könne von einer Beendigung des Krieges nicht die Rede sei». Heute hat sich Morenga den Engländern nbergeben. und gleichwohl wird nicht im geringsten ernstlich an die Zurückziehung irgend eines Teiles der 14<»0 Mann gedacht. Man hat den Oberst Deimling hinausgeschickt, sie zu kommandieren, und der Vertreter des Kolonialamts hat versichert, der Herr Oberst habe hier im Reichstage so viel gelernt, dast er es sich sehr überlegen würde, che er ungerechtfertigte Ansprüche stellte. Mir ist es sehr zweifelhaft, ob Oberst Deimling sich genügendes Verständnis für das Budgetrecht des Reichstages und die Bedürfnisse des deutschen Volles angeeignet hat.(Heiterkeit und Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Ist er doch >. hier als Vertreter der Kolonialverlvaltung mit dem Budgetrecht in höchst merkwürdiger Weise umgesprungen. Seine Berichte aus Süd- Westafrika werden wohl denselben Eindruck machen, wie die Reden, die er hier gehalten hat, die mehr einer Räubervorstellung des Buffalo Bill als einer wahrheitsgemäßen Darstellung der Kriegs- Vorgänge in Südwestaftika glichen.(Große Heiterkeit und Beifall bei den Sozialdemokraten.) Aus der Denkschrift der Regierung selbst geht hervor, mit welcher Uebereilung die Voranschläge für den neuen Bahnbau gemacht worden sind. Es heißt darin, daß man außerordentlich behutsam mit der Schätzung der Kosten vorgegangen sei, und daß der Vor- anschlag eine Maximalsumme darstelle, an der wahrscheinlich Er- sparnisse gemacht werden könnten; man habe sich jedenfalls die Er- fahrungen zunutze gemacht, die man beim Bau der Strecke Lüderitz - bucht-Kubub gemacht habe. Aber bei der Begründung dieser Bahn ist immer darauf hingewiesen worden, daß diese Strecke, die durch den Wüstensand führe, außerordentlich schwer zu bauen sei. und daß, wenn man später in das Innere des Landes hinter Kubub käme, sich wesentlich billiger würde bauen lassen. Trotzdem hat man die Einheitssätze, die für den Bau der Strecke nach Kubub festgesetzt waren, für die Fortführung der Bahn'nach dem Jnlande zugrunde gelegt.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Wie dem im einzelnen auch sein mag, jedenfalls bestreiten wir ganz entschieden, daß irgend eine innere Notwendigkeit für den Bau dieser Bahn noch besteht. Für den Krieg ist sie nicht notwendig, da der Krieg tatsächlich aufgehört hat, und die restlichen Banden längst beseitigt sein werden, ehe die Bahn gebaut wird. Zur Bewirtschaftung des Landes aber eine solche Bahn zu bauen, wäre vollkommen sinnlos, weil sie ja nicht die mindeste Aussicht auf Rentabilität hätte. Deshalb halten wir es vor allen Dingen für notwendig, diese Forderung vollständig abzusetzen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Aehnlich, ja vollkommen gleich steht es mit der Forderung der 10 Millionen für die Ansiedler. Früher ist nur gefordert worden, zwei Drittel der angenommenen Schädigungen zu ersetzen, und bei der Bewilligung wurde zur Bedingung gemacht, daß mit den Summen die wirtschaftlichen Schäden verbessert werden sollten. Aus der Denkschrift geht aber hervor, daß diese Bedingung nicht innegehalten ist, vielmehr haben d« Farmer aus diesen Summen ihre Schulden an irgend welche Interessenten bezahlt. Die Be- dingungen, welche man bei der Bewilligung jener Forderungen auf- stellte, sind also nicht eingehalten, und jetzt kommt man wieder mit diesen neuen Forderungen. Weiter geht auch aus der Denkschrift hervor, daß irgend welche erheblichen Abstriche an den Ausstellungen der Farmer nicht gemacht worden sind. Dabeisind in diesen Aufstellungen Forderungen wegen angeblich nicht eintreiv- barer Schulden von den HereroS und Hottentotten enthalten! Ein- stimmig war man in der Kommission der Meinung, daß hierfür kein Pfennig bewilligt werden solle. Es macht aber den Eindruck, als ob auch hier kein Abstrich gemacht ist. Leider läßt die Begründung der Regierung die deutliche Klarheit darüber vermissen. Nun, welche Konsequenzen werden solche Bewilligungen haben? Die Bewilligung von solchen Forderungen geht weit über das hinaus,'was in Unglücksfällen ähnlicher Art bei uns gewährt wird. ES ist schon hingewiesen worden auf die Wasserschäden im Neckargebiet, von denen viele Leute betroffen sind. Bei solchen Schäden hat man bei uns nur Beihülfen bescheidener Art gewährt. Bei den anderen kolonialen Etats hat der Reichstag gerade aus- drücklich mit Rücksicht auf die Gefahr, die solche Ansiedler laufen, eine Unterstützung abgelehnt. Es handelte sich damals um die Gazellenhalbinsel auf Neu-Guinea , und die Unterstützung des Reichs wurde abgelehnt, weil das Gebiet für solche Ansiedelungen über- Haupt nicht geeignet wäre, dann aber auch, weil man durch die Unterstützung den Ansiedlern nicht einen Anspruch auf Entschädigung bei eventuellem Verlust gewähren wollte. Hier liegt ein solcher An- spruch noch nicht einmal vor, und doch soll eine solche Entschädigung gewährt werden. Aus allen diesen Gründen würden wir es vor- ziehen, diese beiden Forderungen abzulehnen. Selbstverständlich erheben wir auch keinen Widerspruch gegen die Kommissionsberatung, aber wir hoffen, daß die Kommisston so verfahren wird, wie Kollege Gröber andeutete, daß sie sich also auf solche Posten beschränkt, die sich in den Etat hineinarbeiten lassen, und daß. wenn diese beiden Forde- runaen nicht abgelehnt werden sollten, sie doch mindestens für den nächsten Etat zurückgestellt werden. Denn alle diese Gründe, die sich etwa jetzt für sie geltend machen lassen, bedingen nicht, daß ihre Beratung nicht bis zum Winter verschoben werden könnte. Daß Südwestafrika noch einmal wieder hinaufgewirtschaftet werden kann, ist eine vollkommen ungerechtfertigte Hoffimiig. Ich beziehe mich für diese Behauptung auf die Ausführungen des Kommissars Rohrbach. Es geht aus ihnen hervor, daß eS sich dort niemals um kleine bäuerliche Wirtschaften handelt, sondern lediglich um große Viehzüchtereien. ES ist auch ein Wider- sinn, wenn Graf Arnim glaubt, daß eS sich dort um die Unter- stützuug von Arbeitern handelt. Die Leute, die dort hingehen, sind nicht Arbeiter und arbeiten nicht, sondern kaufen Hottentotten und Neger auf und lassen diese für sich arbeiten. Eine solche Ausbeutung im großen Stil aus Reichsmitteln zu unterstützen, haben wir von unserem Standpunkte aus gar kein Interesse.(Lebhafter Beifall bei de» Sozialdemokraten.) Abgg. Dr. P a a s ch e(natl.), Dr. Müller- Sagan(frs. Vp.), Frhr. v. R i ch t h o f e n<k.). Erzberger(Z.) verzichten mit Rück- ficht darauf, daß sie in der Budgetkommisston ihre Bedenken vor- tragen werden, und angesichts der bedrängten Geschäftslage auf das Wort.(Heiterkeit.) Die Ergänzungsetats gehen an dw Budgetkommisston. Darauf vertagt sich das HauS auf Mittwoch, 28. Mai, nachmittags 1 Uhr. Tagesordnung: 8. Beratung der PensionSgesstz«; 3. Beratung des Etats. Schluß 6Vz Uhr. Hbgcordmtcnbauö. 70. Sitzung vom Dienstag, den 22. Mai, vormittags 10 Uhr. Am Ministertisch: F r h r. v. R h e i n b a b e n. D r. St u d t. ES erfolgen zunächst die noch ausstehenden Abstimmungen über da« KnappschaftSgesetz. Die vom Zentrum beantragte obligatorische Einführung der geheimen Abstimmung bei den Wahlen für die Aus- schüsse wird in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Abgegeben werden bei dieser Abstimmung 353 Stimmen, davon für den Antrag des-Zentrums 122 Stimmen, gegen denselben 230 Stimmen, der Abstimmung enthält sich ein Abgeordneter. Der zweite Antrag des Zentrums auf Gewährung deö Wahl- rechts für die Invaliden wird in einfacher Abstimmung ab- gelehnt. Ein Antrag des Abg. Dr. Hager(«U nach dem au« dem Gesetz die Bestimmung gestrichen werden soll, daß die Knappschafts - ältesten der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig sein follen, wird ebenfalls abgelehnt. Darauf wird das Gesetz in derGesamtaLstimmung an- genommen gegen die Stimmen der Polen . E» iialgt dlö zweite Beratung des Bolksschulunterhaltungsgesetzts. Zur Beratung stehen zunächst die§§ 1—6,_ die bestimmen, wer Träger der Schulunterhallungslast ist und die Organisation der Schulunterhaltungsverbände regeln. Bei Z 3, welcher lautet:„jede Stadt bildet in der Regel einen eigenen Schulverband" beantragen die Abgg. Cassel(frs. Vp.) und E r n st(frs. Vg.) 1. die Worte„in der Regel zu streichen, 2. hinzu- zufügen:„und darf gegen ihren Willen nicht mit anderen Schul- verbänden zu einem Gesamtschulverband vereinigt werden". Im Fall der Ablehnung des zweiten Antrages soll folgender Satz hinzu- gefügt werden: Gemeinden mit mehr als 25 Schulstellen dürfen gegen ihren Willen nicht mit anderen Schulverbänden zu einem Gesamtschulverband vereinigt werden. In 8 4 beantragt Abg. Cassel(frs. Vp.) gegen den Beschluß der Schulaufsichtsbehörde dos Verwaltungsstreitverfahren an Stelle des Befchlußversahrens einzuführen. Als erster Redner führt Kultusminister Dr. Studt aus: Ich kann der Kommission für ihre mühevolle Arbeit nur den Dank der Regierung aussprechen. Wir hoffen, daß es trotz aller Differenzen nocb zu einer möglichst einmütigen Verständigung kommt zwischen allen Parteien, natürlich abgesehen von den Herren, welche von vornherein eine grundsätzlich ablehnende Haltung eingenommen haben. Was den inzwischen wohl von der nalionalliberalen Partei eingebrachten Antrag zu§ 10 betrifft, so beschränke ich mich darauf, zu erklären, daß die Regierung ihren Grundsatz, daß eine differenzielle Behandlung der Lehrer und Rektoren erforderlich ist, ausrecht er- hält. Wir erkennen aber an, daß dieser Gesichtspunkt eine gewisse Würdigung in dem neuen Antrag findet. Ich bin deshalb bereit, so weit als möglich entgegenzukommen. Wir hoffen, daß aus dieser Verständigung eine Saat des Friedens und Segens für unser ganzes Volksschulwese» erwächst. Abg. Dr. Friedbcrg(natl.): Wir werden in dieser Lesung mit Ausnahme des 8 40 an den Beschlüssen der Kommission festhalten. Sollte unser neueingebrachter Antrag zu 8 10 aber abgelehnt werden, so werden wir einstimmig gegen das Gesetz stimmen. Abg. Frhr. v. Zedlitz(frk.): Der nationalliberale Antrag bietet auch uns eine geeignete Grundlage für eine Verständigung, da er einerseits die bestehenden Rechte der Gemeinden wahrt, andererseits der grundsätzlichen Stellung der Regierung gerechj wird. Wir werden deshalb für diesen jetzt noch in Vorbereitung befindlichen Antrag stimmen.(Bravo I rechts und bei den Nationalliberalen.) Abg. Dr. Porsch<Z.): Meine politischen Freunde halten es nicht für notwendig, zu dem gegenwärtigen Gesetz als ganzes schon jetzt Stellung zu nehmen. Wir werden, soweit möglich, für die Kommissionsbeschlüsie stimmen, uns in, übrigen aber eine große Be- schränkuug bei der Einbringung von Anträgen auserlegen.(Beifall im Zentrum.) Abg. Ernst(frs. Vg.) bekämpft in längerer Rede, die auf der Tribüne unverständlich bleibt, die Koinmissionsbeschlüsse. Abg. Dr. v. Hehdebrand(k.): Wir habe» imnier versucht, für die Annahme dieses Gesetzes eine möglichst breite Basis zu schaffen. Wir sind deshalb in der Komniissioi, bis an die äußerste Grenze eiitgegcugekomincn. Die Beschlüsse der Kommission sind nicht ein- tvandfrei, im großen und ganzen sind wir aber damit einverstanden. Abänderungsaiiträge erheblicher Art werden wir ablehnen. Wir werden wahrscheinlich für die Regierungsvorlage gegen den nationalliberalen Antrag stimmen. Wir erkennen aber an, daß der nationalliberale' Antrag einen praktischen Weg zur Lösung der Schivierigleiten zu finden sucht, Wenn wir daher auch nicht in der Lage sein würden, für den nationalliberalen Antrag zu stimmen, so ivürden>uir doch einen abgeänderten Antrag vielleicht annehmen können.(Beifall rechts.) Während der Rede dieses Abgeordneten ist der nationalliberale Antrag zu 8 10 eingegangen. Nach dem Antrag soll die Besetzung der Rcklorenstellung grundsätzlich durch die Schulaussichtsbehörde erfolgen, jedoch soll es bei de», bestehenden Recht dort bleiben, wo die Gemeinden bisher das Berufungsrecht hatten. Abg. Cassel(frs. Vp.): Was auf dem Gebiete des Volks- schulwesens bisher geleistet ist, verdaukeu wir dein freien Willen und der selbstgewollten Initiative der Gemeinden. (Sehr wahr! links.) Das Kominlinalprinzip, das in diesem Gesetz statuiert ist, wird aber nicht dadurch gewahrt, daß mau den Gemeinden bloß die Unterhaltung, nicht die Verwaltung gibt.(Sehr wahr! links.) In dieser Bezichmig enthält der Gesetz- entwurf aber so viele Eingriffe, daß wir nicht imstande sind, ihm zuzustimmen.(Bravo ! links.) Hätte mau sich bemüht, die Dunkelheit zu beseitigen, die entstauden ist durch zahlreiche Reskripte, deren RechtSgllltigkeit zweifelhaft ist, so wären wir zur Mitarbeit bereit gewesen. Mit Gründen läßt sich eine ver- schiedene Behandlung der Lehrer und Rektoren nicht rechtfertigen. (Sehr wahr! links.) Die Erklärung des Ministers hat mich in das allergrößte Erstaunen versetzt. Die Gelegenheit, einen solchen Antrag anzunehmen, hätte der Minister auch in der Kam- Mission haben können.(Sehr wahr I links.) Dort erklärte er aber eine» ähnlichen Antrag für unannehmbar.(Hört I hört! links.) Wir können uns nicht damit einverstanden er- klären, daß einzelne Gemeinden das Berusimgsrecht für die Rektoren erhalten, andere aber nicht, wie eS der Antrag des Abg. Dr. Fried- bcrg will. Wir wollen gleiches Recht für alle.(Bravo i links.) Man merkt jetzt deutlich, daß viele auf die Brücke nach dem Herrenhause hoffen. Diese Brücke dürste aber wohl auch nicht„ach allen Richtungen den Ansprüchen entsprechen.(Sehr wahr! links.) Mag nun eine derartige Abschwächung kommen oder nicht, zunächst liegt dieser edle Antrag vor. DaS HerrenhanS dürfte schließlich der Baumeister sein. Ich fürchte nur, daß der Plan zu dem Bau schließlich von den Ministern geliefert wird.(Sehr wahr! links.) Ob wir dam, aber schließlich der Herren eigenen Geist oder den, der hier bei der Beratung sich zeigte, be- kommen, werden wir abwarten müssen.(Heiterkeit und Beifall links.) Wir bekämpfen das Gesetz ferner, weil die Simultanschule zur Ausnahme gemacht wird, während sie eine gleichberechtigte Form ist. Redner begründet sodann seine Anträge.(Lebhafter Beifall links.) Kultusminister Dr. Studt: Das Erstaunen des Abg. Cassel über meine heutige Erklärung beruht auf irrtümlicheu Boraussetzuiigen. Hätte der Abg. Cassel den Wortlaut der von mir in der Kommission ab- gegebenen Erklärung im Stenogramm nachgelesen, so hätte er ge« sehen, daß ich die mir in den Mund gelegten Erklärungen nicht ab« gegeben habe. Abg. Schiffer(natl.): Der Abg. Cassel hätte sich über unseren Antrag freuen sollen, jdenn er stellt doch auch„ach seiner Ansicht eine Verbesserung dar.(Sehr richtig! bei den Naiionalliberalen.) Er hätte unsere von tiesem Ernst getragenen Bestrebungen nicht in der Art spöttisch behandeln sollen, wie er eS getan hat. (Sehr wahr bei den Nationalliberalen.) Uns ist eS furchtbar ernst bei diesen Fragen.(Rufe linkS: Un« auch!) Da sollte er doch so wohlfeile Scherze unterlassen.(Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen— Unruhe links.) Wir müssen uns bemühen, hier einen vollen Ausgleich zu schaffen zwischen den sich widersprechenden politischen, religiösen, finanziellen, juristischen und pädagogischen.GesichtSpunkien.(Sehr wahrj! bei den Nationalliberalen.) Wir können uns der Ueberzeugung nicht verschließen, daß der Ge- danke der Staatsschule imnier mehr durchdringt. Wir konnten aber diesem Gedanken besonders jetzt Inicht näher treten, weil wir eine Stärkung der Staatsgewalt nicht für gut halten. Wir erkennen dabei aber an, daß der Staat, besonders auf dem Lande, ein Bahn« brecher der Kultur gewesen ist.(Beifall bei den Nationalliberale».) Abg. Cassel(frs. Vp.): Dem Minister erwidere ich, daß ich seine Aeußerung in der Kommission sachlich jedenfalls zutreffend hier wiedergegeben habe, so daß ich den Kern auf alle Fälle richtig ge- troffen Hobe. Dem Kollegen Schiffer steht da«»dl« Pathos sehr gut an, ich werde mich aber dadurch nickt bestimmen lassen, mich nach seinen Wünschen in der Form meiner Aeußerungen einzurichten. (Sehr gut! links. Gelächter rechts.) Die§8 1—6 werden nach den Beschlüssen der Kommission unter Ablehnung der Anträge C a s s e l- E r n st angenommen. Die 88 8�10 handeln von der Aufbringung der Schullasten in den Schulverbänden. Nach§ 8 werden die Schullasten in den Gemeinden als Geuieindelast aufgebracht. Die Kommission hat einen Zusatz beschlossen, wonach die Verpflichtung der nach§ 10 des Kommunal- abgabengcsetzes von der Einkommensteuer besteiten Personen, zu den Volksschnllasten beizutragen, durch ein besonderes Gesetz geregelt werden soll. Abg. Gyßling(frs. Vp.) beantragt, diese Bestimmung auch aus- zudehnen a»f die nach 8 H des Kommunalabgabengesetzes von der Einkommensteuer befreiten Personen. Der Antrag des Abg. Gyßling wird angenommen. Die folgenden Abschnitte bis zum Abschnitt„konfessionelle Ver- Hältnisse" werden nach den Beschlüssen der Kommission erledigt. Darauf vertagt das Haus die Weiterberatung auf Mittwoch 11 Uhr. Schluß 4 Uhr._ parlamentarisches. Maß- und Gewichtsordnung. Die Kominission für die Maß- und Gewichtsordnung beendete am Dienstag sowohl die zweite wie auch die dritte Lesung. Alle zu 8 11 gestellten Anträge wurden von der Mehrheit abgelehnt und der 8 11 nach den Beschlüssen erster Lesung angenommen, ebenso alle noch ausstehenden Paragraphen. Nun wurde plötzlich von Engelen(Z.) ein Antrag eingebracht, noch eine dritte Lesung vorzunehmen. Diese sollte dazu dienen, den vorbereiteten Umfall besser motivieren zu können. In der ersten sowie in der zweiten Lesung war nämlich unter hervorragender Betätigung der Mitglieder des Zentrums sowie der Nationalliberalen die Beibehaltung der. kommunalen Eichämter sowie bei Auf- Hebung derselben durch Gesetz die Entschädiguilgspflicht festgesetzt. Die Lmke(Sozialdemokraten, Freisinnige, einige Zentrumsmitglieder) beharrten auf den Beschlüssen der ersten und zweiten Lesung. Alle Redner der Linken sprachen sich scharf gegen eine dritte Lesung aus. Sie sagten: man solle den Umfall im Plenum vornehmen; die Kommission habe gar keine Veranlassung, von den Mehrheits- beschlüssen abzuweichen. Aber ein Teil des Zentrums. National- liberale. Konservative, Antisemiten und der Welse Graf Bernstorf hatten seit Freitag voriger Woche bis heute ein festes. Kartell ge- schlössen, und so wurde mit 10 gegen 9 Stimmen eine dritte Lesung beschlossen. Die Drohung der Regierung, das Gesetz würde scheitern, wenn die kommunalen Eichämter bestehen bleiben und die Entschädigungspflicht beibehalten werde, hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. In wahrer Hurrastimmimg wurden die Gemeinden ihrer Eich- ämter entkleidet und die Entschädigungspflicht geopfert, nur um der Regierung gefällig zu sein. Nunmehr wurde vom Führer des Umfallkartells, dem Zentrums- abgeordnete» E n g e l e n, zu 8 20 folgender Antrag gestellt: Im Absatz II einzufügen:„Jedoch soll das Inkrafttreten der Vorschriften über die Organisation der Eichbehörden nicht vor dem 1. Januar 1912 stattfinden." Dieser Verschlechtcrnngsantrag wurde von der Kartellmehrheit mit 11 gegen 8 Stimmen angenommen. Im Geschwindschritt wurden die übrigen Paragraphen der Vor- läge in dritler Lesung erledigt. Em der Partei» Partei und Gewerkschaften. Das„Korrespondenzblatt des Verbandes der Tapezierer" bringt einen Artikel „Partei und Gewerkschaftsbewegung", der im ersten- lichen Gegensatz zu dem steht, was wir vor kurzem über dies Thema im„Zimmerer", im„Corrcspondenzblatt der Generalkommission" und anderen Gewerkschaftsblättern nachlesen mußten. ES steht darin unter anderem: Nachdem der Parteitag in Jena sich dahin ausgesprochen hatte, daß eS notwendig sei, sich mit der Frage des politischen Massen- streikS zu befassen, war es begreiflich, daß man die enragiertesten Befürworter dcs Maffenstreiks darüber reden hören wollte. So harten wir Gelegenheit, Rosa Luxemburg am 11. November 1905 in einer Versamm- lung des zweiten Hamburger Wahlkreises zu hören. Wir gestehen, daß wir aufs angenehmste durch die Redncrin enttäuscht wurden. Statt der„blutrünstigen" Reden, die, nach den Behauptungen ihrer Gegner, von ihr anderwärts, so auch auf dem Parteitage angeblich gehalten wurden, hörten wir ein mit scharfer Logik und seltener Gedanken- klarheit aufgebautes sachliches Referat. ES war uns völlig über- raschcnd, als bald darauf, nachdem der Bericht im„Hamburger Echo" gestanden hatte, eine Erklärung der Genoffen Reichstags- abgeordneten Frohme, v. Elm und Lesche erschien, die sich gegen die angeblich mit fanatischem Eifer propagierte Revolutionsromantik, die jedes realistische Denken vermiffen lasse, wandten. Auch in dieser Erklärung heißt eS: die Rednerin, die zwar nicht mit Namen genannt wird, aber zweifellos gemeint ist, habe alle gewerkschaftliche Arbeit als„Sisyphusarbeit" bezeichnet. Dieser Vorwurf ist so oft erhoben worden, daß wir, wie gesagt, vaff waren, als diese Erklärung der Drei erschien. Da die dies- bezüglichen Ausführungen der Genossin Luxemburg im Bericht des „Hamburger Echo" gar nicht; enthalten waren, so müssen die Drei: v. Elm, Frohme und Lesche, durch dritte Personen unrichtig unter- richtet sein. Die Genossin hatte in Wahrheit völlig einwandSftei nachgewiesen, daß in der Tat die„Nurgewerkschaftsarbeit" bis zu einem gewissen Grade Sisyphusarbeit ist. Sehen wir nicht, daß die herrschenden Klassen unsere angeblich so hohen Löhne, die erst nach einer Reihe harter Lohnkämpfe errmigen wurden, mit einem Schlage illusorisch machen, als sie die Gesetzgebung dahin beein- flussen, daß die notwendigsten Bedürfnisse der breiten Masse ver« teuert werden, wie durch die Zoll« und Handelspolitik unserer Zeit?! Muß nicht der Gewerkschaftler von neuem den Kampf aufnehmen, um das wett zu machen, was man ihm solchergestalt aufbürdet! Deshalb ist die gewerkschaftliche Arbeit aber dennoch unbedingt not« wendig, und das hat die Genossin Luxemburg ohne jede Ein- schränkung anerkannt. Trotzdem aber, wie gesagt, jene Erklärung! Kürzlich stellte nun die„Zeitschrift für Graveure und Ziseleure" in einen, Artikel die Behauptung auf, Genossin Luxemburg habe die Gewerkschaften als ein Uebel In einer Berliner Versammlung hin« gestellt. Die Versammlung hat am 9. Dezember 1905 stattgefünden. Im 5. März 1909 wurde die Genossiii in Rußland verhaftet und kurz darnach erschien die obige Anschuldigung in der Graveur- zeitung. Daraufhin erschien am 13. April im„Vorwärts" ein von Kautsky verfaßter Protest gegen den Versuch, die Genossin Luxem- bürg zu einer Zeit, wo sie sich nicht einmal verteidigen kann, zu einer Gegnerin der Gewerkschaften zu steiilpeln. DaS schönste ist, daß auch der Redakteur der Graveurzeitung sich nur auf ihm von dritter Seite gemachte Mitteilungen stützen konnte, wie v. Clin usw.. denn er war in der Versammlung vom S. Dezember nicht anwesend I In der Tat, wenn wir uns die Ausführungen der Genossin Luxemburg in der Hamburger Versammlung über die Gewerk- schaften ins Gedächtnis zurückrufen, so müssen wir öffentlich be- zeugen, daß diese leineSwegs feindlich lauteten. Im Gegenteil, sie hat die Notwendigkeit und die Aufgaben der Gewerkschaften ohne Rückhalt anerkannt und scharf betont. ES hat aber den Anschein, als wenn es bereits Sitte geworden ist, auf unkontrollierbaren Klatsch hin schlechtweg Behauptungen ailfziistellen, wie eS ja leider auch vielfach vorkommt, daß Sätze, die irgend ein bekannter Theoretiker einmal geschrieben hat, aus dem Zusammenhang gerissen werden. um dann einen beliebigen Sinn hineinzulegen, wie es der betreffende Zitier« gerade braucht. Auf die Behauptung der Graveurzeitung hin ist nun zwischen einigen Partei- und GewerkschastSorganen eine Preßfehde entstanden, wobei man sich leider beiderseitig in Wortklaubereiei, verliert. Die meisten GewerkschastSorgane schweigen sich wie gewöhnlich auS, die sich äußern, suchen die Graveurzeitung zu decken. Die letztere gefällt sich darin, den bekannten und hochverdienten Theoretiker KautSkh,
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