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Nachmittags-Sitzung. Während die Delegierten zur Nachmittags-Sitzung zusammen- kommen, verbreitet sich eine unglaublich erscheinende Nachricht: Die Reformisten haben i» ihrer ScktionS-Sihmlg beschlossen, für die integralistische TagrSordmmg zu stimmen. Die Syndikalisten nehmen die Nachricht mit Jubel auf; cS ist das eine Silualion, die sie gewollt haben. Einige Reformisten drücken ihren Ekel vor der Unwahrheit dieses Manövers aus. Viele Jntegralisten, unter ihnen Fern, sind sichtlich ausser sich. Gleichzeitig macht sich deutlich das Streben der Mehrheit geltend, niemand mehr zu Wort kominen zu lassen. Giovanni Lerda, Mitglied des Parteivorstandes, hat eine Tagesordnung eingereicht und sich vom ersten Tage an zum Worte gemeldet. Trotzdem be- schliesst der Kongress, die Redezeit auf fünf Minuten zu beichränken. Als Lerda die Tribüne betritt, wird ihm gesagt, dass er nur fünf Minuten Redezeit hat. Die Linke lärmt, die Rechte unterbricht. Redner versucht, den Lärm zu übertönen: Ihr habt den Parteitag einberufen, um über das Verhalten der Parla- ments- Fraktion zu entscheiden. Statt dessen hat man in stundenlangen Reden von allem möglichen gesprochen, um heute jede Diskussion abzuwürgen. Dazu ist es unnötig, tausende und abertausende auszugeben, um einen Kongress abzuhalten,' auf dem nicht ein einziger Arbeiter zu Wort kommt.(Beifall. F e r r i unterbricht: Bist D u vielleicht ein Arbeiter?) Redner, beständig von der Glocke des Präsidenten unterbrochen, fährt fort: Ich kann die Tagesordnung der Jntegralisten nicht annehmen, weil sie jeder Trans- aktion Tür und Tor öffnet. Wenn Ihr den Ministerialismus wollt, so müsst Ihr seine logischen Folgen, müsst Ihr ihn ganz wollen. Ihr müsst bereit sein, an der Regierung teilzunehmen, M i n i st e r- sitze anzunehmen, wie es Bissolati gefordert hat. Niemand, der mich kennt, kann annehmen, dass ich eine Resolution vorlege, uin mich in den Vordergrund zu drängen. Ich kann mich den Inte- gralisten nicht anschliessen, sondern stimme für meine Resolution, und wenn ich allein bleiben sollte I _ Lerda, im Begriff, seine Tagesordnung zu verlesen, wird vom Präsidenten aufgefordert., die Tribüne zu verlassen, und tut das, ohne seine Resolution begründen zu können. Die Resolution liegt im Druck vor und hat folgenden Wortlaut: Der Parteitag, trotzdem er einräumt, dass die Form, in der die Abschaffung jeder Klassenherrschaft erfolgen tvird, bei dem jetzigen Stande der Erkenntnis nicht mit wissenschaftlicher Methode und Genauigkeit festzustellen ist, betont noch einmal seinen Glauben an die Vergesellschaftung der Produktionsmittel als eine der Formen vielleicht die am meisten zu verallgemeinernde die die künftige Gesellschaft unter dem Widerstreit der Kräfte und Be- dürfnisse annehmen wird; er betont ferner von neuem sein volles und unbegrenztes Ver- trauen in das Prinzip des Klassenkampfes als sicheren und logischen Grund und praktischen Führer in der langsamen Er- oberung, die das Proletariat zu vollziehen hat, im Interesse der ganzen Gesellschaft und der Kultur der Menschheit; er erachtet als notwendig und den sozialistischen   Grundsätzen des Kampfes entsprechend: die Eroberung der politischen Macht, den gewerkschaftlichen Kampf, die Arbeits- und Konsum- aenossenschaften und alle jene Aeusserungen proletarischer Kraft, die geeignet sind, die materielle Macht der Arbeiterklasse zu stärken, ihren Glauben in die sozialistischen   Ideale zu ver- mehren und zu erhalten und sie mit jenen physischen, intellektuellen und moralischen Eigenschaften auszustatten, durch die allein der lange und schwere Kampf siegreich zu Ende geführt und die neue Kulturforni, die die sozialistische Partei anstrebt, verwirklicht werden kann. Der Parteitag erachtet als den vorerwähnten Zwecken nicht entsprechend besonders bei der heutigen Rück- stündigkeit des Proletariats und des Unbewusstseins, in der es den grossen Gesetzen der Geschichte gegenübersteht jede Aktion der Partei, die dahin strebt, an Stelle der sozialistischen   Erziehung der Massen die blosse Vertretung ihrer Interessen zu setzen, um so mehr, wenn diese Vertretung sich durch Mittel vollzieht, die geeignet find, dem Proletariat Misstrauen in seine eigene Kraft einzuflössen und eine irrige Ausfassung der Kräfte und Interessen zu bezeugen, die der Abschaffung des kapitalistischen   Regiments entgegenstehen. Der Kongress erklärt schliesslich, die.auf dem Parteitag von Bologna   angenommene Resolution ausrecht zu erhalten, nach der die Parlamentsfraktion nie und unter keinen Umständen und sei es nur vorübergehend bürgerlichen Ministerien ein Ver- trauensvotum gewähren kann." Als nächster spricht Podrecca, Herausgeber des antiklerikalen WitzblattesAsino". Redner spricht des längeren von der materia- listischen Weltauffassung und von der Nichtexistenz Gottes I Antimonarchische Propaganda wäre nicht wünschenswert, solange die Lage des Proletariats es im heutigen Zustande der Unwissenheit :rhält. Da der Redner sehr abschweist, lärmen die Syndikalisten und zwingen ihn schliesslich, seine Rede abzubrechen. Dann spricht M o r g a r i. Man erwartet von ihm eine Er- klärung über den Beschluss der Reformisten. Er polemisiert aber nur mit Labriola   und ist schwer verständlich, da er vielfach unter- krochen wird. Pramkolini, Reformist aus Reggio   Emilie, wird von gewaltigem Beifall begrüßt. Er erklärt im Namen der Reformisten, dass diese mit dem Wesen der Tagesordnung der Jntegralisten ein- verstanden seien und daher für sie stimmen werden. Wir machen keinen Anspruch auf Vertretung unserer Freunde in den Parteistellen sVorstond undAvanti"), sondern freuen uns, dass der Jntegralismus sein Ziel erreicht hat: die Partei zu ihrer Einheit zurückzuführen. (Beifall.) Marangoni, im Namen der Syndikalisten, bittet alle, die dieser Fraktion auch sympathisch gegenüberstehen, ohne ihre Ansichten ganz zu teilen, gegen die syndikalistische Tagesordnung zu stimmen. Ferri, sichtlich erregt, beklagt die Unklarheit und Falschheit der Situation: Gestern hatten die Reformisten nicht Worte genug, um den JntegraliSmuS zu verhöhnen, heute stimmen sie für seine Tagesordnung. Die Folgen Eurer heutigen Tat werdet Ihr selbst zu tragen haben. Galli Romeo, einer der Unterzeichner der integralistischen Tagesordnung, erklärt, nach dem Beitritt der Reformisten könne er nicht mehr für sie stimmen.(Beifall, Lärm.) Endlich beginnt die namentliche Abstimmung miter größter Er- regung der Versammlung. Zerboglioö und B i s s o l a t i s Votum für den Jntegralismus werden verhöhnt. G r a z i a d e i, T a s ca, Cassola, alle drei Reformisten, enthalten sich der Ab- stumnung und werden applaudiert. Podrecca, der Ultrarefornrist, wird bei seinem integralistischen Votum ausaepfifsen. Das Resultat ist bereits telegraphisch üoerinittelt worden und sei hier wiederholt: Jntegralistische Tagesordnung.. 26 947 Syndikalistische.. 5 278 Resolution Lesba  ... 1 101 Stimmenthaltungen.. 757 Die Mehrheit verläßt den Saal vor der Proklamierung des Resultats l Der französische   Gewerkschaftskongreß. Erster Tag. Abend-Sitzung. Amiens  , S. Oktober.(Eig. Ber.) Die Verhandlung am Nachmittag gestaltete sich ungemein knteressant. Die Unzufriedenheit mit der heute in der Konföderation herrschenden Richtung und die Meinung, dass die Gewerkschaften ge- werlschastliche Jntereffen zu vertreten und nicht antiparlamentarische Weltpolitik zu treiben haben, trat mtt wachsender Klarheit zutage und aus einmal war man in einer Debatte über proletarischen Internationalismus, in der den syndikalistischen Führern mit guten Argumenten zugesetzt wurde. Die Abstimmung am Schlüsse flel wie zu erwarten war, zu ihren Gunsten aus. Wer sie sind zu kluge Leute, um nicht zu spüren, dass in den Gewerkschaften heute doch ein anderer Wind weht, als noch vor zwei Jahren. Die Sitzung beginnt mit der Weiterberatung und Beschluß- fassung über die Erklärimg gegen denReveil du Nord". Der An- trag wird in einer präzisen, sachlichen Formulierung angenommen. Eine ähnliche Erklärung gegen das genannte Blatt hat gestern der Einigungskongres; der Bergarbeiter beschlossen. Die Taktik des Reveil du Nord" findet keine Verteidiger. Der Kongress geht zur Diskussion der Konföderationsberichte über. Die Mechaniker haben einen gedruckten Protest gegen die An- griffe eingereicht, die der Föderationssekretär G r i f f u e l h e s in seinem Bericht gegen sie gerichtet hat. Die Mechaniker hatten nämlich die Eroberung des Achtstundentages für vorläufig unmöglich erklärt und ihren Kampf nur für den Zehnstundentag und für dieenglische" Woche(freien Sonnabendnachmittag) unter- nommen. Griffuelhes sucht seine Darstellung zu rechtfertigen, findet aber in C o u p a t einen energischen Gegner. Coupat erklärt, daß seine Gewerkschaft erwarten dürste, wenn sie ihre Krast auf ein erreichbares Ziel konzentrierte, zu siegen. Ohne die Infamie des Scharfmachers Marquis von D i o n, der die Unternehmer der Automobilindustrie gegen die Arbeiter hetzte, wäre die englische Woche erobert worden. Coupat beantragt schliesslich, dass die auf einzelne Geiverkschaflen bezüglichen Berichte künftig vor dem Kongress diesen vorgelegt werden sollen. Die Stimmung der Versammlung ist dem Antrag entschieden günstig und GriffuelheS   akzeptiert ihn. Nun legt K e ü f e r die Gründe dar. warum die Buchdrucker nicht für den Achtstundentag, sondern für den Neun stundentag ein- getreten sind. Eine von der Föderation du Livre vorgelegte Auf- stellung teilt über die Erfolge der Bewegung interessante Daten mit. 126 Sektionen haben ihre Forderungen ohne Streik, 44 im Streik durchgesetzt. 11 Sektionen eroberten eine Arbeitszeit von S'/.z Stunden, 7 hatten gar keinen Erfolg und 12 haben überhaupt nichts unter- nommen. Keüfer erklärt, seine Gewerkschaft habe sich von der Acht- stundenbcwegnng abgelöst, weil sie es für besser gehalten hätte, etwas praktisch Mögliches anzustreben. Das aber sei der Achtstundentag vorläufig noch nicht. Der Redner geht dann zu dem Abschnitt des Berichts über, der von dem Austritt aus dem internationalen Bureau handelt. Keüfer gehört der älteren Schule der französischen   Arbeiter- Politik an. Er steht noch unter dem Einfluß des Comteschen Posi- tivismus. Nach seinen sozialpolitischen Anschauungen ist er ein Ber- treter der neutralen Gewerkschaften. Ilm   so bemerkenswerter ist die kritische Haltung, die dieser verdienstvolle Organisator der fran- zösischen Buchdrucker in der Frage der internationalen Verbindung einnimmt. Er findet, dass die mitgeteilte Korrespondenz mit Legten den Austritt nicht rechtfertigt: PongetS Gründe sind nicht stichhaltig. Auf den internationalen Konferenzen ist immer etwas zu lernen, viele Fragen sind nur international zu lösen. Da» inter  - nationale Sekretariat ist die Seele der internationalen Arbeiterbewegung. Der Redner beantragt, die abgebrochenen Bezieh rin gen wieder anzuknüpfen. Bousquet(Nahrungsmittelgewerbe) verteidigt die Haltung des Konföderationsvorstandes. Der Redner, der seit einigen Jahren ein eifriger Antiparlamentaricr geworden ist, meint: Welches sind die Mittel der sozialen Revolution, wenn nicht der Antimilitarismus und der Generalstreik? Griffuelhes ist mit einer betrübenden Ant- wort aus Berlin   zurückgekehrt. I» den deutschen   Gewerkschaften und im besonderen bei Legten ist eine eigentümliche Geistes- r i ch t u n g wahrzunehmen. Man hat in Mannheim   die Ge- werkschaften sich unter die Vormundschaft der politischen Partei begeben sehen. Legien ist nicht nur Gewerkschaftler, sondern auch Abgeordneter und Politiker imd hat als solcher Wahlinteressen. Als der Redner geschlossen hat, ruft ein Delegierter: Und das alles ist keine Politik? Pouget  , der begabteste unter den syndikalisttschen Führern, kommt seinem Genossen zuhülfe, bringt aber zumeist nur Dinge vor, die schon im Bericht stehen. Legien habe in Amsterdam   eine Reso- lutionvon zügellosem Autoritarismus' annehmen lassen, die dahin gehe, daß aus den künftigen Konferenzen nur administrative An- gelegenheiten, nicht allgemeine Ideen verhandelt werden sollen. Auch er spricht von einermentslitö speciale" einer eigenartigen geistigen Verfassung der deutschen   Gewerkschaftler. Nach der An- nähme der Resolution sein ein Ideenaustausch nicht mehr möglich, die weitere Teilnahme an den internationalen Konserenzen zwecklos. Coupat tritt Pouget   entgegen: Werdet Ihr durch Abstinenz Euren Ideen zum Siege verHelsen? Die persönlichen Beziehungen der Gewerkschaftsleiter sind sehr wichtig. Die internationalen Be- ziehungen sind auch von unmittelbarer praktischer Wichtigkeit, z. B. bei der Abtürzmig der Arbeitszeit. In Frankreich   müssen wir mit den Belgiern rechnen, die herüberkommen. Es sind übrigens nicht nur die Deutschen  , die die Auftiahme der Punkte: Antimilitarismus, Generalstreik und Achtstundentag in die Tagesordnung abgelehnt haben, sondern auch die Engländer, die Dänen n. a. Wenn man wirklichen Internationalismus sehen will, lese man den Bericht der Typographen über die Unterstützung, die sie aus dem Auslande er- halten haben. Wenn Euere Ideen gut sind, werdet Ihr sie durch- setzen. Stellt aber das französische   Proletariat nicht ausserhalb der Proletarierinternationalel(Starker Beifall bei einem grossen Teil der Versammlung.) Niel vermißt die Mitteilung des zu spät angekommenen Briefes, worin Legien die Entscheidung der Sektionen bekannt- gegeben hat. Legien habe keineswegs selbst entschieden, sondern bei den Sektionen angefragt. Griffuelhes   erklärt, die kurzen Konferenzen seien die langen Reisen nicht wert. Die statistischen Arbeiten und Dar- stelluilgen interessieren die französischen   Gewerkschaften nicht. Auf 50 ausgeschickte Fragebogen sind 7 Antworten gekommen. Der Redner beklagt stch über die Rücksichtslosigkeit der Engländer, die in Dublin   die Vertreter der anderen Nationen nicht zu Wort kommen ließen. Auch von seinem Berliner   Aufenthalt hat er traurige Er- innerungen heimgebracht. Nachdem die Verhandlung mit Singer erfolglos geendet' hätte, habe sich niemand um ihn gekümmert und er sei da er des Deutschen   nicht mächtig sei zwei Tage lang in der fremden Stadt Hülflos umhergeirrt, von trockenem Brot lebend, wofür er sich allerdings später durch ein gutes Diner in Frankreich   entschädigt habe I Glücklicherweise hat sich schliesslich ein den Anarcho-Sozia'listen nahestehender Mann seiner angenommen, als er in Berlin   fremd hernmlpazierte. Die Reden Keufers und Coupats haben sichtlich Eindruck auf die Versammlung gemacht. Die Syndikalisten fühlen die Gefährlichkeit der Situation und beeilen sich, einen Gegenzug auszuführen. Der Antrag Keufcr- Coupats besagt: Das Komitee der Arbeits- konföderation wird aufgefordert, die Verbindung mit dem inter  - nationalen Sekretariat wieder aufzunehmen. D e l a s s a l e und Ge« nassen nehmen in ihrem Gegenantrag die Aufforderung ans, setzen aber hinzu, daß der französische   Sekretär von neuen, die Be- ratung der zurückgeiviesenen Punkte verlangen solle. Pouget erfaßt schnell die Gelegenheit, die Konföderation noch einmal' auf die syndikalistische Taktik öffentlich festzulegen und fügt das von Delassale angenommene Amen- dement hinzu: Im Falle neuerlicher Ablehnung geht das Komitee der Konföderation über daS internationale Sekretariat zur Tagesordnung über und sucht direkten Anschluß an die konföderiertenNationen. Man sieht, aus der Schamade ist eine Fanfare geworden. Die Solidarität mit der iuternattonalen Gewerftchast wird ersetzt durch den Kampf gegen sie, der sozialistischen   Arbeiter-Internationale tritt die syndikalistische Jnternattonale feindlich entgegen. Es entspinnt sich zunächst ein Streit über die Priorität der Anträge. Die Syndikalisten verlangen sie flir den ihrigen, weil sie daraus rechnen, dass manche, die für den Antrag Keufer-Coupat stimmen würden, nicht gegen den Antrag Delassale-Pouget werden stimmen wollen. Diesem wird die Priorität zugebilligt. Der AntragDelassale-Pouget wird angenommen. Von etwa 300 Delegierten stimmen etwa 180 dafür. 120 dagegen. Die Syndikalisten begrüßen die Berkündung des Resultats mit leb­haftem Beifall Und erklärte Anarchisten zeigen'hre Genugtuung über das Funktionieren der sonst so verachteten Wstimmungs- Maschine. Nach der Sitzung trat noch die zum Ausgleich des Lyone, Zwistes eingesetzte Kommission zusammen. Ihre Versuche blieben infolge der Unnachgiebigkeit der syndikalistischen Union   erfolglos. Die in der munizipalen Arbeitsbörse vereinigten 60 Gewerkschaften bleiben somit aus der Konföderation ausgeschlossen und die sozialistische Opposition auf dem Kongress ist um einige Stimmen schwächer. Bezeichnend für die Anschauungen,_ die in manchen anarchistischen Kreisen herrschen, ist eine Episode vom Vormittag,' die hier noch nachgetragen werden mag. Aus der unabhängigen ArbeitSbörse von Lyon   spielt ein ge- wisscr Delmorös eine Hauptrolle, ein Mensch, der etliche gemeine Verbrechen begangen hat und schon von allen Parteien hinaus- geworfen worden ist. Auf den Borwurf der Sozialisten, daß sich die Unabhängigen mit einem solchen Individuum einließen, erwiderte ein Anarchist, gerade die Tatsache, daß Delmorös Verbrechen be- gangen babe, beweise seinen höherenGeist(mentalltö superieure), seine Sieoolte gegen die bestehende Gesellschaft. Und diese Bemerkung fand Beifall! Zweiter Tag. Vormittagssitzung. Amiens  , 10. Oktober. Am Beginn der heutigen Sitzung teilte der Delegierte der Marinearbeiter von Brest   mit, daß ihm der Hafenpräfckt Admiral P e p h u a n den Urlaub zum Besuch des Kongresses verweigert habe. Der Kongress beschloß einen Protest. Die Debatte über die Berichte wurde fortgesetzt. Gegen die Redaktion derVoix du Peuple" wurden von verschiedenen Seiten Beschwerden erhoben. Einige Delegierte fanden das Blatt zu matt, andere zu parteiisch. Autourville(Zuckerbäcker) wirft den Sekretären autoritäres Verhalten vor: Pouget   veröffentlicht im Konföderationsorgan Tendenzartikel und unterdrückt Artikel, die ihm von den Organisationen eingesendet werden. Er verlangt, dass dieVoix du Peuple" künstig mehr gewerkschaftlichen Inter- essen als persönlicher Politik diene. G u e r a r d(Eisenbahner) kritisiert die gegenwärtige Taktik der Konföderation: Was man in Bourgcs beschlossen hat:"die Einstellung der Arbeit nach 8 Stunden, hat man selbst fallen lassen. Ich klage nicht an, ich konstatiere nur. Es war in der Tat unmöglich, einen solchen Beschluß all- gemein durchzuführen. Hätten etwa Lokomotivführer und Schaffner die Züge auf der Strecke stehen lassen sollen? Die Kongresse sollen keine Konzile sein, die unbedingt bindende Gebote aufstellen, sondern sollen nur der Arbeiterbewegung Richtung geben, Informationen und Anregungen vermitteln. Der Redner verteidigt das Prinzip der Proportionalvcrtretung auf den Kongreffen, das in Bourges  verworfen wurde. Was das. Vcrbandsorgan anlangt, so hält er es für notwendig, daß künftig Artikel, die die Föderattonen be- treffen, nur dann veröffentlicht werden sollen, wenn sie das Föderationssiegel tragen. Unter denen, die dieVoix du Peuple" zugleich für absolutistisch und schwächlich erklären, befindet sich der AntiMilitarist Bousquet. Auch er will, dass das Blatt nicht einzelnen Personen diene. Clevy(Textilarbeiter) verlangt einen Tadel für die Redak- tion, weil sie statt organisatorischer desorganisatiorische Arbeit geleistet habe. Griffuelhes kommt in seinem Schlusswort auf die Aic griffe zu sprechen, die wegen seiner Mitarbeit an derHumanitö gegen ihn erhoben worden find und erklärt unter grossem Beifall, er lasse sich die Freiheit, zu arbeiten, was er wolle und wo er wolle, nicht nehmen. Dass der Kongressbeschluh von Bourges  über die Durchsetzung des Achtstundentages nicht rigoros angewendet werden konnte, hat das Konföderationskomitee selbst anerkannt. Der Kongress hat der Arbeiterklasse ein Ziel weisen wollen. Wir haben diese Auffassung konsequent festgehalten.(Trotzdem hat das Komitee in seinem Bericht und im Verbandsorgan Gewerkschaften, wie die Buchdrucker und Mechaniker, ihrer nicht rigorosen Inter- prötation wegen heftig kritisiert. Anm. d. Berichterstatters.) Mit den Resultaten unserer Agitation können wir zufrieden sein. Nie hat man in der Arbeiterschaft eine solche Bewegung gesehen. Wir haben einen grossen moralischen Erfolg davongetragen.(Starker Beifall.) Die in der Sitzung vom 9. angenommene Tagesordnung Delessalle- Pouget über die internationalen Beziehungen der Arbeitskonföderation hat folgenden Wortlaut: Nachdem der Kongress die Kritiken und Antworten über den auf die internationalen Beziehungen bezüglichen Teil des Berichts gehört hat, billigt er die Haltung des Konföderations- Vorstandes, der die Beziehungen mit dem internationalen Sekretariat zeitweilig suspendiert hat, da dieses es abgelehnt hatte, die Fragen des Generalstreiks, des Achtstunden- tags und des Antimilitarismus auf die Tagesordnung zu stellen. Er fordert das Komitee auf, die Beziehungen mit dem internationalen Kongress wieder aufzunehmen mit dem neuerlichen Verlangen, dass die vordem zurück» gewiesenen F r a g e n aus die Tatzesordnung gesetzt werden. Zusatz Pouget  : Im Fall, dass das internationale Sekretariat dies ablehnen und sich hinter den in Amsterdam   angenom- menen Antrag verschanzen sollte, ohne seine Aufhebung auf der nächsten Konferenz fordern zu wollen, wird das Konföderationskomitee aufgefordert, mit den angegliederten nationalen Zentren(?) in direkte Beziehungen zu treten und über das internationale Sekretariat hinwegzugehen." Die Gewerkschaftspresse zum Parteitag. Unter den Stimmen, die wir in dieser Uebersicht auf- zuführen haben, sind manche, die unseren Widerspruch in mehr als einer Hinsicht herausfordern. Wir begnügen uns jedoch hier mit dieser Bemerkung und behalten uns vor, nötigen- falls im Zusammenhange auf die Sache zurückzukommen. TerSeemann": Mit sehr gemischten Gefühlen sahen wir ocn Vcrhanolungen des sozialdemokratischen Parteitages, der vom 23. 29. September in Mannheim   stattgefunden, entgegen. Mit gemischten Gefühlen deshalb, weil Fragen dort zur Beratung und Entscheidung standen, die tief in unser Gewcrtjchaftsleben einschneiden. Fragen rein takti- scher Natur, die seit geraumer Zeit Gegenstand einer zwar sehr heftigen, wenn auch weniger cinwandsfreien und sachlichen Erörtc- cung auf der Gegenseite gewesen waren. Fragen, die einer gewissen Gruppe von sonst unverantwortlichen zumeist ausserhalb der Gewerk- schaftsbcwegung stehenden Leuten zu unglaublichen, unlogischen, durch nichts begründeten, also unberechtigten Angriffen und Anwürfen gegen die Gewerkschaftsbewegung und speziell gegen ihre bewaa>-»--' Leiter Veranlassung gaben. Nicht nur zu Angriffen und Anwürfen gegen die Gewerkschaften und ihre Leiter, sondern selbst man sollte es kaum für möglich halten zu Geringschätzungen der Ge- Wir sind glücklich, konstatieren zu können, dass sich unsere Er- Wartungen nicht erfüllt haben. Die deutsche Sozialdemokratie hat durch ihre höchste Instanz die Schreier energisch zur Ordnung ge- rufen, sie hat bekundet, dass nicht nur die heftigen Angriffe gegen den Kölner GewerkschaftSkongretz bezüglich de» Generalstreiks, sondern auch gegen die Gewerkschaften bezüglich ihrer taktischen Haltung überhaupt vollkommen unbegründet waren. Sie hat nicht zuletzt auch die Legende von derfrucht- und nutzlosen Arbeit" der Gewerk- schaften rücksichtslos zerstört. Wir stehen ja nicht auf dem Stand- punkt, dass sich bei uns in Deutschland   die politischen und ökono- mischen Verhältnisse und aus diesen heraus das Verhältnis zwischen besitzende und besitzlose Klasse in kürzester Zeit so zuspitzen wird, dass ein gewaltsamer Zusammenstoss unvermeidlich ist. Wir stehen viel- mehr auf dem Standpunkt, dass die besitzenden Klassen' ernstlich und zwar in ihrem eigenen Interesse den Versuch machen werden, sich