90000 Mitgliedern und die Partei hat 8000 zahlende Mitglieder und 100 000 Wähler. Wollte man anderswo zuiammenwirken, um wieviel niehr könnte man erreichen? Wir treiben in den Gewerkschaften keine Politik, wir haben bielmehr die Arbeitsteilimg durchgeführt. Anders Sie. Wenn Sie den Antiparlamentarisinns propagieren, verletzen Sie nicht die Radikalen, wenn Sie Anliuiilitarismus treiben, nicht die nationalistisch Gesinnten? Renard schlieft:„Wenn man überall handelte wie wir, gäbe es keine Macht, die der mit der sozialistischen Partei vereinigten Konföderation widerstehen könnte. Weil die sozialistische Partei dasselbe Ziel verfolgt wie die Gewerkschaften: die Abschaffung der Lohnarbeit, wollen wir von Ihnen, dast Sie sich an sie wenden, wenn ihre Aktion mit der Ihrigen zusammenwirken kann. Aber mögen Sie wie iminer beschließen, wir werden in der Konföderation bleiben. Wir werdeir jene nicht nachahmen, die mit einer Spaltung gedroht haben, weil sie aus unserem Kongreß geschlagen wurden, Wir haben mit Ihnen die Einigkeit der Arbeiter geschaffen. Wir werden sie aufrecht erhalten und gemeinsam mit Ihnen arbeiten bis zur vollständigen Besreiung der Arbeiterklasse." �Lebhafter Beifall.) Es kommt zunächst der Syndikalist D o o g h e, der Führer der Minorität der Textilarbeiter zu Worte, der den Austritt seiner Freunde aus der Gewerkschaft z» rechtfertigen sucht. Er verzapft die landläufigen anarchistischen Wendungen: daß in der sozialisti- schen Partei Unternehmer neben den Arbeitern seien, daß es in der Politik Lumpen gebe und dergleichen. Die Urheber des An- träges der Textilarbeiter seien ehrlich, aber sie würden von den „Politikern" mißbraucht. Keine Partei sei gesetzesfürchtiger als die sozialistische. Die ganze Wählerei tauge nichts, allg Energie, die darauf verwendet werde, sei verloren. Was wolle man mit dem Staat machen, der doch nur in den Händen der Bourgeoisie sei. Die Initiative und die Kraft der Arbeiterklasse zu stärken, alles ihr Schädliche zu bekämpfen, das sei das syndikalistische Programm. In den Gewerkschaften, wo alle, trotz ihrer verschiedenen Meinungen, das Gemeinsame hätten, daß sie Lohnarbeiter seien, könne sich allein die Befreiung der Arbeiterklasse, die das Werk dieser selbst sein müsse, vorbereiten.% V i l l e t legt eine Resolution der Föderalion der k e r a- mischen Arbeiter vor. Sie schließt sich im ganzen an die der Textilarbeiter an, stellt die revolutionäre Rolle der sozialistischen Partei fest und schlägt vor, daß im Bedarfsfalle Dele- fationen der Arbeitskonföderation und der ozialistischen Partei zur Erreichung gemeinsamer Ziele zusammentreten sollen, unbeschadet der dauernden Selb - ständigkeit beider Organismen. Die Resolution schließt mit dem Wunsche nach einem wachsenden Einverständnis zwischen den Gewerkschaften und der Partei. Nun erhält wieder ein Syndikalist das Wort, Bousquet von den Nahrungsmittelarbeitern. Er leugnet, daß die Konföderation Politik getrieben habe. Man hat vom Sonntagsruhegcsetz gesprochen. Ja, dem Gesetz der kapitalistischen Gesellschaft unterstehen wir alle. Auch der Revolutionär muß mit den politischen und wirtschaftlichen Ausbeutern in Kontakt treten. Trotzdem sei die Gewerkschaft keine konservative, sondern eine revolutionäre Macht in der Gesellschafts- cntwickelung. Im übrigen führt der Redner die Argumente Dooghes weiter aus. Der Antimilitarismus sei keine politische Frage. Wenn man den Sohn zum Backofen kommandiert, um den streikenden Vater zu ersetzen, so ist das wohl eine wirtschaftliche Angelegenheit. Die sozialistische Partei tritt für das Milizsystem ein, dicies ist aber ebenso schlecht wie die stehende Armee. Die Debatte gewinnt wieder«in höheres Niveau, als der Buchdrucker Niel zu sprechen beginnt. Niel ist Mitglied der sozialistischen Partei, ist aber Gegner des Antrags der Textil- arbeiter. Seine Ausführungen sind ziemlich weitschweifig, im historischen Teil auch sehr anfechtbar, sie fassen aber die Einwendungen zusammeen, die man vom Standpunkt opportunistischer Taktik gegen den Vorschlag erheben kann. Der Redner beginnt mit einer historischen Betrachtung: Der Streit zwischen den Politikern und den Gewerkschaftlern sei so alt wie die Arbeiterbewegung, Die Internationale , behauptet er, sei daran zugrunde gegangen, daß Marx und Engels die politische Aktion in ihre Statuten aufgenommen hätten. Die Sozialisten und im besonderen die Guesdisten hätten innner dasselbe Manöver wiederholt, aus den Kongressen von Nantes und Marseille und auf dem internationalen Kongreß in London . ES ist aber eine Tatsache, daß neben uns andere Organisationen bestehen, die dasselbe Ziel mit verschiedenen Mitteln verfolgen. Es gibt eben mehr als ein Mittel, die Unendlichkeit des Lebens gestattet keine Uniformität. Welche Beziehungen sollen und können zwischen den verschiedenen Kampforganisationen bestehen? Der Antrag der Textil- arbeiter zwingt uns, die Gewerkschaftstheorie zu präzisieren. Was ist die Gewerkschaft? Der not- wendige Kampf der Arbeiter gegen den Unternehmer. Auf dem Wirt- westlichen Gebiet sind alle Arbeiter gleich und der Ausbeutung ohne Unterschied ausgesetzt. Daraus folgt die Notwendigkeit eines Bodens, auf dem sie sich zum Kampf gegen das gemeinsame Uedel ver- ständigen können. Die Arbeiter haben zunächst um drei Dinge zu kämpfen: höhere Löhne, geringere Arbeitszeit, persönliche Würde. Bon da aus dringen sie zur Erkeinttnis vor, daß das Lohnsystem überhaupt schlecht ist, und sie organisieren sich, um es abzuschaffen. Dies ist Gewerkschaft, dies direkte Aktion. Diese ist nicht auf Ge- walttätigkeiten beschränkt. Vielmehr ist sie die gewerkschaftliche Be« wegung Unter allen Formen. Ich hoffe, daß man dies auf allen Seiten des Syndikalismus einsehen wird. Was i st dagegen d i e politische Aktion? Sie ist nicht das Produkt lediglich ivirlschaftlicher, sondern auch moralischer Erwägungen. Sie wird von verschiedenen Leuten in verschiedener Weise be- trieben: von denen, die ihr die Gewerkschaft unterordnen wollen, von denen, die neben dem wirtschaftlichen Element in der sozialen Frage auch ein moralisches, und mich von jenen, die alle Gcsellschaftsprobleme im Kampf gegen das Gesetz und gegen den Staat zu lösen glauben.— Die Verschiedenheit der beiden Ättions- formen verbietet, sie-zu verbinden. Als die Gewerkschaften auf- tauchten, fanden sie die Arbeiterschaft schon politisch zersplittert vor. Wenn wir mit irgend einer politischen Partei eine Allianz schließen wollten, würden die politisch Andersgesinnten weggehen.— Warum aber sollte, wenn nian schon von Allianzen spricht, die Gewerkschaft sie nur mit der sozialistischen Partei eingehen? Warum nicht mit den Volksuniversitäten, den Genossenschaste», der anarchistischen Partei?(Coupat ruft: Die besteht schon I) Nun, dann werde ich sie mit aller Kraft bekämpfen. Es ist ein Irrtum von Renard, zu glauben, daß jeder Gewerkschaftler Sozialist sei. Der Sozialismus ist nicht die Wurzel von Partei und Gewerkschaft, sondern ihre Frucht. Eine Allianz wird erst dann möglich sein, wenn das sozialistische Bewußtsein in der Ge- werkschaft, in der Genossenschaft, in der Politik genug entwickelt ist. Wenn das Bündnis möglich wäre, mühte man die Ver« schinelzung vornehmen l ist diese unmöglich, so auch jene. Aber folgt daraus der Krieg zwischen ihnen? Nun, ich sage: der Krieg ist dasselbe Verbrechen an der Arbeiterklasse wie die Allianz. Leider leben wir heute in diesem Kriege. Gegenseitige Beschimpfungen sind auf der Tagesordnung. Die Anarchisten verschärfen noch den Zivist durch ihre antiparlamcntarische Propaganda. Aber ihre AntiPolitik ist selbst eine Politik. Die„Libertaircs" haben nicht das Recht zu beanspruchen, den heftigen Kanipf gegen die Sozialisten fortzusetzen. Ebensowenig dursen die Sozialisten die Gewerkschaften für die Politik einspannen. Sie haben nicht das Recht, wie es die Nord-Föderation getan hat, zu beschließen, daß im Fall der Ablehnung ihres Antrags die Sozialisten die Allianz in den lokalen Gruppen doch durchführen sollen.(Zwischenrufe. Die Textilarbeiter protestieren gegen diesen polemischen Ausfall, dessen Hinfälligkeit der Redner selbst kennen muß, da die Rordföderation den betreffenden Passus ausdnücklich zurückgezogen hat. Anm. des Ber.) Es ist auch ungerecht, wenn die Sozialisten behaupten, diegewerkschastliche Aktion sei reformistisch, die politische revolutionär. Beide sind reformistisch in ihren Mitteln, revolutionär in ihren Zielen. Meine Formel ist: Weder Bündnis, noch Krieg, Halten wir den otatus quo aufrecht, so weit die Statuten der Kon- söderation in Betracht kommen, erfüllen wir ihn aber mit einem neuen G e i st, dem der gegenseitigen Achtung! Dann wird die Gewerkschaft die Hochschule der revolutionären Er- ziehung des Proletariats werden. Und das Wachstum unserer Scharen ivird die Verwirklichung dessen, was wir erstreben, be- schleunigen."_______ Fursorgkzöglmge wegen Mordes angeklagt. Die Verhandlung vor dem Schwurgericht in Hirschberg, über deren Anfang wir am Sonnabend berichteten, endete mit der Ver- urteilung der drei jugendlichen Angeklagten. Der Spruch der Geschworenen lautete gegen Büchner und Moschinsky auf Schuldig des Mordes, gegen Schulz auf Schuldig der Beihülfe zum M o r d. Das Gericht verurteilte den zur Zeit der Tat(11. Nodbr. 1005) 18 Jahre alten Büchner zum Tode, den zur Zeit der Tat erst 17 Jahre alten Moschinsky zu 15 Jahren Gefängnis und den 21jährigen Schulz zu 10 Jahren Zuchthaus. In der Verhandlung bestritten die Angeklagten ihre Schuld und widerriefen früher von ihnen dem Polizeikommissar gegenüber ge- machte Geständnisse. Es traten außer dem Polizeikoinm'issar Zeugen aus, die direkte oder indirekte Geständnisse der Angeklagten über ihre Täterschaft bekundeten. Die Geschworenen mögen mit Recht an- genommen haben, daß die Angeklagten die Täler waren. Anders liegt die Frage, ob den Geschworenen hinreichendes Material zur Beurteilung der Frage beigebracht ist, ob den jungen Leuten die entsetzliche Tat zugerechnet werden kann. Dem wenigen, was über die Resultate der Michelsdorfcr„Fürsorgcanstalt" bekundet und von uns wiedergegeben wurde, läßt sich aus den Zeugenaussagen nur nachtragen, daß der Kriminalkommissar G r o o t betonte, seine im allgemeinen über den Charakter der Fürsorgezöglinge ge- machten Aeußerungen könnten insofern mißverstanden werden, als man vielleicht annehmen könnte, daß er seiner- seits diese Ausftihrungen auf sämtliche im Michelsdorfer Rettungshause internierten Zöglinge bezogen wiffen wollte. Er könne naturgemäß nur urteilen über die Zöglinge, mit denen er in Berührung gekomnien war. Das waren etwa 30, während das RettungshauL etwa 120 Zöglinge zählt. Er habe meist mit den älteren Zöglingen zu tun gehabt, die außer- halb der An st alt waren. Ueber die Erziehung, über die Gründe für die Verwahrlosung der Fürsorgezöglinge vor der Auf- nähme in die Anstalt ergab die Verhandlung nichts. Und doch M>äre eine sehr eingehende Bewelsaufnahme gerade hierüber dringend erforderlich gewesen, um ein Urteil darüber zu haben, ob nicht etwa die Fürsorgezöglinge in einem Grade durch ihre Erlebitisse als Kinder und in der Fürsorgeanstalt so verwahrlost waren, daß ihnen die Mordtat wegen geistigen und moralischen Defekts nicht zugerechnet werden konnte. Klar ergab die Verhandlung daS eine: die mir religiösen Phrasen in der Fürsorgeanstalt„er- zogenen" jungen Leute legten nach ihrer Entlassung aus der Anstalt ein Benehmen an den Tag, wie man's eigentlich nur bei Leuten erwarten konnte, die in einer Verbrecherschule erzogen sind. Und daß keineswegs nur die Angeklagten, sondern so ziemlich alle aus der Anstalt Entlassenen diesen Eindruck erwecken, ergibt das Zeugnis des Knmiilalkommissars und der anderen Zeugen. Mithin dürfte das Urteil keineswegs zu scharf sein: die Fürsorgeanstalt und der in ihr lebende Geist ist an der sittlichen Verwahrlosung der An- geklagten zum mindesten in schwerem Maße mitschuldig. DaS System unterer Fürsorgeanstalten ist weit davon entfernt, die Zög- liirge zu brauchbaren Mitgliedern der Gesellschaft zu er- ziehen, die Ursachen zu beseitigen, die zur Verwahrlosung der Kinder geführt hatten: es züchtet geradezu den Verbrecher: dessen Veranlagung unsere herrliche Gesellschaftsordnung verschuldet hat. Wiederholt haben wir an einzelnen Beispielen und an der Hand der Statistik den gefährlichen Charakter des Systems unserer Fiirsorgeanstalten dargelegt. Die Vollpfropfung mit Bibelsprüchen, die die Verurteilten reichlich beherrschten, ist das allerungeeignetste Mittel, jungen Leuten die Möglichkeit zum ehrlichen Kampfe ums Dasein zu verschaffen. Das gegen die jungen Leute gefällte furchtbare Urteil ist eine noch furchtbarere Anklage gegen die Gesellschaft, die nicht willens oder unfähig zur Erziehung ist. Klmfertnz der erzgebirgischen Wirker. B u r k h a r d t s d o r f i. E., 14. Oktober. Im Gasthofe am Auenberg versammelten sich heute 357 Dele- gierte der erzgcbirgischcn Wirker, die 108 Betriebe oes Bezirks ver- treten, um zum zweiten Male in Sachen der Lobnbewegung, in die sie vor einiger Zeit eingetreten sind, um den gesteigerten Lebens- mittelprcisen einigermaßen entsprechende Lohnerhöhung, eine Rege- lung der Arbeitszeit und verschiedene andere Neberforderungen durchzusetzen. Einleitende Ausführungen machte der Gauleiter Reichelt. Er verwies auf den Beschluß der letzten Konferenz, nach dem die Arbeiterausschüsse und Vertrauenspersonen, mit denen zu ver- handeln die Fabrikanten zugesagt hatten, bei diesen unter Vor. legung der Forderungen vorstellig werden und sie bis zum 10. Ok- tober um Bescheid zu ersuchen/ Er forderte die Ausschüsse auf, wahrheitsgemäße Berichte zu erstatten. Er tadelte sehr das Vor. gehen der Kollegen in Zschopau , die auf eigene Faust die Arbeit eingestellt und... wieder aufgenommen haben, ohne die heutige Konferenz und deren Beschlüsse abzuwarten. Durch solches Ver- halten schädige die Arbeiterschaft sich selbst und die Bewegung. So kam es auch in Zschopau . Der Vertrauensmann wurde entlaffcn, die Arbeiter liefen ihm nach, ohne den Gauleiter in Kenntnis zu fetzen, und am anderen Tag ging die Mehrzahl wieder in die Fabrik und die anderen folgten bald, so weit sie eben wieder eingestellt wurden. Zum Schluß betonte Reichelt nochmals nachdrücklich die Notwendigkeit, daß die Beschlüsse unbedingt befolgt werden müssen, wenn Einheitlichkeit in die Verhältnisse eintreten solle, anderenfalls habe die umfangreiche Arbeit der Lohnbewegung keinen Wert. Hierauf erfolgten die Berichte der Fabrtiausschüffe und Vertrauensleute. eine zeitraubende Arbeit, die vier Stunden-in An. pruch nahm. In bezug auf Verkürzung der Arbeitszeit ist man dem Zehnstundeutag sehr nahe gekommen; es sind sogar Zugestand- nisse zu verzeichnen, wonach die effektive tägliche Arbeitszeit weniger als zehn Stunden beträgt, ein Beweis dafür, daß die Möglichkeit des Zehnstundentages besteht. Auch für die Möglichkeit der ge. Orderten löprozenttgcn Lohnerhöhung sind praktische Beweise er- bracht worden. Der Gauleiter Reichelt gab nach Beendigung der V«richt- erstattung ein Resümee derselben und empfahl eine Resolution zur Annahme, die den guten Willen eines Teiles der Unternehmer an. erkennt, die Lohnbewegung auf friedlichem Wege durch gemachte Zugeständnisse zur Erledigung zu bringen, die Konferenz ist jedoch nicht in der Lage, dieselben als befriedigend betrachten zu tonnen. Mit Entrüstung hat die Konferenz von dem Verhalten derjenigen Fabrikanten Kenntnis genommen, welche jede Verhandlung ablehnen. Da nun die Arbeiterschaft der Wirkbrauche von den gestellten Forde. rungen nicht abgehen kann und wird, beauftragte die Konferenz die Verbandsleitung in Verbindung mit den Fabrikausschüssen, die- jenigen Mittel in Anwendung zu bringen, die es ermöglichen, die gestellten Forderungen zur Anerkennung zu bringen. Einige Redner sprachen gegen diese Resolution und ernteten Beifall mit ihrer Forderung, auf der ganzen Linie in den Streik einzutreten. Ter Verlaudsvorsitzende und die Gauleitung warnten vor einen plötzliche» allgemeinen Streit und seine Folgendste waren vielmehr für den Kleinkrieg, der in der Resolution angedeutet ist, die schließlich gegen eine Stimme angenommen wurde. Huö Induftne und Ftondet Die Börse ist beruhigt. Die Industrie feiert großen Jahrmarkt. ProduktionSrekord- ziffern, Glanzdividenden geben diesen das Gepräge. Wohl haben die zu schwindelnder Höhe hinauf kletternden Preise der Rohmaterial- in Halbzeugpreise schon einige Beklemmung verursacht, aber die lockenden Gewinne ließen den wilden Tanz um daS goldene Kalb noch nicht ins Stocken geraten. Sprunghaft gehen die Dividenden- ziffern nach oben, das macht tollkühn. Die trostlosen Nachrichten aus Rußland , die Ueberspannung am Geldmarkt, konnten den Optimismus nicht irritieren. Selbst skeptische Aeußerungen in den Werksorganen, die etwas Vorsichtspolitik treiben, um nachher die Hände in Unschuld zu waschen, störte den allgemeinen Taumel, die wilde Kurstreiberei nicht. Da schlug, gerade nicht wie eine Bombe, aber doch ziemlich kräftig die Nachricht von der Bewegung der Ruhr- bergleute ein. Zunächst erholte man sich schnell wieder von dem Schreck, dachte an blinden Lärm. In den letzten Tagen sah die Börse die Sache aber doch als ernst- hast an, die Kurse mußten um zirka drei Prozent nachgeben. Mittlerweile ist die Ansicht stark geworden, die Bergherren würden den Arbeitern entgegenkommen und damit Komplikationen vorbeugen. Es läßt sich auch nicht verkennen, daß die Grubenbesitzer diesmal gemäßigtere Töne anschlagen, als vor zwei Jahren. Damals kehrte man sehr forsch den Herrn im Hause-Standpunkt heraus und die Frage der materiellen Berechtigung der Arbeiterforderungen wurde strikt verneint. Heute bestreitet man gar nicht, daß die Arbeiter eine gewisse Berechtigung zu ihren Forderungen haben, aber man schiebt die Schuld auf die Regierung, indem diese für die exzeptionelle Verteuerung der Lebenshaltung verant- tvortlich gemacht wird. Damit übt man gleichzeitg eine kleine Rache wegen der damaligen vermittelnden Haltung, die die Regie- rung bei Ausbruch des Konfliktes einnahm. Weiter erklärt man, es seien in der letzten Zeit schon ziemlich erhebliche Lohnaufbesserungen eingetreten, diese müßten bei der jetzigen Forderung in Anrechnung kommen. Kurz und gut, die Haltung der Arbeiter läßt es die Herren rätlich erscheinen, ein Entgegenkommen zu zeigen. Das und die gleichzeitig verbreitete Ansicht, die Grubenbesitzer würden die Kosten der Lohnaufbesserung durch Preisaufschlag wieder ausgleichen, hat an der Börse wieder beruhigend gewirkt. Man hofft auf weiteres Anschwellen des Divibandenstromes. Ueber die Lage im Ruhrkohlcnrcvier urteilt.Der Arbeitsmarkt" folgendermaßen: Seit IVOS hat sich die Geschäftslage im Kohlenbergbau fast von Monat zu Monat gebessert: die Ueberschüffe der Zechen, die Ab- schreibungen, Reserven, die Reingewinne, die Dividenden und Aus- beuten haben kräftig zugenommen. Dagegen ist es Tatsache, und die amtliche Lohnstatistik erhärtet sie, daß die Erhöhung der Löhne ungenügend zugenommen hat. Die nominellen Löhne sind noch immer nicht auf dem Niveau des Jahres 1900 angelangt. Nur der Bezirk der staatlichen Saarbergwerke macht eine bemerkens- werte Ausnahme. Nun läßt sich aber weiter nicht bestreiten, daß die Nominallöhne des Jahres 1900 zur jetzigen Zeit eine wesentlich geringere Kaufkraft haben als vor sechs Jahren, weil namentlich das letzte Jahr eine solche Erhöhung der Lebensmittel- preise und zum Teil auch der Mieten gebracht hat, daß die Lebens- Haltung sich merklich verschlechtert hat. Man braucht nur auf den amtlich festgestellten Rückgang des Fleischkonsums zu verweisen, von dem auch das rheinisch-westfälische Industriegebiet scharf betroffen wurde. Die wirtschaftliche Lage der Bergarbeiterbevölkerung Rheinland- Westfalens ist trotz Steigens des Nominallohnes im letzten Jahre ungünstiger geworden. Diese Verschlechte- rung fällt nun aber in eine Zeit, wo das Einkommen aus Grund- und Kapitalbesitz in schneller Progression wächst. So wurde eine Situation geschaffen, die für den Arbeiter geradezu unerträglich ist. Die verschiedenen Bergarbeiterorganisationen haben durch ihren einmütigen Beschluß einer fünfzehnprozentigen Lohn- forderung der Stimmung in Bergarbeiterkreisen Rechnung getragen, und sie Ichieben die weitere Verantwortung für das, was kommt, den Zechenverwaltungen zu. An diesen liegt eS. eine dem deutschen Wirtschaftsleben drohende Gefahr abzuwenden, indem sie das starke Mißverhältnis zwischen Lohn und HauShaltSkosten durch Gcwähxung einer ausreichenden allgemeinen Lohnerhöhung beseitigen. Gehen die Zechenverwaltungen in sachlichem Ernste an die Prüfung der Lohnfrage heran. so kann es gar nicht aus- hleiben, daß sie eine Verschlechterung des Reallohnes während der letzten Zeit feststellen müssen. Die Folge einer solchen Feststellung bedeutet aber im Prinzip die Bewilligung einer all- gemeinen Lohnerhöhung. Ein Streit könnte dann nur noch über den Grad der Erhöhung entstehen, der aber durch Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverttetern sehr leicht bei« gelegt werden könnte. Stehen freilich die Zechenverwaltungen noch immer auf dein schroffen Standpunkte, den sie 1906 den Arbeitern gegenüber eingenommen haben, lehnen sie das Verhandeln mit den Delegierten der Organisationen ab, wollen sie in eine sachliche Prüfung der Lohnfrage überhaupt nicht eingehen, so treiben sie, die als Angestellte schließlich genau so wie die Arbeiter im Dienste anderer, seien es Aktionäre oder GeWerke, stehen, zu einem Konflikt, der nicht nur zum Nachteil des rheinisch-westfälischen Kohlenbergbaus, sondern auch zu einer dauernden Schädigung des gesamten deutschen Wirtschaftslebens führen müßte. Hu9 der f raucnbcwegung. Versammlungen— Veranstaltungen. Weißensee . Dienstag, 16. Oktober, bei Tzscheutschler, LanghanS» straße 106: Oeffentliche Versammlung. Berichterstattung vom Parteitag und von der Frauenkonferenz. Pankow . Donnerstag, 18. Ollober, 8'/, Uhr, bei Großkurt, Berliner « straße 27; Bortrag. Dr. H. Leveustein:„Sozialismus, Poesie, Ibsen und die Frauen". Wilnicrsdors. Sonnabend. 20. Oktober, im Luisenpark : Erstes Stiftungsfest. Britz . Die für den 18. angekündigte Generalversammlung fällt aus, sie findet am 25. Oltoder statt. Charlottenburg . Mittwoch, 17. Oktober, 8>/z Uhr, im Volkshause. Rosine , isir. 3: Generalversammlung. Vortrag des Herrn Dr. Berg: „Bedeutung der Alkoholfrage für die Arbeiterfrau". Wahl des Vorstandes. Am 8. November Stiftungsfest. Rrinickendorf. Mittwoch, 17. Oktober, ö'/z Uhr, bei Gründer, Hoppe« straße: Vortrag der Frau Menzel: �Alkoholftage und Arbeiter- klafle". Treptom-Baiimschulenweg. Donnerstag. 13. Oktober. 8'/s Uhr. bei Ehrist. Marienthalerstraße: Vortrag des Frl. Maria Krauß. Teltow-Bceskow-Storkoiv-Charlotteiiburg. Donnerstag, 18. Oktober, abends 8'/, Uhr:. Kreiöversammlung. Berichterstattung von der Fraueukonferenz, vom Parteitage und von der Provinzial- konferenz. Trmpclhof-Mariendorf. Mittwoch, 17. Oktober, abends 7'/, Uhr: Flugblattverbreitung. Donnerstag, 18. Oktober: 5kreisversammlung für Tempel- Hof im.Wilhelmsgarten". Berlinerstr. 9; für Neu-Tempelhof bei Müller. Berlinerstr. 41/42; für Mariendorf bei Reichardt, Chausseestr. 16. SVage»si<u>d am 15. Oktober. Elbe bei Aussig —— Meter, bei Dresden — 0,76 Meler. bei Magdeburg+ 1,98 Meter.— U n ft r u t bei Straußjurt— Meter.— Oder bei Ratibor -f 1,56 Meter.— Neiße. mündung+ 1,94 Meter.— Oder bei Brieg+ 2,36 Meter.— Oder bei Breslau Umerpegcl— 0.72 Meter.
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