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und Gestalt gewinnen. Perioden wirtschaftlicher Prosperität Bereiten die Verhältnisse bor  , die während der nächsten Krise zu Zusammen- schlüssen, zu weiterer Konzentration, zu weiterem Fortschritte auf dem Wege zum umfassenden industriellen Monopol führen. Handwerk hat einen goldenen Boden, nämlich das Handwerl als AufsichtSrat. Gewöhnlich gehört nicht viel dazu, das zu sein, schwieriger ist es schon, es zu werden. Es gibt verschiedene Um- stände, die über die Schwierigkeiten hinweghelfen. Dazu gehören: Adel des Namens, Verbindungen nach oben und dergleichen Oualitätswerte mehr. Daß auch die Doktorwürde als genügende Empfehlung gelten soll, beweist folgende Notiz, die wir der»Rhein.- Wests. Ztg.* entnehmen. Das Blatt schreibt: »Eine angesehene Bergwerksgesellschast des hiesigen Bezirks sendet UNS eine gedruckte Empfehlungskarte eines Dr. jur. et phil. Jacobs, Char- lottenburg, Friedbergstr. 5, auf der sich dieser Herr für die Besetzung eines Aufsichtsratspöstchen ohne Kapitalsbeteiligung ergebenst zur Ver- fügung stellt. Soweit der akademische Titel Dr. jur. et Phil, nicht nicht genug Empfehlung sein sollte, wird noch auf die warme Empfehlung eines preußischen Ministers und desgleichen auf ein Zeugnis der Nationalbank für Deutschland verwiefen. Und wenn auch damit die Befähigung zum Aufsichtsrat noch nicht genügend verbrieft sein sollte, so kann der Herr schon damit aufwarten, daß er»Präsident des Aufsichtsrats der Nordhäuser Brauhaus Aktien- gesellschaft* ist. Man kann also ruhig einmal mit Herrn Jacobs, Dr. jur. et phil., einen Versuch machen, der anscheinend seiner akademischen Doktor- Würde keinen anderen Zweck zu geben vermag. Als charakteristisches Zeichen für die Zwecke, zu denen man heute den akademischen Doktor erwirbt, ist der Fall bemerkenswert.* Hoffentlich hat der Dr. jur. et phil. so weit die Würde des Titels gewahrt, daß er seine Drucksachen nur solchen Gesellschaften zugehen ließ, die die Tantiemen mindestens auf das Niveau von Ministergehältcrn bringen. Betticbseinstellung. Die Konservenfabrik L 0 u i S V i l l e(Ken­ tucky  ) hat ihren Betrieb eingestellt ivegen der Angriffe, die in letzter Zeit über die amerikanischen   Fleischkonservcnfabriken durch die Presse gegangen sind. Die Fabrik verarbeitete jährlich etwa 330 000 Stück Vieh. Aus Washington   wird gemeldet: Das Repräsentanten- Haus hat das Nahrungsmittelgesetz mit 240 gegen 117 Stimmen angenommen. Im Süden der Bereinigten Staaten ist in den letzten Jahren ein außerordentlicher Aufschwung in der industriellen Entwickelung zu verzeichnen. Für die Warenmanufaktur kommen hauptsächlich in Betracht die Staaten Alabama  , Arkansas  , Georgia  , Louisiana  , Ken- tuckh, Tennessee   und Texas  . Nach derWall Skeet Summary* wurden im Jahre 1880 in diesen Staaten Waren im Werte von 221 000 000 Dollar hergestellt: im Jahre 1900 war die Produktion auf einen Wert von 733 000000 Dollar gestiegen und für das Jahr 1906 rechnet man auf rund 1000 Millionen Dollar. Man bemüht sich nach Kräften, für, die aufskebende Industrie im Süden Arbeiter heranzuziehen. In New Dork sind immer Agenten tätig, welche die Einwanderer verlocken wollen, nach den Fabriken in den Südstaaten zu gehen. Dort wird ständig über Arbeitermangel geklagt. Die Ursache liegt darin, daß man im Süden nicht entfernt die Löhne zahlt, die in den östlichen Staaten bezahlt werden; auch ist die Ausbeutung der Frauen und Kinder in der Industrie im Süden sehr berüchtigt geworden. Man hat eS mit Italienern ver­sucht, die in stetig wachsender Zahl in New Aork landen. Die Italiener haben sich aber gewöhnlich sehr bald der Landarbeit au- gewendet, die in den genannten Skecken ebenfalls große Fortschritte gemacht hat. An Baumwolle wurden allein im vorigen Jahre 13000000 Ballen erzeugt._ Sozialem Sozialpolitik bei der Marine. Die volle Marine-5lompottschüssel der Danziger kaiserlichen Werftarbeiter erstrahlt in gar eigentümlicher Beleuchtung durch diesen offiziellen Erlaß deS Direktors der kaiserlichen Werft: Danzig  , den 15. Juni 1906. Notiz.(Vorlesen.) Der zur Gewährung von Darlehen bestimmte Betrag des KantinenfcmdS ist erschöpft, weil ein nicht unerheblicher Teil der Darlehnsnehmer säumig in der Rückzahlung ist. Es hat deshalb leider die Gewährung weiterer Darlehen eingestellt werden müssen. Es wird von dem Pflichtgefühl der säumigen Zahler erwartet, daß sie ihre Schuld baldmöglichst tilgen, mindestens aber sofort auf dem Arbeitcramt über die Gründe der Verzögerung persönlich Aufklärung geben. Es sind seit April dieses Jahres bereits so zahlreiche Unter- stützungsanträge vorgelegt und auch von den Vertrauens. männern befürwortet worden, daß jetzt, zu Beginn des Rechnungsjahres, fast die Hälfte des der Werft für das ganze Etatsjahr überwiesenen Betrages in Anspruch genommen ist. Eine Verstärkung dieses Fonds ist aber ausgeschlossen, so daß für den Rest des Rechnungsjahres nur noch die dringendsten An- träge berücksichtigt werden können. .(A.)) Kaiserliche Werft. Hiermit ist das graue Kartoffel» und HeringS-Elend derDanziger StaatSarbeiter, das der Marine-Baurat Hüllmann bereits im Jahre 1904 proklamierte, nun schon zum zweiten Male offiziell bestätigt I Mitten in der Hochkonjunktur der Volldampf-Flottenvermehrungen muß die Betriebsdirettion sogar im schönsten Sommer �die Bitt- gesuche der Arbeiter durch eine so tief beschämende Erklärung ab- wehren. Eine blutigere Satire auf das von den Flottendemagogcn so heiß gerühmte Flottenglück der Arbeiterschaft läßt sich nicht aus- denken. Die Frivolität der lvassersüchtigen Mommsenschen Aegirs- jesuiten, die den Danziger Staatsarbeitern noch bei der letzten Reichstagswahl schamlos vorschwärmten, daß sie durch die Weltpolitik der gepanzerten Faust bis zum Jahre 1917 ei�ie gesicherte Existenz und gute lohnende Arbeit haben würden, ist nun sogar offiziell als Humbug entlarvt. Geradezu barbarisch geißelt aber der Herr Ober» Werftdirektor durch seinen Erlaß die offizielle Lohnpolitik des eigenen Betriebes. Um Unterstützungen bitten sollen die bedrängten Werft» arbeiter nicht, dafür wird ihnen jedoch der Antrag um Teuerungö- zulagen mit Lohnkürzungen beantwortet! Im Frühjahr dieses Jahres stellte man eine Anzahl älterer Arbeiter vor die bittere Wahl: entweder die Guillotine der Entlassung oder Lohn­kürzungen von stündsich 2 Pfennigen! Wer will es den alten ab» gearbeiteten Proletariern verargen, wenn sie sich für das kleinere Uebel notgedrungen entschieden haben? Prächtige Leistungen des Musterstaates der preisgekrönten Sozialreform I Vor wenigen Mo» naten wurden sogar die sogenannten Winterzulagen für alle Lohn» klassen um 10 Pf., das heißt um 2533 Proz., herabgesetzt! Im Januar bewilligte man endlich den schlecht gestellten Arbeitern des Werftkorps großmütig eine monatlich« Teuerungszulage von 10 M. Ende März zog man aber dafür zirka 90 Arbeitern davon wieder 5 M. pro Mpnat ab! BaS ist in Wahrheit die katzenjämmerliche Kehrseite der Medaille, durch welche die deutsche Arbeiterschaft zu Nutz und Frommen spekulativer Prozentpatrioten zur Marine. begeisterung geködert werden sollte. Der allerchristlichste Staat deS Arbeiter-Kaisertums", der sich selbst in seinen»Musterbetrieben* nicht mehr der bittenden Hülferufe seinerwohl versorgten" Lohn- sklaven erwehren kann, charakterisiert durch diesen Ukas mit schnei. dender Schärfe sein« eigene Zollwucherpolitik. Krasser als durch die staatliche Werftleitung ist die Zollpolitik des zenkümlich ge» steuerten kapitalistischen   JunkerstaateS wohl noch nie an den Pranger gestellt. Der ganz gewiß nicht leichten Herzens fabrizierte Warnungs- ruf der Werftdirektion kann aber auch den letzten StaatSarbeiter lehren, wie töricht die Hoffnung auf die gnädige Güte der Vor- gesetzt« uot> tat Wrvßmut Säeat isfc DrMend sollte ihnen dieser Erlaß den Ruf zur organisieriekt Solidarität, die auch ihre einzige und nie versagende Hülfe ist, predigen- Eine neue ,,WohlfahrtZ"einrichtung bei der Amcrika-Lmie. Um allen Eventualitäten gegenüber gerüstet zu sein, schuf sich vor einigen Jahren die A.-L. einen Stamm fest angestellter Arbeiter gegen einen bestimmten Wochenlohn. Als am 1. Mai die Herren Ballin und Genossen in Erfahrung brachten, daß auch bei den Hafenarbeitern die Solidarität höher steht als materielle Vorteile, suchen sie auf anderem Wege den Arbeitern beizukommen. Sie haben sich die so- Scnannten Bunkerleute ausgesucht, die sie mit einer Zwangsunter- ühungskasse beglücken wollen. Die A.-L. verpflichtet sich, diese Kasse finanziell zu fundieren, jährliche Zuschüsse zu leisten und in erster Linie nur Mitglieder dieser Kasse zu den Bunkerarbeiten (Laden der Maschinenkohlen) heranzuziehen. Von dem Lohn jedes Mitgliedes werden von der A.-L. 3 M. pro Woche ein- behalten, und zwar bis die einbehaltenen Bekäge sich bei dem einzelnen Mitgliede auf 150 M. belaufen. An allen Vorstands- sitzungen und Versammlungen der Kasse nehmen Beauftragte der A.-L. teil. Das Guthaben, also die 150 M., verfällt zu gunsten der Kaste: a) wenn der Arbeiter ohne Erlaubnis die Arbeit verläßt; b) wenn derselbe ohne triftigen Grund nicht zu einer be- stellten Arbeit kommt; e) wenn derselbe in Krankheitsfällen oder bei anderen dringlichen Anlässen nicht spätestens bis Mittag Anzeige gemacht hat; ck) wenn derselbe ohne triftigen Grund den gewährten Urlaub überschreitet; e) wenn derselbe sich Widersetzlichkeit, un- gebührliches Bekagen, Trunkenheil während der Arbeit, des Dieb- stahls, der Hehlerei, Betruges, Unterschlagung und anderer Unehren- hafter Handlungen schuldig gemacht hat. Durch diese famosen Bestimmungen will die A.-L. den Kohlen- leuten, die infolge der eigenartigen Arbeitsmethode nicht sofort er- setzt werden können, das Streiken und Ruhenlasten der Arbeit ein- für allemal austteiben. Das ist der einzige Zweck der»Wohlfahrts*- einrichtung alle anderen Bestimmungen sind nur Beiwerk. Daß gegen dieje Selbstknebelung sich die Arbeiter mit allen Kräften wehren, brauchen wir nicht besonders zu betonen. Eine große Hafen- arbeiterversammlung hat mit großer Entschiedenheit das Ansinnen der A.-L. zurückgewiesen. Die Kasteneinrichtung der Ballinschen Flügeladjutantengesellschaft ist auch, abgesehen von ihrem Zweck, ein grober Verstoß gegen die Reichsgesetze; sie verstößt gegen das Ver- bot des Lohnbezuges, verstößt ferner gegen die guten Sitten und darf, wenn es der Regierung mit ihrem angeblichen Kampf gegen Schwindelkassen ernst ist, die erforderliche Genehmigung als Ver- sicherungsverein auf Grund der Vorschriften des Reichsgesetzes über private Versicherungen nicht erhalten. Hus der frauenbewegung* Von der Agitation für das Frauenwahlrccht in England. Die Vorkämpferinnen für das Frauenwahlrecht haben sich vor- genommen, in der Agitation nicht einen Augenblick zu versäumen; bei den freiheitlichen Einrichtungen Englands haben sie ganz andere Mittel hierzu in der Hand. Vor einigen Tagen wurden in London  vier der bekanntesten Agitatorinnen für das Frauenwahlrecht ver- haftet. Miß Billington, Miß Kenney und noch zwei andere Ver- treterinnen hatten EinKitt in die Wohnung des Ministers Asquith  verlangt. Die Polizei hatte ihnen dies verweigert und, da sie nicht weichen wollten, wurden sie verhaftet. Entsprechend dem englischen Gesetz fand am nächsten Tag die Verhandlung statt. Miß Billington verweigerte jede Auskunft, indem sie sagte: Frauen können nicht nach Gesetzen abgeurteilt werden, die sie nicht mitgeschaffen haben. Es ist unrecht, uns Frauen einem Recht zu unterstellen, das nur von Männer ge- macht ist. Ich werde deswegen meinen Protest solange fortsetzen, bis wir das Frauenwahlrechl haben, so daß wir an den Gesetzen mitarbeiten können, denen wir dann gehorchen werden. Da die tapfere Vorkämpferin für Frauenrechte einen Aufschub(um sich juristtschen Beistand zu verschaffen) strikte ablehnte, wurde sie abgeurteilt und zwar mit zweihundert Mark Strafe belegt. Die Zahlung dieser Summe lehnte sie ebenfalls ab und so wurde sie sofort zu einer zweimonatigen Gefängnisstrafe abgeführt. Die übrigen Angeklagten nahmen die Vertagung an, um sich einen Rechtsbeistand zu verschaffen; sie verpflichteten sich, bis dahin keine neuen Straßenaufläufe usw. hervorzurufen. Sie wurden daher vorläufig entlasten. Hervorgehoben mag noch werden, daß die Schutzleute den Frauen gegenüber zunächst große Geduld an den Tag gelegt hatten, ehe sie zur Verhaftung schritten. Es hatten sich große Menschenmasten augesammelt, man hatte eine Fahne entfaltet und die Schutzleute hatten einen schweren Stand. Bei uns in Deutschland   würde man höchst wahrscheinlich einen Landftiedensbruch- Prozeß daraus machen._ Versammlungen Veranstaltungen. Reinickeudorf.Ost. Dienstag, 26. Juni, 8'/z Uhr, bei Gründer, HoppesK. 24. Vortrag:»Gibt eS ein Gott?* Referent: Herr Nöthling. Treptow. Donnerstag, 28. Juni, 8'/» Uhr. bei Mohlau, Treptow. Kiefholzskaße 85. Vortrag:»Karl Marx.  * Referent: Herr Schütte. Wilhelmsruh  . Donnerstag, 23. Juni, 8'/, Uhr, bei Barth. Vorkag. Herr Kemnitz. Teltow  . Donnerstag, 23. Juni, Vortrag:»Zweck und Ziel des Verews*. Referentin: Frau Thiel. Geriedts- Reitling. Bersammlung oder Verein? Da die Gastwirte in Salbke   den Arbeitern ihre Säle zu politischen und gewerkschaftlichen Versamm- lungen verweigerten, wurde die Gründung eines Vereins zur Be- fchaffung eines eigenen Bersammlungshauses beschlossen. Es fand dann eine Versammlung zur endgüliigen Konstituierung des Verein? statt. Auf der Tagesordnung stand die Beratung der Statuten und die Vorstandswahl. Im Zusammenhang damit wurde die Frage, wie die Gelder aufzubringen seien, erörtert. Diese Ver- sammlung, die nicht polizeilich angemeldet worden war, wurde von der Polizei und der Staatsanwalt- s ch a f t als anmeldepflichtig angesehen, weil sie der Er- örterung und Beratung öffentlicher Angelegenheiten habe dienen sollen. Das Landgericht Magdeburg   verurteilte auch wegen der Nichtanmeldung der Versammlung den Einberuser Baumeierund den Gastwirt Sandmann  , der den Platz dazu hergegeben hatte, auf Grund der Z§ 1 und 12 des Vereinsgesetzes. DaS Kammer­gericht hat nun jetzt das Urteil aufgehoben und die Sache zu nochmaliger Beratung und Entscheidung an das Landgericht zurück- verwiesen, indem es ausführte: Das Landgerichtsurteil verwechsele die Begriffe» Berein* und» Versammlung*, sowie die BegriffeZweck der Versammlung* und»Zweck des Ver- eins". Es möge richtig sein, daß der zu gründende Verein, der die Errichtung eines Versammlungsauses für politische und gewerkschaftliche Versammlungen zum Ziel hatte, eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiteu bezweckte. Daraus folge aber noch nicht, daß die Versammlung, wo der Verein begründet oder besprochen loerden sollte, derErörterung und Be- rawng öffentlicher Angelegenheiten* gewidmet gewesen sei. Nur solche Versammlungen aber seien anmeldepflichtig nach§ 1 des Vereinsgesetzes. ES wäre sehr wohl denkbar, daß die Leute, welche in der konstittlierenden Versammlung zusammentraten, die Gründung rein kausmännisch-wirtschastlich behandeln wollten, so daß an eine Erörterungöffentlicher Angelegenheilen* nicht gedacht wurde. Andererseits sei nicht ausgefchlossen, daß unter Umständen bei Beratung und Erörterung der Statuten eines neuen Vereins, auch eines solchen mit dem Zweck der Errichtung eines VersammlungShauses, öffentliche Angelegenheiten berührt iverden könnten und sollten. An Feststellungen in der einen oder anderen Richtung fehle es hier, wo der Borderrichter ja die Begriffe»Einwirkung eines Vereins usw.* und»Erörterung w einer Verßumuluug' durchemauder«eworj« habe. Deshalb müsse sich das Landgericht nochmals mit der Sache beschästigen. Würde den Vormstanzen und der Anklagebehorde der krasse Irrtum passiert sein, wenn es sich um bürgerliche Parteien gehandelt hätte?_ Posen ist gerettet. Eine Regierungs-Polizeiverordnung für den Regierungsbezirk Posen verbietet das öffentliche Tragen von Fahnen, Flaggen, Bändern usw. in anderen als den Landesfarben dessen, der sie trägt. Fräulein Wosniak, die zum Begräbnis ihrer Schwester nach Schwer- senz wollte, hatte auf dem Wege zum Bahnhof in Posen einen Kranz so getragen, daß die weitz-roten Kranzschleifen sichtbar wurden. Sie wurde deshalb auf Grund der zitierten Verordnung vom Land» gericht Posen zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Kammer» g e r i ch t verwarf dieser Tage die Revision. Es blieb bei seiner seit Jahren vertretenen Ansicht, daß die Verordnung für den Regierungs» bezirk Posen rechtsgültig sei mit Rücksicht auf die besonderen Ver- Hältnisse der Provinz Posen  . Die frühere Ansicht des Reichsgerichts stimmt mit dieser irrigen Auffassung des Reichsgerichts überein. Seit 16 Jahren hat das Reichsgericht aber seinen Irrtum aufgegeben und hat ständig an der zutreffenden Ansicht festgehalten, daß über das Tragen revolutionärer Abzeichen, bestimmter Farben usw. für Landesgesetze und Polizeiverordnungen kein Raum sei, da die Reichsgesetzgebung durch den Groben Unfugsparagraphen usw. erschöpfend die Materie geregelt hat. Die gleiche Ansicht vertritt konsequent das preußische Oberverwaltungsgericht. Die falsche Kammergerichtspraxis(die sächsischen Gerichte verharren in ähnlichem Irrtum) wird durch häufige Betätigung nicht richtiger. Ueberdies rettet es die Sicherheit Posens, die nach diesem Urteil durch pietätvolle Bezeugungen ge- fährdet ist. Ist einmal die Posensche Bureaukratie bis zum Kammer- gericht der Ansicht, daß weiß-rote Bändchen im Posenschen zu tragen staatsgefährlich sei, so ist daS Gestatten des Tragens weiß-roter Ordensbändchen unverständlich. Wir empfehlen den Posener Straf- Verfolgungsbehörden, konsequent alles zu verfolgen, was die Farbe der Unschuld und der Liebe trägt. Dann wird Posen noch schneller gerettet, die verkehrte konservative und zentrumsfreundliche Stimmung noch schleuniger ins Radikal-Polnische und dann ins Sozialdemo- kratische umschlagen._ Das Schwurgericht des Landgerichts I  , welches gestern seine letzte Tagung vor den Gerichtsferien unter Borsitz des Landgerichtsdirektors G ö b e l begann, hatte am ersten Tage gegen die staatlich geprüfte Hebamme Frau Agnes L u ck geb. Kube wegen Verbrechens gegen keimendes Leben zu verhandeln. Die Angeklagte, die bisher völlig unbescholten ist, erhielt auf Grund von Inseraten, die sie in den Zeitungen veröffentlichte, den Besuch eines jungen Mädchens, welches sie beschwor, sie vor der Schande dadurch zu bewahren, daß sie die' Folgen eines begangenen Fehlkittes beseitige. Die Angeklagte wollte sich anfänglich nicht darauf einlassen, als aber die Bitten des Mädchens immer nachdrücklicher wurden und letztere das ursprünglich mit 20 M. angebotene Honorar ans 40 M. erhöhte, ließ sich die Angeklagte verleiten, ihre Hülfe in verbotener Weise zu leihen. Einige Tage darauf fing das Mädchen zu kränkeln an und starb nach etwa 14 Tagen. Kurz vor ihrem Ableben hat sie ihrer Mutter ihren Fehltritt und ihren Besuch bei der Angeklagten ge- beichtet. Daß der Tod des Mädchens mit der von der Angeklagten geleisteten Hülfe in ursächlichem Zusammenhange stand, hat sich nach dem Gutachten der Aerzte nicht feststellen lassen. Das Gericht berücksichtigte die Unoescholtenheit und das Geständnis der An- geklagten, erkannte aber auf zwei Jahre Zuchthaus unter Anrechnung von drei Monaten Untersuchungshaft. Ende des Prozesses um daS Große Los der sächsischen Staatslotterie. Der Kampf ums Große Los der sächsischen Staatslotterie, der seit Dezember 1905 das Dresdener   Land- gericht und OberlandeSgericht beschäftigte, hat nunmehr am letzten Sonnabend durch Annahme eines vom königlichen Oberlandesgericht den klagenden und beklagten Parteien vorgeschlagenen Vergleiches sein Ende erreicht. Im Frühjahr 1905 erschien die wegen Geistes- krankheit entmündigte Geflügelhändlerin Anna Elisabeth Müller bei dem Lotteriekollekteur Riedel und kaufte ein Zehntel Los Nr. 78 420 der 148. kgl. sächsischen Landeslotterie, das sie dann alle fünf Klassen hindurch spielte. In der fünften Klasse ist das Los mit dem Hauptgewinn von 600 000 M. gezogen worden. Da die Gewinnerin aber den Bäcker Wcißbach und die Gastwirtsehefrau Schütze je zu einem Viertel bezw. Zehntel an ihrem Lose hatte teil» nehmen lassen, verlangten diese natürlich nun auch ihren Anteil am Gewinn. Nun geschah etwas Unerwartetes, die Gewinnerin verweigerte jede Zahlung und berief sich darauf, daß sie bereits vor Jahren wegen Geisteskrankheit entmündigt worden unddeshalbgeschäftsunfähig sei: es sei aus diesem Grunde jeder mit ihr geschlossene B e r t r a g nichtig und somit könnten natürlich auch ihre Mitspieler aus dem mit ihr abgeschlossenen Vertrage keine Rechte herleiten. Die so um den nach ihrer Ansicht berechtigten Gewinnanspruch Gebrachten strengten nunmehr die Zivilanklage an und behaupteten, daß die Gewmnerin geistig durchaus gesund und geschäftsfähig sei. Sie betreibe ja auch ihr Geflügelgeschäft selbständig und gelte mithin als durchaus zurechnungsfähig. Der Vormund der Gewinnerin, die auf Antrag der übrigen Mitspieler den ihr zugefallenen Anteil an dem Großen Lose bei der Dresdener Bank deponieren mußte, stellte sich ebenfalls auf den Standpunkt, daß die Gewinnerin, weil sie entmündigt ist, nicht gehalten sei, die übrigen Anteile herauszugeben. Das Landgericht entschied zuungunsten der Mit» sp i eler, denn nach§ 104 des Bürgerlichen Gesetzbuches  , so führte das Landgericht aus, sei die Gewinnerin schon dann geschäftsunfähig, wenn sie überhaupt wegen Geisteskrankheit entmündigt ist, gleichviel ob diese Entmündigung zu Recht oder rechtsirrtümlich erfolgt ist. DaS Gericht habe das nicht nachzuprüfen. Die Mitspieler legten gegen dieses Urteil Berufung beim OberlandeSgericht ein und be- riefen sich wiederum darauf, daß bei der Gewinnerin des großen Loses eine Geisteskrankheit nicht bestehe und die Entmündigung zu Unrecht erfolgt sei. In der Tat soll auch die Aufhebung der Entmündigung bevorstehen. Der StaatSfiskus, der an dem AuS- gange dieses seltsamen Rechtsstreites ein besonderes Interesse hatte. legte von vornherein Gewicht darauf, daß zwischen den Parteien eine gütliche Regelung zustande kam und der am letzten Sonnabend von dem Oberlandesgerichtsrat Dr. Otto zwischen den Parteien unter« nommene Sllhneversuch war von Erfolg. Der Richter wies die Ge» winnerin auf die moralische Verpflichtung gegenüber den Mitspielern zur. Zahlung eines Teiles des Großen Preises hin, machte anderer- Kits aber auch die Mitspieler darauf aufmerksam, daß die Sache sehr auf der Spitze stehe und daß nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Vergleich unter allen Umständen vorzuziehen sei. Daraufhin e i n i g t e n sich die Parteien: Die Gewinnerin des Großen Loses habe an den Bäckergesellen Weißbach 10 625 M., an die Gastwirts- ehefrau Schütze 5312,50 M., das ist die Hälfte des verlangten An- teileS, zu zahlen. Die Gerichtskosten werden von den Parteien je zur Hälfte getragen, während die AnwaltSlosten gegeneinander aus- gehoben werden.(Nachdruck verboten.) «jttternngSüberstcht von» SS. Juni 1906, morgens S Uhr. Wetter-Prognose für Dienstag, den SS. Juni 1906. Zunächst kühler, vorherrschend wolkig bei schwachen westlichen Winden und etwas Neigung zu Gewittern: später ziemlich heiter und neue Er- ÜKHVUWA, ffijlttf T f