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gesetzlich fest; aber ihr Fortfall wird mit den zutreffendsten Gründen verlangt. Sie enthält eine Verleugnung der Parteigleichhcit. da das Gericht zwar den Verteidiger, nicht aber den Staatsanwalt wegen Ungebühr bestrafen kann. Sie ist beschämend, wenn der jüngste Assessor, als Schöffenrichter, den ältesten Justizrat in Strafe nehmen kann. Sie ist unnötig, weil Verfehlungen des Rechts- anwaltS in geordnetem Disziplinarverfahren durch das Standes- gericht der Anwälte geahndet werden können. Deshalb ist es das Bestreben der Rechtsanwaltschaft, den 8 IM des Gerichts- Verfassungsgesetzes zu beseitigen." Toleranz- Manöver. DieKölnische Volkszeitung" kommt auf unseren Artikel über die klerikalen Toleranz- Manöver zu sprechen. DaS Blatt meint: DerVorwärts" ist sehr im Irrtum, wenn er die Marxffche Rede lediglich unter wahltaktischen Gesichtspunkten betrachtet und in ihr nur eine Variation der Aufforderung zu gemeinschaftlicher Abwehr von Unglauben und Umsturz erblicken will. Sie ver- langt Duldsamkeit gegen Andersdenkenden vor allem als sittliche Pflicht. die auch dann bestehenbleibe, wenn nicht zugleich auch die politische Klugheit zu demselben Ereignis käme. Und endlich ist es vollständig falsch, die Rede des Abg. Marx so zu verstehen, als ob er der Ansicht wäre, nur gegen positiv gläubige Protestanten solle die Zentrumspresse Toleranz üben, gegen liberale Protestanten aber oder gar gegen sozialdemokratische und sonstige Atheisten intolerant sein.... Für uns gilt die Devise: Duldsamkeit gegenüber jeder redlichen Ueberzeugung, Achtung vor jedem ehrlichen Gegner daneben darf und soll dann gegenüber allen, die auf christ- lichem Boden stehen, auch noch ein Mehreres platzgreifen, nämlich das aufrichtige Bestreben zu gemeinschaftlicher positiver Arbeit, die ohne den konfessionellen Frieden allerdings nicht gedeihen kann." Man wird uns gestatten müssen, daß wir nach langjähriger Er- fahrung über das Wesen klerikaler Toleranz anders denken, als das Zentrumsblatt. Das Zentrum tut nichts um Gottes willen. Wie es die klerikale Sozialpolitik nicht aus Nächstenliebe und Arbeiterfreund- lichkeit ins Werk gesetzt hat, so spielt es sich auch jetzt nicht als den Toleranten auf, weil Toleranz zum Prinzip des Klerikalismus gehört, sondern lediglich deshalb, weil ihm das Wasser an den Hals geht, weil es zur Abwehr der Sozialdemokratie Anschluß sucht bei den übrigen Parteien. Es gehört schon ein mehr als gewöhnliches Maß klerikaler Keckheit dazu, wenn man abzustreiten versucht, daß der Toleranz- appell des Zentrumsmannes Marx sich gegen die Sozialdemokratie richte. In jesuitischer Manier nennt er zwar die Sozial- demokratie nicht, aber man weiß, was die Herren meinen, wenn sie vomUnglauben", von den Gegnernunserer religiösen, staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung" reden, und man weiß deshalb auch, was eS heißt, wenn Herr Marx als Mittel zur Verbreitung derToleranz" hinweist auf dieNotwendig- keit des Zusammenhaltens aller gutgesinnter, uoch auf dem Boden des Christentums stehender Kreise gegenüber dem mächtigen An- driitgen des Unglaubens". Das Zentrum übtToleranz" alschristliche Pflicht", wie die Kölnische Volkszeitung" schreibt. Und diesechristliche Pflicht" be- tätigt das Zentrum mit einem derartigen Eifer, daß wir in gewissen zentrumstreuen Gegenden niemand, dem seine Knochen lieb sind, raten möchten, sich dort als Sozialdemokrat zu bekennen und etwa für seine Ueberzeugung offen einzutreten. Die Praxis des Dreschflegels ist ja nicht mehr im selben Maße wie früher im Schtoange, aber sie existiert doch noch, und wo sie gewichen ist, da sind an ihre Stelle weniger auffällige, aber darum nicht weniger gemeine Mittel derpraktisch-bürgerlichen Toleranz" getreten. Außerdem aber hat der Toleranzapostel des Zentrums, Herr Dr. Marx, wie wir in Nr. 217 desVorwärts"(vom 18. Sept. 1906) berichteten, dem Genossen Dittmann gegenüber praktisch bekundet, was er unter Toleranz versteht. Der Postfiskus auf der Anklagebank. In Chemnitz   hatte sich der Landbriefträger Schönherr aus Mittweida   vor den Geschworenen wegen Unterschlagung im Amte und Urkundenfälschung zu verantworten. Der An- geklagte ist ein Opfer der miserablen Bezahlung der Postunter- beamte». Seit dem 1. Februar 1906 als Beamter angestellt und eidlich in Pflicht genommen, bezog der dreißigjährige Mann ein Ge- halt von monatlich 58 M.(!!!) Aber diesen Betrag erhielt er nicht einmal voll ausbezahlt. Er war Landbriefträger und mußte sich ein Dienstpferd anschaffen! Den Kaufpreis schoß ihm der Postfiskus vor und zog ihm monatlich IS M. vom Gehalt ab, so daß ihm nur noch 43 M. sl 1 1) monatlich zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes blieben. Zehn Mark wöchentlich in der heutigen Zeit der Nahrun gsmittelteuerungl Wenn das ein Privat- Unternehmer einen, Arbeiter zu bieten sich wagte, der würde wohl mit Recht eine recht derbe Antwort erhalten und er könnte wohl bis zun» St. Nimmerleinstag warten, ehe er Ausbeutungsobjekte bekommen würde. Und hier tut es ein Staatsbetrieb, der eine Musteranstalt sein soll, aber nicht ist. Schönherr kam mit den paar Mark nicht auS und unterschlug Gelder, die ihm von Leuten seines ländlichen Bestellbezirkes zur Einzahlung übergeben wurden. Schließlich unterschlug er auch einen Betrag, den er von der Postanstalt Mittweida  , wo er stationiert war, zur Auszahlung an den in seinem Bestellbezirk wohnhaften Adressaten erhalten hatte, quittierte mit dessen Namen und machte sich so auch der Urkunden- fälschung schuldig. Dann kam die Entdeckung und Schönherr wurde verhaftet. Der seit kurzer Zeit verheiratete Mann hatte das Geld, das ihm seine junge Frau mit in die Ehe gebracht, nicht rechtzeitig erhalten, um die Unterschleife, die etwas über 200 M. betrugen, decken zu können. Er war geständig und obwohl er noch völlig unbescholten war, wurde er mit einem Jahre Gefängnis und drei- jährigem Ehrverluste in Strafe genommen. Er hatte ehrlos ge- handelt, tili)_ Landlehrer-Flucht. Herr v. Studt beabsichtigt, durch seinen be- kannten Erlaß über die Lehrerbesoldung die Landlehrer in den Ge- filden der preußischen Ostprovinzen zurückzuhalten. Die Mahregel versagt jedoch völlig ihre Wirkung. Wie die KönigsbergerHart. Zeihmg" berichtet, steigert sich die Flucht der Landlehrer nach dem Westen in ganz bedenklicher Weise.Besonders sind es." schreibt sie,Lehrer aus den masurischen und litauischen Kreisen, die jetzt zahlreich unsere Provinz verlassen. Im Laufe der letzten fünf Wochen hat die Regierung zu Allenstein   allein 14 Lehrer nach dem Westen entlassen müssen, trotzdem gerade in diesem Bezirk kein Ueberschuß an Lehrern ist. Zahlreiche Lehrer sind ferner für Schulstellen in den westlichen Provinzen vor- notiert und erwarten ihre Einberufung. Selbst aus den rein deutschen  Kreisen verlassen immer mehr Lehrer unsere Provinz. Der Grund stir die sich steigernde Landflucht der Lehrer dürfte in den in den Ostprovinzen üblichen unzureichenden Gehaltsverhältnissen liegen. Die vorläufig noch immer in Aussicht stehende Gehaltsaufbesserung bietet den zahlreichen Kleinstadtlehrem gar keine und dem Land- lehrer infolge hoher Anrechnung des Brennholzes nur eine ganz minimale Erhöhung des Gehalts. Es darf deshalb nicht ivunder nehmen, wenn zahlreiche Land- und Kleinstadtlehrer unserer Provinz den Rücken kehren." Landtagsersatzwahl in Minden  . Bei der heutigen Landtags- ersatzwahl für Minden  ! lMinden-Lübbecke) wurden von den 472 ab- gegebenen Stimmen für den Kandidaten der deutschkonservativen Partei, Verwaltungsdirektor der königlichen Museen, Geheimrat Bosse-Berlin   313, für den Kandidaten des Bundes der Landwirte, Landwirt Sultemeyer-Hahlen IIS, für den wild-konservaten Kandi- baten Landwirt Rehliug- Petershagen 2S und für den zverantw. Redakteur: Hans Weber, Berlin  . Inseratenteil verantw. sozialdemokratischen Kandidaten, Maurerpolier L i tz i n g e r- Minden 14 Stimmen abgegeben. Ersterer ist so- mit gewählt. Die Unverfrorenheit der klerikalen Hcinzelinge ist bekannt. Aber was sich das Aachener ZentrumsblattVolksfreund" in seiner Nr.211 leistet, übersteigt doch die Grenzen alles bisher Dagewesenen. In derVossischen Ztg."(Nr. 410) hatten dieser Tage ein Dr. R. und ein Fräulein P. sich alsF r e i- V e r m ä H l te" angezeigt. Das genannte Zcntrumsblatt bringt darüber einen etwa vierzigzeiligen Artikel, den esSittliche Verwilderung" überschreibt. Es bezeichnet darin das Verhältnis der beiden Leute alsKonkubinat" und erblickt in der Veröffentlichungeinen frechen Hohn auf die StaatsgesetzeunddiegcsamteSittlichkeit". Solche Anzeigen seiender deutlichste Beweis, wie tief man schon in ge- bildeten Kreisen gefallen ist". Die Schimpfereien desVolksfreund", der übrigens das am meisten verbreitete der Aachener Zentrumsblätter ist, stellen aber nicht nur eine unerhörte Anmaßung dar, sondern sie sind auch eine bodenlose Heuchelei. Denn gerade in der allernächsten Nähe des Volksfreund" herrscht das, was das Blatt als Konkubinat, sittliche Verwilderung usw. bezeichnet, in ausgedehntestem Maße. Von vielen Fällen seien nur zwei herausgegriffen, d i e d a s fromme Blatt selber angehen. Als der Gründer und damalige Chefredakteur desV o l k s f r e u n d", Herr I m m e l e n, im Jahre 1903 in einem Ehescheidungsprozeß als Zeuge gefragt wurde, ob er mit der Frau des auf Scheidung klagenden Ehemannes geschlechtlichen Verkehr gehabt habe, antwortete Jmmelen, e r k ö n n e sich dessen nicht erinnern. Der Herr hatte also anscheinend außerehelichen Verkehr in einem solchen Umfange gepflogen, daß er sich auf einzelne Fälle gar nicht besinnen konnte. Dem jetzigen Besitzer desVolksfreund" hat im Jahre 1904 unser Aachener Parteiblatt in einer von dem Zentrumsorgan provozierten Auseinandersetzung vorgehalten, er sei von dem Gatten einer von ihm poussierten Frau mit dem Revolver verfolgt worden. Der Be- sitzer forderte unser Parteiblatt auf, zu widerrufen, sonst werde er den Redakteur vor Gericht zur Verantwortung ziehen. Unser Parteiblatt war aber begierig, dem Zentrumsverleger diesen Fall und noch andere Dinge vor Gericht nachzuweisen, und es wider­rief nicht. Geklagt hat jedoch derVolksfreund"-Besitzer bis auf den heutigen Tag nicht.__ Die indirekte Erziehungsmethode. Eines der beim Militär beliebten Erziehungsmittel besteht be- kanntlich darin, die alten Leute gegen die im ersten Jahre dienenden mobil zu machen, indem man jene für die Sünden und Ungeschicklich- leiten dieser mit büßen läßt.Ihr könnt Euch ja beiden, Schlappsack bedanken," wird bei solchen Gelegenheiten von übereifrigen Unteroffizieren in nicht mißzuverstehender'Weise gesagt, wie wiederholt vor den Kriegsgerichten bekundet worden ist. Ein Teil der von den alten Mannschaften an Rekruten und anderen Soldaten, die etwasausgefressen" haben, verübten Brutalitäten ist auf diese indirekte Erziehungsmethode zurückzuführen. Aus Furcht vor weiteren kameradschaftlichen Liebenswürdigkeiten laufen viele arme Teufel davon und werden dann zu schweren Freiheitsstrafen verurteilt. Auch der Musketier Neubert von der ersten Kompagnie des Infanterieregiments Nr. 90(Rostock  ) will das Opfer einer solchen Er- ziehungsmethode geworden sein. Er wurde vor einigen Wochen vom Kriegsgericht wegen Achtungsverletzung, unerlaubter Entfernung, Preis- gebens von Dienstgeheimnissen und Führung eines falschen Namens zu 7 Monaten Gefängnis, 10 Tagen Haft und Versetzung in die zweite Soldatenklasse bestraft. Gegen dieses Urteil hat der Gerichtsherr sowohl wie der Angeklagte Berufung eingelegt, ersterer wegen des milden", letzterer wegen des hohen Strafmaßes. Die Sache ge- langte am Freitag vor dem Oberkriegsgericht des 18. Armeekorps (Altona  ) zur Verhandlung. Der Angeklagte, der den Eindruck eines beschränkten Menschen macht, hat schon eine Vorstrafe wegen unerlaubter Entfernung erlitten. Im Sommer d. I. lief er wieder davon, er wurde aber nach einiger Zeit von einem Gendarmen an- gehalten, dem gegenüber er sich eines falschen Namens bediente. Der Angeklagte behauptete, die Unteroffiziere hätten ihm das Leben zur Hölle gemacht, indem sie die alten Leute auf ihn gehetzt hätten. Beim Nachexerzieren hätten sie seinen Kameraden zugerufen:Für dieses Vergnügen könnt Ihr Euch bei Neubert bedanken!" Er sei häufig geprügelt worden, zweimal sogar nachts im Bett. Auch andere Rekruten seien in gleicher Weise mißhandelt worden. Mehrere Zeugen bestätigen diese Angaben und fügen aus eigener Wissenschaft noch Beispiele von Rekrutenmißhandlungen durch alte Soldaten hinzu. Die Unteroffiziere stellen alles in Abrede und be- zeichnen Neubert als einen unglaubwürdigen Menschen. Der An- geklagte bleibt aber bei seinen Angaben und erhebt gegen die Unter- offiziere den Vorwurf des Meineids. Auf Antrag deS Anklägers wird 91. zu neun Monaten drei Wochen Gefängnis und Versetzung in die zweite Soldatenklasse verurteilt. Der Prozeß gegen die Kolonialbcamten Götz und Genossen wird, wie derSchlesischen Volkszoitung" aus Berlin   gemeldet wird, vor­aussichtlich niedergeschlagen werden. Die seitherige Untersuchung habe nämlich gegen keinen einzigen Beamten etwas Belastendes er- geben. Es konnten bisher keine Beweise dafür erbracht werden, daß ein Beamter Aktenstücke entwendet, und daß ein anderer hierzu Bei- hülfe geleistet hat. Exzellenz Dernburg   wird sich, wie gemeldet wird, nach den deutschen Schutzgebieten begeben, um die dortigen Verhältnisse aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Der Zeitpunkt, an dem er seine Reise antreten wird, steht noch nicht fest. Auch ist noch voll- ständig unbestinnnt, wie lange die Reise dauern wird. Vom Bicrkrieg in Chemnitz  . Es wird UNS aus Chemnitz   geschrieben: Wieder war die Beendigung des Bierkrieges der Gegenstand der Verhandlungen des Attionsausschusses, der Vertreter der Brauereien und der Vertreter der Gastwirtsvereinigunge». Die Brauereien sind dem Antrag der letzteren sehr nahe gekommen; sie sind geneigt, den Preisaufschlag um IM. wie verlangt zu mindern, wollen aber bei Bezahlung der Rechnung innerhalb einer bestimmten Frist nicht 3 Proz. Skonto   wie verlangt sondern nur 2 Proz. Skonto gewähren. An dieser Kleinigkeit scheiterten wiederum die VerHand- lungen; jede Partei beharrte ans ihrem Standpunkt und ohne das erwünschte Resultat gingen die Versammelten wiederum auseinander. Doch dürfte das Ende des seit ziemlich drei Monaten geführten Krieges" sehr nahe sein._ Druckfehler-Berichtigung. In der NotizFahrkartensteuer und Eisenbahneinnahmen" der gestrigen Rammer(unter der Rubrik Deutsches Reich  ") befindet sich ein sinnstörender Druckfehler. Es muß in der 7. Zeile von oben heißenum 6,5 Prozent zu- nahmen" stattzurückgingen". Kuslancl. Frankreich  . Die reglementierte Spitzelei. Paris  , 20. September.  (Eig. Ber.) Die AuSspitzelung der Bürger ist in Frankreich   schon seit dem ersten Kaiserreich in ein wohlgeordnetes System gebracht. Herr Clemenceau   hat indes gefunden, daß auch die Fort- schritte, die dieses System seither unter den ver- schiedenen Regierungsformen gemacht hat, nicht ausreichen und er bemüht sich um seine weitere Vervollkommnung. In einem Rundschreiben an die Polizeikommissare gibt er genaue Anweisungen, wie dieKodes" die Auskunftszettel angelegt werden sollen. Für jedes polizeilich beobachtete Individuum soll ein besonderes Register bestehen, das alle Daten und Hinweise auf die den Verdächtigen be- treffenden Akten, wie Polizei- und Gerichtsprotokolle, sowie die von der allgemeinen Sicherheitspolizei übermittelten Signalements von : rj. Glocke, Berlin  . Druck u.Verlag: Vorwärt» Buchdr. u. VrrlagSanjtal Ausgewiesenen, Abgeschobenen, Anarchisten, gewerbsmäßigen Fasch- spielern usw. enthält. Als Zweck der Verordnung wird die Be- schleunigung des Verfahrens gegen die in den Registern Eingetragenen angegeben. Die Auskunftslisten sollen streng geheim gehalten und nur Behörden zur Einsicht überlassen werden. Clemenceau   weist die Beamten an, sich nur vom Gesichtspunkte der öffentlichen Sicherheit leiten zu lassen, ohne jede politische Ab- ficht, aber niemand wird diese Phrase ernst nehmen. Man weiß ja, wie leicht Regierungen dieöffentliche" Sicherheit mit ihrer eigenen und mit den Interessen der Klasse, deren Werkzeuge sie sind, verwechseln. Herr Clemenceau   selbst hat ja mrt seiner) famosen Komploitgeschichte im April ein herrliches Beispiel davon gegeben. Sein Erlaß»nacht die Ausspitzelung des Privatlebens und der politischen Tätigkeit der Bürger zu einer offiziellen Einrichtung. Man muß es der Bourgeoisrepublik, die die Einkommenstcuer mit Fatierung und Einschätzung immer wegen Gefährdung der heiligen Rechte des Individuums abgelehnt hat, lassen, daß sie sich um diesesunveräußerlichen Menschenrechtes" willen das Leben nicht schwer macht. Frankreich  . Sehr gütig! Paris  , 21. September. Die Präsidenten der Eisenbahngesell- schaften haben an den Minister der öffentlichen Arbeiten ein Schreiben gerichtet, in Ivelchem sie diesem mitteilen, daß sie in Be- folgung des Gesetzes über den wöchentlichen Ruhetag ihrem gesamten Personal 52 Ruhetage im Jahre gewähren werde. Man kann es nicht anders sagen: Es ist reizend von den Herren Eisenbahnpräsidenten, daß sie sich bereit erklären, den Ge- setzen Folge zu leisten! Niederlande  . Kolonialschliichtercien. Aus Haag, 21. September, wird ge- meldet: Aus Bali wird amtlichz berichtet, daß in Badveng zwei Häuptlinge mit ihren Frauen und Kindern gefangen lvorden sind. Bei dem letzten heftigen Kampfe sind etwa 400 Ein­geborene getötet worden. Auf holländischer Seite fielen vier Mann und ein Offizier. Neun Mann wurden verwundet- Spanien  . Kurzer Prozeß! Madrid  , 21. September.  (B. H.  )Girsldv" teilt mit, daß die Verhafteten im Prozesse betreffend das Attentat vom 31. Mar morgen vor das Schwurgericht gestellt werden. Das Blatt_ fügt hinzu, daß der Staatsanlvalt gegen den Attentäter die Todesstrafe und gegen den Verleger Nackens eine Gefängnisstrafe von 9 Jahren beantragen wird. Der Herr Staatsanwalt hat sein Urteil also schon vor der Verhandlung fertig! Dabei ist noch zu bedenken, daß Nackens nichts tat, als daß er den zu ihm flüchtenden Attentäter zufolge seiner hohen Anschauung von G a st r e ch t nicht an die Behörden denun- zierte, sondern ihm bei der Flucht behülflich war. Das soll nun mit 9 Jahren Gefängnis geahndet werden. Amerika  . Intervention? Havanna  , 21. September.  (Meldung desReuterschcn Bureaus".) Der krittsche Augenblick für die Vermittler, die be- müht sind, den Streit auf Kuba   zu schlichten, scheint sich zu nähern. Es sind Anzeichen dafür vorhanden, daß der 5incgssckretär Taft die Schwierigkeit nicht ohne wirkliche amerikanische   Intervention wird beilegen können. Es ist bekannt, daß er in regem Depescheiioerkchc mit dem Präsidenten Roosevelt   steht. Es heißt, daß die Lage weit schlimmer sei, als angenommen»oorden war. Die sechs hilc liegenden amerikanischen   Kriegsschiffe, unter denen ztvei Schlacht- schiffe sind, geben dem Hasen ein ungewohnt kriegerisches Aussehen. Washington  , 21. September.  (Meldung der Associated Preß  ".)' Die Nachrichten aus Havanna   bestätigen die hier gehegte Auffassung, daß die Streitigkeiten zwischen der Regierung in Havanna   und den Aufständischen nicht durch Vergleich zu schlichten sind und daß, selbst wenn den Beauftragten des Präsidenten Roosevelt   die Vereinbarung eines Ausgleichs gelingen sollte, dieser nur von vorübergehender Natur sein würde und die Krisis notwendig früher oder später zu einer amerikanischen   Intervention führen mutz, die daher jeden Augenblick eintreten kann. Es wird erklärt, im Falle einer Jnter- vention würden die Vereinigten Staaten   eine Politik der Kon- zentration befolgen, ohne die Greuel zuzulassen, voi» denen die ähn- liche Politik des Generals Weyler begleitet war. General Funston ist unterwegs von Washington   nach Havanna  ; die Arsenale treffen Vorbereitungen in Erwartung weiterer Befehle. Die gegenwärtige Lage auf Kuba   ist gleichbedeutend mit der Vernichtung der Tabak- ernte und ungemessenen Verlusten für die nächste Zuckerernte. New Uork, 22. September.  (Meldung desReuterschen Bureaus".) Nach den neuesten Nachrichten aus Havanna   haben Kriegssekrctär Taft und Unterstaatssekretär Bacon die Hoffnung aufgegeben, die Streitigkeiten zwischen der Regierung in Havanna  und den Aufständischen durch einen Vergleich schlichen zu können. Sie befürchten, daß die Entscheidung zugunsten einer Partei nur vorübergehend die Ruhe wiederherstellen würde, und bezeichnen die Besetzung Kubas   durch die Vereinigten Staaten als das einzige Mittel, um dem Bürgerkriege ein Ente zu bereiten. Es wird dabei nicht in Abrede gestellt, daß der amerikanischen   Intervention auch die amerikanische   Herrschaft folgen müßte. Havanna  , 22. September. Nach den gestrigen Unterhandlungen herrscht hier die Ueberzeugung, daß der amerikanische   Kriegsminister Taft die Angelegenheit ohne Jntcrventton der Vereinigten Staaten  nicht zur Lösung bringen werde. Die Lage zwischen Regierung und Rebellen«st viel gespannter als man vermutet. Hus Induftrie und Handel. Irreführung. DieArbeitsmarkt-Korr." schreibt:Eine kaum glaubliche Irreführung der öffentlichen Meinung wird in einer halb- amtlichen Korrespondenz über die Gestaltung des Fleischverbrauchs versucht; es wird behauptet und gar noch zu begründen versucht, daß der Fleischverbrauch Deutschlands   eine fast sprunghafte Ver- mehrung erfahren Hobe. Diese Behauptung schlägt aber den fest- gestellten Tatsachen direkt ins Gesicht. Die vom kaiserl. statistischen Amt vierteljährlich im.Reichsanzeiger" veröffentlichten Ergebnisse über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau im Deutschen Reiche ergaben seit der erstmaligeil Veröffentlichung im dritten Quartal 1904 fast von Quartal zu Quartal eine immer stärkere Abnahme des Fleischverbrauchs in Deutschland  . Berechnet man aus dieser Statistik wiederum aus Grund amtlicher Umrechnungssätze den Fleischverbrauch, so ergibt sich, daß der jährliche Fleischverbrauch ohne Berücksichtigung des Bevölkerungszulvachses in den letzten zwei Jahren um 8 Pfund pro Kopf zurückgegangen ist. Die Ab- nähme des Fleischverbrauchs hielt auch im dritten Quartal dieses Jahres noch an, wenngleich darüber dte ziffernmäßige Bestätigung noch aussteht." Streng genommen kann von einer Fälschung der öffentlichen Meinung nicht die Rede sein, denn man kann den Arbeitern, den Unterbeamten, den Handwerkern und kleinen Geschäftsleuten gar nicht einreden, daß sie heute mehr Fleisch konsumieren als vor 2 oder 3 Jahren. Nur einige wenige können sich den Luxus erlauben, trotz der riesig gestiegenen Preise dasselbe Quantum wie früher zu kaufen. Wir sehen in der halbamtlichen Mitteilung die Bor- ankündigung, daß seitens der Regierung trotz der sich zu einer wahren Kalamität ansgewachsenen Fleischtcuerung nichts zur Abhülfe getan wird. (Depeschen siehe S. Beilage, Seite 1.) l., Berlin   ZW. Hierzu 6 Beilagen.