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|t. 117. 23. Jahrgang. 3. Jkilnjt des Joraürts" Knlim WIksM Dienstag, 22. Mai IM. Partei- Angelegenheiten. Die Svmmerfeste der Parteigenossen haben sich immer mehr zu wahren Volksfesten ausgewachsen. Auf diesen Veranstaltungen finden sich die Genossen zusammen, um sich einige Stunden über die Misere des Tages hinwegzusetzen. So manchen Genosien, den man bei der Größe der Kreise und wegen der fast alle freie Zeit absorbierenden gewetk- schaftlichen und politischen Tätigkeit nur flüchtig zu Gesicht bekommt, trifft man auf dem Sommerfest wieder. Da werden alte Er« innerungen aufgefrischt und neue Bekanntschaften geschlossen. Für genügende Unterhaltung sorgen die Komitees. Diese sind bemüht, jedem Besucher etwas zu bieten, und das für ein sehr minimale? Eintrittsgeld. Das kann aber nur geschehen, weil auf Massenbesuch gerechnet wird. Der 6. Wahlkreis feiert am Sonntag, den 15. Juli, wieder im Moabiter Schützenhause. Plötzensee, sein Sommerfest. In dem reichhaltigen Programm Konzert, Gesang, Tanz, humoristische Vorträge, Auftreten von Turnern, Athleten und Radfahrern ist auch besonders der Kinder gedacht, durch Gratisvorstellung eines Kasperle-TheaterS, außerdem bekommt jedes Kind einen Bon zur Schaukel u. dgl. und einen zum Umtausch gegen eine Stocklaterne. Bei dem geringen Preis von 20 Pf. pro Billett kann auch der Wirt« fchastlich nicht besonders gutgestellte Genosse teilnehmen. Fünfter Wahlkreis. Heute Dienstag abend präzise S'/s Uhr: Versammlung des Wahlverein» im Alten Schützenhause, Linienstr. S. Genosse Düwcll spricht über.Partei und Ge- werkschaft". Gäste haben Zutritt. Das Erscheinen aller Mit- glieder erwartet Der Vorstand. Charlottenburg . Heute Dienstag: Mitgliederversammlung deS sozialdemokratischen Wahlvereins. Genosse Karl Wiesenthal wird über das Thema.Was lehren unS die Massenstreik« und-AuS« sperrungen?' referieren. Wir erwarten in Anbetracht diese» Vor­trages einen recht zahlreichen Besuch. Der Vorstand. Wahlvercin Nixdorf. Abteilung 8: Herrenpartiel Treffpunkt 7 Uhr am Görlitzer Bahnhof Ecke Wienerstraße. Fahrt nach Schmöckwitz , von da Marsch nach Zwiebusch(Frühstück), weiter über Gosen nach Müggelheim (Mittag im Restaurant.Zur großen Krampe-). Dann über die Müggelberge nach Grünau , Uebersetzen mit der Fähre. Rückfahrt nach Görlitzer Bahnhof. Fahrpreis hin und zurück 0,55 M. Zahlreiches Erscheinen erwartet Der Abteilungsleiter. 12. Abteilung, Bezirke», b, o. Heute abend 8'/, Uhr, findet in Fritz Hoppes Festfälen, Hermannstr. 49/50, eine öffentliche Ver- fmmnlung mit Frauen statt. Tagesordnung: Ein Wort zum Aus- tritt aus der Landeskirche. Unsere Sgitation auf polittschem Gebiet. Referent: Genoffe Franz Gaida. Das Erscheinen aller Männer und Frauen der 12. Kommunal-Wahlabteilung ist dringend Pflicht. Der Abteilungsführer. Wilmersdorf . Heute abend findet im Obftschen Lokal, Meininger- sttaße 8. in Schöneberg eine außerordentliche Generalversammlung statt. Außer einem Vorttage des Genossen Mermuth über.Partei und Gewerkschaft- steht die Neuwahl des 1. Vorsitzenden und Bericht des Vorstandes auf der Tagesordnung. Auch können die neuen Mit« gliedsbücher in der Versammlung in Empfang genommen werden. Zahlreiches Erscheinen erwartet Der Vorstand. Zehleudorf. Heute abend 3 Uhr findet die Mitgliederversamm- lung deS WahlveremS statt. Auf der Tagesordnung steht ein Vortrag de» Benoffen Dr. Max Schütte: GeschichtSauffaffung und GefchichtS- lehre. DeS weiteren gelangen die neuen Mitgliedsbücher zur Aus« gäbe. Genossen I DeS interessanten und lehrreichen VorttageS wegen fit es Pflicht, daß alle Mann erschemen. Die Bibliothek steht den Genossen zur Verfügung. Gäste haben Zutritt. Teltow und Umgegend. Heute abend findet die WahlvereinS- Versammlung im Lokale de» Herrn Dertz, Teltow . Zehlendorferstraße, statt. Die Wichtigkeit der Tagesordnung erfordert das Erscheinen aller Genossen. Gäste haben Zuttitt. Der Vorstand. KönigS-Wusterhausen . Die Versammlung findet nicht, wie be« kannt gegeben, am Dienstag, den 22. Mai, fondern am Mittwoch, den 23. Mai, abends 8 Uhr. im.SiegeSkranz - statt. Mitglieds- bücher sind bestimmt mitzubringen, da der Umtausch derselben durch neue stattfindet. Der Vorstand. Lichtenberg . Heute Dienstag, den 22. Mai, abends S1/» Uhr, findet im.Schwarzen Adler- die Mitgliederver« f a m m l u n g des Wahlvereins statt. Wir erwarten rege Beteiligung der Genossen. Gäste willkommen. Der Vorstand. Wittenau . Der nächste DiSkntierabend findet Mittwoch, den 23. Mai, abends 9 Uhr, bei Böhm statt. Die Genossen werden ersucht, pünktlich und vollzählig zu erscheinen. Die noch nicht ab« geholten neuen Mitgliedsbücher werden ausgegeben und sind die alten zwecks Kontrolle mitzubringen. Der Vorstand. Potsdam . Morgen Mittwoch, den 23. Mai er., abends 8'/, Uhr, findet im.B i k t o r i a» G a r t e n-, Alte Luisenstr. 32, eine Volksversammlung statt. Tagesordnung: 1. Der preußische Volksschulgesetz« Entwurf. Referent: Wilh. Miethke- Berlin . 2. Diskussion. Männer und Frauen der organisierten Arbeiterschaft, sorgt für gute» Besuch dieser Protest- Versammlung l_ Der Einberufer. Berliner JVadmcbten* Tie erste Adresse des Berliner Freisinns an Wilhelm II. Wenn im Kaiserhause Geburtstag ist, wenn sich daS Jahr wendet, wenn sich ein Prinz vermählt, wenn kurz, wenn sich irgend eine Gelegenheit bietet und wann böte sich eine solche nicht? versäumen unser aufmerksamer Magistrat und mit ihm die Väter unserer Stadt nie, ihre Ergebenheit und Königstrelle dem Herrscher und dessen Gemahlin allerunter« tänigst zu Füßen zu legen. Die Form, in der diese Ergeben- heitsadresten gekleidet waren und noch sind, hat sich in der Geschichte der Stilistik bereits einen berühmten Platz erobert, andererseits bilden diese Adressen einen wertvollen Beitrag zur Charakteristik des Freisinns, der sich mit seinemMannes- stolz vor Königsthronen" nicht genug tun kann, aber Fußtritte mit Schweifwedeln begrüßt. Einmal kam in die Adressenschickerei ein Mißton hinein, und zwar aus Anlaß einer Gratulation zum Geburtstag der Kaiserin. Es war zu jener Zeit, als die Stadtverordneten nicht einsehen wollten, daß die Steuergelder auch zu Kirchen« bauten da seien und eine solche Forderung ablehnten. Da wurden die Herren Stadtväter in der Antwort auf die Er- gebenheitsadresse recht unsanft gerüffelt und ihnen geraten, mehr für Verbreitung des kirchlichen Sinnes zu tun. Es war der Oberhofmeister der Kaiserin, Herr v. Mirbach, der ja im Sammeln für Kirchenzwecke ganz besonders etwas los hat, der diesen Rüffel erteilte. Das hat unsere Stadwäter doch etwas verschnupft, und seit dieser Zeit gratuliert nur noch der Magistrat allein der Kaiserin zum Geburtstag. Dieser Adressenverkehr zwischen Stadwertretung und Kaiserhaus hat sich fast ausnahmslos auf schriftlichem Wege vollzogen, und die Zahl der abgesandten Adressen dürfte im Laufe der Jahre zu einer recht erheblichen angewachsen sein. Nur zweimal hat, unserer Erinnerung nach, die Stadt verordnetenversammlung dem Kaiserpaar ihre Ergebenheit persönlich überreicht: Das erste Mal beim Regierungs> antritt und das zweite Mal bei der im Februar stattgefundenen silbernen Hochzeit. In letzterem Falle kamen die delegierten Herren Stadtväter gar nicht dazu, ihre Ergebenheit auszu sprechen, denn bei der Masse der erschienenen Gratulanten wurde summasummarisch verfahren. Einen um so inter essanteren Verlauf aber nahm die Mission unserer Stadtväter beim Regierungsantritt des jetzigen Kaisers. Damals ist über den Verlauf der Audienz wenig bekannt geworden, die Audienzler waren ganz geknickt, um viel von der Sache ver lauten zu lassen. Jetzt aus Anlaß des Todes des Stadtschulrats Dr. Gerstenberg frischt ein Mitarbeiter desVerl . Tageblatt" die Erinnerung an die damalige Zeit wieder auf. Gersten� berg war damals auch Stadtverordneter und ge hörte als solcher der berühmt gewordenen B r u n n e n> deputation an. Der Kaiser war von seinen Besuchen an den Höfen aus- und inländischer Fürsten zurückgekehrt, und die städtischen Behörden wollten dem Monarchen eine be- sondere Aufnkerksamkeit erweisen. Professor Begas hatte dm Schloßbrunnen geschaffen, und dieses Monument sollte dem Kaiser beim Willkommensgruß übergeben werden. Der Mit arbeiter desTageblatt" und Freund Gerstenbergs schildert die Situation folgendermaßen: Am 27. Oktober 1888 war e», als die städtische Abordnung, mit güldenen Ketten angetan, an ihrer Spitze der reckenhafte Forckenbeck, im großen Empfangssaale des Zollernschloffes der Ankunft deS Kaisers harrte. Unter den abgeordneten Stadt' Vertretern befand sich auch unser Gerstenberg. Der Oberbürger meister hielt in der weißbchandschuhten Rechten die vom Magt stratskalligraphen künstlerisch ausgeschmückte, sauber gebundene Adresse, in der Stadtschulrat Bertram seiner Leier volltönende Akkorde entlockte. Es sei gestattet, einstje Sätze dieses historisch denkwürdigen Dokuments, daS der Magistratsverwaltungsbericht der Vergessenheit entrissen hat, hier wiederzugeben: Freudiger Festesklang empfing Euer Majestät in den Hauptstädten der befreundeten Fürsten, und FriedenSmusik war sein Widerhall für Europas Völker. In raschem Zuge trug des deutschen KaiserthroneS Erbe den Oelzweig durch den Weltteil, froher Zuversicht voll begrüßten Deutschlands Stämme daS glückverheißende Zeichen. Unsere Stadt aber freut sich der Zeit, da Euer Majestät das ehr- würdige Schloß der Hohenzollern zu längerem Aufenthalt wählten, sie erbittet von Euer Majestät Huld die Erlaubnis, durch einen dauernden Schmuck des Schloßplatzes zu bekunden, wie fest in diesen bedeutungsvollen Tagen hochsinnige Kaiser - warte unsere untertänigste Verehrung mit vertrauensvoller Schaffenslust verbunden haben. Ein Brunnen, welchen ein Berliner Meister in reichen, heiteren Formen schuf, fand längst an höchster Stelle den vollen Beifall. DeS Künstlers Werk, in Erz und Stein geformt,, dorthin gestellt, wo vor des Königs Fenstern sich der geschäftigen Bürger Wege kreuzen, das wollen Euer Majestät von unserer Stadt gnädig entgegennehmen als ein Huldigungsgeschenk von guter Vorbedeutung, denn wie der Wasserstrahl aus edler Form, Erfrischung spendend, auf- steigt, des Druckes ledig, der ihn in seine Bahnen zwang so erhebt sich des Volkes Sinn au» des Tages Mühen zu er- mutigender Freude an des Vaterlandes hohen Zielen, die ein geliebter Fürst mit fester Hand für Gegenwart und ferne Zukunft weist...." Begreiflicherweise war man allgemein gespannt auf den Verlauf der Audienz, in der daSHuldigungsgeschenl" übergeben wurde, und mir fiel der ehrenvolle Auftrag zu. der Mitwelt darüber Bericht zu erstatten. Allein, ich fand verschlossene Türen, man beschränkte sich auf Verlegenheitsphrasen, und ich merkte, daß da irgend etwa? nicht in Ordnung war. Da, in letzter, höchster Not, fiel mir Gerstenberg ein. Spät abend» empfing mich der allezeit fröhliche und liebenswürdige Mann.Na." meinte er,Sie haben dabei nicht gut abgeschnitten."Ich? Wieso?"Ich meine die Presse," erklärte er,der Kaiser war über sie indigniert; er hat eS übel vermerkt, daß sie sich mit seinen internen Familienangelegenheiten beschäftigte und forderte unS auf. dafür zu sorgen, daß daS künftig unterbleibe. Wir waren sprachlos...."Und was sagte der Kaiser zum Begas Brunnen?".Forckenbeck blieb auch sprachlos, das heißt er ist gar nicht zu Worte gekommen. Als der Kaiser geendet, drehte er sich um und schied sehr un- gnädig."Und die A d r e ss e?"Die hat Forckenbeck dann auf einen Stuhl niedergelegt... Und dabei machte Gerstenberg eine entsprechende Handbewegung." Warum wir auf die Sache zurückkommen, werden unsere Leser nach dem Vorstehenden leicht verstehen. Zum erstenmal wird durch diese Erinnerung die Tatsache bekannt, daß die erste Adresse der Berliner Stadtverordneten ihnen gar nicht abgenommen, sondern, weil der Kaiser die Herren einfach stehen ließ, auf einen Stuhl niedergelegt wurde. Es wäre pflichtvergessen von uns, wollten wir diesen Beitrag zur Ge- schichte der Adressenfabrikation des Berliner Freisinns weiteren Kreisen vorenthalten._ Zur laufenden Berichtigung der Liste stimmfähiger Bürger Berlins hat das Wahlburcau des Magistrats im Etatsjahre 1905/06, über daS es jetzt de» Jahresbericht erstattet, von der Polizei 1 922 687 Meldungen erhalten, darunter 1 045357 Anmeldungen, 359 886 Abmeldungen, 16 944 Anzeigen über Verstorbene. In 586 605 Fällen handelte eS sich um männliche Personen wahlfähigen Alters, diese Meldungen waren also auf die PcrsonenblSttcr Wahl- berechtigter Einwohner Berlins zu übertragen. Die Zahl der neu angefertigten Karten für die von außerhalb zugezogene» wahlfähigen Personen sowie für die in daS wahlfähige Alter eingetretenen Berliner belief sich diesmal auf 108 911, um 3806 mehr als im Vor- jähre. Diesem Zuwachs stand gegenüber ein Abgang von 85 683 Karten für die nach außerhalb weggezogenen Personen wahlfähigen Alters und für verstorbene wahlfähige Berliner , 6632 mehr als im Vorjahre. Der Ueberschutz der neu angefertigten Karten über die weggelegten betrug hiernach 23 228, um 2174 mehr als im Vorjahre. Amtlich wird darauf aufmerksam gemocht, daß es nicht gestattet ist, und zwar weder Schülern noch Lehrpersonen, die F e r i e n über die amtlich festgesetzten Termine hinaus durch frühere Abreise oder spätere Rückkehr zu verlängeni. Die Direktoren sind angewiesen, diese Bestimmungen streng zu beobachten. Gesuche um Dispensionen sind deshalb zwecklos. Dispensionen von irgend einen, Lehrgegen- stand können nur auf ein ärztliches Zeugnis gewährt werden; letzteres muß halbjährlich erneuert werden, falls das erste Zeugnis nicht eine bestimmte Dauer der Befteiung ausspricht. Die Gemeinde Reinickendorf will mit der Großen Berliner Ver- Handlungen anknüpfen wegen Verlängerung einer Straßenbahnlinie nach Reinickendorf oder Schaffung einer neuen Linie. Außerdem ist angeregt, in Verhandlungen mit einer der bestehenden Verkehrs- gesellschaften wegen Herstellung einer Automobil-OmnibuSverbindung vom Gesundbrunnen aus durch die neue Prachtstraße und Humboldt- stratze bis zur Eichbornstraße einzutreten oder den Bau einer Gemeinde« Straßenbahnlinie zwischen dem Osten und Westen des Dorfes in Erwägung zu ziehen. Durch Kurzschluß tu der elektrischen Hochbahn entstand Sonntag abend kurz vor 7 Uhr eine kleine Verkehrsstörung. An der Einfahrt des Tunnels westlich vom Nollendorsplatz schlugen plötzlich hohe Flammen empor. Wie sich später herausstellte, war ein Telephon- draht an der Sttccke herabgefallen und hatte sich auf die Stark- stron, schiene gelegt, wodurch eine Sttomunterbrechuug erfolgte. Ob, wie behauptet wird, dieser Draht böswillig zerschnitten worden oder von selbst gerissen ist. steht noch nichl fest. In der ersten Aufregung hatten Straßenpassanten die Feuerwehr herbeigerufen, die aber nicht in Tätigkeit zu treten brauchte, weil die Bahnbeamten den Kurzschluß nach Abstellung des Stromes bereits beseitigt hatten. Die durch den Vorfall verursachte Verkehrsstörung dauerte sechs Minuten. Die Photographie in der Schule. Praktische Uebungen in der Photographie wurden an der 13. Realschule versuchsweise im letzten Winter veranstaltet. Von einem der Physiklehrer wurden für Schüler der beiden obersten Klassen unentgeltliche Sonderkurse ab- gehalten, in denen das Entwickeln der Negative, das Kopieren auf Bromsilberpapieren, die Herstellung von Vergrößerungen usw. usw. ausgeführt wurden. Die Uebungen haben sich bewährt und werden in diesem Sommer fortgesetzt. Es wird beabsichtigt, vorgeschrittene Teilnehmer auch im künstlerischen Kopierverfahren zu unterweisen. Die Mittel zum Ankauf eines guten photographischcn Apparates sind aus den Eintrittsgeldern eines in der Schule veranstalteten Vortragsabends zusammengebracht worden. Ein Seidcndiebstahl wurde in letzter Nacht in der Lindenstt. 57 verübt. Im ersten Stock des Vorderhauses befindet sich dort das Seidenlager von Wilhelm M a a ß. Der Inhaber wohnt aber in der Alten Jakobstraße. Die Spitzbuben öffneten die Korridortür während der Nacht mittels Stemmeisen und nahmen Seide im Werte von zirka 15000 Mark mit. Als früh der Briefträger Postsachen abliefern wollte, sah er, daß die Tür erbrochen war und benach- richtigte den Portier. Die sofort vorgenommene Besichtigung ergab, daß Diebe in den Geschäftsräumen gehaust hatten. Bis jetzt ist eS aber der Polizei noch nicht gelungen, die Täter zu ermitteln. DaS Nizzaer Hochstaplerquartett. In Nizza verhaftete die Polizei vor einiger Zeit ein Quartett von deutschen Wechsel- s ch i e b e r n. Diese vier, namens Koschoreck, Otto Marschall, Rudolf König und Emma Romeick geborene Tönnies, die jetzt hinter Schloß und Riegel sitzen, sind hier keine Unbekannten. K. E. Koschoreck war noch im vorigen Sommer hier ansässig und als Hochstapler bekannt. Seine Briefbogen waren stets hochelegant. AIS Deck- adresse gab er die Handelsstätte Belle-Alliance an, in der sich be- kanntlich eine Vereinigung von Agenten befindet. Seine Briefe blieben im Postamte 48 liegen, und er holte sie sich hier mit den täglich zahlreich eingehenden Postanweisungen ab. K. inserierte wegen Darlehen, ließ sich Vorschüsse einschicken und rührte dann keinen Finger mehr. Seine Tätigkeit bestand eigentlich nur darin, von Lokal zu Lokal zu wandern, um dort die eingegangenen Gelder zu verzehren. K. war ein Freund des erst vor einem Monat zu Zuchthaus verurteilten Plumm, bekannt auS dem Prozeh Thilo und Genossen. Als K. der Boden zu heiß wurde und ihm die Polizei auf den Fersen war, verschwand er im August vorigen Jahres und war dann in Monte Carlo , Nizza ic., von wo er seinen früheren Freunden zahlreiche prahlerische Ansichtskarten sandte. Otto Marschall ist ebenfalls Berliner . Am Hause Friedrichstr. 154 be- findet sich noch sein Firmenschild:Marschall , Grundstück- und Hypothekenverkehr.- Er war früher die rechte Hand des bekannten einstigen Pommernbankdirektors Romeick. Marschall inserierte in gleicher Weise wie Koschoreck und nannte sich stolz Bank- direttor a. D. Marschall war im Herbst v. I. noch als Geschworener im Duellprozeß KobelinSki in Moabit tättg. Während fein früherer Herr und Gebieter Romeick in Untersuchungshast saß, zog Starschall zu Frau Romeick in der Pragerstraße und verschwand plötzlich mit ihr. Auch ihm war der Boden zu heiß geworden. Rudolf König ist ein ehemaliger Rittergutsbesitzer, der sich bei seiner Verhaftung den Namen des Geschäftsreisenden Johannes v. Drage in Berlin beilegte. Auch er hat schon mancherlei auf dem Kerb- holze. So wußte er seinerzeit einen wohlhabenden Fabrikbesitzer zu veranlassen, ein Zechgelage zu veranstalten, machte ihn bettunken und stahl ihm dann die Brieftasche nvt 6000 Mark. In München ergriffen, wurde der Dieb zu zivei Jahren Gefängnis und drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Nach seiner Entlassung traf er in Berlin zufällig Herrn v. Drage , der geschäftlich viel mit Land- leuten zu tun hat und daher auch ihn und seine hochangesehene Familie kennt, v. Drage bemühte sich um ihn, suchte ihm Be- schäftigung zu verschaffen, unterstützte ihn mit Geld und bot ihm in, vergangenen Winter zeitweilig sogar ein Obdach. Die Gastfreund- schaft lohnte ihm der verkommene Mensch damit, daß er seinen Schreibtisch mit einem Nachschlüssel öffnete und ihm den Militärpaß stahl. Mit diesem fuhr König, wie sich jetzt ergeben hat, nach Ver- Übung einiger kleinen Schlvindeleien nach Nizza . Alle vierWohltäter" vereinigten sich in Nizza zu einer Gesell- schaft unter der Firma Koschoreck u. Cie. Sie annoncierten dann, wie man weiß, in Deutschland , daß ein Bankier, der über bedeutende Kapitalien verfüge. Darlehen zu sehr niedrigen Zinsen gegen eine ge- ringe VermittelungSgebühr gewähre. Die Briefe gingen postlagernd Nizza oder an die Filiale deS Crödit LyonnaiS. Das Geschäft. daS seinen Sitz in der Wohnung des Marschall hatte, ging glänzend; nicht weniger als vier Angestellte waren bis tief in die Nacht be- schäftigt, die Anfragen zu beantworten und die Drucksachen mit den verlockendsten Anpreisungen zu versenden. Wenn sich jemand an das Haus" wandte, verlangte derBankier" Koschoreck im voraus feine VermittelungSgebühr und die Zinsen für ein Jahr. Die ungeheure Menge der Briefe, die für Koschoreck einlief, und der Aufwand seines Freundes Marschall machten die Polizei stutzig. Erst glaubte sie. Spione in ihnen gefunden zu haben. Weitere Beobachtungen brachten dann den bekannten Zusammenbruch der Firma. Mit den Briefschaften, die in der Wohnung beschlagnahmt worden waren wurde ein ganzer Wagen angefüllt. UebrigenS wurde Koschoreck bereits feit einem Jahre von Berlin aus steckbrieflich verfolgt. Zwei Kinder sind am gestrigen Sonntag in die Spree resp. in die Havel gestürzt, von denen da« eine den Tod fand. Die sieben- jährige Tochter Emma des KohlenabträgerS Werner aus der Torf- ftraße 10 spielte mit anderen Kindern am Südufer und lief an der Böschung des Spandauer Schiffahrtskanals entlang, als sie plötzlich das Gleichgewicht verlor und ins Wasser stürzte. Die von Schiffern sofort unternommenen Rettungsversuche blieben leider erfolglos erst nach längerem Suchen konnte die Leiche des Mädchens gelandet werden. Gestern nachmittag spielte der neunjährige Schüler Bolz welcher mit seinen Eltern nach Tegelort gefahren war. auf einer Bootsanlegeplanke bei Heiligensee. glitt von dem Brett ab und fiel in die Havel . Der Unglücksfall war von anderen Ausflüglern beobachtet worden, denen es auch gelang, den Knaben, wenn auch im besinnungslosen Zustande, nach kurzem Suchen zu landen. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche waren glücklicherweise von Erfolg. Die oft gerügte Unart der Kinder, hinter Heuwagen herzulaufen, hat am Sonnabend abend schon wieder einen schweren Unglücksfall herbeigeführt. In der Antonstraße folgten mehrere Schulmädchen einem Heuwagen und rissen Heuhalme aus der Ladung heraus. Die vierjährige Elise Phillips aus der Antonstr. 3 hatte den älteren Mädchen die Unart abgesehen und vor dem Eltcrnhause schloß sie sich ebenfalls dem Wagen an. Beim Heuraufen stürzte dann die Kleine auf den Straßendamm und wurde dann von einem nach-