worden find. Und wie antwortete der„Korrespondent"? Stänker,Hetzer usw." Man nutsj den durchaus lobenswerten Korpsgeist derBuchdrucker kennen, um zu begreifen, was es bedeutet, das; dieseWorte in einer überfüllten Buchdruckerversammlung gesprochen werdenkonnten, und noch mehr, das; in diesem Kampfe zwischen„Korrespondent"und„Vorwärts" der letztere allen Beifall fand, das Buchdruckerorganaber heftige und einstimmige Verurteilung erfuhr. Dann sprachDublin. Der Vorsitzende wollte ihm das Wort außer der Reihegeben: aber die Versammlung verlangte stürmisch, das; er sich indie Rednerliste eintragen lasse und in der geschäftsordnungs-mäßigen Reihe rede. Das durch alle Vorlonimnisse derletzten Zeit geweckte demokratische Gefühl der Masse empörtesich gegen alles, was entfernt nach Autokratie aus-sah. Aber dann verzichteten ihrer acht Redner zugunsten D ö b l i n saufs Wort, obgleich sie im Rededuell seine Gegner waren. Mehrfach,namentlich im Anfang unterbrochen, konnte er sich aber bald Geltungverschaffen. Und als er endete, spendete man dem guten Rednerund dem Verbandsvorsitzenden einen Achtungsbeifall. Erreichentonnte jedoch der Redner nichts. Obgleich der Eindruck seiner Aus-führungen durch noch zwei andere Redner nicht verwischt zu werdenvermochte, nahm die Versammlung eine Resolution an, welche dieZirkus-Resolutton unterschreibt und enieut die Einberufung einer General-Versammlung verlangt. 3 bis S Stimmen waren nur dagegen.Und einstimmig beschloß man eine Aufforderung an die Kollegen-schaft, ebenfalls auf Einberufung einer Generalversammlung zudringen.— Dem Votum einer Generalversammlung, erklärten dieBerliner Buchdrucker, werden wir uns fügen; aber solange durchdiese nicht die Gesamtkollegenschast gesprochen hat, halten wir anunserer Opposition fest IEue der Partei.Auf vierzig Jahre Arbeit in der Arbeiterbewegung konnte gestern,um 25. Oktober, seinem sechzigsten Geburtstage, der Genosse AugustKühn in Langenbielau zurückblicken. Möge der verdienteKämpfer, der im Reichstage für Reichenbach-Neurode und im Langen-bielauer Gemeinderate für die Arbeiterschaft wirkt, noch recht langeseine Kräfte der Partei widmen.Bonden Organisationc». Der Ortsverein Braunschweighat das zweite Tausend Mitglieder überschritten.Vom Fortschritt der Presse. Die„Volkszeitung" zuDüsseldorf wird seit einigen Tagen auf der Notationsmaschinegedruckt und erscheint täglich achtscitig.Bildungsbcstrcbungen. Die organisierte Arbeiterschaft Wil-helmsburgs und N e u h o f s(bei Harburg) hat einen Bildungs-ousschuß eingesetzt. Für diesen Winter ist eine Anzahl Abende, andenen wissenschaftliche und künstlerische Darbietungen gegeben werdensollen, in Aussicht genommen. Auch für den Besuch der Kunsthalleund des Natcirhistorischcn Museums in Hamburg hat der AusschußSorge getragen.Einer vom Rcichsverband zur Verleumdung der Sozialdcmo-kratic. Zu der Mitteilung des„Vorwärts" über die Tätigkeit einesHerrn Rudolf L e b i u s für den Reichsverband schreibt die„Sächs.Arbeiterzeitung":„Herr Leb ius, der einige Jahre in Dresdenlebte und hier so tat, als sei er Sozialdemokrat, ist glücklich bisauf den Handlanger des Rcichsverbandes zur Bekämpfungder Sozialdemokratie heruntergekommen.... In Dresdensuchte er innerhalb der Partei als Mann der Feder nicht nurgute Geschäfte zu machen, sondern er strebte auch nach„Aemternund Würden". Er beniühte sich krampfhaft, aber vergeblich, Einflußin der Partei zu gewinnen. Man traute dem Herrn hier von vorn-herein nicht recht. Das gefiel ihm natürlich nicht. Eines schönenTageS erklärte er mit großer Wichtigkeit seinen Austritt aus unsererPartei— er wurde, wie er selbst sagte, nationalsozial und gab einWochenblatt,„Die Sachscnstimme", heraus, das stark in Sensation zumachen versuchte, aber ganz unbedeutend und einflußlos blieb. SeineProtektoren rückten infolgedessen bald von Herrn LebiuS ab, der sichnun nach bekanntem Muster darauf verlegte,„Enthüllungen" über dieSozialdemokratie zu bringen. Kein Mensch in bürgerlichen Kreisen gingaber auf diesen Leckerbissen ein, die„Enthüllungen" blieben gänzlichunbeachtet. Der Mensch ließ dabei übrigens seiner Rache gegen einigeihm stets unbequem gewesene bekannte Genossen freien Lauf. Ausdem Nationalsozialen wurde ein von Gott und aller Welt im Stichgelassener und mgteriell völlig abgewirtschafteter Renegat. Spurlosverschwand Lebius aus Dresden, bis man ihn später in denSpalten bürgerlicher Blätter wieder auftauchen sah.Daö ist der Mann, der nun dem Reichsverband, wie es scheint,seine schätzbaren Dienste angeboten hat. Für ihn hat diese Stellungnatürlich lediglich materielle Bedeutung. Herr Lebius hat bewiesen,daß er für Geld alles kann und alles will.poliseiliches, Gerichtliches ulw.Straskonto der Presse. Zu 200 Mark Geldstrafe verurteilte diezweite Strafkammer zu Magdeburg den Genossen W i l l m a n ckvon der Magdeburger„Volks stimme" wegen Beleidigung desKommandeurs des dortigen Trainbataillons. Dem Major war vor-geworfen worden, daß er übermäßigen Dienst ansetze.Zu drei Monaten Gefängnis wurde von der Straf-Jammer zu Erfurt der Genosse v. L o j e w s k i wegen Beleidigungeines Pfarrers verurteilt. Es war eine Grabrede des Pfarrerskritisiert worden, die von den Teilnehmern am Begräbnis nicht alströstend, sondern als verletzend empfunden worden war.Stistsoberm v.Heusler unschuldig ins Zuchthans grschickt?Gestern begann vor dem oberbayrischen Schwurgericht in Münchendas Wiederaufnahmeverfahren gegen bie Stiftsoberin v. Heusler.Am?. März 1903 wurde die damals 54 Jahre alte Vorsteherindes Maximilians-Waisenstifts in München Elise von Heuslervom oberbayrischen Schwurgericht wegen eines Verbrechens derKörperverletzung und Giftmordversuchs, begangen an ihrem Dienst-mädchen Minna Wagner, zu sechs Jahren Zuchthaus und10 Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Fall selbst erregte seinerzeitallgemeines Aufsehen, weil Frl. v. H e u s l e r als eine äußerstfromme und eifrige Kirchenbesucherin galt und sich hoher Protekttonerfreute, und weil die Verurteilung zu 6 Jahren Zuchthaus aufGrund von Indizienbeweisen erfolgte und Frl. v. Heuslerbis zur Stunde konstant ihre Unschuld beteuerte.Fräulein v. Heusler hatte von der Strafe drei Jahrei m Z u ch t h a u s e z u W ü r z b u r g v e r b ü ß t. Die KronzeuginMinna Wagner ist inzwischen verstorben, zwei Tage nach ihremTode am 26. Juli v. I. gab das Oberste Landesgericht einer Be-schwerde des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. v. P a n n w i tz gegeneinen abweisenden Beschluß des Landgerichts München I statt undordnete auf Grund der vorgebrachten neuen Tatsachen über dieCharaktereigenschaften der verstorbenen Hauptzeugin Minna Wagner.die in der damaligen Verhandlung nicht bekannt wurden, dieWiederaufnahme des Verfahrens an. Die Ver-teidigung, fagt der Wiederaufnahmebeschluß, habe Beweismittel da-für beigebracht, daß die Wagner eine trunksüchtige, lügnerische, zuhetzerischem Tun und Verstellung geneigte Person sei, der keinGlauben beizumessen sei. auch wenn sie ihre Aussage unter Eidmache und die fähig sei. sich selbst ein Leid anzutun, um andere inVerdacht zu bringen. Es sei ihr auch zuzutrauen, daß sie sich selbstSalzsäure in den Kaffee hineingetan habe. Die Charakter-eigenschaften seien die Folge einer schweren Hysterie,die bereits während der ersten Verhandlung bestanden habe.� DieserBeweis, so führt der Beschluß aus, sei geeignet, die Aussage derWagner in einem anderen Lichte darzustellen. Es seien damit neueTatsachen und Beweismittel vorgebracht, welche geeignet wären, beieiner erneuten Verhandlung die Freisprechuüg der Heusler herbei-zuführen. Am 10. November v. I. wurde die Heusler einstweilenauf freien Fuß gesetzt.Gestern begann nun die neuerliche Verhandlung bor demSchwurgericht, für die sechs Tage angesetzt und etwa hmidcrt Zeugenund sechs Sachverständige geladen sind. DieVorgeschichte dieses Prozessessei kurz auf Grund der damaligen Anklage und der Bekundungender Wagner rekapituliert.Die nunmehr verstorbene Minna Wagner trat im Jahre 1891im Maximilians-Waisenstift, einer vom König Max IL gegründetenVersorgungsanstalt für unversorgte Beamtentöchter, mit dessenLeitung die Angeklagte v. Heusler betraut war, in Stellung.Die Heusler soll anfangs für das Mädchen sehr eingenommen ge-wesen, der Verkehr zwischen dem Dienstmädchen und der Vorsteherinein derart vertraulicher gewesen sein, daß Frl. Heusler dem Mädchenverschiedene Jmernas anvertraute. Diese Sympathie schlug aberalsbald ins Gegenteil um. Am 20. Juli 1902 wurdeder Vorsteherin v. Heusler gemeldet, daß aus dem Biervorrat imKeller drei Flaschen entwendet wurden, v. Heusler lenkte den Ver-dacht sofort auf das Dienstmädchen Wagner, eS kam zwischen denbeiden zu einem heftigen Auftritt, worauf daS Dienstmädchen miteiner Beschwerde beim Ministerium drohte. Die Heusler soll ge-fürchter haben, daß die Wagner über die ihr anvertrauten Jnternasim Ministerium berichten könnte. Ein anderes Dienstmädchennamens Sgoff beauftragte die Heusler, der Wagner nahezulegen,sie möge den Dienst sofort verlassen, was die Sgoff aber ablehnte.Hierauf habe die Heusler die übrigen Dienstboten gegen dieWagner aufzuhetzen gesucht und, als auch dies mißlang, soll dieHeusler, wie die Anklage behauptet, den teuflischen Plan gefaßthaben, die ihr verhaßte Wagner durch Gift aus demWegezu räumen.Am Nachmittage des 20. Juli 1902, einem Sonntage, trank dieWagner ihren Kaffee in der Küche; ihrer Gewohnheit entsprechend,trank sie den Kaffee nur bis zur Hälfte aus, den Rest bewahrte siesich immer für abends auf. Die Stiftsvertreterin wußte, daß dieWagner ihre Tasse mit einem blau-weißen Bändchen gezeichnet hatte.Als abends die Wagner einen kräftigen Schluck aus der Tasse nahm,mußte sie sich alsbald nach dem Genutz erbrechen. Die Wagner ließdie Köchin Schwarz ebenfalls verkosten, auch diese verspürte soforteinen Brechreiz. Trotzdem die Wagner die ganze Nacht sich erbrechenmußte, versuchte sie am anderen Morgen doch ihre Arbeit zu ver-richten. Als die Heusler um 7>/r Uhr von der Kirche zurückkehrte,soll auftallenderweise ihre erste Frage gewesen sein:„Was machtdenn die Minna?" und auf die Antwort der Köchin, daß dieseim Speisesaal arbeitete, meinte die Heusler ganz verwundert:„Ichdachte, sie liegt im Bette?" Da sich bei derWagner Blutbrechen einstellte, ordnete ein herbeigerufenerArzt die sofortige Ueberführung des Mädchens nach demKrankenhause an. Als davon die Heusler erfuhr, soll sie die auf-fallende Aeußerung getan haben:„Sie hat gewiß Salz-säure in ihren Kaffee getan, damit sie fortkommt."Eines der Mädchen hat hierauf den Rest des Kaffees in ein Medezin-glas abgefüllt und der Wagner den Rat gegeben, den Inhalt imKrankenhanse untersuchen zu lassen. Die Angeklagte V. Heuslersoll sich energisch bemüht haben, dieses Fläschchen an sich zu reißen.Die Untersuchung ergab, daß dem Kaffe tatsächlich Salzsäurebeigemengt war. die in der Mundhöhle, der Speiseröhre undim Magen Verätzungen verursachte.Die Angeklagte v. HeuSler best reitet nach wievor jede Schuld und behauptet, daß die Wagner, dieeine boshafte, racb süchtige Person gewesen sei,sich die lz säure selbst dem Kaffee beigemengthabe, um sich an ihr zu rächen.Vernehmung der Angeklagten.Die Angeklagte versichert unter Tränen, daß sie unschuldig sei.Sie sei die Tochter eines Oberförsters aus Cham, der eine linder-reiche Familie hatte. Nach dem frühen Tode des Vaters kam siemit 8 Jahren in ein Kloster, wo sie bis zum 12. Jahre die Kloster-schule besuchte. Später sei sie als Haushelferin immer in ab-hängigen Stellungen gewesen, bis sie dann ins Maximiliansslistkam, wo sie zuletzt mit der Leitung bettaut wurde.— Ueber dieVerwaltung des Stiftes gibt sie an, daß sie drei Dienstboten gehabthabe, darunter die Minna Wagner, mit der sie anfangs ganz zu-frieden gewesen sei, aber später schlechte Erfahrungen gemacht babe,weil sich herausstellte, daß diese trank. Sie hatte anfangs die Bier-rechnung unter sich; als aber eines Tages 30 bis 40 über-z ä h l i g e Flaschen waren, nahm ich sie ihr ab. Später bei einerneuen Zählung stellte sich heraus, daß wiederum drei Flaschenfehlten. Von den anderen Dienstboten wurde mir gegenüber derVerdacht ausgesprochen, daß die Wagner sie genommen haben könnte.Schließlich fehlten bei einer wiederholten Kontrolle im Kellerwiederum volle Flaschen, dafiir aber fanden sich 73 leerezu viel. Ich schickte zum Wirt herüber und er ließ mir sagen, daßtäglich 6 bis 8 Flaschen geholt worden seien. Deshalb machte ichmir der Minna Wagner Krach und sagte, es sei jetzt genugmit der Sauferei, ich duldete das nicht länger. Die Wagnerbestritt, daß sie das Bier getrunken hatte. Es konnte aber keineandere gewesen sein.— Vors.: Sie sollen der Wagner auf IhremZimmer Vorhaltungen gemacht und diese soll Ihnen darauf gedrohthaben, zum Ministerium des Innern zu gehen und mit dem Referentenüber Sie zu sprechen.— A n g e k l.: Das ist nickt wahr! DieWagner ist überhaupt nie in meinem Zimmer gewesen.— Vorl.:Sie sollen vom Ministerium schon vorher einige Verweise er-halten haben.— A n g e k l.: Durchaus nicht, höchstens einigeErinnerungen.— Vors.: War Ihnen nicht auch schon mit der Entlassunggedroht worden?— Aug e kl.: Nein, das bestreiteich ganz entschieden.—Vors.: Wenn die Wagner Beschwerde gegen Sie eingereicht hätre,hätten Sie dann Ihre Entlassung befürchten müssen?— Angekl.:Durchaus nicht.— Vors.: Sie sollen aber an demselben Vor-mittags zu dem Dienstmädchen Stoff gesagt haben, sie solle derWagner zureden, daß sie lieber selb st kündigen möchte.—A n g e k l.: Das ist richtig, so wäre es mir lieber gewesen.—Vors.: Die Stoff soll sich aber geweigert haben, das zu tun, unddaraufhin sollen Sie weiter zu ihr gesagt haben: Was kann man nurtun, um die Wagner wegzubekommen.— Angekl.: Dessen erinnereich mich nicht.— Vors.: Sie sollen aber noch hinzugesetzt haben:Wenn die Wagner nur krank würde, dann würde ich Sie wenigstenslos.— Angekl.: Ich kann mich wirklich nicht entsinnen,irgend eine derartige Aeußerung getan zu haben.— Vors.: Siesollen aber ganz blaß ausgesehen haben, als die Wagner Ihnendrohte, in das Ministerium zu gehen und sich über Sie zu be-schweren, weil Sie sie in Diebstahlsverdacht gebracht hatten.—Angekl.: Das bestreite ich ganz entschieden. Au dem fraglichenSonntagnachmiltag ging ich um 3 Uhr auf den Friedhof, und vorherhat die Stiftsdame Neubecker mir gesagt,die Wagner hätte in der Küche gedroht,sie werde mir noch etwas antun, woran ich mein Lebtag denkenwürde. Vom Ministerium war gar nicht die Rede gewesen.—Vors.: Was taten Sie, bevor Sie auf den Friedhofgingen?— Angekl.: Ich schloß zunächst den Abort ab.—Vors.: WeShalb das?— Angekl.: Er war in den letzten Tagenmehrmals beschmiert worden und wir hatten die Wagner im Ver-dacht. Ich fürchtete nun. daß sie es wieder tun würde, weil sie amTage Verdruß gehabt hatte.— Vors.: Stand nicht auf dem Abortauch eine Flasche Salzsäure?— Angekl.: Ja.— V o r s: Woblieb der Schlüssel? � Angekl.: In meinem Zimmer.— Vors.:Und auch dieses war abgesperrt, als Sie weggingen.— Angekl.:Ja, das tat ich ganz regelmäßig, wenn ich das Haus verließ, schondamit die Dienstboten in meinem Zimmer nicht herumschnüffelten.Am Sonnlag hatten die beiden anderen Mädchen Ausgang, undnur die Wagner hatte Dienst? Hatten Sie bemerkt, daß an derTasse der Wagner ein blaues Bündchen war?— Angekl.: Nein,ich war gar nicht in der Küche gewesen. � Vors.: Die Wagnerhat aber früher ausgesagt, daß Sie ihre Tasse genau gekannt hätten.— Angekl.: Ich habe erst nach dem Vorfall erfahren, daß dieTasse der Wagner von den anderen Dienstboten gezeichnet wordenwar, weil fie sich wegen des wehenMundes, dendieWagner hatte, vor ihr ekelten.--Vors.: Sie wollendas also erst nach dem Vorfall erfahren haben. Sie sollen sichaber schon einige Tage zuvor nach dem blauen Bändchen an der Tasseerkundigt haben?— Angeklagte: Das ist nicht wahr,das ist eine Lüge der Wagner.— Rechtsanwalt v. Pannwitz:Diese Behauplung, daß die Angeklagte sich nach dem„blauenBändchen" erkundigt haben soll, ist nur von der Wagner aufgestelltworden.— Staatsanwalt Held: Die Tasse stand auf der An-richtung und diese direkt an der Küchentür, an der die Angeklagtedoch unzähligemale vorüberging.— Angekl: Das ist wohl richtig,aber ich habe nicht darauf geachtet.— Vors.: Sagen Sie mir nunaufrichng: haben Sie die Salzsäure in die Tasse der Wagnerhineinge'tan oder nicht?— Angekl.: Nein, ich habe es nichtgetan IIch bin unschuldig!Vors.: Wer soll es denn sonst gewesen sein?— Angekl.:Ich glaube, die Minna Wagner selbst. Sie wollte mir einen Possenspielen.— Vors.: Als Sie nun um 6 Uhr von dem Friedhofzurückkamen, wer öffnete Ihnen da?— Angekl.: Die Minna Wagner.Ich sperrte dann zunächst den Abort auf und da es hineingeregnethatte, sagte ich ihr, sie sollte aufwischen.Es wird dann auf die Vorgänge bei der Vergiftung selbst ein-gegangen. Gleich nach der Rückkehr der Angeklagten, kurz nach6 Uhr, hatte die Wagner den Kaffee getrunken, nach dessen Genußsich die Vcrgiftungserscheinungen einstellren. Die Augeklagte gibtdazu an, Minna Wagner habe zunächst nur gesagt, der Kaffeehabe schlecht geschmeckt. Sie habe aber im übrigen gut aus-gesehen und es sei ihr nichts anzumerken gewesen.—Vors.: Am nächsten Morgen sollen Sie aber um 6 Uhr frühheruntergekommen sein und die anderen Mädchen gefragt haben,was denn die Minna mache. Als die Stoff erwiderte, sie sei imSpeisezimmer, sollen Sie erstaunt ausgerufen haben: So I So!—Angekl.: So kann ich das gar nicht gesagt haben. Wenn ich michwirklich nach der Minna erkundigt habe, so hatte ich nicht ihr Be-finden im Äuge, sondern wollte wiffen, was sie täte.— Vors.:An die Salzsäure haben Sie nicht gedacht?— Angekl.: Nein.—Vors.: Den anderen Mädchen ist aber Ihre Aeußerung auf-gefallen. Welchen Anlaß konnten Sie denn auch haben, früh um6 Uhr zu ftagen. ob die Wagner noch im Bette sei?— Die An-geklagte gibt weiter an, daß sie dann in die Kirche zur Messegegangen sei. Als sie um 7 Uhr zurückkam, traf sie den Holz-macher Deurer vor der Haustür, der habe ibr gesagt,daß der Sanitätswagen geholt worden sei, eines der Mädchen imHause sei krank geworden.— Vors.: Der HolzmacherDeurer sagt anders aus, er habe gar nicht gewußt, werkrank sei und Sie hätten sofort von einem Dienstmädchen ge-sprochen.— Angekl.: Da muß sich der Deurer irren. Als ichan die Tür kam, lraf ich das Stiftsfräulein Lötz, die zumir sagte: Hier geht es ja schön zu, die Minna hat Erbrechen, esgeht ihr sehr schlecht, seit sie den Kaffee gelrunken hat, es mußetwas Schädliches darin gewesen sein. Wir haben ihr Milch gegebenund den Arzt geholt. Ich sagte sofort, weshalb man mich dennnicht zuerst geholt habe, worauf sie erwiderte, das Mädchen hat nachdem Arzt verlangt und nicht nach Ihnen.— Vors.: Sie sollensehr aufgeregt und bestürzt gewesen sein.— Angekl.: Mir gingalles mögliche durch den Kopf. Der Verdruß, den ich amTage vorher mit der Wagner gehabt hatte, ihre Drohungenund der Aerger, daß man mich nicht gerufen hatte.Ich dachte mir gleich, daß es sich um ein Komplott der Dienst-mädchen handelte, und kam auf den Gedanken, daß die MinnaWagner sich selbst die Salzsäure in den Kaffee getan haben könnte.Ich ging dann die Treppe hinauf und ftagte den Dr. Eisenberger,der schon bei der Mnna gewesen war.— Vors.: Sie sollen sofortzum Dr. Eisenberger gesagt haben, eS hat gestern Krach mit derWagner gegeben, sie wird sich doch nicht etwas in den Kaffee hinein-getan haben.— Angekl.: Das war meine Auffassung; weil maninich nicht gerufen hatte, sondern den Arzt, dachte ich an ein Kom-plott.— Vert. v. Pannwitz bittet au die Angeklagte die Fragezu richten, ob nicht zwischen ihr und dem Stistsfräulein Lötz großeFeindschaft bestanden habe.— Angekl.: Ja. Fräulein Lötz hatbei Tischunanständige Gesprächegeführt und das hatte ich ihr verboten. Sie hatte mir dann ge-droht, sie sei so rachsüchttg, daß sie jemanden gleich ins Zuchthausbringen könne.— Vors.: Was waren denn das für Gespräche, dieda bei Tisch geführt wurden?— Angekl.: Frl. Lötz sagte, siewürde es als eineSchande bewachten, wenn fie noch Jungfrau wäre.WaS sie sonst noch sagte, war so unanständig, daß ich es garnicht wiedergeben kann. Die Angeklagte weigert sich dann, nähereAngaben über diese Gespräche zu machen.— Vert. v. Pannwitzgibt sie wieder. Es handelt sich da umManipulationen, die Fräulein Lötz mit einem Herrn, den fiegepflegt haben will, vorgenommen haben will.Sie lassen sich im einzelnen nicht wiedererzählen.— Staats-anwalt: Jetzt glauben Sie also, daß Fräulein Lötz mit denMädchen im Komplott gewesen ist?— Angekl.: Jawohl, daS warsie, sie war mit dabei.— Vors.: Als Sie die Treppe zumKrankenzimmer hinaufgingen, sollen Sie dem Dienstmädchen Stoffbegegnet sein.— Angekl.: Das ist möglich, ich weißes' aber nicht mehr.— Vors.: Sie sollen sofort zu der Stoffgesagt haben, sie wird sich Salzsäure hineingetan haben, um sichetwas anzutun. Dabei soll zum erstenmal das Wort Salzsäure ge-fallen sein.— Angekl.: Davon weiß ich nichts.— Vors.: Siesollen weiter gesagt haben, jetzt war ich in der Kirche und habeschön andächtig gebetet: Herr Gott, wie Du willst I Jetzt ist eSschon heraus.— Angekl.: Wenn ich das gesagt haben sollte, sohatte es jedenfalls einen ganz anderen Sinn.— Vors.: Dr. Eisen-berger sagte dann, die Minna müßte ins Krankenhaus. Wurdedabei nicht auch von dem Kaffee gesprochen?— Angekl.: Ja.Dr. Eisenberger sagte, das Mädchen wollte den Kaffee untersuchen lassenund ich habe nichts ioeiter dazu gesagt.— Vors.: Nachdem derSanitätsrat kam, sollen Sie hinaufgegangen sein und von derWagner verlangt haben, daß sie den Kaffee herausgebe. Sie sollensogar versucht haben, ihr die Tasse aus der Tasche herauszureißen.— Angekl.: Das ist eine furchtbare Lüge der Wagner.—Vors.: Sie sollen gesagt haben, sie komme nicht eher aus demHause heraus, als bis sie ihn herausgegeben habe.— Angekl.: Das istdie größte Lüge, die je ausgesprochen worden ist.— Vors.: Öineiianderen Zeugen als die Wagner haben wir allerdings nicht dafür.—Angekl.: Ich habe ja die Wagner gar nicht mehr in ihrer Kammer auf-gesucht.— Vors.: ES soll dann am Abend noch ein weiteres Ge-Ipräch zwischen Ihnen und Fräulein Lötz stattgefunden habe».—Angekl.: Ja, die Lötz kam zu mir aufs Zimmer und da sagte ichzu ihr, ich sei im Krankenhause bei der Minna gewesen. Dr. Eisen-berger meine, sie habe sich wohl nur berühmt machen wollen. Ineinigen Tagen werde sie wieder gesund setzt. Darauf erklärte dieLötz': Wenn das nur nicht anders kommt, schließlich sind Sie es nochgewesen I. Darüber war ich sehr aufgebracht und erklärte, daß ich mirdas nicht mehr gefallen lassen würde.— Vors.: Die Lötz sagte aberanders. Sie sagte, Sie hätten geäußert: Die bringen es schließlichdoch noch heraus, daß ich es gewesen bin.— Angekl.: So wiei ch es gesagt habe, ist es richtig.— Vors.: Die Lötz ist eidlichvernommen worden. Sie gibt an, daß sie erst vom Krankenhaus-arzt erfahren habe, daß die Wagner Sie verdächtigte. Sie sagtenvorhin selbst, daß Sie gleich ein Komplott vermuteten.— Angekl.:Ein Komplott wohl, aber ichglaubtenicht, daß die Gemeinheit so weitgehenwürde.Der Vorsitzende hält dann der Angeklagten eine Reihe vonhäßlichen Aenßernugenvor, die sie nach den Angaben der Wagner über andere Sttftsdamengemacht haben soll. So soll sie der Wagner empfohlen haben,„einaltes Stiftsfräulein auf den Abort niederzustoßen, daß sie verrecke".Eine andere Sliftsdame soll sie„altes Mensch" genannt haben undeinem Fräulein v. Lützelburg nachgeredet haben, daß sie es mit