plan hatte auch bereitsHerr v. Hollmann. Der Plan, der 1897/98 in der Budgetkommissionerörtert wurde, hatte eine bestimmte feste Erweiterung der Flottein Aussicht genommen, aber der Vorgänger des Herrn v. Tirpitzwar nicht geneigt, sich zu binden. Damals erklärte auch noch derAbg. Müller-Fulda: Der Handel brauibe keine Schiffe, undDr. Bachem vertrat die Ansicht, daß die Missionare keine Kriegs-schiffe gebrauchten! Solche Aeußerungen beweisen denn doch, daßdamals für das Zentrum prinzipielle Bedenken ausschlaggebendwaren. DaS, ganze Zentrum legte sich damals offiziell auf die Er-klärung fest, daß Deutsckland unmöglich neben einer ersten Armeeeine erste Flotte erhalten könne. Wenn je eine große politischePartei sich durch überraschend raschen ZLechsel in ihren Llnschauungenüber eine wichtige Aufgabe deS Staates gründlich bloßgestellt hat.so ist eS das Zentrum in der Flottcnfrag«.(Lebhafte Zustimmungbei den Sozialdemokraten.) Es wäre eine sehr dankbar Aufgabefür einen politischen Schriftsteller, die Stellung der einzelnenParteien und Redner einst und jetzt zu den Flottcnplönen in einerBroschüre zusammenzustellen. DaS würde ein Hochgenuß werden.und das Zentrum käme dabei besonders schlecht weg.(Sehr gut!bei den Sozialdemokraten.)Der Herr Staatssekretär meinte, wenn eS richtig sei, daßDeutschland isoliert, wäre, bedürfe eS erst recht einer stärkerenRüstung zur See. Aber diese Isolierung Deutschland«, die nachmeiner Auffassung gar nicht bestritten werden kann, ist ein Werkunserer Diplomatie. Weil nun unsere Diplomatie Fehler undunausgesetzt Fehler schwerster Art begangen hat. als deren End-rcsultat wir jetztdie Isolierung Deutschland» in Europavor uns sehen, nun zu verlangen, daß die Nation die neuen un-geheueren Flottenlosten tragen soll, das halte ich für einen durchausfalschen Standpunkt,(Sehr richtig! links.) Die Nation muß viel-mehr verlangen, daß die Männer, die diese Fehler bisher gemachthaben, beseitigt werden(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) nnddaß eine Politik getrieben wird, die Deutschland nicht in der Weltverhaßt, sondern beliebt macht. Die Bundesgcnosscnschaft, die jetztEngland hat. wäre vor einigen Jahren leicht auch für unS zu habengewesen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Aber durchunsere eigene Schuld sind wir in die gegenwärtige Situation hinein-geraten, bei der wir unS im Ernstfalle nicht vor dem allgemeinenUntergange retten können.(Große Unruhe rechts.) Gerade aufdem Gebiet der Marine sind wir nach unserer ganzen Entwickelungund geographischen Lage auf die Defensive angewiesen, Jahrzehnte-lang war daS die Auffassung der maßgebendsten Kreise Deutsch-lands, und bis in die Mitte des vorigen Jahrzehnts galt das WortHollmanns, daß wir unS hauptsächlich darauf stützen müßten, unSinnerhalb unserer Meere verteidigen zu können und die vorzüglicheBeschaffung unserer Küsten auszunutzen, um jeden Angnff unmöglich zu machen. Jetzt aber sind wir darüber hinausgegangen,hqben eine Hochseeflotte, eine Weltmachtflotte geschaffen, die wirneben der Last der militärischen Landrüstnngen zu tragen gar nichtin der Lage sind. Wenn aber einmal doch diese Rüstung getragenwerden soll. In den letzten zehn Jahren haben wir unsere Rüstungzu bringen, in deren Interesse zunächst die Institution geschaffenwerden soll. In den letzten zeh»Jahren haben wir unsere Rüstungzu Lande und zu Wasser bedeutend gestärkt. Was aber haben wirin diesen zehn Jahren an Ansehen, Einfluß und Macht in Europagewonnen? Niemand kann heute behaupten, daß wir jetzt stärkerund angesehener dastehen als vor zehn Jahren.(Sehr wahr! beiden Sozialdemokraten.)Nu» griff der Staatssekretär v. Tirpitz zur Bekämpfung meinerPartei nach einem Strohhalm und nahm Dczn� auf einen Artikel,den inein Parteigenosse Calwer über Englands Absichten veröffent-licht hat. Es wäre ja geradezu merlwürdig, wenn in einer so großenPartei wie der unsrigen sich nicht auch einmal ein„weißer Rabe"fände.(Stürmische Heiterkeit im ganzen Hause.) Aber der Staats-