BcBet die Arbcitsverliiiltnisse der Stalleute im ZirkuS Schu- Mann hatten wir dieser Tage nach Schilderungen von Stalleuten eine Notiz gebracht, die von der Geschäftsleitung des Zirkus in ver- schiedenen Punkten als unzutreffend bezeichnet wird. Nach der Dar- stellung der Geschäftsleitung liege die Sache so: Als Stalleute würden nur ledige Leute eingestellt, die 18 M. Lohn und freie Schlafstelle erhielten. In den Pausen besuche nun das Publikum die Ställe und da hätten diese Arbeiter demselben in sehr auf- dringlicher Weise die Büchse unter die Nase gehalten, um Trink- gelder zu erhalten. Das sei wiederholt geschehen trotz strengen Per- bots. Am Sonntagabend habe sich das wiederholt und wieder sei das gerügt worden. Schließlich hätten die Leute kurz vor der Panto- mime die Arbeit hingeworfen, ohne überhaupt eine Forderung ge- stellt zu haben. Die Arbeit fei dann von dem übrigen Personal mitgeleistet worden, nicht aber seien zu diesem Zwecke Soldaten zu- geigen gewesen, wie dies auch bei der Ankunft des Zirkus auf dem Lehrter Bahnhof nur in ganz besonderen Fällen geschehen sei. Wir haben schon kürzlich bemerkt, daß es sich bei dieser spon- tanen Arbeitsniederlegung um Leute handelt, die keiner gewerk- schaftlichen Organisation angehören und denen daher jede geWerk- schaftliche Erziehung abgeht. Sonst hätten sie sicher auch schon früher sich darauf beschränkt, lieber eine entsprechende Bezahlung zu erhalten, als sich durch die Trinkgelder schadlos zu halten. Immer- jin muß es den Leuten doch nicht so glänzend gegangen sein, wenn sie so ohne weiteres, ohne jeden Rückhalt in der Organisation, die Arbeit verlassen und, da sie keinerlei Wohnung haben— denn sie schlafen im Zirkus— obdachlos umherirren. . Mit Lysol vergiftete sich gestern das zwanzigjährige Dienst. madchen Hedwig John, die bei einem Fabrikanten in der Gipsstr. 18 diente. In hoffnungslosem Zustande mutzte sie in das Krankenhaus am Urban gebracht werden. Das Motiv zu der Tat soll unglückliche Liebe sein. Eine wilde Einbrecherjagb, bei der auch der Revolver eine Rolle spielte, gab es gestern früh in der dritten Stunde in der Wallstraße. Dort wollten zwei Diebe in die Räume des Gastwirts Mathes, Wallstr. 76, eindringen. Sie machten aber bei dem Versuch, die Tür zum Gastzimmer im Hausflur zu erbrechen, ein solches Geräusch. daß die Wirtsleute aus dem Schlaf erwachten. Auf die Hülferufe hin ergriffen die Spitzbuben schleunigst die Flucht. Dabei liefen sie einem Schutzmann direkt in die Quere. Dieser gab sofort Not- signale ab, worauf noch drei andere Schutzleute herbeieilten. Es entspann sich nun eine wilde Jagd. Einer der Burschen feuerte dabei drei Schüsse aus seine Verfolger ab, ohne indes jemanden zu verletzen. Schließlich wurden die Fliehenden ein- geholt und dingfest gemacht. Unterrichtskurse für Arbeiter und Arbeiterinnen, veranstaltet von der Freien Studentenschaft der Universität Berlin. Die studentischen Unterrichtskurse für Arbeiter und Arbeiterinnen wollen den Hörern, besonders älteren Arbeitern, die nicht mehr die Fortbildungsschule besuchen können, zu einer gründ- lichen Ausbildung in den elementaren Unterrichtsfächern, in Deutsch , Rechnen, Geometrie und Geographie Gelegenheit bieten. Jeder Kursus findet wöchentlich einmal statt in den Abend- stunden von K— 10. Beginn des Unterrichts am 5. November. Ende: Anfang März. Zur Deckung der Unkosten wird für jeden Kursus ein einmaliger Beitrag von 50 Pf. erhoben. Die Kurse finden statt im Gebäude des Zentralarbeitsnachweises, Rücker- straße 9(5 Minuten vom Bahnhof Börse), in der Friedrich-Werder- schen Oberrealschule, Niedcrwallstraße 12(am Spittelmarkt) und in der VIL Realschule, Mariannenstraße 47(am Heinrichsplatz.) Der Unterricht wird von Studenten der Berliner Universität erteilt. Das Unternehmen wird geleitet durch eine aus ihrer Mitte gebildete Kommission unter Mitwirkung von Vertrauensleuten der Hörer. Die Anmeldungen zu allen Kursen(auch denen der Nieder Wallstraße und Mariannenstraße) werden am 25., 26., 27. Oktober, abends 8— QVi Uhr, Rückerstraße 9, linker Scitenaufgang, Parterre (Kantine), entgegengenommen. Die Hörer des vorigen Halbjahres können sich schon am 22. und 23. Oktober, abends 8— 9%, melden, damit sie den Kursus, den sie belegen wollen, nicht besetzt finden. Anmeldungen innerhalb der Kurse können nur ausnahmsweise be- rücksichtigt werden. Außer den Kursen finden gelegentlich Theaterbesuche, Museumsführungen und Ausflüge statt. Programme sind in beliebiger Anzahl auch auf schriftliche Be- stellung zu erhalten von dem Vorsitzenden des Arbeits-Ausschusses der Unterrick, tskurse, Herrn August Neubauer, dl. 31, Bernauer- straße 114 IV. Anfragen und schriftliche Mitteilungen sind zu richten an den Schriftführer der Unterrichtskurse, Herrn stud. jur. Erich Kuttner , W. lo, Kurfürstendamm 184 III. Im wissenschaftlichen Theater der Urania finden Sonntag. Montag, Diensrag und Mittwoch die letzten Wiederholungen des Vortrages„Die Mosellande und ihr Weinbau, Bilder aus der Ber- gangenheit und Gegenwart" statt. Am Donnerstag wird zum erstennial der neue Vortrag„Sizilien ", ausgestattet mit zahlreichen farbigen Bildern, zur Darstellung gelangen und dann allabendlich wiederholt werden.— Im Hörsaal werden nachstehende Vorträge gehalten werden: Dienstag: Dr. von Unruh.„Der Stickstoff und seine Verbindungen".— Mittwoch: Dr. W. Scheffer,„Das photo- graphische Objektiv".— Donnerstag 6 Uhr: Dr. Thesing,„Die Organe des tierischen Körpers" und mn 8 Uhr: Dr. Thesing,„Von den allgemeinen Lebenserscheinungen".— Sonnabend: Dr. B. Donath,„Die chemischen Stromwirkungen".— Im Hörsaal der Urania-Sternwarte in der Jnvalidenstraße spricht am Dienstag Herr Dr. Ristenpart über:„Die Schwere der Erde". Die Bibliothek der Korporation der Kaufmannschaft bleibt am heutigen Sonnabend, den 20., abends, und morgen, den 21., vor- mittags, geschlossen. Dadurch, daß die Bibliothek zugleich Handels- Hochschul-Bibliothek wird, macht sich eine Abtrennung eines Teiles des Lesesaales notwendig, weshalb die Unterbrechung eintritt. Zahlreiche Brände beschäftigten vorgestern abend die Berliner Feuerwehr. Unter anderen mußten zwei Kellerbrände in der Bartelstr. 5 und Chorinerstr. 20 gelöscht werden. An beiden Stellen brannten Kisten und wird Brandstiftung angenommen. Auch bei dem dritten Brande, der in der Schönhauser Allee 145 auf dem Hofe auskam, vermutet man Brandstiftung. Kisten u. a. standen dort in Flammen. Der 15. Löschzug wurde dann nach der Calvin- straße 16 alarmiert, wo Benzin aus dem Hofe in Brand geraten war und unter großer Flammenentwickelung bis auf den letzten Rest verbrannte. Zwei Wohnungsbrände beschäftigten außerdem die Feuerwehr in der Linienstr. 1 und der Dunckerstr. 72. Gardinen und Möbel wurden dort ein Raub der Flammen. Am Hafenplatz kam in einer Kajüte eines dort vor Anker liegenden Kahnes Feuer aus. Holz u. a. brannte dort. Der 7. Zug wurde nach der Mühlen- straße 62 gerufen. Ein Pferd mit einem Wagen war dort über das Bollwerk hinweg in die Spree gestürzt. Das Pferd holte die Wehr gesund aus dem Wasser heraus, während der Wagen heute gehoben werden soll. Nach der Willibald AlexiSstr. 24 wurde die Feuerwehr geholt, weil dort die Hausbewohner vor �Geruch nicht aushalten konnten. Fleisch brannte dort in einer Küche. Ferner wurde die Wehr nach dem städtischen Sicchenhause in der Fröbel- straße gerufen, um einem Kranken zu helfen, was nach mehr- stündigem Bemühen unter Anwendung eines Sauerstoffapparates gelang. Außerdem hatte dann die 2. Kompagnie noch in der Lange- straße 49 und in der Köpenickcrftr. 70a zu tun. Vorort- JVadmcbtcn. Rixdorf. Stadtverordnetenversammlung. Die Sitzung begann mit einer sehr lebhaften Geschäftsordnungs-Tcbatte. An erster Stelle stand auf der Tagesordnung die Wahl von zwei unbesoldeten Magistrats- Mitgliedern, um dem am 22. Mai d. I. beschlossenen Ortsstatut zu entsprechen, das die Zahl der unbesoldeten Stadträte von acht aus zehn erhöht. Stadiv. Wutzky(Soz.) erhob namens seiner Fraktion Protest gegen die Wahl in dieser Sitzung, da— wie er ausführte— diese nicht den bisherigen Gepflogenheiten entsprechend im Wahl- ausschuß vorbereitet worden sei. Er verlangte Absetzung und Rück- Verweisung an den Wahlausschuß.— Die Stadtvv. Abraham und Koye bemühten sich, die Ausführungen des Genossen Wutzky zu wider- legen, konnten jedoch die Feststellungen des Genossen Conrad, daß die Wahlangclegenheit nur so en passant am Schlüsse einer Sitzung des Wahlausschusses erwähnt worden sei, wo die Ausschutzmitglieder bereits zum Teil mit Ueberzieher und Hut zum Fortgehen gerüstet waren, nicht entkräften. Trotzdem benutzte die Majorität ihre Macht und setzte die sofortige Vornahme der Wahl durch, unbekümmert darum, daß sie die Minderheit vergewaltigte, indem dieser eine Vor- beratung unmöglich gemacht worden war. Gewählt wurde der Kauf- mann Fischer mit allen gegen zwei und der Kaufmann Ed. Schmidt gegen neun Stimmen. Gegen den letzteren hatte die sozialdemo- kratische Fraktion den Stadtv. Conrad als Kandidaten aufgestellt. Aber auch die Rixdorfer Liberalen sind mit jenem Quantum— „Mut" ausgestattet, das ihnen nicht erlaubt, einem wirklichen Ver- treter des Fortschritts ihre Stimme zu geben, so daß unser Genosse — wie allerdings vorauszusehen war— durchfiel. Die Vorlage über die Bildung der Wahlvorstände zur bevor- stehenden Kommunalwahl, in der auch die sozialdemokratischen Vor- schlüge berücksichtigt sind, wurde dcbattelos angenommen. Die gleiche Erledigung fand die Wahl von Mitgliedern und Stellvertretern der Einkommcnstcuer-Voreinschätzungskommission. Auch unter diesen Gewählten befindet sich eine größere Anzahl Ge- nossen. Die Anstellungsbedingungen für den an Stelle des ausscheiden- den Herrn Voigt zu wählenden zweiten Bürgermeister, einige weitere kleine Vorlagen und die anderweite Festsetzung der Be- dingungen der bescklossenen Anleihe von 22 Millionen Mark werden einstimmig genehmigt. Eine lange, teils recht bewegte Diskussion rief eine, der Ver- sammlung zur Begutachtung vorgelegte Polizeiverordnung hervor, welche gewisse sanitäre Einrichtungen in den Barbicrgeschäften fordert. Herr Röster benutzte diese Gelegenheit, um sich dem not- leidenden Sandwerk als Retter in empfehlende Erinnerung zu bringen. Diesem Stadtvater leuchtet durchaus nicht ein, daß das Rad der EntWickelung nicht aufzuhalten ist und seine wunderlichen Ideen nur zum Lächejn reizen. Er heimste denn auch vom Stadtrat Dr. Glücksmann und vom Stadtv. Wutzky lSoz.i die verdiente Ab- fertigung ein. Gewünscht wurde allgemein, daß die von der Ge- sundheitskommission vorgenommene Abänderung, die den in der Ver- ordnung verlangten Anschluß der Wascheinrichtungcn der Barbiere an die Wasserleitung aufhebt, von der Polizeiverwaltung nicht be- rücksichtigt werden möchte. Die Asphaltierung des vor der Realschule belegenen Teiles der Kaiser Friedrichstraße wurde beschlossen. Stadtv. Dr. Silberstein (Soz.) erklärte die Zustimmung seiner Freunde zu der Vorlage, knüpfte aber daran die Erwartung, daß nun auch das gleiche bei oen Volksschulen geschehe, wo ebenfalls eine Störung des Unterrichts durch den Straßenverkehr stattfinde. Gegen die vom Magistrat beantragte Erhöhung des Honorars an die katholischen Pfarrer für Erteilung von Religionsunterricht im Realgymnasium wandte sich Stadtv. Wutzky(Soz.) in längeren Ausführungen. Die Stadt habe nicht die geringste Veranlassung, den Herren Pastoren zu ihrem Gehalt noch eine Ertragratifikation zuzuzahlen. Religion sei Privatsache, und wer ein Bedürfnis dafür bat, soll sehen, wie er diesem gerecht wird. Stadtrat Weinreich ver- suchte durck die wunderliche Behauptung, daß die Bewilligung eine Anstandspflicbt sei, die Vorlage zu retten, heimste aber nur eine treffende Zurückweisung seitens des sozialdemokratischen Redners ein. Die Versammlung lehnte die Honorarerböhung ab. Eine recht nette Bescherung hat die hiesige Kirchengemeinde der Stadt gemacht. Sie ist nämlich plötzlich auf den für sie nicht üblen Gedanken gekommen, den der Stadt gehörigen alten Friedhof an der Ecke der Berg- und Kirchhofstraße für sich als Eigentum zu reklamieren und versucht diese unoer— stündliche Aneignung im Wege der Klage zu paralysieren. Zur„Begründung" müssen alte vergilbte Urkunden herhalten. Was kümmcrts der Kirche der Nächstenliebe, daß der in Frage kommende Komplex zu einem öffent- lichen Park bestimmt ist und der Allgemeinheit dienen soll: sie hat eben einen guten Magen und der ist bekanntermaßen unersättlich. Da muß die Stadt herhalten I Sie präsentiert derselben gewisser- maßen die Quittung über die Schenkung des Reutcrplatzes.— In der Vorahnung, daß dieses Verhalten der Kirche gebührend gekenn- zeichnet werden könnte, verlangte der Magistrat flugs die Ver- Weisung in die geheime Sitzung, wogegen unsere Genossen in einer stürmischen Geschäftsordnungs-Debatte vergeblich ankämpften. D,e Absicht des Magisträts. die Klage mit aller Energie durchzufuhren. wurde von der Versammlung gutgeheißen. Als interessant verdient noch Erwähnung, daß mehrere Mitglieder der städtischen Körper- schaften auch dem gegen die Stadt klagenden Gemeindekirchenrat angehören. � Um 9 Uhr fand die wiederholt dramatisch bewegte Sitzung ihr Ende. Eine schwere Benzin-Explosson ereignete sich gestern in� der Gummiwarenfabrik von Eichcndorff in der Steinmetzstr. 125 tn Rirdorf. In einem der Arbeitsräume war der 34jährige Arbeiter August Ehrhardt. Richardstr. III wohnhaft, mit der Zubereitung von chemischen Stoffen beschäftigt. Er kam dabei mit einem Benzin- behälter einer brennenden Lampe zu nahe, das Benzin explodierte und im nächsten Augenblick stund der ganze Raum in Flammen. Nur mit Mühe und Not vermochte sich E. aus dem brennenden Zimmer zu retten. Durch Stichflammen hatte er bereits im Gesicht und an den Händen schwere Brandwunden erlitten. Die Haare waren ihm vollständig vom Kops heruntergesengt. Auf der Unfallstation 12 er- hielt der Verunglückte die erste Hülfe. Nach xinstundiger Tätigkeit gelang es der Feuerwehr, den Brand zu löschen. Zu dem Bersammlungsbericht erhalten wir folgende Zuschrift: Nach dem Versammlungsbericht hätte ich den Standpunkt vertreten, die Gewerkschaftsführer müßten den Sozialismus predigen. In Wirk- lichkeit gab ich meiner Zufriedenheit Ausdruck, daß das Amendement Kaulsky abgelehnt wurde, weil meiner Auffassung nach eS schon heute keinen Agitator innerhalb der Zentralverbände gibt, dessen Wirken nicht mit sozialdemokratischem Geiste durchtränkt wäre. Weiter führte ich in Wirklichkeit aus, daß erst ein Bebel von den Lokalistcn angerempelt werden mußte, um deren schädliches Wirken in der Partei einzusehen, die Mitglieder der Gewerkschaften hätten die Schädlichkeit der Lokalisten auch für die Partei schon längst er- sannt. P- R e l m a n n. Schöneberg . Die Wahlvereinsversammlung vom 16. Oktober beschäftigte sich mit der Berichterstattung vom Parteftag. Vor Eintritt m die Tagesordnung ehrte die Versammlung das Andenken der beiden verstorbenen Parteigenossen schwarz und Gralow durch Erheben von den Plätzen.— Zunächst gab sodann der Kassierer Genosse Kister den Kassenbericht für das 3. Quartal. �ie Einnahmen be- liefen sich auf 2422.83 M.. die Ausgaben auf 1954.17 M.; mithin ist ein Bestand von 468,66 M. zu verzeichnen. 1700 M. find an den Kreis abgeführt worden. Hieran knüpfte der Vorsitzende eimge geschäftliche Mitteilungen. Er empfahl das von der Vorwärts- Buchhandlung herausgegebene Werk»Bluthund Eisen zum Abon. nemcnt und wies nochmals auf den am 27. Oktober be' Obst statt- findenden Lichtbildervortrag hin. Zu der am 26. Oktober statt- findenden Wahl der Delegierten zu unserer OrtSkrankcnkasse sprach kurz Genosse Flamme; er fordert zu st��er Beteiligung aller Wahl- berechtigten auf und verwies auf die vom Gewerk, chaftskartell auf Donnerstag einberufene Versammlung, die zu der Krankenkassen - wähl Stellung nehmen wird. Nach Erledigung dieser geschäftlichen Angelegenheiten erstattete Genosse T h i e l- Tempelhof den Bericht vom Parteitag; er be- grüßte den Verlauf desselben. Die trotz aller scharfen prinzipiellen MeinungsverscksiFdeeiheiicn würdig und rein sachlich gepflogenen Beratungen würden in hohem Maße zum Wohle der Partei aus- schlagen. Alles in allem genommen seien die gefaßten Beschlüsse im Interesse gedeihlicher Weiterentwickelung der Arbeiterbewegung zu begrüßen.— In der sehr regen Diskussion sprach zunächst Küter. Das Referat Bebels habe vielfach enttäuscht, eS icheme in demselben ein Widerspruch zu seiner Rede in Jena zu bestehen. — Z u b e i l erklärte den scheinbaren Rückzugs Bebels durch die obwaltende, seit Jena in ihr Gegenteil umgeschlagene Stellung- nähme aus den verschiedenen Strömungen in der Partei. Man könne fast sagen: vor und in Jena wurde der Massenstreik bekämpft; jetzt versuche diese Richtung zu beweisen, daß der Massenstreik wo- möglich schon im Januar hätte inszeniert werde»> müssen. Das müsse energisch zurückgewiesen werden. Die Massen seien heute noch nicht reis für den Massenstreik; durch ununterbrochene Propa» ganda im Sinne der Jenaer Resolution müsse das Volk zur An« Wendung dieses Kampfmittels systematisch erzogen werden. Seiner Meinung nach sei der Maffenstreil unsere letzte Waffe.— Das Amendement Bebel— Legten fordere entschiedenen Wider» spruch heraus; der bestehende klaffende Gegensatz zwischen der Kölner und der Jenaer Resolution sei durch die Annahme dieses Amendements nicht aus der Welt zu schaffen.— Was die Resolution Kautsky anbelangt, bedauere er, daß deren letzter Teil von Kautsky schließlich zurückgezogen worden sei.— Die Resolution v. Elm zur Angelegenheit der Lokalisten bekämpft Redner ent- schieden. Es ginge nicht an, die radikalen Elemente aus der Partei zu drängen, während man dem rechten Flügel oen„denkbar weitesten Spielraum gewähre. Die Zeit bis zum nächsten Jahre müsse zu crnstbafter Vermittelungsarbeit ausgenützt werden. Fischer polemisiert gegen Zubeil. Dieser habe vor einiger Zeit mit Bezug aus den Massenstreik gesagt, man dürfe den Gegnern nicht verraten, welche Mittel wir /einmal anzuwenden gedächten. Das sei auch der Standpunkt der Gewerkschaftsführer.— Die Resolution v. Elm sei sicher nicht ir der Absicht eingebracht worden, nun sofort die Lokalisten auszuschließen. Eine Einigung, nämlich der Uebertritt in die Zentralorganisationen, müsse aber endlich einmal erfolgen.— G o l I m i ck vermißt in dem Bericht Thiels einen Hinweis auf den Antrag Teltow -Becsiow bezüglich der Aendcrung des Ausschlußverfahrens; dieser Antrag hätte auf dem Parteitag entschieden vertreten werden müssen.— Redner steht zwischen der Kölner und Jenaer Resolution keinen Widerspruch.— Die Lokalisten hätten keine stichhaltigen Gründe für ihre Sonder- bestrebungcn; ihre Lrganisationsform unterscheide sich kaum noch von den Zcntralverbänden.— W i c z o r e ck bekämpft die auf Ausschluß der„Anarcho- Sozialisten" hinauslaufenden Bestrebungen und verteidigt die Haltung der..Einigkeit'.— C a s p e r weist zunächst zurück, daß der Genossin Luremburg immer wieder der„Sisvpbus"-Artikel in die Schuhe geschoben werde; es sei schon oft festgestellt, daß der- selbe nicht von ihr herrühre.— Was die Gewerkschaften anbetreffe. so müßten die Mitglieder selber dafür sorgen, daß ein anderer Geist einzöge: mit dem Beitragzahlen allein sei es nicht getan.— Weiter müsse dafür gesorgt werden, daß die persönlichen Zänkereien und Streitereien aufhörten.— Krabe! ist mit der Erledigung der Massenstreikfrage auf dem Parteitage nicht einverstanden; man habe den Gewerkschaftsführern zu viel Konzessionen gemacht. Die Annahme des Amendements Bebel— Legten sei un- verständlich.— Redner zweifelt, ob den von Bömelburg abgegebenen Versicherungen nun auch die Tat folgen werde.— Die Handlungs- weise der Lokalistcn stehe zu ihren Prinzipien sehr oft im Wider- spruch; trotzdem sei er gegen den Ausschluß.— Redner geht dann noch aus das Verhältnis der Gewerkschaftsführer zu den Mit- gliedern ein. Die Mitglieder müßten die treibende Kraft sein, die ihre Fübrer vorwärts drängt. Ebenso mühte die Haltung der Gewerlschattsblätter von den Mitgliedern in ihrem Sinne becin- flußt werden. Angesichts der Stellung der Gewerkschaftsführer namentlich in der Maifeierfrage sollte man die Delegierten stets mit gebundenen Mandaten vcriehen.— Als letzter Redner sprach Meyer, der dem Zusammenschluß der Gewerkschaften das Wort redete.— Nach einem kurzen Schlußwort erfolgte die Abstimmung über die zwei vorliegenden Resolutionen. Die ein« davon bemängelt die Annahme des Amendements Bebel— Legten und spricht sich für die ursprüngliche Resolution Kautsky aus; dieselbe wurde mit großer Majorität abgelehnt. Dagegen erfolgte die Annahme der folgenden Resolution mit großer Mehrheit: Die Versaimmlung erklärt sich mit den Beschlüssen des Parteitages in Mannheim einverstanden und verpflichtet die Mitglieder, für die Durchfübrung der Beschlüsse zu wirken.— Mit einem kurzen Hinweis des Vorsitzenden auf den Extra- zahlabend am 23. Oktober wurde die Versammlung geschlossen SericKts- Deining . Kantinenwirt wegen Totschlags unter Anklage. In dem Prozeß vor dem Schwurgericht gegen den Kantinenwirt Wilde wurden gestern die medizinischen Sachverständigen ver- nommen. Dr. Horwitz, seit 9 Jahren Hausarzt des Angeklagten, sprach seine Ansicht dahin aus, daß Wilde die Tat in einer tempo- raren Trübung der Geisteskräfte begangen habe. Dieselbe Ansicht vertrat der Nervenarzt Dr. P l a c z e k. Er führte aus, er müsse von vornherein die Auffassung ablehnen, als handele es sich hier um die Annahme einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit. Nur die Feststellung des Seelenlebens des Angeklagten im Moment der Tat komme hier in Frage. Hierfür matzgebend sei zunächst die Tatsache, daß nach Berechnungen des Gcrichtschemikers Dr. Jeserich der Airgeklagte in wenigen Stunden zirka 500 Gramm Alkohol zu sich genommen habe. Wer wissen- schaftlich die Wirkung von nur kleinen Mengen, etwa 10—30 Gramm, auf den Menschen erprobt habe, könne nicht erstaunt sei. wenn bei derartigen enormen Quantitäten eine Be- wußtseinstrübung durch einen Rauschzustand entstehe. Dieser pathologische Rauschzustand habe sich auch in dem ganzen Verhalten des Wilde vor und nach der Tat wiedergespiegelt. Vorher die explosivarttae Entladung einer geringen Erregung und nachher die Fassungslosigkeit. Ernüchterung und lückenhafte Erinnerung an die Geschehnisse. Aus diesen Zustand passe der Begriff der„Bewußt- losigkeit" des§ 51 Str.-G. B., denn die Motwe zu diesem Para- graphen nennen ausdrücklich die Trunkenheit als vorübergehende Bewußtseinstrübung. Mit einer anGewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit müsse daher der Z 51 in Anwendung kommen. Den entgegengesetzten Standpunkt vertreten Prof. Dr. Kö pp en aus der kgl. Charits und der Gerichtsarzt Dr. Stürmer. Sie begründen eingehend ihr Gutachten, da» mit der Ansicht abschloß. daß von einem„krankhasten Rauschzustand" im Sinne des K 51 Str. G.-B. nicht die Rede sein könne. Die Staatsanwaltschaft trat für Schuldspruch, die Verteidigung für Freisprechung ein. Die Ge- fchworenen gaben ihren Wahrspruch für mchtschuldig ab. Das Gericht sprach darauf den Angeklagten frei. Antomobilopfer. Wegen fahrlässiger Tötung ist am 16. Mai vom Landgericht Wiesbaden der Privatier Wilhelm Kröll zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Am 22. Juli 1905 hatte der 12jährige M. auf dem Felde gearbeitet und siihr abends auf seinem Rade wie gewöhnlich nach Haute. Ein Erntewagen wurde von ihm überholt. Als er in der Höhe des Pferdes war, wurde er von dem Automobil des Angeklagten, der eS selbst führte, von hinten überfahren. Der Angeklagte fuhr weiter. Der Knabe starb an demselben Abend an Hirnquetschung infolge des Sturzes. Der Knabe war von einem Seitenwege gekommen, aber schon eine Zeit lang auf der Chaussee gefahren, als der Angeklagte ihn umfuhr. Der Angeklagte hätte ihn sehen müssen und würde das Automobil noch einige Meter vor dem Radfahrer haben zum Stehen bringen können. Die fragliche Stelle war nicht als unübersichtlich zu bezeichnen. Der Angeklagte mußte damit rechnen, daß neben dem Lastwagen ein Fuhrmann ging, der auch einmal ein wenig nacki links trar, oder daß Seitenwege vorhanden waren, von denen Personen auf die Chausseß kommen könnten. Der Angeklagte hat nicht sorgfältig be- obachtet und eine gefährliche Stelle zu schnell durchfahren. Darin besteht seine Fahrlässigkeit, die den Tod verursacht hat.-- Die
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