Rechtsdrehung 90°Linksdrehung 90°
 100%
 100%
 0%
 0%
 0%
 
Einzelbild herunterladen
 

Nr. 250. 23. Jahrgang. 2. Kti>M Ks Jotiüärts" Inlinct NsiksdiM Freitag, 26. Oktober 1906, Kommunales» Stadtvcrordnctcn-Vcrsammliing. 81. Sitzung vom Donnerstag, den. Oktober, nachmittags 6 Uhr. Der Vorsteher Dr. Langerhans eröffnet die Sitzung gegen bl/2 Uhr. Den Ausschuhbericht über die Vorlage wegen Errichtung eines Denkmals für den Staatskanzler F ü r st c n v 0 n H a r d e n- b e r g auf dem Dvnhoffplatze erstattet Ttadtv. M i ch e l e t(Fr. Fr.) Nach langen Beratungen und nach vorgenommener Besichtigung der evenl. für die Aufstellung geeigneten Stätten am Dvnhvffplay und auf dem Gendarmeninarkt ist der Ausschuh schliehlich doch auf den Magistrats- Vorschlag(Südseite des Tönhoffplatzes, Front nach der K r a u s e n st r a h e) zurückgekommen. Die Kosten für die nötige Umgestaltung der Schmuck- und Wegcanlagen betragen 5200 Mark, wovon die Hälfte vom Denkmalskomitee erstattet wird. Ohne Diskussion entscheidet die Versammlung im Sinne der Ausschuhmehrheit. Zur Beseitigung des Engpasses in der Alten Jakobstrahe soll jetzt auch eine Fläche von 118 Quadratmeter vor dem Grundstück Str. 22 für den Preis von 250 M. pro Quadrat­meter freihändig erworben werden. Zur Freilegung der Strohe 18a, Abt. des Be­bauungsplanes, die einen unmittelbaren Zugang von der Müller- strahe her zum Virchow-Kranken Hause bildet, soll die vom Grundstück Müllerstr. 144(dem Landwirt Jean Chartron gehörig) er- forderliche Fläche von 1308 Quadratmeter enteignet werden. Beiden Magistratsanträgen gibt die Versammlung ihre Zu- stimmung. Die Bespannung, Bedienung und Unterhaltung der städtischen Kehrmaschinen will der Magistrat für die zwei Jahre ab 1. April ILO? bis 31. März 1909 den bisherigen Unternehmern (A. Brehm und Gebr. Krause und Firma Buchholz u. Scheller) über- tragen. Am 31. März 1909 läuft auch der die Kehricht- und Schnee-Abfuhr betreffende Vertrag ab; vom 1. April 1909 wäre dann die Möglichkeit gegeben, durch eine entsprechende Ausschreibung eine ordnungsmäßige Ausnutzung der laufend bezahlten Bespannung zu ereichen, lvas jetzt nicht der Fall ist. Für die kommenden zwei Jahre fordern die Unternehmer 8,50 M. pro Maschine und Tag statt des geltenden Satzes von 6,507 M.; der Magistrat will diese Erhöhung zu- gestehen, um eine Garantie für einen befriedigenden Betrieb zu ge- Winnen, der seit 1904 sehr viel zu wünschen übrig gelassen hat. Ohne Debatte gelangt der Magistralsvorschlag zur Annahme. Auf dem F a l k p l a tz e- sollen gärtnerische Anlagen hergestellt werden. Vorgesehen ist auch ein grohcr Spielplatz von 6000 Quadrat- meter zur allgemeinen freien Benutzung, der mit Rasen belegt werden soll. DieDKosten sind auf 92 000 M. veranschlagt. Sladlv. Borgmann(Soz.): Die Parkverwaltung betritt hier endlich den Weg, unsere großen Plätze nicht bloß mit Schmuck- anlagen, sondern auch mit Spielplätzen zu verschen. Der hier vor- gesehene Spielplatz scheint nun aber für die ihm zugewiesenen Zwecke nicht zu genügen? denn man will dort Rasen auflegen, der doch nie gedeihen kann, wenn die Fläche wirklich zum Spielen benutzt wird. Erfahrungen an anderer Stelle sollten uns hier warnen; die Er- Haltung von Rasen auf solchen Plätzen ist eben unmöglich. Die Parkdeputation sollte von der Anlegung des Rasens Abstand nehmen.(Die Versammlung ist sehr unruhig, was den Vorsteher veranlagt, um Ruhe zu bitten.) Ich kann ja begreifen, dah Sie für diese Spielplätze, welche den Kindern der ärmeren Be- völkerung zugute kommen sollen, nicht das gleiche Interesse besitzen. (Große Unruhe). Ich ersuche die Parkverwaltung nochmals, nicht bloß Paradespielplätze, sondern solche Spielplätze herzurichten, welche wirklich den Kindern zugute kommen. Bürgermeister Dr. Reicke: Wir machen hier zunächst einen Versuch auf Veranlassung des Magistrats und derjenigen Herren, welche die Londoner Verhältnisse studiert haben. Daß ein mit Rasen bedeckter Spielplatz für die Lungen und die Erholung der Kinder viel günstiger ist als ein staubiger, liegt auf der Hand. Die große schöne Wies« im Treptower Park haben wir hergegeben und die jüngsten Berichte lauten ja auch schon ganz erfreulich dahin, daß sich die Einrichtung halten lassen würde, wenn der Platz zum Zweck genügender Bewässerung zeitweise gesperrt wird. Lassen Sie es auf dem Falkplatze bei dem Rasenspielplatz. Es liegt uns ganz fern, Paradespielpläye anlegen zu wollen. Stadtv. Borgmann: In England sind Rasenspielplätze mit Rück- ficht auf die dortigen klimatischen Verhältnisse viel eher am Platze. Bei uns läßt die Verwaltung die Spielplätze im Friedrichshain usw. nicht dauernd benutzen, weil eben durch die dauernde Benutzung der Rasen ruiniert wird; auch in Treptow ist, wie wir eben hören, die Wiese nur.mit erheblicher Beschränkung" freigegeben. Die Pläye müssen aber doch so eingerichtet sein, daß die Kinder den ganzen Tag darauf spielen können. Stadtv. Dr. Langerhans: Das Treptower Beispiel von der 1896er GeWerbeausstellung her hat doch gelehrt, wie lange Jahre es dauert, bis ein ruinierter Rasen wiederhergestellt»st. Die absolute Freigabe ist untunlich. Man soll auch den schönen Blick aus den grünen Rasen nicht beschneiden. Die Vorlage wird darauf angenommen. Bei der Beratung einer Reihe von Rechnungen macht Stadtv. L e v y(Fr. Fr.) geltend, daß nach seiner Meinung die be- stehende Hunde st euerordnung namentlich bezüglich der Er- teilung von Freischeinen entweder zu engherzig gehandhabt wird oder reformiert werden muß. Stadtv. Michelet gibt anheim, beim Etat auf diese Beanstan- düngen zurückzukommen. Nach Erledigung einiger weiterer Vorlagen ohne allgemeinere Bedeutung schließt die öffentliche Sitzung nach 6>/a Uhr. Auf der Tagesordnung der geheimen Sitzung steht u. a. die Berichterstattung des AuSschuffeS für die Neuwahl eines Stadtschulrats. Partei- Angelegenheiten» Zur Beachtung! Soweit die uns gewordenen Mitteilungen lauten, war der Besuch des Extra-Zahlabend in den meisten Fällen ein recht zufriedenstellender. Damit aber die statistische Aufnahme eine durchaus voll- ständige und lückenlose werde, bitten wir die Bezirks- f ü h r e r und deren Stellvertreter dringend, alle Ge- nossen, welche am Zahlabend fehlten, nunmehr aufzusuchen und die Eintragung der Ferngebliebenen bis zum 80. Ol» t 0 b e r freundlichst zu bewirken. Die so vervollständigten Listen sind dann bis zum 3. November an die von den Kreiswahlvereinen be- zeichneten Stellen abzuliefern. Mit Parteigruß. _ Der Aktions-Ausschuß. Friedenau . Diejenigen Genoffen, v�Iche am Dienstag den Extrazahlabend nicht besucht haben, fordern wir hiermit auf, be- stimmt am Sonnabend, abends S'/j Uhr bei Grube zu erscheine», um die Statistik sachgemäß auSführ-n zu können. Mitgliedsbücher der politischen sowie der gewerkschaftlichen Organisarion sowie ZeitungSquittung sind mitzubringen. Der Vorstand. Rudow . Sonnabend, abends 8 Uhr, findet die Generalversamm lung des Wahlvereins bei Palm statt. Die Genossen werden ' ersucht, die Mitgliedsbücher vom Wahlverein und von der Gewerk- ] schaft sowie die Zeilungsqnittung mitzubringen. Es ist Pflicht der Genossen, vollzählig anwesend zu sein. Der Vorstand. Schenkcndorf. Der Wahlverein hält am Sonnabend, den 27. Ol tober, abends 8 Uhr. seine Mitgliederversammlung bei Pütsch ob. Vortrag des Redakteurs Genossen Mermuth über: Die Ergebnisse des Parteitages und Aufnahme der Statistik. Die Genossen werden ersucht, zahlreich und pünktlich zu erscheinen und die Mitgliedsbücher vom Wahlverein, der Gewerkschaft und die ZeitungSquittung mit- zubringen._ Der Vorstand. ßerlinev JSacbncbten» Die Fleischteucrung und die städtischen Behörden. Von allen Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung ist folgender Antrag gestellt worden: Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Magistrat: Bei den Reichs- und Staatsbehörden mit allem Nachdruck erneut dahin vorstellig zu werden, daß mit Rücksicht auf die immer mehr steigende Teuerung des Fleisches und die sich hieraus ergebende Schädigung und Verschlechterung der Volksernährung sowie die hierdurch herbeigeführte bedrohliche Notlage weiterer Volkskreise die erforderlichen Maßnahmen zur AbHülse schleunigst getroffen, daß insbesondere die Grenzen für die Einfuhr von Vieh und Fleisch sofort geöffnet und die hemmenden Zollschranken be seitigt werden. Cassel. Deutsch . Dinse. Mommsen. Singer." Die alten Grundstücke in der Alten Jakobstraße 26/21 und 22, die wieE i s b l ö ck e" in die Baufluchtlinie der Straße hinein- ragten, sind in andere Hände übergegangen und sollen nun vom Erdboden verschwinden, nachdem seit einem Jahrzehnt die Be- mühungen, dort die Straße zu verbreitern, an den hohen For- dcrungen der Besitzer gescheitert waren. Der Magistrat ist nun bereit, die zur Verbreiterung der Alten Jakobstraße erforderlichen Flächen für 256 M. pro Quadratmeter anzukaufen. Das Haus Nr. 22 war vielen Berlinern unter dem NamenNieten- Giese" bekannt. Dort wohnte nämlich der bekannte Lotterie- einnchmer Giese, der diesen Namen führte, bis in seine Kollekte auch einmal das große Los der preußischen Lotterie fiel. Die Armenunterstützung für den Hausbesitzer. Auf unsere in Nr. 224 veröffentlichten Mitteilungen über jenen Hausbesitzer l Töpfermeister Schirm er. Memelerstraße 22), der einer armen Frau für noch rückständige Miete die ihr von der Armenkommission bewilligte Unterstützung in Gegenwart des auszahlenden Kom- missionsmitgliedes(Zigarrcnhändler Goetze, Posenerstraße 1) abnahm, sind uns zwei Erwiderungen zugegangen. Die eine Erwiderung rührt angeblich von der Armen- kommission selber her. Die Unterschrift lautet:Die Mit- glieder der 112. A.-K."(soll heißen: 112. Armenkommission"); in Wirklichkeit führt aber die betreffende Kommission die Nummer 112�. Namen der Mitglieder sind nicht mitunterzeichnet, auch ist kein Stempel beigedrückt. Wir könnten hiernach diese anscheinend gar nicht einmal echte Zuschrift unbeachtet lasten; doch wollen wir aus ihr mitteilen, daß wir da belehrt werden, nach eigener Angabe der Frau bei dem Kommissionsvorsteher habe der Hauswirt sie zu einer bestimmten Zeit zu dem auszahlenden Mitglied hinbestellt. um so sagt die Zuschriftden Coup auszuführe n Herrn Goetze suchen die Verfasser des Briefes zu entlasten. Er sei Inhaber eines offenen Geschäftes, zu dem jedermann Zutritt habe. Sollte esMitgliedern der 112. A.-K." unbekannt geblieben sein, daß in einemoffenen Geschäft, zu dem jedermann Zutritt hat", Armenunterstützungen überhaupt nicht ausgezahlt werden dürfen? Herr Goetze habe, so werden wir dann weiter belehrt, der Frau das Geld aufgezählt, Herr Schirmer aber habe es ein- gesteckt, so daß Goetze habe annehmen müssen, das geschehe in beiderseitigem Einverständnis. Das Schreiben schließt:Selbst- verständlich können wir sämtlichen Mitglieder der Kommission die Handlungsweise des p. Schirmer nur verdammen". Wohl- gemerkt:sämtliche"! Die andere Zuschrift gibt sich als Erwiderung des Haus- b e s i tz e r s Herrn Schirmcr. Sch. schilt auf die Frau, die keines- wegs Not gelitten habe, aber eine schlechte Mietezahlcrin gewesen sei und eigentlich von ihm hätte exmittiert werden können. Sie habe ihm mitgeteilt, bei der Armenkommission sei sie um Unter- stützung eingekommen, um die Miete zahlen zu können.Ich überzeugte mich," so schreibt Sch.,durch Nachfrage beim A r m e n v 0 r st e h e r hiervon und erfuhr gleichzeitig von diesem, daß sie demselben gesagt, sie hätte zum Lebensunterhalt genügend, nur zur Miete wolle es nicht reichen. Darum fühlte ich mich be- rechtigt, hei Herrn Goetze Erkundigungen einzu- ziehen, wann Frau... die ihr in Aussicht gestellte Unter- stützung für Miete in Empfang nehmen sollte." Gezahlt wurde die Unterstützung durch Goetze am 2. Oktoher, und da erschien dann just zu rechter Zeit Schirmer auf der Bildfläche und steckte das der Frau im Laden des Herrn Goetze aufgezählte Geld vor ihren Augen ein. Er selber schreibt uns, er habe esin Empfang genommen", und dazu sei erberechtigt" gewesen, da die Unterstützung jafür Miete gewährt" wurde. Er hestätigt schließlich, daß er der Frau nur 1 M. zurückgegeben habe, und zwarauf die Vorstellung, daß sie augenblicklich sehr in Verlegenheit sei." Durch diese Darstellung wird die angeblich von den Kom- missionsmitgliedern herrührende Zusckirift in einem sehr wichtigen Punkte ergänzt und berichtigt. Herr Sch. hat, so versichert er, nicht nur den Kommissionsvorstchcr um Auskunft gebeten und Auskunft von ihm erhalten, sondern hat aucki bei dem auszahlenden Kom- missionsmitglied Erkundigungen darüber eingezogen, wann die Aus- zahlung erfolgen sollte. Wenn das wahr ist, so haben wir es hier mit einer höchst merkwürdigen Probe der Be- Ziehungen der Hausbesitzer zur Armenpflege zu tun. Was geht das den Hausbesitzer an, ob eine seiner Mieterinnen um Armenunterstützung eingekommcn ist oder nicht? Und was kümmert es ihn, wann die bewilligte Unterstützung ausgezahlt werden soll? Hatte nicht der Vorsteher wie das auszahlende Mit- glied die Pflicht, dem Mann(der gar nicht zur Kommission ge- hörte) jede Auskunft hierüber zu verweigern? Die angeblich von der Kommission herrührende Zuschrift stellt den Hergang so dar, daß man glauben könnte, kein Mensch aus d c r Ä 0 m m i s s i 0 n habe vorher etwas von dem Interesse g e- ahnt, das der Hausbesitzer an der auszuzahlenden Unterstützung hatte. Dagegen wird durch den Brief des Hausbesitzers selber daS auszahlende"Mitglied samt dem Vorsteher belastet. Wir er- warten, daß die Armenverwaltung bemüht sein wird, den Hergang aufzuklären. Tic Markthallen-Deputation beschäftigte sich in ihrer gestrigen Sitzung mit der für das nächste Etatsjahr geltenden Lohnskala für die in den städtischen Markthallen beschäftig- ten Arbeiter und Arbeiterinnen. In der vorher- gegangenen Sitzung hatte man eine Subkommission eingesetzt, welche die Wünsche der Arbeiter prüfte und in deren Namen Stadt- rat F 1 s ch b e ck der Deputation die Vorschläge unterbreitete. Nach denselbe: beträgt der A n f a n g s l 0 h n für Handwerker 4,50 M., steigend von je zwei Jahren um 50 Pf. bis nach sechs Jahren auf 6 M.; für Arbeiter von 3.75 M.. steigend alle zwei Jahre um 25 Pf. bis nach 16 Jahren auf 4,75 M.; für die Ar» beiterinnen von 2 M., steigend in acht Jahren auf 3 M. Von unseren Genossen war der Antrag gestellt, den Anfangslohn der Reinigungsarbeiter auf 4 M., steigend bis 5 M., zu be­messen, mit der Begründung, daß die heutigen wirtschaftlichen Ver- Hältnisse mit zwingender Notwendigkeit eine höhere Entlohnung rechtfertigen. Es ist absolut unmöglich, bei einem Verdienst von 3,75 M. eine Familie zu unterhalten. Lange genug habe die Stadt Berlin gezögert, für die städtischen Arbeiter annähernd die Löhne so zu bemessen, wie es in Privatbetrieben längst geschieht. Wenn man sich jetzt damit begnügt, 25 Pf. pro Ta(j zuzulegen, so ent­spräche daß weder den gesteigerten wirtschaftlichen Lebensverhält- nisten, noch dem Grundsatze, daß die städtischen Betriebe Muster- anstalten sein sollten. Stadtrat Fischbcck erwiderte, daß die Er- höhung mit Ausnahme bei den Ncucinzustellenden sich bei den Ar- bcitern auf pro Tag 50 Pf. beliefe und daß der Etat dadurch um 36 600 M. höher belastet werde. Von anderer Seite wurde schlank- weg erklärt, daß die vorgeschlagene Entlohnung von 3,75 M. für ungelernte Arbeiter ausreichend sei. Der von den Sozial- demokraten erhobene Einwand, daß mit einem solchen Verdienst eine Familie nicht ernährt werden könne, sei hierbei nicht maß- gebend. Ist das dem Arbeiter nicht genügend, so soll er eben ge- scheit sein und sich eine andere Stelle besorgen. Diese philisterhafte Argumentation wurde von unseren Rednern in die richtige Be- leuchtung gerückt. Der Antrag der Subkommission gelangte zur Annahme, nachdem der von unseren Genossen gestellte An- trag gegen drei Stimmen abgelehnt wurde. Hoffen wir wenigstens, daß diese geringen Zugeständnisse nicht noch bei dem Magistrat ein Hindernis finden. Ein Antrag des Arbeiter- a u s f ch u s s e s, bei der Beerdigung von Kollegen eine Anzahl Arbeiter zu delegieren, fand darin Berücksichtigung, daß jedesmal sechs Kollegen dazu auf einen halben Tag beurlaubt wevden. Der darauf zur Beratung gelangende Etat der Markt- hallen für 1967 balanziert in Einnahme und Ausgabe mit 3 497 851 M. und wurde mit unwesentlichen Aendcrungcn an- genommen. Eine von Herrn Georg Bonus eingereichte Offerte, den amtlichen Marktbericht unter besonderen Bedingungen unentgeltlich zu übernehmen, während dem jetzigen Drucker pro Exemplar 8,50 M. vergütet werden, wurde einer Subkommission zur Prüfung übertragen. Bon unserer Seite gehört derselben Ge­nosse Schubert an. Ernst Hcnnig, einer von der alten Garde, die in den Stürmen des Sozialistengesetzes ihren Mann standen, ist am Mittivoch im Alter von 69 Jahren einer tückischen Krankheit erlegen. Wohl vielen der Genossen des vierten Wahlkreises, in dem Hennig organisiert war, ist er nur unter dem Namen Marx bekannt gewesen; dies deshalb, weil er eine täuschende Aehnlichkeit mit Karl Marx hatte. Wenn in früheren Jahren die Genossen Vergnügungen veranstalteten und lebende Bilder aufführten, so hat er oft unfern alten Vor- kämpfer Karl Marx dargestellt. Im stillen Wirken hat Hennig bis an sein Lebensende ein großes Stück sozialistische Arbeit geleistet. Insofern hat er sich nicht nur bei den älteren, sondern auch bei den jüngeren Genossen ein bleibendes Andenken belvahrt. Polizeilich aufgelöst wurde die vorgestrige Pücklervcrsammlung, die erste, die der Dreschgraf nach seiner Entlassung aus Weichsel - münde wieder abhielt. In dem überfüllten Saale desArtushof". Pcrlebergerstraße, schilderte der Graf seine letzte Gerichtsverhand- lung. Er beklagte sich bitter über die Undankbarkeit der deutschen Regierung, die ihre erhabensten Führer(damit meinte der be- fchcidene Graf sich selbst) fortwährend vor die Schranken des Ge- richts zerre. Die Richter hätten keine cimvandfreien Visagen ge- habt. Der Vorsitzende hieß Rosenberg wie kann man nur Rosenberg heißen?! Den Richter Simonsohn belegte er mit noch saftigeren Schmcichelnamcn. Als der überwachende Polizei- lcutnant den gräflichen Redner darauf aufmerksam machte, daß er schon eine Beleidigung der Richter auf die andere gehäuft habe und dieses Thema verlassen möge, schimpfte Pücklcr über die Polizei- Icutnants. Dem Kaiser nahm er es besonders übel, daß er seinen Bruder in Glogau besucht habe, bei dieser Gelegenheit ihn, den Redner, aber nicht begnadigt habe. Wenn nichts dabei heraus- komme, dann bedanke sich sein Bruder für den kaiserlichen Besuch. der ihm 26 600 M. gekostet habe. Als Graf Pückler dann über die Ernennung Dernburgs zum Kolonialdirektor zeterte und den neuen Mann einen ganz traurigen, schäbigen Juden nannte, löste der überwachende Lcutnant die Versammlung auf. Zur Verbesserung drr Belrnchtnng der neuen Oranicnbrücke ist beschlossen worden, die vier großen Laternen an den Ecken der Brücke bis zur Fertigstellung der vier großen Kandelaber, die bekanntlich mit weithinleucbtenden elektrischen Beleuchtungskörpern zur Beleuch- tung des ganzen Platze« dienen sollen, mit je einer starken elektrischen Lampe zu verstärken. Jede der Laternen erhält m den nächsten Tagen zwei elektrische Lampen. Nach Fertigstellung der großen Kandelaber dürfte der Oranienplatz zu den bcstbelcuchtetsten Plätzen gehören. Daß der Berliner Kommunalfreisinn schon auf de» Reichs- verband gekommen ist, hat die dieser Tage im 8. Kommunalwahl- bezirt stattgefundene Kommunalwahl hinreichend bewiesen. Die Freisinnigen hatten, wie wir mitteilen konnten, ihre Stimmzettel dem Reichsverband überlassen, der nun seinerseits Reklame für den einzigen Kandidaten der bürgerlichen Parteien" machte. Wir ver- muteten von vornherein, daß die reichsverbändlerische Hülfe keine aufgedrängte, sondern eine gesuchte war und sprachen daS auch offen aus. Wie recht wir damit hatten, ist jetzt ganz offiziell vom Reichsverband bestätigt worden. In einer dieser Tage in Steglitz stattgefundcne» Versammlung des Rcichsverbandes hat ein Redner desselben, Herr Dr. Bavens che n- Berlin, nach einem Bericht der Steglitzer Lokalpresse folgendes erklärt:Ter Reichsverband erhebe nicht den Anspruch, eine Partei zu sein. Er wolle nur die Parteien zusammenfassen, wenn es gelte, gegen die Sozialdemo- kratie zu kämpfen. In Berlin habe auch die freisinnige Voltspartei bei den jetzigen Stadtvetordnetcn- wählen die Hülfe des Verbandes angerufen und gc- fnndcn." Danach haben die FrcisinnSheldcu tatsächlich die Wahlhülfe des Rcichsverbandes erbettelt. Das ist, wie eS scheint, die letzte Zuflucht, um den Freisinn noch weiter vegetieren zu lassen, zugleich aber ein Anzeichen mehr, daß er dem politischen Verfall entgegengeht. Ter Hauptmann von Köpenick ist im Preise gestiegen. Be- kanntlich hatte die Stadt Köpenick für die Ermittelung des genialen PseudoHauptmanns eine Belohnung von 560 M. ausgesetzt. Sie hat die Prämie jetzt auf 1666 M. erhöht, so daß mit der vom Regierungspräsidenten ausgesetzten Belohnung von 2666 M. ins­gesamt 3000 M. zur Verfügung stehen. Trotz dieser ausgesetzten Belohnungen ist er aber noch nicht ergriffen. Daneben gegriffen hat die Polizei aber schon in vielen Fällen, die Suche nach dem Talmihauptmann scheint auf dem toten Punkt angekommen zu sein. Es gibt Spottvögel, die dem Arrangeur der Köpenicker Komödie zutrauen, er werde sich wohl auch noch die auf seine Ergreifung ausgesetzte Belohnung verdienen, Eine traurige Aufklärung hat jetzt das Verschwinden des Händlers Michael Loscritz gefunden. Der Vermißte wurde gestern am Neuen Mühlenwcg aus der Spree als Leiche gelandet. Der Selbstmörder hatte schon längere Zeit im Wasser gelegen. Was den Lebensmüden in den Tod getrieben hat. konnte nicht festgestellt werden. Die Leiche wurde nach dem SchauhauS gebracht.