SKah den Saal. In der vom Gouverneur von Teheran der- Icsenen Thronrede wurde ausgeführt, daß der Schah sich bereits achi Jahre mit dem Plan getragen habe, Persien eine Konstitution zu geben. Gegenwärtig halte er das Volk für reif für die Selbst- Verwaltung und er fei von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die Bevölkerung die ihr gewährte Freiheit nicht mißbrauchen und daß das Parlament die Regierung bei ihren auf den Fortschritt gerichteten Bestrebungen unterstützen werde. Die Thronrede wurde mit großem Beifall aufgenommen. Die ganze Bevölkerung ist freudig bewegt. Am Abend fand eine Illumination statt.— 6c werk fcbaf tUcbes* Zum Buchdruckcrtaris »ahm auch eine in Nürnberg abgehaltene von zirka 500 Personen aus den Druckorten Nürnberg , Ansbach , Fürth . Erlangen , Schwabach , Neumarkt usw. besuchte Versammlung Stellung. Nach langer leb- hafter Debatte wurde beschlossen, die Tarifabmachuugen anzu- erkennen, wenn auch die festgelegten Bestimmungen über Arbeits- zeitverkürzung und Lohnerhöhung nicht den Erwartungen entsprechend seien. * Auch in Mannheim nahm eine imposante Gehülfen- Versammlung Stellung zu dem neuen Tarif. Außer den Mann- heinier Buchdruckern nahmen an der Versammlung auch zahlreiche Verbandsmitglieder aus Weinheim , Schwetzingen , Heidelberg , Ludwigshafen , Speyer , Frankenthal , Neustadt, Pirmasens , Zwei- brücken usw. teil. Den Bericht erstattete das Tarifausschutzmitglied 5h n i e aus Stuttgart . In beinahe dreistündiger Rede gab der Referent ein Bild von den Verhandlungen des Tarifausschusses. Der Standpunkt der Gehülfenvertreter sei kein leichter gewesen, da sich auf der Prinzipalsseite eine starke Strömung zum Scharfmachertum geltend gemacht habe. Mit dem Erreichten waren die Anwesenden durchaus unzufrieden.— Mit eisiger Kälte nahm die überfüllte Versammlung den Bericht des Gc- hülfenvertreters entgegen, und in der anschliehenden Diskussion gingen Lebkuchen, Maier, Porzig und Rausch- Heidel- berg mit dem Produkt des Tarifausschusses bös ins Gericht, und nur dem Schluß der Debatte war eS zuzuschreiben, daß nicht noch eine ganze Anzahl Redner ihr stärkstes Mißfallen an dem Tarif aussprachen. Für die Annahme desselben plädierte außer dem Gehülfenvertreter Knie lediglich noch der Gauvorsitzende Fuß. Aber es halfen auch seine Ausführungen nichts. Die Versammlung nahm mit allen gegen ein paar wenige Stimmen eine von M a i e r eingebrachte Resolution an, die lautet: „Die heutige in der„Zentralhalle" tagende Buchdrucker- Versammlung erklärt die bei den Tarifverhandlungen erreichten Zugeständnisse als durchaus ungenügend und lehnt deshalb den Tarif a b." In Zwickau berichtete in einer Mitgliederversammlung der Vorsitzende, Genosse Krasser, über die Ergebnisse der Tarif- revision, soweit sie durch die TageSpresse infolge der Berichterstattung einzelner Gehülfenvertreter bekannt geworden sind. Bedauerlich sei nur, daß der„K o r r e s p on d e n t" die Gehülfenschast be- züglich der Berichterstattung über die Tarifrevision vollständig im Stiche gelassen habe.(Die Berichterstattung durch den„Korrespon- dent" ist inzwischen gestern erfolgt. R. d. „V.".) Diese Geheimniskrämerei lasse sehr tief blicken und beweise, daß das Er- gebnis der Tarifverhandlungen jedenfalls ein sehr unbefriedigendes sei, wie auch aus der Berichterstattung einzelner Gehülfenvertreter hervorgehe. Immerhin sei es notwendig, daß man die Sachlage kalten Blutes überschaue und abwartend ruhig und nüchtern die Verhältnisse beurteile. Die Debatte ergab, daß alle Redner den angeblichen Verbesserungen sehr mißtrauisch gegenüberstanden. Die Versammlung beschloß, den Vorsitzenden, Genossen Krasser, zur Mitgliederversammlung nach Leipzig zu delegieren und im Laufe dieser Woche eine weitere Versammlung behufs endgültiger Bericht- erstattung über die Tarifrevision einzuberufen. ». Zu dem gestrigen Bericht aus Potsdam erhalten wir fol- gende Erklärung: Neu-Babelsberg , 9. Oktober 1996. Zu dem in Nr. 239 des„Vorwärts" gebrachten Bericht über die am Sonntag statt- gefundene Versammlung der Ortsvereine Potsdam und Neu- Babelsberg des Verbandes der deutschen Buchdrucker gestatte ich mir, Ihnen folgende Erklärung mit der Bitte um Veröffentlichung zu übersenden: Die Annahme der von mir eingebrachten Resolution in Sachen des neuen Buchdrvckertarifs ist auf Grund einer irr- tümlichen Berichterstattung des Gehülfcnvcrtreters Kirschner erfolgt. K i r s ch n e r erklärte, daß an der zchnprozentigen Lohn- erhöhung alle hiesigen Gehülfen partizipieren, die jetzt einen Wochen- lohn bis zu 30,99 M. erhalten; das stimmt nach den im„Korr." abgedruckten Beschlüssen des Tarifausschusses nicht, sondern es er- halten danach nur diejenigen Gehülfen die Lohnerhöhung, die jetzt einen Lohn bis zu 27,79 M. beziehen. Wäre mir diese Tatsache bc- kannt gewesen, so hätte ich die Resolution nicht eingereicht, auch wäre diese bei Kenntnis des wirklichen Sachverhaltes, nach der Stimmung unter den hiesigen Gehülfen zu schließen, auf keinen Fall angenommen worden. Otto Hoffmann . Lerlin und Umgegend. Buchbinder. Bei der Firma T e m s l c y in Wien ist ein Streik ausgebrochen. Die Firma versucht, in Berlin Streikarbeit an- fertigen zu lassen. Die Kollegen werden ersucht, auf obige Firma zu achten und ist Arbeit derselben zurückzuweisen. « Die Ortsverwaltung. Die streikenden Ballschuhmacher hielten am Dienstagvormittag wieder eine vollzählig besuchte Versammlung ab. Wie Hamacher in dem von ihm erstatteten Situationsbericht ausführte, hat sich das allgemeine Bild des Streiks, der jetzt in die vierte Woche geht, wenig geändert. Seit acht Tagen haben keine Verhandlungen mit den Fabrikanten mehr stattgefunden. In dieser Zeit ist in der Fabrik von Philipp eine Einigung erfolgt und die Arbeit dort wieder auf- genommen worden. Es haben bis jetzt elf Fabrikanten, die 199 Ar- beiter beschäftigen, die Forderungen bewilligt, während sich 298 Arbeiter bei zwölf Fabrikanten im Streik befinden. Es andelt sich immer noch um die Bezahlung der Furnituren, er Platzmiete und des Aufschlages für kleine Kommissionen, was die Fabrikanten als unannehmbar bezeichnen. Sie be« haupten, sie könnten keine Lohnerhöhung eintreten lassen, weil sie die Preise mit ihren Abnehmern abgeschlossen haben. In bezug auf die Erhöhung der Lederpreise haben sich aber die Fabrikamen ihren Kunden gegenüber die Möglichkeit der Preiserhöhung offen behalten. Bei gutem Willen könnten die bescheidenen Forderungen der Arbeiter, die nur eine sehr geringe Erhöhung bedeuten, ohne weiteres bewilligt werden; aber an dem guten Willen sehlt es immer, wenn es gilt, Forderungen der Arbeiter zu bewilligen. Wenn die Ballschuhfabrikanten sich so energisch gegen die bescheidenen Forderungen der Arbeiter wehren und der Fabrikantenverband dabei hinter ihnen steht, so glauben die Unternehmer jedenfalls, sie könnten sich Ruhe für die gesamte Schuhindustrie sichern, wenn sie den Streik der Ballschuhmacher zum Scheitern bringen. Aber diese Hoffnung der Fabrikanten wird sich nicht erfüllen. Die Streikenden sind heute noch so einig wie am Anfang der Bewegung, und an der Einigkeit und der Solidarität der Arbeiter muß die Hartnäckigkeit der Fabrikanten zuschanden werden. Die Streikenden können ruhig warten, bis die Fabrikanten wieder mit Verhandlungen an sie herantreten. Die Ausführungen des Referenten fanden allseitigen Beifall und ungeteilte Zustimmung durch zahlreiche Diskussionsredner. Die Versammlung war darin vollkommen einig, daß die Streikenden aushalten werden, bis sie gesiegt haben. Die streikenden Zettelkleber versammelten sich Montagabend Sehdelstraße 39 und faßten den Beschluß, den Streik abzu- brechen. Einmütig standen die 78 Strcikcr bis zuletzt zusammen; sie verloren den Kampf nur dadurch, daß sich immer mehr Streit- brecher fanden, die im Laufe der Zeit angelernt wurden. Ein Ver- such, die Vcrmittelung der städtischen Behörden anzurufen, hatte nur einen negativen Erfolg. Auf Verhandlungen ließen sich die Unternehmer nicht ein, die zuletzt etwa 83 Mann(regelmäßig be- schäftigt wurden früher 92) zur Verfügung hatten und für die unvollkommen geleistete Arbeit großes Entgegenkommen bei ihren Kunden und bei den Behörden fanden. Die Streikenden werden jetzt versuchen, anderweitige Beschäftigung zu finden, was auch manchem schon gelungen ist. Achtung, Textilarbeiter! Schon seit zehn Wochen befinden sich die Teppichweber und alle Arbeiterinnen der Firma M. Protzen u. Sohn in Stralau im Streik. Die Situation ist für die Strei- kenden günstig. Trotz aller Anstrengungen der Firma, Streikbrecher heranzuziehen, ist ihr das bis jetzt nur in sehr beschränktem Matze gelungen. Die angeworbenen Elemente sind von minderwertiger Qualität und ist es deshalb zu verstehen, wenn die Firma fortgesetzt die verzweifeltsten Anstrengungen macht, unter den Streikenden selbst Verräter zu werben.— In diesem„löblichen Tun" wird die Firma von einzelnen Meistern kräftig unterstützt. Besonders tut sich nach dieser Richtung hin der„Meister" Wilhelm Hein, Berlin O. 17, Gotzlerstraße 19, hervor.— Während des Streiks wurde d«r Meister Hein um eine Lohnzulage von sechs Mark pro Woche vorstellig. Diese wurde ihm zuge- sichert, wenn es ihm gelingt, einzelne der ihm unterstellt gewesenen Arbeiterinnen zu veranlassen, die Arbeit wieder auf- zunehmen. Seit diesem Tage ist es um„Meister" Hein geschehen. „Halb zog es ihn, halb sank er hin und ward nicht mehr gesehn." Zunächst stellte der Mann an die Streikleitung das Ansinnen, ihm zu erlauben, einige„seiner Arbeiterinnen" mit in den Betrieb hineinzunehmen, damit er die ihm garantierte„Lohnerhöhung" er- halten könne. Als ihm das von der Streikleitung natürlich nicht gestattet wurde, erklärte er, nunmehr alles aufbieten zu wollen, um zum Ziele zu gelangen. Wenn er die Möglichkeit habe, seine Lage selbst auf solche Weise zu verbessern, so würde er das un- bedenklich tun.— Mit Hülfe von Versprechungen den Arbeiterinnen gegenüber ist es ihm denn auch gelungen, eine von den Streikenden zu veranlassen, abtrünnig zu werden.— An die Streikenden aber richten wir die Mahnung, sich durch dieses. Vorkommnis nicht irritieren zu lassen. Der Sieg steht in sicherer Aussicht, wenn sie noch einige Zeit in bisheriger Einigkeit im Aus- stände aushalten._ Die Streikleitung. DaS tue ich für Euch alle! Wir erhalten folgende Zuschrift: Wieder einmal versucht der deutschnationale Handlungsgehülfen- verband eine Täuschung der öffentlichen Meinung. Eine Zusammen- kunft von Mitgliedern seines Verbandes, die in der Provinz Brandenburg wohnen, nennt er„Brandenburger Handlungs- gehülfentag" und ladet hierzu allerlei Behörden und Vertretungen ein. Kein anderer kaufmännischer Verband hat mit dieser Ver- anstaltung etwas zu tun, und alle lehnen selbstverständlich die Teilnahme daran ab. Wenn die Deutschnationalen einen Bezirks- tag abhalten wollen, so mögen sie das unter ihrem Namen tun. Die anderen Handlungsgehülfen lehnen es ab, sich durch den deutsch - nationalen Verband vertreten zu lassen. Deutkcbes Reich. Der Flößerftreik von Nakel und Umgegend erfolgreich beendet! Nach anderthalbwöchigem Streik haben die Flößer von Rakel und Umgegend, nachdem ihnen die Arbeitgeber Verbesserungen im Arbeitsverhältnis gemäß der gestellten Forderungen zuerkannt haben, am 9. beziehungsweise 6. Oktober die Arbeit wieder aufgenommen. Während der anderthalb Wochen Streik haben die Unternehmer ver« geblich alles mögliche versucht. Uneinigkeit in die Reihen der streikenden Flößer zu bringen. Schon während der Verhandlungen, welche von den Ärheitgebern verschleppt wurden, versuchten die Arbeitgeber sowie ein Geistlicher namens R e n tz und der in Bromberg domizilierende, sich Arbeitersekretär nennende Agitator des Reichsverbandes die Flößer zum Austritt aus dem Hafenarbeiterverbande zu bewegen und sie zum Eintritt in einen während der Bewegung gegründeten „Christlichen Flötzerverband" zu veranlassen. Diese Versuche störten die Einigkeit der Flößer aber nicht. Als nun die Vran- herger-Schleppschiffahrt-Aktiengesellschaft als Arbeitgcberin sah, daß die Arbeit der ihr zu Hülfe geeilten Hülfstruppe doch nicht ftuchtbar sei, lud sie sich sieben Flößer ein, von denen aber nur vier erschienen, mit denen sie einen Vertrag abschloß, der für die übrigen 399 Flößer auch maßgebend sei sollte. Diesem An- sinnen traten die Flößer mit der einmütigen Arbeitsniederlegung, welche am 27. September erfolgte, ivie lvir bereits berichteten, ent- gegen. Seitens der Schleppschiffahrt wurden die Streikenden gleich nach Niedcrlegung der Arheit per Einschreibebrief aufgefordert, die Arbeit bis spätestens 2. Oktober auszunehmen, eventuell sie mit allem, was sie besitzen, für sämtliche Kosten und Schäden, die der Schleppschiffahrt und den Interessenten ent- stehen, unnachsichtig verantwortlich gemacht werden sollten. Der Aufforderung, welche ihren Zweck nicht erfüllte, folgte gleich eine von einem Rechtsanwalt, welcher als Vertreter der Schleppschiffahrt die Streikenden nochmals zur bedingungslosen Aufnahme der Arbeit aufforderte, widrigenfalls Klage erhoben werden sollte. Auch diese Aufforderung wirkte nicht so wie die Arbeitgeber es wohl erwartet haben. In einem, am 4. Oktober bei der Lohnkommission ein- gegangenen Briefe, welcher als'Antwort aus eine, in einer Streik- Versammlung gefaßten Resolution diente, teilten die Unternehmer mit, daß sie sich nur dann in Verhandlungen einlassen können, wenn die Arbeit wieder aufgenommen ist. Am 9. Oktober vormittags nahmen die Streikenden zu dem Schreiben Stellung und erklärten sich bereit, die Arbeit sofort aufnehmen zu wollen, wenn die Arbcitgeber-Lohnkommission mit der von ihnen gewählten Lohnkommission sofort die Verhandlungen aufnimmt. Weiter beschlossen sie, die Arbeit aber sofort wieder einstellen zu wollen, wenn bis zum 9. Oktober, vormittags, kein zufriedenstellender Vertrag abgeschlossen sein sollte. Die Schleppschiffahrt, welcher die Beschlüsse sofort mitgeteilt wurden, erklärte sich bereit, gemäß der« selben zu handeln, weshalb auch die Wiederaufnahme der Arbeit er- folgte. Am 9. Oktober, vormittags, fanden denn auch schon die Verhandlungen statt und gelangte der von den im Hafenarbeiter- verbände organisierten Flößern eingereichte Arbeitsvertrag nach geringer Abänderung zur Annahme. Die Verlegung der Grenze— Ablieferungsstelle—, worauf die Arbeitgeber pochten und die zum größten Teil auch das Hauptstreitobjekt war. kam nicht zustande. Die Christen, welche von den Arbeitgebern zu den Verhandlungen auch geladen und erschienen waren, saßen da wie die Lohgerber, welchen die Felle fortgeschwommen waren und sahen zu, wie die Arbeitgeber mit den von ihnen so gehaßten Hafen- arbeiterverbändlern einen Vertrag abschlössen, während sie nichts mit- reden konnten. Auf den Ersatz deö Schadens, der den Unternehmern durch den Streik erwachsen ist, und der nach ihren Angaben pro Tag weit über 1990 M. betragen soll, verzichteten sie. Der Streik der Bürstenmacher in Schönheide dauert unverändert fort. Nachdem einige 49 Maschinenmädchen abgereist sind, um in vogtländischen Wäschefabriken zu arbeiten, gibt es in Schönheide noch 989 Streikende. Im benachbarten Rotenkirchen sind gegen 99 Mann ausgesperrt worden. Die in Stützengrün angedrohte Aussperrung ist unterblieben. Ein Unternehmer hat versucht, aus Böhmen Arbeiter heranzulocken, doch sind bisher nur sechs Personen gekommen. Von den Streikenden sind nur zwei abtrünnig geworden. Ein anderer Unternehmer hat am' 1. Oktober den Arbeitern, welche in seinen Häusern wohnen, gekündigt, mit der Weisung, am 1. November auszuziehen. Als darauf kurz entschlossen mehrere Familien zum sofortigen Aus- zug rüsteten, erklärte der besorgt gewordene Unternehmer, der eine ganz andere Wirkung erwartet hatte, die Kündigung gelte erst für Neujahr, wenn bis dahin der Streik noch nicht zu Ende sei. Der Gemeindevorstand bemüht sich um die Einleitung von Verband- lungen. Die Gendarmen haben nachträglich mildere Saiten auf- ziehen müssen. Am Morgen des 29. Septeniber begannen sie damit, die Streikposten von der Straße weg zu verhasten und ruhig ihres Weges gehenden Streikenden das Betreten der Dorfstraßen vor den Fabriken zu verbieten. Die Streikleitung setzte sofort das Ministerium des Innern telegraphisch von dem un- gesetzlichen Vorgehen der Beamten in Kenntnis. Das hat gewirkt. Drei von den Verhafteten wurden auf dem Rathause wieder frei- gelassen. Drei andere wurden an das Amtsgericht in Eibenstock ein- geliefert. Der Transport dorthin erfolgte zu Fuß. Um einen Flucht- versuch zu verhindern, zwang der transportierende Gendarm die Arbeiter, die Hosen von den Trägern loszuknöpfen und mit der Hand zu halten. Der Amlsrichter, dem die Verhafteten vorgeführt wurden, erkannte sofort, daß kein Anlaß zur Festnahme vorgelegen hatte und entließ die Leute augenblicklich. Der Amtshauptmann Schwarzen- berg hat den Obergendarm, der die Verhaftungen an- geordnet hat, von Schönheide fortan ferngehalten und auch den Gendarm abberufen, der die Verhafteten in der ge- schilderten Weise zum Gericht transportiert hat. Offen eingestehen kann freilich keine sächsische Behörde, daß ihre Organe unrecht ge- handelt haben. Das Ministerium hat dem Amtshauptmann Schwarzenberg aufgetragen, auf die telegraphische Beschwerde Be- scheid zu erteilen. Das ist in einem Schreiben geschehen, das eine unglaubliche Verhunzung der deutschen Sprache darstellt. Es wird darin einleitend bemerkt, das Verhalten der Streikenden habe Sicherheitsanordnungen erforderlich gemacht. Statt der vor- gekommenen sechs Arretierungen will die Amtshauptmannschaft nur von drei Fällen wissen. Dann sagt sie dem Streikleiter: „Inwiefern Sie zur Vertretung der von der Arretur be- troffenen Posten berechtigt sind, ist nicht ersichtlich, ebenso wie man nach dem oben Dargelegten von einem grundlosen Einschreiten der Polizeiorgane, bei der Dreizahl der Arretierten von einem Verhaften in Massen und bei den nachgewiesenen Uebergriffen der Streikposten von friedlichen Streikposten nicht mit Recht reden kann. Immerhin hat die königliche Amtshauptmannschaft das von Ihnen angezeigte, auf der Wahrheit entsprechende Verhältnisse zurückgeführt, insofern als nicht unbeachtlich anzusehen gehabt, als die drei arretierten Streikposten nicht nachweislich zur Zeit ihrer Arretur belästigend aufgetreten sind, ivie sie denn auch im Mangel eines Haftgrundes alsbald wiederum ent- lassen worden sind." Gegen die schuldigen Beamten will die Amtshauptmannschaft nichts unternehmen, aber sie teilt mit, sie habe durch wiederholte Instruktion der Gendarmerie Remedur geschaffen. Das Verbot des Streikpostenstehens wird aufrechterhalten; aber es ist tatsächlich außer Kraft gesetzt worden, weil die Streikposten unbehelligt bleiben. In der fächsischen Unternehmcrpresse werden die Fabrikanten scharf gemacht. Es wird darauf hingewiesen, daß ein solcher Streik im oberen Erzgebirge eine neue Erfcheinung sei. Der Streik müsse niedergeworfen werden, denn bei einem der Arbeiterschaft günstigen Ausgange würden in dem bisher von Lohnkämpsen noch nicht heimgesuchten Erzgebirge auch die Arbeiter anderer Industriezweige den Versuch machen, gegen die Unternehmer vorzugehen. Die im Streike stehende Arbeiterschaft ist jetzt nach sechswöchentlicher Dauer des Kampfes nicht weniger fest entschlossen als am ersten Streiktage, bis zum Siege auszu- harren. Der Maurerstreik in Bayreuth , der schon wiederholt von der bürgerlichen Presse als beendet gemeldet wurde, ist jetzt nach fast fünfmonatiger Dauer abgebrochen worden. Auch in diesem Kampfe hat sich alles mit dem Unternehmertum gegen die Arbeiter ver- bündet, mit schwarzen Listen, Verrufserklärungcn usw. wurde fleißig gearbeitet, ohne daß ein Staatsanwalt dagegen einschritt, während gegen die Arbeiter Polizei und Gerichte ihr möglichstes taten. Die nächsten Monate werden dazu verwendet, um die Organisation noch besser auszubauen und dann den Kampf von neuem zu beginnen. ZZusland. Neuer Bergarbeiterstreik. Mährisch-Ostrau , 9. Oktober. Nächsten Sonntag finden hier große Bergarbeiterversammlungcn statt, in denen der allgemeine Streik beschlossen werden soll, falls bis dahin die Bergwerksbesitzer die Forderungen der Arbeiter nicht völlig erfüllt haben. Um die Sonntagsruhe. 3999 Pariser Postbedicnstete hielten ein Meeting ab und beschlossen, das Parlament aufzufordern, das Gesetz über den wöchentlichen Ruhetag dahin abzuändern, daß seine Wohltat auch ihnen zuteil werde. Die Schriftseber von Lille sind infolge Nichtbcwilligung der geforderten Lohnerhöhung um 19 Proz. in den Ausstand getreten. Die H»fenarbeiter von La Rochelle sind in einen Streik ein- getreten._ Amerikanische Freiheit. In B u r k i n g h a m in Kanada traten die Arbeiter der Säge- wühlen in den Ausstand. Da die Ausständigen den Betrieb der Mühlen durch Streikbrecher unmöglich zu machen suchten, schritt die amerikanische Polizei ein, die als lakaiische Beschützerin des Kapitals womöglich noch berüchtigter ist, als die europäische. Die Polizisten schössen auf die Streikenden, von denen drei getötet und elf verwundet wurden. Außerdem ist ein Sonderzug mit Miliz nach dem„Kriegsschauplatz" abgegangen, der auch ein Maschinen- gewehr in das Streikgebiet führte. Letzte JVacbncbtcn und Dcpefcbca Selbst den Pole» zuviel. Frankfurt a. M., 9. Oktober. (B. H. ) Wie aus der Pfalz ge- meldet wird, inszenierten am Sonnabend auf dem Hofgut Scharrau bei Roxheim wegen schlechter Behandlung etwa 39 polnische Ar- beiter und Arbeiterinnen eine Revolte. Der Verwalter flüchtete, sonst wäre er erschlagen worden. Zwei Rädelsführer wurden ver- haftet. Als die übrigen ihren Landsleuten folgten und die Gendarmen bedrohten, wurde noch eine Anzahl weiterer Exzedenten in Haft genommen. Ausstand in Sicht. Ofsenbach, 9. Ottober.(B. H. ) In der gestern im„Saalbau" stattgehabten großen Metallarbeiterversammlung berichtete die Siebenerkommission über ihre mit den Fabrikanten gepflogenen Verhandlungen, wonach diese nur einen Teil der' aufgestellten Forderungen bewilligen wollen, und zwar 19 Proz. für Ueber- stunden; die übrigen Forderungen sind abgelehnt worden. Die Versammlung beschloß einstimmig, von den vorgeschlagenen Be- dingungen nicht abzugehen und, falls ein Nachgeben der Fabri- kanten nicht erzielt wird, die Schleifer am Mittwoch und die übrigen 2999 Arbeiter am Freitag in den Ausstand zu treten haben._ Französischer Dockarbeiterstreik. Paris , 9. Oktober. (B. H. ) In La Nochelle sind gestern die Dockarbeiter in den Ausstand getreten. Lerantw. Redakteur: Hans Weber. Berlin . Inseratenteil verantw.: Th. Glocke. Berlin . Druck u. Verlag: BorwärttBuchdr. u. Verlagsanstatt Maul Singer LiCo.. Berlin S W, Hierzu 3 Beilagen u. UnterbaltungStlatt
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