_ Nsd'ann wurde der N a'ch t r a g s e t a t für unsere afri- kanischen Kolonien in erster Lesung genommen. Der Kolonial- Prinz Hohenlohe sprach sehr lange für die Forderung — �irka 20 Millionen—, erzielte damit aber nicht die so- fortrge Bewilligung, vielmehr fand der Zentrumsabgcordnete Gröber oppositionelle Worte über die Nachtragswirtschaft im Etatswesen, die die Sicherheit des Etats erschüttern. Des- halb verlangte Gröber Spczialberatung des Nachtragsetats in der Budgetkommission. Diese schein-oppositionelle Haltung des Zentrums ist jedoch belanglos— bewilligen wird es doch. Nur, daß die Kommissionsberatung dem Zentrum die Mög- lichkeit gibt, der Regierung seine Uneütbehrlichkeit eindring- licher zu demonstrieren und seinen Wählern Scheingründe vor- zuführen. Graf Arnim, ein Faiseur des Flottenvereins, konnte die Notwendigkeit der Nachtragsforderung nicht stark genug betonen und wünschte die Bewilligung mit Hurra. Genosse Ledebour sprach die Erwartung aus, das Zentrum werde entsprechend der Darlegung Gröbers ernstlich derartige Nachforderungen in Frage ziehen, denn er, Redner, hält es für sehr zweifelhaft, daß sehr bald„Ordnung" in den Kolonien geschaffen werde, trotz der kolossalen. Aufwendungen. Am entsprechendsten sei die sofortige Ablehnung der Forde- rungen. Die Vorlage wurde an die Budgetkommision verwiesen. Das Gesetz gegen die Volksschule gesichert! Verständigung! war gestern das Losungswort in den Verhandlungen des Dreiklassen-Landtags. Das„große Werk", das Volksschulunterhaltungs-Gesetz, wurde gesichert. Die Bourgeois verständigten sich mit den Junkern über den Schlag gegen die Volksschule. Nur die Formalien des Ver- träges fehlen noch. Aber vereinter Eifer wird sie finden. Die vereinigten Besitzenden vom Ar und Schlot überantworten die Schule für die Jugend der Arbeiterschaft der Kirche und der Bureaukratie zur weiteren Zerstörung. Die Besitzenden über der Schule der Nichtbcsitzenden I Die Proletarier haben zu schweigen, wo es ihre allereigensten Angelegenheiten betrifft. Das Dreiklassenwahlsystem arbeitet trefflich für die Besitzenden. Das„Hohe Haus", wie es in der offiziellen Parlaments- spräche heißt— draußen nennt man es anders I— war ge- füllt, als die Verhandlung begann. Zu löblichem Werk ver- sammelt man sich gern. Und vor der Beratung des Schul- verpfaffilngsgesctzes galt's noch eine Tat zu tun. Die am Montag zurückgestellte Abstimmung über die Zentrumsanträge zur Berggesetznovelle(Knappschaftsgesetz) und über das Gesetz selbst war vorzunehmen. Sie fiel so aus, wie es voraus- zusehen war. Alle.Verbesserungsanträge fielen. Die Berg- leute können zum so und so dielten Male konstatieren, daß sie vom Dreiklassenparlament nichts zu erwarten haben. Die zweite Lesung des Volksschulunterhaltungsgesetzes begann mit den minder wichtigen Bestimmungen über die Schullasten. Eine Generaldebatte gab's nicht, doch wurden kurze, programmatische Erklärungen vor Eintritt in die Einzelberatung gestattet. Ein gewisses Surrogat für die fehlende Generaldebatte, die man wohl der Beschleunigung der Beratung wegen abgeschnitten hat, soll die Erörterung über den Abschnitt IV des Entwurfes werden, der heute zur Beratung kommen wird. Die programmatischen Erklärungen zeigen das lebhafte Bemühen, zwischen der Regierung und den Konservativen einerseits und den Nationalliberalen andererseits zu einer Einigung zu gelangen. Das Zentrum sucht in schlauer Zurück- Haltung alles zu vermeiden, was diese Bemühungen stören könnte. Die Nationalliberalen haben es sehr eilig, den Draht nach rechts und zum Regierungstische, den sie mit der Ab- lehnung der Bestimmung über die Anstellung der Rektoren zerrissen haben, wieder zu knüpfen. Sie präsentierten einen Kompromißantrag, in dem sie mutig einen Schritt zurückweichen. Nur einem Teil der Gemeinden wollen sie das Recht auf eigene Anstellung der Rektoren wahren, nur denen, die es jetzt haben. Bescheidener kann man kaum sein. Aber Regierung und Konservative kennen ihre nationalliberalen Pappenheimer. Sie sagten noch nicht zu, sie hoffen, noch etwas abhandeln zu können. Der nationalliberale Antrag erhielt die Zensur: „genügend". Er zeige den Weg, auf dem man vielleicht zu einer Verständigung gelangen könne, erklärte die Rechte und die Regierung. Die Nationalliberalen sollen noch etwas nach- lassen und um sie willfährig zu machen, winkt man ihnen mit dem Herrenhause. Der Freisinnige Cassel fürchtet denn auch schon, daß der schwachbrüstige Kompromißantrag im Laufe der Beratung noch schwächer werden könnte. Womit er wohl Recht haben wird. Rethorische Genüsse gab's am Dienstag nicht. Der zu- fällige Kultusminister Studt suchte fteilich in die wohl- wollenden Worte, womit er die Arbeit der Kommission bedachte und worin er den Nationalliberalen möglichstes Entgegen- kommen verhieß, etwas höheren Schwung zu legen, aber es mißlang. Wenn man bei solcher Gelegenheit das„Kleinod des Volksschulwesens" preisen hört, dann kann einem schlecht werden. Gerade so echt war das getragene Pathos des Nationalliberalen Friedberg , der seine Partei als eine Schar edler Patrioten vorstellte; die schweren Herzens schwere Opfer fürs Vaterland bringen. Schwere Opfer auf Kosten des Proletariats. Solcher Art sind die Vater- ländischen Opfer der Nationalliberalen immer gewesen. Aber die Opferwilligkeit der Nationalliberalen hat ihre Grenze, ver- sicherte Herr Friedberg , wenn ihr Kompromißantrag zur Rektorenfrage nicht angenommen wird, dann werden sie mannesmutig gegen die Vorlage stimmen.(Wenn sie sich nicht noch etwas abhandeln lassen.) Herr Schiffer wurde nachher gegen den Freisinnigen Cassel sehr aufgebracht, weil er die Trauerstimmung der be- trübten nationalliberalen Opferlämmer nicht genügend respektierte. Diese nationalliberalen Helden verlangen nächstens noch eine Bürgerkrone für ihren tapferen Verrat des liberalen Schulprogramms. Die Konservativen und Freikonservativen sagten den Nationalliberalen einige Tröstungen und versicherten sie im vor- aus ihres tätigen Beistandes zum Umfall. Sie erklärten ferner, daß sie die Kommissionsfassung auftechterhalten und alle Abänderungsanträge ablehnen würden. Gegen diese kompakte Mehrheit der Reaktion konnten die armen Freisinnigen natürlich nicht ankommen. Der Redner der Vereinigung, der Abg. E r n st, wurde überhaupt nicht angehört, selbst die Tribünenbesucher konnten ihn wegen des Lärmens im Saale nicht hören. Und die übrigen Redner des Freisinns— deren Opposition übrigens so„grundsätzlich" war, daß einer von ihnen die Simultanschule nicht etwa als alleinige Schulform forderte, sondern sie bloß als der Konsessions- schule gleichberechtigte Form bezeichnete— sprachen vor leeren Bänken. Das Interesse der Landboten war nach Anhörung der programmatischen Erklärung der Regierung und der Kompromißparteien erschöpft. Zum Beraten, zum Debattieren waren die sonst Fehlenden nicht nach Berlin gekommen— zun: Abstimmen waren sie da. Und deshalb zeigte das Haus bei der nun folgenden Beratung der Einzelbestimmungen wieder die gewohnte gähnende Leere. Heute beginnt die Weiterberatung bei den konfessionellen Bestimmungen, die den Kern des Entwurfs bilden. Sozialpolitik und Dreiklassenparlament. Am Sonntag haben im Ruhrrevier und in Schlesien Massen- Versammlungen der Bergarbeiter stattgefunden. Es galt Stellung zu nehmen zu der am Montag im Abgeordnetenhause in dritter Lesung zur Tagesordnung stehenden Novelle zum Berggesetz. Die Unter- uehmer bedursten einer öffentlichen Stellungnahme nicht, denn die Konservativen und Nationalliberalen im Geldsackparlament hatten die Novelle vollständig nach den Wünschen der Bergwerksmagnaten ge- staltet. Die Arbeiter, die keinen Vertreter im Abgeordnetenhause haben, hofften, durch ihre Kundgebung einigen Eindruck zu machen. Aber sie ist als Luft behandelt worden. Der nationalliberale Dr. V o l tz erklärte ungeniert: Die Versammlungen machen auf uns keinen Eindruck! Den Invaliden hat man das aktive und passive Wahlrecht ge- nommen: unabhängige, gegen Mahregelung geschützte Leute hat man aus der Knappschaft hinausbugsiert. Und abgelehnt worden ist auch die Forderung der Einführung des geheimen Wahlrechts für alle Knappschaftskassen. Ferner sind die Polen , die nicht deutsch sprechen und schreiben können, von dem passiven Wahlrecht ausgeschlossen. Daß das wesentliche Verschlechterungen sind, mußten auch die Zentnimsvertreter anerkennen. Aber sie operierten wieder mit dem alten Demagogenkniff. Sie erklärten wegen der Verbesserungen doch für die ganze Novelle stimmen zu wollen, um wenigstens das Erreichbare zu retten. Die Verbesserungen bestehen in der Wahrung der Rechte bei Wechsel der Mitgliedschaft von einer zur anderen Knappschaftskasse. Für die beiden Hauptkassen, dem allgemeinen Knappschaftsverein in Bochum und dem Schlesischen Verein, hat übrigens früher schon ein Gegenseitigkeitsverhältnis bestanden. Der schlesische Verein hatte es gelöst, um stärkere Abwanderung zu verhindern. Sodann ist die Einrichtung der unständigen Mitglieder gefallen. Für die Beitragszahlung ist die Bestimmung getroffen, daß sie nicht mehr als 4 Prozent des Arbeitslohnes betragen darf. Die Beiträge der Unternehmer und der Arbeiter müssen gleich sein. Aber über die Höhe der Pension sind keine Borschriften gegeben und der Ein- fluß der Unternehmer ist gestärkt, sie haben es in der Hand, un- bequeme Arbeiter unschädlich zu machen. Das nennt man Reform I Und das Zentrum gab zu dem Werke seinen Segen I' Ja, es übernahm auch die Verpflichtung, die Arbeiter in Räson zu halten. Die christlichen Arbeiter dürfen wegen der Fußtritte, die man ihnen versetzte, dem Unternehmertum nicht die Unterwürfigkeit auflagen, sie sollen sich ducken. dankbar sollen sie sein, für die Gnadenbrocken, die man ihnen unter Peitschenhieben zukommen ließ. Dafür übernahm der Abg. Brust die Garantie I Wahrlich, die ZentrumSmannen sind schlimmere Feinde der Arbeiter- schaft als die Konservativen und Nationalliberalen, die wenigstens aus ihrer Meinung kein Hehl machen. Wie bei der letzten Berg- Novelle sollen die Arbeiter auch diesmal wieder betrogen werden. Abg. Brust erklärte, man werde an den Reichstag gehen, wenn die Verschlechterungen angenommen würden. Damit sollte den Arbeitern natürlich Sand in die Augen gestreut werden, ernsthaft denkt das Zentrum gar nicht daran, solche Ankündigungen wahr zu machen. Aber durch die Anerkennung, daß die Verschlechterungen ein Ein- greifen im Reichstage notwendig machen, hat das Zentrum sich selbst gerichtet. Es stimmte nachher nämlich selbst für die Ver- schlechteningen, indem es das Gesetz im ganzen annahm. Tollere Komödie und tollerer Arbciterbetrug ist kaum denkbar. Uebrigens scheint den Zentrumsdemagogen selbst das Gefühl gekommen zu sein, daß diesmal der Schwindel mit der Ankündigung eines Reichs- gesetzes doch etwas allzu plump ist. Man will verhindern, daß die Bergarbeiter auf Erfüllung der Zusage drängen, darum hat die ultramontane Preffe die Brustsche Erklärung unterschlagen! Die Bergarbeiter sind zweifach betrogen. Einmal durch das Dreillassenparlament und noch einmal durch das Zentrum.-- Deutfched Reich. Zur Reichstagsersatzwahl in Altena -Jserlohn. Nun ist auch im Wahlkreise Altena -Jserlohn zu der ain 27. Juni stattfindenden Reichstagsersatzwahl die Kandidatenliste komplett, nachdem die Nationalliberalen kürzlich den Landtagsabge- ordneten Haarmann-Dortmund als ihren Mann erkoren haben. In freisinnigen Kreisen wurde in letzter Zeit die Ansicht genährt, die Nationalliberalcn wollten auf die Aufstellung eines Kandidaten verzichten und gleich für die Freisinnigen stimmen. Man folgerte das daraus, weil ohne dieses Zusammengehen der beiden liberalen Parteien die„Gefahr" bestehe, daß der Wahlkreis entweder den Sozialdemokraten oder dem Zentrum zufallen werde. Diese Kalku- lation ist allerdings nicht grundlos; die Konstellation der Parteien im Kreise ist derart, daß Ueberraschungcn keineswegs ausgeschloffen sind. Das, was bis jetzt als am wahrscheinlichsten gilt, ist, daß der Freisinn gleich im ersten Wahlgang unter den Schlitten gerät. Seit 1833 ist die freisinnige Volkspartei ziemlich auf demselben Fleck stehen geblieben. 1333 hatte sie mit 7737 nur 237 Stimmen mehr als die Nationalliberalen, und zum ersten Rkale kam unsere Partei, deren Stimmenzahl von 7315 im Jahre 1838 auf 13 146 gestiegen war, in die Stichwahl. Diesmal fehlt den Freisinnigen die lokale Zugkraft, L e n z m a n n, der bei den Wahlen nicht nur den„West- fälischen Lands mann" pathetisch hervorzukehren wußte, sondern sich auch als„Elfzwölftel-Sozialdemokrat" gerierte, um Arbe.iterstimmen zu fangen. Für diese Wahl haben die Freisinnigen den Oberlandes- gerichtsrat Müller-Köln aufgestellt. Unter den obwaltenden Umständen fanden es nun die NationaUiberalen begreiflicherweise als eine starke Zumutung, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten. — Das Zentrum wurde früher im Kreise als eine nebensächliche Erscheinung betrachtet; seit 1838 hat es aber den Wahlkampf mit Forsche und den bekannten demagogischen Mitteln aufgenommen und es 1333 auf 6634 Stimmen gebracht. Es rechnet diesmal ernsthaft damit, in die Stichwahl zu kommen. Geschähe dies, so würde uns angesichts der historischen EntWickelung der Parteien in dem Wahl- kreise ein höchst interessanter Stichwahlkampf bevorstehen. Das Zentrum hat seinen früheren Kandidaten, den Gewerkschaftsbeamten Schiffer-Krefeld, fallen gelassen und einen Regierungsrat Kloske aufgestellt. Es geht die Version, daß der Kandidaten- Wechsel gleichfalls im Hinblick auf eine etwaige Stichwahl erfolgt sei, weil die Schwarzen hier nicht ohne Grund glauben, die liberalen Fabrikanten und Bauern viel leichter mit dem Regierungsrat als mit dein Arbeiter in der Stichwahl gewinnen zu können.— Für unsere Partei kandidiert bekanntlich der Genosse Haberland- Barmen. Der Wahlkampf ist jetzt überall heftig entbrannt und natürlich sind unsere Genossen auf dem Posten.— Vom pfiffigen Zentrum. Man schreibt uns: Schon in Nr. 114 des„Vorwärts" haben wir auf die Harmlosigkeit des Zentrums hingewiesen,, das sich einbildet, die Offiziersduelle mit der Bestimmung, daß Verletzungen infolge eines Duells nicht als Dienstbeschädigungen angesehen werden dürfen, einschränken zu können. Inzwischen hat das Zentrum eine neue Maßregel erdacht, die ebenfalls Duelle verhindern soll, in Wirklichkeit aber nur zurBefestigung des Duellunfugs beitragen würde, wenn sie Gesetz werden sollte. Kein Wunder, daß der Kriegsininister mit dieser famosen Neuerung einverstanden ist- Ein Offizier unter 65 Jahren kann nämlich nur dann eine Pension er- halten, wenn eine Dien st beschädig ung oder Dienstunfähigkeit vorliegt. Das pfiffige Zentrum verlangt nun, daß ein Offizier, der ein Duell verweigert, nicht als dienstunfähig erklärt werden darf. Die Folge würde sein, daß Offiziere, die sich nicht duellieren, ohne Pension hinausfliegen müßten. Wir möchten dem Reichs- tag einen Paragraphen empfehlen, der das, was das Zentrum will, wirklich erreichen würde. Dieser Paragraph hätte un- gefähr zu lauten: „Offiziere unter 63 Jahren haben auch ohne Dienst- beschädigung oder Dienstunfähigkeit Anspruch auf die ihnen nach ihrem Dienstalter und ihrer Dienststelle zustehenden Pensionsgebührnisse, wenn sie wegen der Ablehnung einer Herausforderung zu einem Zweikampf in Jnaktivität ver- setzt oder ehrengerichtlich gematzregelt wurden." Diesen Paragraphen schlage man im Reichstag vor, Dann wird man erleben, daß der Herr Kriegsminister damit nicht einverstanden ist.— Dcr antisemitische Reichstags- Abgeordnete Graf Rcventlow ist in der Nackt zum Dienstag im städtischen Krankenhaus« zu Wies- baden gestorben. Er vertrat den Wahlkreis Rinteln-Hof- g e i s m a r in der Provinz Hessen- Nassau . Die Hauptwahl 1333 ergab für Neventlow 6426, für den Sozialdemokraten 3488, für den Nationalliberalen 2154, für den freisinnigen Volksparteiler 748 und für den Zentrumskandidaten 542 Stimmen. In der Stichwahl siegte Reventlow mit 9543 Stimmen über den Sozialdemokraten, der 4333 erhielt. Graf Reventlow hatte, bevor er sich zur Judenfresserei. Wucher- zöllnerei und Flottenspektakelei bekehrte, bessere Zeiten gesehen. Er war einmal Sozialdemokrat. Später hat er sich bemüht, durch um so größere Ruppigkeit im Kampfe gegen die Roten seine„rote Jugendeselei" vergessen zu machen. Elendes Pharisäertum. Die— durchaus berechtigte— Beschwerde, die das Organ deS Deutschen Holzarbeiterverbandes darüber führt, daß ein großer Teil der Verbandsmitglieder durch Ablehnung geforderter Gehalts- erhöhungen für Verbandsangestellte einen bedauernswerten Mangel an sozialpolitischem Verständnis bewiesen habe, veranlaßt die bürger- liche Presse, allerhand Betrachtungen über„Verelendungs- theorie und Arbeiter als Arbeitgeber" anzustellen. Zur Beleuchtung der niedrigen Besoldung der Verbandsbeamten hatte die„Holzarbeiter-Zeitung' statistische Vergleiche zwischen den Löhnen Berliner Holzarbeiter und den Gehältern der Verbandsbeamten angestellt, aus denen sich ergibt, daß diese Be- amten noch nicht so hoch entlohnt werden, wie die besser gestellten Arbeiterkategorien der Branche in Berlin . Da diese statistischen Zahlen nun ergaben, daß 53,2 Proz. der qualifizierten Berliner Holzarbeiter einen Wochenlohn von 31 M. und darüber erhalten, bricht die Bourgeoispresse in ein Hallo ans über diese enormen Löhne, die wieder einmal„eine drastische Illustration für die„Ver- elendung" der Arbeiter" seien, von der in der sozialdemokratischen Presse immer geflunkert werde. Ganz abgesehen davon, daß die Löhne besonders qualifizierter Arbeiter eines besser bezahlten Gewerbes ganz und gar nichts gegen die elenden Löhne der Masse der nicht qualifizierten Arbeiter be- weisen— welche Auffassung von einer menschenwürdigen Lebens- Haltung der Arbeiterklasse verrät schon der Lärm über die Tatsache. daß etwa die Hälfte der Möbel-, Bau- und Modelltischler in der teuren Reichshauptstadt einen Wochenlohn von 31 M., ein Monats« einkommen also von 135 M.— erreicht! Welchen Verzicht auf moderne Kultnrbedürfnisse, ja schon welche schmerzliche Einschränkmigen in der nackten Existenzfristung bedingt selbst ein Familien- einkommen von 135 M. im Monat! Und selbst dies Einkommen wird in Berlin von nur etwa 53 Proz. der vergleichsweise«gut- bezahlten" qualifizierten Arbeiter der Holzbearbeitungsbranche er- reicht I Und das wagt man als ein Argument gegen proletarisches Elend auszuspielen I Ebenso unehrlich ist der Hinweis auf die Ablehnung der Ge- haltserhöhnng durch die Arbeiter als Arbeitgeber. Als ob der hierbei hervortretende Mangel an sozialpolitischer Einsicht den Arbeitern nicht gerade anerzogen worden wäre durch die schäbigen kapitalistischen Geschäftspraktiken, nicht in letzter Linie auch durch das wüste Zetern der Scharfmacherpreffe über die sich„von Arbeiter- groschen mästenden Agitatoren"! Das kapitalisttsche Preßgesindel mag gefälligst vor der eigenen Türe kehren l— Der Haudabhacker von Breslau . Die.Breslauer Volkswacht" gibt in ihrer letzten Nummer den Namen des Schutzmanns bekannt. der dem Arbeiter B i e w a l d die Hand abgeschlagen hat. Der „Umsichtige" und„Besonnene"(frei nach dem Polizeipräsidenten Dr. Bienlo) heißt T H u r sich.— Kolonialbestialitäten. Wenn schon unsere bürgerliche Presse in Deuffchland bemüht ist, enthüllte Kolonialbestialitäten nach Kräften zu vertuschen, so ist eS kein Wunder, wenn unsere Kolonialpresse, deren Existenz doch von unseren Afrikanern direkt abhängig ist, alle Barbareien zu beschönigen sucht. So ließ sich die. U s a m b a r a- P o st" in ihrer Nummer vom 21. April gegenüber dem Genossen Ledebour folgendermaßen vernehmen: „Nun hören Sie eine ernste Sache, Genosse I Als ein alter Afri- kaner, der Oberleutnant Gras Fugger im Jahre 1934 in Kamerun ftiedlich vor seinem Zelte sitzend, von dem G i ftp feile eines schleichenden Mordbuben— in Ihrem Sinne gewiß keiner Bestie— getroffen worden war und die Wache an die Ge- wehre eilte, winkte der Graf ab und sagte zu seinem Unter- offizier:„Lassen Sie nicht schießen, der Mann wußte nicht, was er tat.— In einer halben Stunde bin ich tot. Unter jenem Baum ivill ich begraben sein!" Dann nahm er mit der letzten Kraft seiner erkaltenden Hand schriftlich Abschied von seinen Ellern und seiner Braut. Und ehe er verschied, befahl er noch: „Unteroffizier, melden Sie an die Kompagnie, daß nur das Ver- brechen eines Einzelnen vorliegt, man soll den Stamm nicht st rasen, an Unschuldigen will ich nicht gerächt sein." Und unter jenem Baume begrub man ihn.-- Merken Sie es sich, Herr Ledebour , ein Graf Fugger wiegt hundert Kannenberge aus, und nicht nur Bestien, bis zu denen Ihr Erkenntnisvermögen reicht, sondern Helden von antiker Seelengröße erwachsen den großen Verhältnissen, in denen wir leben und weben. Was seid Ihr armen Schächer egen solche Männer? Drei Tage zerrt Ihr am Kannen- erg herum und des Fugger gedenkt niemand??" Die Geschichte von dem Grafen Fugger ist ja sehr rührend. Aber was beweist sie, als daß dieser Kolonialoffizier ein weißer Rabe war. Oder will die„Usambara-Post" vielleicht behaupten, daß die Handlungsweise des Grafen Fugger eine symptoma- tische, unserem Kolonialshstem eigentümliche war? Jedes Kind weiß doch, daß für unsere Kolonialpolitik nicht etwa das alttestamentarische:„Auge um Auge, Zahn um Zahn' gilt, sondern daß jedes Verbrechen Eingeborener zehn- und hundertfach gerächt wird I Die Zahl der bei dem ostafrikanischen Aufstand ermordeten Weißen läßt sich an einer Hand abzählen— dafür sind bis jetzt schon«ehrer« Tansend Eingeborene niedergeknallt worden! Und hat
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