Nr. 176. 23. Jahrgang. 2. Ktilige des ,, " Klllim UslksdIM. Mmch. I. UnpD 1906. Berliner JVacbrkbtcn. J Vom Beschwerderecht des Kranken. Ein„Beschwerderecht" des Kranken?! Ach, das gibt's Za gar leicht! So wird uns mancher Kranke antworten, der den Betrieb von Heil- oder Pflegeanstalten am eigenen Leibe kenne, r gelernt hat. Und mancher Pfleger, mancher Arzt und mancher Anstaltsleiter werden es«ganz in der Ordnung" finden, daß Kranken ein Be- schwerderecht möglichst nicht zugestanden wird. Nun wissen wir sehr wohl, das; es in Kranken- und in Irren- Häusern, in Siechcnanstalten und Altersheimen , in Lungenheilstätten, Heimstätten für Genesende, Walderholungsstätten usw. nie an Per- sonen fehlt, die alles mögliche bemängeln und durch immer erneute Beschwerden über jeden Quark zu einer Plage filr die Verwaltung werden. Aber wir wissen auch das, das; in all' solchen Anstalten das Personal und die Leitung nur zu rasch bereit sind, in Be- schwerden von Kranken von vornherein eine bloße Nörgelei zu sehen. Und nur zu gern wird das Verharren im„Nörgeln" als„Unbot- Mäßigkeit" betrachtet und danach behandelt. Ein Beschwerdefall, dessen Verlauf samt seinen Folgen sehr lehr- reich ist, wird uns aus der Lungen heil st ätte Grabowsee gemeldet. Unter den Kranken, die die Landcsversichernngsanstalt Berlin dort untergeb.racht hatte, um sie durch ein rechtzeitig ein- setzendes Heilverfahren womöglich vor dem Schicksal vorzeitiger Invalidität zu bewahren, machte sich wieder einmal eine starke Un- Zufriedenheit bemerkbar. Anlaß dazu war, wie so oft, die Beköstigung. Jedem, der je in einer Anstalt zugehracht hat, ist bekannt, daß dort Klagen über Mängel der Beköstigung„zum täglichen Brot gehören". Ob sie berechtigt sind oder nicht, darüber ist schwer eine Einigung zu erzielen. Gewöhnlich liegt die Sache so. daß die- jenigen, die nur mal von den Speisen zu kosten brauchen, sie„sehr schmackhaft" finden, während die anderen, denen die„sehr schmack- haften" Speisen täglich vorgesetzt werden, sie lieblos als„Fraß" be- zeichnen. In Grabowsee richteten sich diesmal die Klagen nur teilweise gegen die Beschaffenheit der Speisen, zum größeren Teil aber gegen die Art der Servierung. Patienten der Anstalt fanden es unappetitlich, daß dienendes Personal, das zu schmutzigsten Arbeiten verwendet wurde, hinterher helfen mußte, Speisen her- zurichten und zu servieren. Gewiß, auch eine Hausfrau muß„alles machen", muß den Schmutz beseitigen und das Essen bereiten. Aber in Grabowsee sollen Speisen mitunter aus eine so urwüchsige Art serviert worden sein, daß manche Patienten schon vom Anblick genug hatten. Gelegentlich glaubten sie Fingerabdrücke an den Stücken Butter zu erkennen, die ihnen zum Brot aufgetischt wurden. Die Schwester, bei der die Unzufriedenen sich beklagten, hielt daS für „unmöglich", und auch der Arzt, dem die Beschwerde vorgetragen wurde, wollte es„nicht glauben". Die Patienten beriefen sich darauf, daß sie mit eigenen Augen gesehen hätten, wie in der Küche das Personal mit den Fingen» die Butter auf die einzelnen Teller verteilt habe. Aber auch das wurde als„nicht möglich" zurück- gewiesen. Wir wollen über diesen Beschwerdepunkt und über andere ähn- licher Art uns hier jedes Urteils enthalten. Uns interessiert im Augenblick nur. wie die Leitung der An st alt mit den Beschwerdeführern verfuhr. Die Zahl der Beschwerdeführer belief sich auf zirka 70. Nachdem die mündlichen Beschwerden einzelner erfolglos geblieben waren, brachten alle ihre Klagen gemeinsam zu Papier und setzten ihre Unterschriften darunter. Zum Wortführer, der die Angelegenheit dem Chefarzt vortragen sollte, wurde ein Drechsler S. gewählt. Man sagt uns, S. sei gerade des- halb hierzu ausersehcn worden, weil er den anderen als ein be- sonders ruhiger Mann galt. Nach dem Eindruck, den wir in persön- licher Unterredung mit S. gewonnen haben, können wir diese Ansicht nur bestätigen. Die Zwiesprache zwischen S. und dem Chefarzt verlief denn auch ohne alle Erregung. Im übrigen aber hatte auch sie nicht die Wirkung, daß man den Beschwerdeführern recht gab. Einige Tage nach dieser Zwiesprache wurde S. unerwartet noch einmal zum Chefarzt gerufen. Er ging hin, und nun wurde ihm mit dürren Worten eröffnet, er habe Unterschriftengesammelt, das seien Umtriebe, die in Grabowsee nicht geduldet werden könnten, mithin sei er entlassen. Als S. erwiderte, die Unterschristen seien ja gar nicht durch ihn, sondern durch andere gesammelt worden, bemerkte der Herr Chefarzt, wenn's sein solle, so werde man auch diese anderen noch entlassen. Selbstverständlich hatte S. kein Verlangen tzpnach, noch Leidensgenossen zu bekommen, und so empfahl er sich. Er wurde genötigt, sofort seine Sachen zu packen und noch am Mittag die Anstalt zu verlassen. Es sei hier ausdrücklich hervor- gehoben, daß S. sich nichts weiter hatte zuschulden kommen lassen, und daß ihm auch nichts weiter zum Vorwurf gemacht wurde. Der Patienten bemächtigte sich große Erregung, als dieser Gewaltstreich bekannt wurde. Sie erblickten in der M a ß r e g e- lung ihrer Vertrauensperson eine Beschränkung ihres Beschwerderechtes. Wir selber können ihnen nur darin beistimmen. Diese Maßregelung steht ungefähr auf gleicher Höhe mit der Behandlung, die bei Lohnbewegungen den Wort- führern der Arbeiterschaft von feiten ihrer„Brotherren" zu widerfahren pflegt. Wir wissen nicht so ganz sicher, ob die„Hausordnung" von Grabowsee verbietet, gemeinsam mit Beschwerden an die Verwaltung heranzutreten. Sollte das tatsächlich verboten sein, so muß gefordert werden, daß dieses Verbot beseitigt wird. Da hört doch alles auf, wenn dieses selbst- verständlichste Recht den Patienten vorenthalten sein soll. Bei S. ist nun das Heilverfahren, von dem er Besserung seiner Gesundheit hoffte, unterbrochen worden— und er mag sehen, was aus ihm loird. Ein Gesuch, ihn aufs neue an eine Heilstätte zu überweisen, ist ohne Angabe von Gründen abgelehnt worden. Es scheint fast, daß er für immer geächtet sein soll. Einige Zeit nach seiner Entlastung fand sich in seiner Wohnung eine Schwester vom Roten Kreuz ein und forderte ihn auf, sich bei der Auskunfts- stelle des Rixdorfer Vereins zur Bekämpfung der Tuberkulose einer Nachuntersuchung zu unterziehen. Als aber dort bekannt wurde, daß und weshalb S. entlassen worden war, erklärte man, eine Untersuchung sei nicht mehr nötig. Der Frau des Geächteten wurde auf nochmalige Anstage gesagt:„Wer sich dort nur das geringste zuschulden kommen läßt, der ist auch für unS abgetan." , Der Arbeiter, der in einer Heilstätte sich der Pflicht nicht ent- zieht, einen ihn ehrenden Auftrag seiner Leidensgefährten zu über- nehmen und eine gemeinsame Beschwerde zur Kenntnis der Anstalts- leitung zu bringen, ist—. a b g e t a n" I Ja, ist denn die Hülfe im Kampfe gegen die Tuberkulose , die der Verein vom Roten Kreuz und ähnliche Bereine samt den Versicherungsanstalten den Arbeitern bringen wollen, eine Belohnung für das, was man dort„Wohl- verhalten" nennt?__ Die Deputation der städtischen Gaswerke hielt am Montag unter tem Vorsitz des Stadtrats N a m s l a u eine Sitzung ab, in der unter anderem die Projekte für die Beleuchtung der Cantian-, Gandy- und der Malmöerstraße, des Arnim- und des Brunnen- Platzes, sowie mehrerer im Bebauungsplan noch nicht benannter Straßen am Rudolf Virchow -Krankenhause beraten und genehmigt wurden. In der Nähe dieser Anstalt ist jetzt ein neues Stadtviertel im Wachsen begriffen. Große und breite Straßenzüge sind sowohl am„Rudolf Virchow-Krankenhause", als auch am„Schiller-Hain", in der Nähe der neuen„Technischen Mittelschule" und nördlich der Jnngfernheide, sowie bei Plötzensce im Entslehen. DaS Aussehen der dortigen Gegend hat sich in den letzten Jahren ganz gewaltig geändert. Wo früher kleine einstöckige Häuser an ungcpflasterten Wegen standen, erheben sich jetzt große vierstöckige Bauten mit Balkons, Erkern, Türmen an breiten schön gepflasterten Straßen, denen es auch an Baumschmuck nicht fehlt. Besonders in der See-, Reinickendorfer -, Müller-, und den angrenzenden Straßen, die das sogenannte„Kolonialviertel" bilden, sind Hunderte von modernen Häusern mit schönen Fassaden erbaut worden. Der Druckfehlerteufel läßt in unserer Notiz„Aus dem Er- z i e h u n g s h a u s e ins Irrenhaus?"(in Nr. 175 vom 31. Juli) uns über daS„Berliner Tageblatt" sagen:„Es ist noch gar nicht so lange her, da schmähte dieses Freisinnsorgan über usw.". Statt„schmähte" lies„s ch m u st e". Vom Verband der städtischen Arbeiter erhalten wir folgende Zuschrift: I n der Berliner Straße nreinigung hat seit einigen Monaten der neue Direktor Szalla seinen Einzug gehalten. Zu Anfang schien es, als wolle derselbe umfassenden Wandel schaffen, namentlich was daS Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Arbeitern anbetrifft. Leider stellt sich immer mehr heraus, daß dem zähen anhaltenden Willen der unteren Beamten gemäß, das alte System der Schikanen und Strafen beibehalten worden ist. Dem Arbeiterausschuß werden die schönsten Versprechungen gemacht, hinterher bleibt alles beiin alten. Fast jede Direktions- Verfügung, soweit sie die Arbeit erleichtern könnte, wird umgangen oder beiseite gesetzt. Auch Strafen, namentlich für Organisierte, werden bei de» geringsten Verfehlungen verhängt. So wurde kürz- lich in der 27. Abteilung wegen Besenverwechselung und Wortwechsel als Strafe eine achtstündige Sonntagnachtarbeit angeordnet. Es ist bereits so weit gekommen, daß auf' dem Zentralarbeitsnachweis die Berliner Straßenrcinigung schwer Leute erhält. Aber man weiß sich zu helfen. Vorarbeiter und andere Vorgesetzte haben Freunde in der Provinz und diese werden herangezogen und bei der Anstellung bevorzugt. Man sollte es kaum für möglich halten, daß die Stadt mit den vielen Arbeitslosen auch noch fremde Arbeiter extra heranzieht, trotzdem die Ortsansässigen vielleicht vom gleichen Stadtsäckel Arnienunterstützung beziehen müssen. Von öffentlichem Interesse ist aber vor allen Dingen, zu erfahren, was es mit der neuerlichen politischen Schnüffelei in der Berliner Straßenreinigung auf sich hat. Uns werden durch Vertrauensleute die sonderbarsten Vorgänge in dieser Beziehung mitgeteilt. Aus Anlaß einer rigorosen Bestrafung war Beschwerde bei der Direktion eingereicht. Bei der Verhandlung erklärte Herr Direktor Nobiling, daß die Verbandsmitglieder die Hetzer seien, der Bestrafte möge sich in dieser Beziehung hüten; da er erst seit 20. Mai in Dienst stehe, die Polizei ihn auch nicht besonders empfohlen habe(1), könne man den Mann nicht großziehen, wenn noch ein- mal etwas vorkomme.— Dabei ist der Betreffende unbestraft und hat sein diesbezügliches Führungszeugnis einreichen müssen. Aber das scheint der Direklion nicht mehr zu genügen. Während der kürz- lich erfolgten militärischen Uebungen des Vorbezeichneten hat näm« lich ein Mann in Zivilkleidung bei der Frau desselben gefragt, ob ihr Mann im Wahlverein sei, später kam er wieder und wollte wissen, welche Zeitung ihr Mann lese. Die Frau war leider gutmütig genug ihm den„Vorwärts" zu nennen, anstatt dem Herrn die Türe zu zeigen. Sollte System in dieser Spionage stecken? Fast scheint es so, denn es ist auffallend, daß„Vorwärts"-Leser, welche provisorisch bei der Berliner Straßenreinigung beschäftigt werden, in der Regel nicht fest eingestellt werden, sondern aus nichtigen Anlässen schiebt man dieselben wieder ab. Vor einigen Jahren galten die Berliner Straßenreiniger als notorische Hülfstruppe für den Freisinn bei Kommunalwahlen. Nachdem auch die Straßenreiniger nicht mehr so zahlreich für ihn zu haben sind, wie früher, scheint man ihre„Ge- sinnungstüchtigkeit" dienstlich heranzüchten zu wollen. Wir sind aber sicher, daß die alten Zeiten unwiederbringlich verloren sind. Die Arbeiter müßten ja mit Blindheit geschlagen sein, wollten sie ihren Peinigern auch noch ihre Stimme geben. Eine große Gefahr drohte am Sonntag den Passagieren zweier Dampfer auf dem Tegeler See . Dem Vorfall liegt folgendes zu- gründe: Als der vollbesetzte Dampfer„Sophie Charlotte" am Sonntagabend gegen 11 Uhr nach Tegel fahren wollte, traf er in der Nähe der Haltestelle Leuchtturm auf den gleichfalls vollbesetzten Dampfer„Glückauf", der, ebenfalls nach Tegel fahrend, die Landungs- stelle verlassen hatte und beim Absteuern in die Fahrlinie der„Sophie Charlotte" geriet. Der Passagiere beider Schiffe bemächtigte sich eine ungeheure Aufregung, da es einen Augenblick den Anschein hatte, als ob der größere Dampfer den kleineren mitten durchschneiden würde. Der Kapitän der„Sophie Charlotte" besaß jedoch glücklicherweise so viel Geistesgegenwart, sofort stoppen zu lassen und das Steuer nach Backbord umzuwerfen. Der Zufammenstoß konnte jedoch nicht vermieden werden. Beide Fahrzeuge prallten mit dem Vordersteven derart aneinander, daß die Fahrgäste zum Teil von ihren Sitzen geschleudert wurden und„Glückauf" oberhalb der Wasserlinie Beschädigungen erlitt. Wäre das Manöver der„Sophie Charlotte" nicht gelungen, so wäre allerdings eine folgenschwere Katastrophe unvermeidlich gewesen. Bei den Wohnungseinbrechern scheint mit dem Eintreten der Badesaison das Geschäft in voller Blüte zu stehen. Ein recht lohnender Wäschediebstahl wurde in Rixdorf im Haufe Reuterstr. 33 verübt. Den Einbrechern fielen flir mehr als hundert Mark Wäsche und auch ein wertvoller Knpferkessel zur Beute. In dem Hause Pannierstr. 12 brach eine Bande gleichzeitig in zwei Wohnungen ein. Die Diebe erbeuteten dort Gold- und Silbersachen von beträchtlichem Werte. In einer Wohnung in der Ziethenstr. 21 lohnte sich die Arbeit für die Einbrecher auch recht gut. Bei dem Milchhändler Dube in der Borussiastratze durchwühlten die Einbrecher sämtliche Schränke und Behälter nach Wertgegenständen. Einer der Täter wurde fest- genommen, während die anderen mit der Beute entkamen. Ein größerer Gold- und Juwelendiebstahl wurde bei dem Rentier Kettner in der Grabenstr. 25 in Groß-Lichterfelde ausgeführt. Die Ei»- brecher stahlen u. a. goldene Halsketten. Ringe und Armbänder. Ein tödlicher Unfall hat sich gestern nachmittag in der Nathanael- kirche zugetragen. Im Innern werden gegenwärtig Renovierungen vorgenommen. Als gestern nachmittag der 30 Jahre alte Maler Alfred Schmidt zu dem Gerüst hinaufsteigen wollte und nahezu die Spitze erreicht hatte, wurde er plötzlich von einem Unwohlfein be- fallen. Lautlos stürzte er aus der beträchtlichen Höhe in das Kirchenschiff hinab und blieb mit zerschmettertem Schädel liegen. Kollegen brachten den Verunglückten sofort nach der Unfall- station XIV in der Alexandrinenstraße, doch konnte dort der Arzt nur noch den inzwischen eingetretenen Tod konstatieren. Die Leiche wurde polizeilich beschlagnahmt und in das SchauhauS gebracht. In der Wagenfabrik von Lange u. Gutzeit, �Frankfurter Allee , verunglückten am Dienstag zwei Schlosser dadurch, daß ein Regal mit Zinkblech zusammenbrach und die beiden Schlosser Winiarz und Schwahn unter sich begrub. W. war so schwer verletzt, daß er sofort nach dem Krankenhause gebracht werden mußte. Sch. kam mit leichteren Verletzungen davon. Dasllngliick wäre noch größer geworden, wenn nicht zufällig ein Teil der Arbeiter, die sonst ihren Arbeitsplatz in� der Nähe der Unfallstelle haben, wo anders beschäftigt gewesen wären. Schon vor unaefäbr acht Wochen ist daS Regal einmal zusammengebrochen, ohne jedoch Unheil anzurichten, weil es gerade während der Mittagspause passierte. Es würde gut sein, wenn sich der Gewerbeinspektor einmal den Betrieb genauer ansehen möchte. Das Regal befindet sich in der Stellmachcrei über der Schmiede, dort sind Luft- und Fallhämmer in Tätigkeit. Durch die Erschütterung, welche diese verursachen, wird der Einsturz erfolgt sein. Beim Baden ertrunken ist der Telegraphenarbeiter Rudolf Boilke aus der Schlüterstraße 69. B. hatte die Absicht, sich in allernächster Zeit zu verheiraten. Gestern nahm er in der Spree in der Nähe des Spandauer Berges mit mehreren Freunden ein Bad und wagte sich, obwohl er ein schlechter Schwimmer war, weit in die Fluten hinaus. Bald verließen ihn dann seine Kräfte, und als er unter- sank, schwanimen seine Freunde zur Rettung hinzu, doch war eS bereits zu spät. Sie konnten B. nur noch als Leiche aus dem Wasser ziehen. Aus der Selbstmordchronik. Durch Erhängen machte der Grün« kramhändler Sch. aus der Langestraße gestern seinem Leben ein Ende. Als seine Frau das Schlafzimmer betrat, fand sie ihn am Bettpfosteil erhängt vor.— Aus Furcht vor Bestrafting hat gestern der Handelsmann St. aus der Wollinerstr. 11 Selbstmord verübt. St. stand angeblich unter dem schweren Verdacht, mit seiner elf- jährigen Tochter strafrechtlichen Umgang gepflogen zu haben. Die Sache war jetzt bekannt geworden, worauf es St. vorzog, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Er erhängte sich gestern in seiner Wohnung. — Am Nordufer wurde die Leiche eines etwa 45jährigen Selbstmörders gelandet. Aus einem in der Tasche vorgefundenen Zettel geht hervor, daß es sich bei dem Toten um den Arbeiter Albert W. aus der Gartenstraße handelt. Beim Explodieren einer Patrone ist gestern der 14jährige Schüler Eugen Lau. Pankstr. 3a, schwer verletzt lvorden. Mehrere halb- wüchsige Burschen hatten auf dem Tegeler Schießplatz scharfe Patronen gesucht und. wollten dieselben in der Panlstraße entladen. Dabei kam eine der Patronen zur Explosion und die Pulver- ladung drang dem L. in den rechten Oberschenkel. Der Schwer- verletzte wurde nach der königlichen Klinik in der Ziegelstraße ge- bracht. Opfer der Hitze. Vom Hitzschlag getroffen wurde gestern nach- mittag der Handlungsreisende B., als er in der Wollankstraße den Fahrdamm übertchreiten wollte. Als sich B. aus der Mitte des Fahr- damms zwischen den Straßenbahnschienen befand, brach er plötzlich unmittelbar vor einem herannahenden Zuge der städtischen Straßen- bahnlinie bewußtlos zusammen. Den Führer des Motorwagens ge- lang es durch Anwendung der Gefahrbremse den Zug noch recht- zeitig zum Stehen zu bringen, so daß der Handlungsreisende nicht unter die Vorderplattform geriet. B. wurde zu einem in der Nähe wohnenden Arzt gebracht und konnte, nachdem er dort wieder in das Leben zurückgerufen, sich mittels Droschke nach seiner Wohnung begeben. Von einem Sonnen st ich getroffen wurde gestern morgen der Maurer Fritz Hamann aus der Borsigstr. 25. H. war auf einem Neubau in der Jnvalidenstratze beschäftigt und brach Plötz- lich vor den Augen seiner Kollegen besinnungslos zusainmen. Er wurde nach der Unfallstation in der Eichendorffstraße gebracht, wo der Arzt einen Sonnenstich feststellte. H. fand im Krankenhause Moabit Aufnahme. Ein weiteres Opfer der Hitze wurde gestern nach- mittag der Steinkutscher Kühne, welcher mit einem Arbeitswagen durch die Müllerstraße fuhr. Unter der Einwirkung der hohen Temperatur war K. auf dem Bock eingeschlafen und die Zügel der Pferde waren seinen Händen entfallen. K. verlor das Gleichgewicht, stürzte vornüber vom Wagen herab, fiel erst aus die Deichsel und dann so unglücklich auf das Straßenpflaster, daß die Räder seines eigenen Fuhrwerks ihm über beide Beine hinweggingen. Der Kutscher, der anscheinend eine schwere Quetschung beider Unter- schenkel erlitten hatte, wurde nach dem Paul Gerhardt- Stift übergeführt._ Großfeuer auf einen, Holzplatz. In der Urbanstr. 96 kam gestern abend kurz vor 7 Uhr ein ver- Heerendes Feuer aus, das einen Schaden von etwa 80000 Mark verursachte und einen großen Teil der Berliner Feuerwehr zwei Stunden lang beschäftigte. Auf dem langgestreckten Grund- stück befindet sich die Zimmerei und Tischlerei von Barsekow u. W o l f f. Diese hatte ihre bedeutenden Brettervorräte in vier festen Schuppen aufgestapelt, die sich halbkreisförmig am Nordende gegenüber der Boppstraße ausdehnten. An der Ostseite befindet sich noch eine Baustelle, die soeben bebaut wird. Die hier be- schäftigten Arbeiter hatten ein Klosett unnüttelbar an einen der be- zeichneten Bretterschuppen gebaut. Hier ist nun angeblich der Brand entstanden. Dieser griff mit so rapider Schnellig- keit um sich, daß innerhalb fünf Minuten alle vier Bretterschuppen in Flammen standen. Obgleich noch einige Arbeiter der Holzfirma sich auf dem Hofe be- fanden, war es doch nicht möglich, bei der kolossalen Hitze drei an der Kette liegende Hofhunde zu retten. Sie kamen mit etwa einem Dutzend Hühnern in den Flammen um. Auf die Meldung „Großfeuer" eilten dann die Löschzüge 5, 6, 8, 11, 12, 17, 13 zur Brandstelle und nahmen teils in der Urbanstrnße, teils am Kottbuser Damm und in der Boppstraße Aufftellung. Unter Leitung des Oberbrandinspektors Reinhardt traten nun fünf Dampfspritzen und sechs Hydranten in Tätigkeit. Eine große Gefahr bestand für das Haus Kottbuser Daum, Nr. 23, dessen Front nur etwa fünf Meter von den brennenden Schuppen entfernt war. Die Bewohner flüchteten vor Hitze und von unten bis obenhin löste sich in kurzer Zeit der gesamte Putz von der Wand ab. Die Fensterkreuze fingen bereits an zu kohlen und nur der Todesverachtung der Löschmannschaften, die der enormen Hitze nicht achteten, ist es zuzuschreiben, daß dieses Haus gehalten wurde. Von dem gesamten Holzlager war indes nichts mehr zu retten. Die Schuppen mit ihren» Inhalte wurden total eingeäschert. Polizeipräsident v. B o r r i e s war lange■ Zeit an» Brandplatze anwesend. Die vollständige Ablöschung dehnte sich bis in die späten Abendstunden hinein aus. Der bei dem Brande ent- wickelte Qualm wurde fast in der ganzen Stadt und auch in den Vororten bemerkt und Tausende von Zuschauern belagerten die um- liegenden Straßen. _ Große Geistesgegenwart bewies vorgestern eine Frau bei einem Brande, der in Abwesenheit der Eltern des 5jährigeu Ernst Kreisel in deren Wohnung, Elbingerstr. 75, angeblich beim Spielen des Knaben ausbrach. Frau Thaler, eine Mitbewohnerin des Hauses bemerkte, lvie aus der Äreiselschen Wohnung im Erdgeschoß des Ouergebäudes Ranch»u»d Flammen herausschlugen. Es brannten Gardine», Fensterrahmen, Fensterkreuze, Tapeten ufw. Die resolute Frau Thaler schlug sofort Lärm und drang ohne die Ankunft der Feuerwehr abzuivarten in die brennende Wohnung ein, aus der sie zwei Kinder in Sicherheit brachte. Der 5jährige Ernst Kreisel hat dabei Brandwunden am linken Arm erlitten und Frau Thaler Brandwunden an den Lippen und im Gesicht. Die übrige» Personen und das zweite Kind sind mit dem Schrecken davongekommen. Die Feuerwehr löschte die Flammen und sorgte für Verbände. Der Fall mahnt die Eltern wieder zur Vorsicht, wem, sie Kinder allein lassen müssen. Vom Tode des Ertrinkens gerettet wurde am Montagabend der 10jährige Sohn des Gastwirts H. Enders aus der Stettinerstr. 30.
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