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HuaUnd. Oesterreich. Das Ende bet Wahlreformberatung im Ausschuß des Abgeord- inetcnhauseS rückt heran. Am Freitag ist das letzte der schwierigen nationalen Probleme, an denen das Werk zu scheitern drohte, glück- lich erledigt und damit die Ausschustberatung im wesentlichen zu Ende gebracht worden. In der Sonnabendssitzung, deren Ergebnis noch nicht bekannt ist, sollten die letzten, ziemlich unwichtigen Bc- stimmungen der Vorlage, bei denen sich keine großen Meinungs- Verschiedenheiten mehr ergeben können, verhandelt werden. Die Wiener Arbeiterzeitung" hoffte am Freitag auch, daß der Antrag Starzynski auf Aenderung der Kompetenz der Volksvertretung, der noch zu beraten ist, den Abschluß der Arbeit am Sonnabend nicht verhindern werde. Da hätte die Wahlreform also den Aus- schuß glücklich passiert und würde ans Plenum kommen. Nachdem sie alle nationalen Belastungen im Ausschutz bestanden hat, darf wohl erwartet werden, daß ihre Laufbahn im Plenum nicht minder erfolgreich sein werde. Soweit in der Politik Voraussagungen erlaubt sind, läßt sich heute das Gelingen der österreichischen Wahl- reform feststellen. Die wackeren österreichischen Genossen dürfen sich eines glänzenden Erfolges freuen. Unl,arn. Ein neuer Konflikt der Koalition mit der Krone droht. Der Wechsel des Reichskriegsininisters hängt in der Tat mir neuen Miliiärforderungen zusammen. Und das Unangenehme für die Koalitionsregierung ist. daß die Krone behauptet, die ungarische Regierung babe sich im ieinerzeitigen Vergleich für diese Forderungen von vornherein verpflichtet. DerFrankfurter Zeitung " wird vom 27. Lklober aus Budapest telegraphiert: Das kaiserliche Handichreiben an den gemeinsamen Kriegsminister Pitreich droht zum Ausgangspunkt einer neue» Krise zu werden. Die ungarische Regierung läßt schon erklären, daß sie gar nicht daran denke, ohne das Zugeständnis der ungarischen Konimandosprache die Bedienungsmann,«asten für die neuen Geschütze von ihrein Reichs- tage zu fordern. Der Konflikt entsteht aus der Differenz in der Auslegung eines Punktes jenes Paktes, auf Grund dessen seinerzeit die Koalition die Regierung in Ungarn über- nommen hat. Die jetzige ungarische Regierung ist der Meinung. daß unter der in dem Verlrage enihaltenen Bemerkung pon einer -unabiv eislichen Notwendigkeit" nur ein Kriegs- fall verstanden sein tonne. Die Militärbehörde meint dagegen, Kanonen ohne Bedienungsinannschaften seien wertloses Eisen und die Beschaffung der Bedienungsinann- schaften für die schon vorhandenen Kanonen sei ebenfalls ein un- abweistiches Erfordernis. Schweiz . Wahlreform im Kanton Zürich . Zürich , den 24. Oktober. (Eig. Ber.) Das Wahlgesetz des Kantons Zürich ist erst vor wenigen Jahren aus Anlaß der durch die Volkszählung festgestellten Bevölkerungsvermehrung revidiert und dadurch die Zahl der Mitglieder des Kantonsrates auf 243 erhöht worden. Jetzt ist eine neue Revision des Wahlgesetzes im Gange zu dem hauptsächlichen Zwecke, die Zahl der Mitglieder des Kantonsrates wieder zu vermindern, was durch die Erhöhung der Vchüretungszifser von 1500 auf 1800 schweizerische Einwohner er­reicht werden soll. Im Kanton Zürich gelten nämlich die 70 000 Ausländer nicht für die Zusammensetzung des Parlaments, sie sind Luft", obwohl sie die gleichen Steuern wie die Schweizerbürger zu zahlen haben. Diese vernunftwidrige Behandlung der Aus- ländcr ist ein Erfolg der agrarisch-chauvinistisch-arbeiterfeindlichen Politik der Reaktionäre in Stadt und Land und hat die beabsichtigte Benachteiligung der sozialdemokratischen Partei durch Vermin- derung ihrer Vertreterzahl im kantonalen Parlamente vollkommen erreicht. Ohne das sozialdemokratische Außersihl würde heute auf 243 Mitglieder noch kein Dutzend Arbeitervertreter im Züricher Kantonsrat sitzen! Dieser also behandelte in seinen beiden Sitzungen vom Montag und' Dienstag die neue Wahl vor läge, die jedoch die von der' Sozialdemokratie seit Jahren geforderte und in ihrem Entwurf auch von der Regierung vorgeschlagene Proportionalwahl nicht enthält, da die Kommissionsmehrheit sie abgelehnt hat. Dagegen soll für die Gemeindewahlen der Proporz fakultativ zu- gelassen werden, den dann die Gemeinden ihrerseits erst ein- zuführen haben. In den beiden Sitzungen wurde erst ein Teil der Vorlage erledigt, womit auch einige fortschrittliche Neuerungen verbunden sind. So sollen infolge eines zum Be- schlusse erhobenen Antrages unseres Genossen Greulich Bezieher von Armen-Unterstützung nur dann das Stimmrecht verlieren, wenn sie durch Selbstverschulden in eine Notlage geraten sind. Die Frauen erhalten die Wählbarkeit als Mitglieder von Kirchen-, Schul- und Armenbehördcn, ebenso können in die der Regierung beigegebenen Kommissionen Schweizerbürgerinnen als stimm- berechtigte Mitglieder gewählt werden! Viel diskutiert wurde über den Antrag unseres Genossen Pfarrer P f l ü g e r: Die von der Regierung gewählten Beamten von der Wählbarkeit in den Kantonsrat auszuschließen, dem der Liberale Frey-Nägeli noch den Zusatz anfügen wollte, daß auch die Lehrer ausgeschlossen werden sollen. Es wurden aber beide Anträge abgelehnt. Die wichtigsten Partien der Vorlage, die Erhöhung der Ver- trehingSziffer und die Wahlart(Majorz oder Proporz) gelangen erst in den nächsten Kantonsratsitzungcn zur Behandlung. Frankreich . Das Ministerium Cl6menccau und die Parteien. Paris , 23. Oktober. (Eig. Ber.) Das neue Ministerium hat nicht eben einen wohlwollen- den Empfang gefunden. Die Bürgerlich-Radikalen können ihren Acrger darüber, daß sie bei der Konstituierung des Kabinetts ganz ausgeschaltet worden sind und daß Cl6menceau lediglich seinen persönlichen Empfindungen und Erwägungen gefolgt ist, schwer verbergen. Zwar zwingt sie das an- gekündigte radikale Regternngsprogramm, das so ungefähr mit der Prinzipienerklärung ihres Liller Parteitages übereinstimmt, vorläufig zu freudigen Mienen, aber schon kann man die Versuche wahrnehmen, der Regierung Ver- legenheiten zu bereiten. ImRadical" läßt heute der Depu- tierte M a u j a n einen Artikel los, in dem er in drohendem Tone als erste Tat des neuen Ministeriums eine Aufhebung der Sonntagsruhe für die kleinen Geschäftsleute verlangt. Er nennt die Schließung der Geschäfte am Sonntag einen unerträglichen Mißbrauch der Macht", für den die Republi- kaner von jedermann Rechenschast fordern würden, eine Ver- letzung des Prinzips der Freiheit der Arbeit. Man sieht hier die arbeiterfeindliche Seite des kleinbürgerlichen Radikalis- mus sich offenbaren. Dieser Aufschrei aus der Tiefe der demokratischen Bourgeoisseele könnte die immer Vertrauens- vollen belehren, die noch an die Möglichkeit einer sozialrefor- merischen Kooperation der städtischen Kleinbürger mit dem sozialistischen Proletariat glauben. Mit den Maujan und Konsorten verglichen ist allerdings Cl6menceau ein Um- stürzler, und seine persönliche Waghalsigkeit scheint Möglich- leiten zu gewähren, die in der stickigen Lust des Krämer- radikalismus nicht gedeihen. So mag man die sympathische Envartnng, mit der Jaurds von der neuen Regierung spricht, verstehen. Am Ende könnte eine aufgeklärte Bourgeois- diktatur das radikale Programm verwirklichen, das zu voll- strecken der kleinbürgerliche Republikanismus nicht mehr sähig ist. G 6 r a u l t- R i ch a r d, allerdings ein ver- tvauenswürdiger Fachmann für Prinzipienparzellierung, er- klärt schon heute in derAurore", es sei zu v i e l, dergleichen von einem einzigen Ministerium zu verlangen! Tie Aufnahme des MinisteriumWElömenceau ans Seite der bisherigen bürgerlichen Opposition ist, sofern man von den englandfeindlichen Nationalisten absieht, eher als g ü n st i g zu bezeichnen. Ja selbst in nationalistischen Kreisen zeigt sich ein kaum verhohlenes Vergnügen angesichts der diktatorischen Manieren des Ministerpräsidenten. Bedenken erregt hier P i c q u a r t. Doch nur wegen seiner Vergangenheit, nicht wegen seiner demokratischen Gesinnung, die, wie man weiß, mit militaristischem Patriotismus durchsetzt ist. DerEelair" hat sich gestern den Spaß geleistet, einen Picquartschen Artikel aus derGazette de Lausanne" zu zitieren, in dem der ehe- dem von den Organen der jüdischen Finanz in den Himmel gehobene Treifus-Befreier sehr obsällige Bemerkungen macht und schließlich sogar stark antisemitisch gefärbte Ausfalle gegen die siegreiche Partei unternimmt. Trotzdem bleibt natürlich die Abneigung gegen den neuen Kriegsminister in den Offizierskreisen wohl noch lange bestehen. Die Wabl Pirquarts zeigt, daß in El6menceaus Seele die Abenteuerlust mit dem Machttrieb wetteifert. Das macht den Adinister- Präsidenten sicher menschlich interessanter, aber es ist nicht gerade eine Bürgschaft für die ruhige Politische Entwickelung im Innern und Aeußern. Abwartend bleibt verständlicherweise auch die Haltung der Gemäßigten, die imTemps" ihr Organ haben. Sie sind wohl verdrossen, weil ein Mann wie E t i e n n e aus der Re- gierung gedrängt worden ist. dessen Gegenwart die Gewißheit gab. daß die Demokratie den Patriotismus, der sich in prosit- tragenden Rüstungen ausdrückt, liebend hegen werde: aber ihre Unruhe, daß am Ende der Beschluß des radikalsozia- listischen Kongresses zur Wirklichkeit werden und eine Äera der Ersparnisse am Militärbudget beghmem könnte, wird sich ohne Zweifel bald geben. Herr C a i l l a u x ist sicher kein unerbittlicher Antimilitarist. Und Herr Thomson wird über den Mehrwert der Marinelieferanten fürsorglicher wachen als die Kommandanten seiner Unterseeboote über das Leben ihrer Mannschaften._ Regierungspläne über die Ausführung des Treinmugsgesetzes. Aus Poris wird vom 27. Oktober gemeldet: In porlamentargwen Kreisen verlautet, daß die Regierung über die Maßnahmen zur An- Wendung des Trenmmgsgesetzes sich nunmehr vollständig schlüssig geworden sei. Für den Fall, daß sich die Kultusvereini- gungen bis zum 11. Dezember nicht gebildet haben, werden die Kirchen, entsprechend dem Gesetze, unter Sequester gestellt werden. Aus die Abhaltung deS Gottesdienstes in kirchlichen Gebäuden wird das Gesetz von 1381 und das bestehende Ver« sammlungsrecht Anwendung finden, und Sie Priester werden sich für alle gotteSdienstlichen Veranstaltungen jenem Gesetze anpassen müssen. Ferner werde die Regierung sich vielleicht genötigt sehen, dem Gesetz von 1884 betreffend den Verlust des französischen Staats vürgerrechts eine Bestimmung hinzuzufügen, nach welcher jene Priester, die einer ausländischen Behörde gehorchend, ein Gesetz betreffend die Organisierung des Gottesdienstes in Frankreich nicht anerkennen, des französischen StaatFbürgerrechtes verlustig gehen. Schließlich würde das Militärgesetz auch auf Priester angewandt werden, und etwa 6000 Priester, welche nach den früheren Be- stimmungen nur ein Jahr gedient haben, würden zur Ableistung noch eines Militärdienstjahres einberufen werden. Belgien . Für den obligatorischen Schulunterricht. Brüssel , den 22. Oktober. (Eig. Ber.) Die Liga für den allgemeinen Schulunterricht veranstaltet am 11. November zwei Tage vor der Kammcrcröffnung eine Demonstration für den obligatorischen Unterricht, an der sich samt- liche Parteien und Korporationen, die für diese Reform eintreten, beteiligen werden. Nach dem Umzüge wird dem Bürgermeister eine Petition, die eine stattliche Anzahl Unterschriften trägt, überreicht werden. Die Klerikalen, die von der Einführung des obliga- torischen Unterrichts eine Störung ihres Geschäftes befürchten, hetzen nun noch mehr gegen dieatheistischen" offiziellen Schulen. deren Erhaltung durch den Staat ihnen ungerechtfertigter erscheint als die Subvention für die freien klerikalen Schulen. Einen bezeichnenden Beweis für ihre Auffassung von Unterricht und Fort- bildung der Jugend haben sie kürzlich aus Anlaß der Jnaugurations- rede des Rektors der freien Universität in Brüssel gegeben. Herr Lameere , ein bekannter Gelehrter, sprach über die Deszendenz- theorie ein Anlaß für die Klerikalen, dem Mann den Titel der Gelehrsamkeit abzusprechen und der Universität die schreckliche An- klage entgegcnzuschleudern, daß ihre Lehrer Atheismus predigen! Besonders daö erzklerikaleXX. Siecke" war in einem läppischen Leitartikel gegen denAtheismus an der Universität" ganz außer sich geraten, als ob es noch nie und nirgends vorgekommen wäre, daß von einer philosophischen Lehrkanzel die Lehre Darwins ver- kündet Wörde wäre. Danach mag man sich eine Vorstellung von dem Unterricht in den der Geistlichkeit ausgelieferten Volksschulen machen. Der obligatorische Unterricht ist für die Klerikalen genau solch ein Schrecken, wie er eine Lebensnotwendigkeit für das Land ist. Schweden . Der Wahlrechtsvorschlag der schwebischen Regierung soll, wie Sozial-Demokraten" aus Regierungskreisen erfahren hat, sofort nach Beginn der Reichstagssession vorgelegt werden; wenigstens hofft man, daß er bis dahin fertig wird. Ferner behauptet ein bürgerliches Blatt, die Regierung wolle das Wahlsystem für die Erste Kammer des Reichstags so umgestaltet wissen, daß diese Kammer nicht mehr wie jetzt durch die Landsthinge und, in den großen Städten, durch die Stadtverordneten, sondern durch besondere Wahlmänner-Korporationen gewählt werde. Ueber den Wahlrechtsvorschlag im allgemeinen ist noch nichts Bestimmtes be- kannt geworden. Bei dem reaktionären Charakter der jetzigen Regierung darf man nicht damit rechnen, daß sie dem schwedischen Volk ein wirklich allgemeines Wahlrecht verschaffen will. Die Ar- beiterschaft ist denn auch schon auf einen ernsten Wahlrechtskampf vorbereitet. Kommt es zu einem politischen Massenstreik, so wird sie fich wohl nicht, wie im Frühjahr 1902, damit begnügen, eine schlechte Vorlage zu Fall gebracht zu haben, sondern sie wird etwas Wirkliches verlangen. Sozialistische und sozialdemokratische Jugendklubs in Stockholm haben bereits in einem Rundschreiben erklärt, daß es im nächsten Frühjahr zu einem politischen Massen- streik kommen müsse. Sie haben ja allerdings nicht darüber zu bestimmen, obwohl sie damit jedenfalls einen Gedanken äußerten, der in weiten Kreisen der schwedischen Arbeiterschaft lebt und sich mehr und mehr zu festem Entschluß entwickelt. Zeit und Art; des Wahlrechtskampfes zu bestimmen, ist selbstverständlich Sache des Parteitages, und einen außerordentlichen Parteitag wird der Parteivorstand einberufen, sobald die Verhältnisse soweit gediehen sind, daß die Anwendung außerordentlicher Kampfmittel notwendig und zweckmäßig erscheint. Amerika. Beründerungen im Kabinett. Durch das Ausscheiden zweier Mitglieder deS Kabinetts, des Sekretärs für das Schatzamt Shaw und des Generalanivalts Moody sind mehrere Veränderungen vor- genommen worden, unter denen die Ernennung von Oskar S. Strauß, eines Juden, vielfach besprochen wird zumeist in sehr günstiger Weise. Es wird behauptet, daß Roosevelt damit den Juden in den Vereinigten Staaten zeigen wollte, daß er sie als gute Bürger schätzt. In New Dort wird diese Ernennung politisch ausgebeutet, um die Juden zu veranlassen, im November für die Republikaner zu stimmen. Strauß ist Sekretär für das Handels- und Arbeitsamt, General- anwalt ist Charles Bonaparte geworden, Sekretär für das Schatz- amt G. B. Cortelhon, Postmeister G. v. L. Meyer, bisher Botschafter in St. Petersburg , Marinesekrctär wurde Viktor L. Metcalf. Vier Millionäre sitzen im Kabinett: Bonaparte, Hitchcock , Meyer und Strauß._ Huf? der parte!. Staatsanwalts- Fchlbarkeitr DieLeipziger BolkS« zeitung" schreibt iw ihrer letzten Nummer: Am Monlag hat der amtierende Staatsanwalt Kunze bc- kanntlich die Bewertung gemacht,ein großer Teil der Partei- presse", unter anderm die MannheimerBolisstinune" und die Sächsische Arbeirerzeitung", habe derLeipziger Volkszcitung" in llebereinstinimung mit Herrn Böhme das angebliche System des Sitzredakteurs zun: Vorwurf genwcht. Bereits im Verfahren wies die Verteidigung nach, daß cs sieb bei der MannheimerVolks- stimme" nur um eine vereinzelte, von der übrigen Parteipresse sofort scharf zurückgewiesene Aeußerung handelte, eine Tatsache, die übrigens Herrn Kunze bekannt fein mußte, da er, wie er aus- drücklieb erklärte, dieLeipziger Volkszeitung " amtlich liest, in der es ausdrücklich stand. Was dieSächsische Arbeiterzeitung" an- geht, so wiesen wir bereits in unserem Prozeßberichr darauf hin. daß hier der Staatsanlvalt eine erweislich unrichtige Tatsache behauptet habe, und wir baten unser Dresdener Parleiorgan, uns dies ausdrücklich bestätigen zu wollen. DieSächsische Arbeiter- zeitung" ist unserer Bhie bereitwilligst nachgekommen. In ihrer gestrigen Nummer schreibt sie: In dem Prozeß gegen dieLeipziger Volkszeitung " hat der Staatsanwalt Kunze unter anderen, auch behauptet, das Ver- fahren unseres Leipziger Bruderblattes, Sitzredakteure anzu- stellen, sei sowohl von der Mannheimer..Volksstimme" wie auch von derSächsischen Arbeiterzeitung" mißbilligt worden. Soweit sich die Behauptung aus uns bezieht, ist sie völlig falsch. Uns war bekannt, daß in derLeipziger Volkszeitung" von Sitz- redakteuren keine Rede sein kvnnte,'denn es waren alle zeichnenden Genossen in der Redaktion tätig und wir wissen außerdem aus Erfahrung, daß es in der oppositionellen Presse unmöglich ist, jeden Redakteur seinen Artikel besonders verant- wortlich zeicknen zu lassen. Das haben wir auch damals betont, als die deplacierten Angriffe der MannheimerVolksstimme" gegen dieLeipziger Volkszeitung" bekannt wurden. Die Mann- heimer Ausfälle sind von uns nach Gebühr gekennzeichnet und scharf zurückgewiesen worden." Der Staatsanwalt Kunze sieht also, daß auch bei ihm die Vorsicht in der Behauptung von Tatsachen noch keineswegs den Grad erreicht hat, den man von der öffentlichen Anilagebehörde erwarten sollte." In einer zweiten Bemerkung zu den Behauptungen des Lest,- ziger Staatsanwaltes schreibt dieSächsische Arbeiterzeitung" m ihrer Freitag-Nummer: Im Prozeß gegen dieLeipziger Volkszeitung " hat der Staatsanlvalt, wie wir aus dem Berichte des Leipziger Bruder- blatte» ersehen, auch behauptet, dieSächsische Arbeiter- zeitung" hätte dieLeipziger Volkszeitung " verlogen genannt. Uns ist davon nicht das mindeste bekannt. Jedenfalls haben wir in keiner Weise gegen dieLeipziger Volks- zeitung" Stellung genommen, als sie ihren Kampf gegen die Leipziger Justiz führte; darin haben wir unser Brnderblatt viel- mehr nach Möglichkeit unterstützt und unser Einverständnis durch Abdruck der betreffenden Artikel bekundet. Offenbar ist der Leipziger Staatsanwalt auch hier wieder, wie schon im ersten Falle, durch Zitierungskünfte des bekannten Herrn Rexhäuser imKorrespondenten", dem Organ des Buchdrucker- Verbandes, falsch unterrichtet worden." Die Berliner Arbeitrr-Bildungsschule und Genosse Mauren- brecher. Die bürgerliche Presse verbreitet die Nachricht, daß die Berliner Arbeiter-Bildungsschule in ihrer letzten Generalversammlung bedauert babe. daß Genosse Mauren- brecher sein Amt an der zu eröffnenden Parteischule nieder- gelegt habe, und dem Parteivorstande ein Mißtrauensvotum aus- gesprochen habe. Das ist eine bewußte Entstellung derTatsachen. Soweit sich Redner in der Generalversannnlnng zu dieser Frage überhaupt äußerten, bedauerten sie nur die Art. durch die Genosse Mauren- brecher veranlaßt worden sei, zurückzutreten; in der Sache erklärte sie vielmehr, daß der Parteivorsland den Genossen Maurenbrecher noch nicht mit einer Lehrerstelle an der Parteischule hätte be- trauen dürfen. Die Hülssaltion der französischen Genossen für dieHumamts" geht kräftig weiter. DieHumanitv" quittiert in ihrer Freitags- nummer die 13. Liste der freiwilligen Beiträge, die 700,10 Frank bringt, die Gesamtsumme dieser Sammlung beläuft sich jetzt auf 10 255,10 Frank. JauröS teilte dieser Tage mit, daß er auf Grund dieser energischen Hülfsattion dieHumamts" nicht nur weiterführen, sondern sogar noch weiter ausgestalten könne. Haussuchung imAvanti". Rom , 27. Oktober. Eine Haussuchung, welche in de» Räumen desAvanti" im Zusammenhang mit der Erpresseraffäre der Terni - Gesellschaft vorgenommen wurde, führte zur Entdeckung chiffrierter Telegramme und Beschlagnahme wichtiger Dokumente. Weiter wurde festgestellt, daß die Erpresser tatsächlich Beweise iider Fälschungen haben, welche in den Büchern der Terni - Gesellschaft vorgenourmen worden sind. Es versteht sich am Rande, daß unsere Genossen vomAvanti" mit der Erpressungsaffäre nichts zu tun haben. Sie haben lediglich öffentliche Anklage gegen die Terni -Gesellschast erhoben. Die Motiv» derer, die ihnen das Material dazu lieferten, gingen sie nichts an. Gcwerkfcbaftllchef)* Borussisches Koalitionsrechl Einen eigenartigen Anblick gewährt jetzt täglich das neue vereinigte Reich der Weltfirmen Siemen s-Halske und Siemens-Schuckert da draußen am Nonneudamm. Nicht umsonst führt diese einsame öde Gegend zwischen Char- lottenburg und Spandau bei den Fabriksklaven der Siemens- Werke den lieblichen NamenSibirien ". Sibirisch genug sieht es dort aber auch tatsächlich aus. Schon wenn man des Morgens und Abends die schier endlosen dunklen Züge der Arbeiterkolonnen von den stillen BahnhöfenJungfern- Heide" undFürstenbrunn" die schmalen notdürftig passierbar gemachten Feldwege nach den abseits von allem Verkehr liegenden riesigen Fabrikgebäuden hin- oder zurückpilgern sieht, so drängt sich einem ganz unwillkürlich ein Vergleich mit den Wander�ügen der Verbannten in unserem benachbarten zarischen Knutenreiche auf. Gegenwärtig ist das aber umso- mehr der Fall, als die Scharen der Arbeiter nicht frei und unbehindert ihren Weg gehen können, sondern unter der strengsten und auffälligsten Bewachung eines enormen Polizei- aufgebots stehen. Schutzleute zu Fuß und zu Pferde, in Uniform und Zivil, gruppenweise oder in gemessenen Ab- ständen wohin man auch blickt. An den beiden Bahnhöfen und vor dem Fabriktore sind förmlicheFeldwachen" von Polizisten errichtet, die unter dem Befehl von Polizeileutnants stehen. Gar würdig leuchtet das preußisch-blau der Uni- formen, und kriegerisch blinken die Helme über den martia- lischen Schnurrbärten der Schutzleute dem Passanten entgegen.