Nr. 279. 28. Iahrgaug.1, KeilM des Lsmiilts" Kerlim WIKsMFreitag, 39. November IM.Keickstag.� LS. Sitzung vom Donnerstag, denLS. November,nachmittags 1 Uhr.Am BundeSratstisch: Dernburg, von Stengel, vonT s ch i r s k y.Auf der Tagesordnung steht dieFortsetzung der erste« Beratung der RachtragsetatS für Südwest-afrika.Abg. Dr. Semler(natl.): Der neue Kolonialdirektor hat sichnicht mit einer erschöpfenden Programmrede eingeführt; aber eSist kaufmännische Art, nicht klug zu reden, sondern klug zuhandeln. Wir bringen ihm Vertrauen entgegen, doch entbindetuns das nicht von der Pflicht der Kritik. Die finanzielle Uebersichthätten wir lieber ohne Algier und mit Einbeziehung der Militär.leistungen gesehen. Die Weglassung dieser Leistungen verstärkt denEindruck derTendeuzschrift.Ich spreche ausdrücklich die Bitte an den Kolonialdirektor auS, unseine genaue Zusammenstellung der Kosten für die militärischenLeistungen noch zu geben. Gerade die Höhe dieser Ausgaben zeigtzur Evidenz, dass wir uns mit der bisherigen Art d«S Kolonisierens,um einen burschikosen Ausdruck zu gebrauchen, auf dem Holzwegebefunden haben. Die Kolonien stellen sich wegen dieser Ausgabenals große Schuldner des Reiches dar, und ein gewiegter Bankierwird einen großen Schuldner nicht fallen lassen(Zuruf bei denSozialdemokraten: Sondern ihm noch weiter pumpen I Heiterkeit.)Das System der KrieaSführung in unseren Kolonien durch Expc-ditionen in unaufgeschlossenen Gegenden haben wir bereits 1904für verkehrt erklärt, und wir werden auch nicht dafür zu habensein, selbst wenn in jenen unaufgeschlossenen Gebieten Kohle zufinden wäre, wir verlangen vielmehr eine KonzentrierungSpolitik»n den Kolonien.In der zweiten Denkschrift ist das werbende Kapital für Süd�Westafrika viel zu hoch geschätzt, da die Eisenbahnen in der ein»gesetzten Höhe nicht als werbende Kapitalanlagen betrachtet werdenkönnen. Meine Freunde werden unbedingt für die Bahnvorlageeintreten; denn sie liegt auf der Linie der Politik, die wir fürrichtig halten, auf der Linie des Kolonisierens durch Eisenbahnen.Aber unzufrieden sind wir mit der Begründung durch den Ein»geborenenaufstand; wir verlangen vielmehr einegroßzügige Bahnbaupolitik!Nicht die Forderung einzelner Bahnen von Fall zu Fall ausmilitärischen oder wirtschaftlichen Gründen, sondern ein voll.ständiges Programm eines Systems von Bahnen. Geldein»nahmen können wir aus den Bahnen in den Kolonien nicht er-warte«, das wäre zu viel verlangt; eS kommt nur darauf an, Geldzu ersparen. Die Räumung des Süden? ist unmöglich, trotz ihreöKopfschütteln», Herr Kollege Erzberger. Zu meiner großen Freude hatgestern auch �err Abg. Schädler gesagt:„An ein Preisgeben derKolonien ist nicht zu denken." Ziehen Sie, bitte, daraus die Kon.sequenz. Die Not unserer Truppen dort ist groß, aber nicht so großwie die Undankbarkeit in unserem Vaterlande gegen diese Truppen.Die Bahn würde un» monatlich an Transportkosten 2 MillionenMark ersparen.—Daß die Bahn nicht schon im vorigen Jahre bewilligt wordenist, lag wohl an einer allgemeinen kolonialen Verstimmung, hervor-gerufen durch die Kritik mancher Vorkommnisse; gegen die Kritikhier im Hause habe ich nicht?, aber im Vorjahre hat sie einen zubreiten Raum eingenommen.(Lachen bei den Sozialdemokraten.)Solche kompromittierenden Einzelheiten werden auch in diesemJahre wieder vorgebracht werden; denn da» ist ja die Taktik derHerren, dem Volke die Freude an den Kolonien zu trüben und dasGeschäft zu versauern.(Zuruf bei den Sozialdemokraten:«Da»Geschäft! Sehr gut!")'Herrn Abg. Ledebour bestätige ich. daß ich der Ansicht bin. daßda? Witboi-Land konfisziert werden muß. Wir können doch denStämmen, mit denen wir Krieg geführt haben, nicht nachher ihrLand lassenl(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Die Kolonienzu halten, gebietet die Ehre des deutschen VolkeS; deshalb muß dieBahn gebaut werden.(Sehr richtig! bei den Nationalliberalen))(Der Redner blickt sich erwartungsvoll um; nun erst merkendie Nationalliberalen, daß er geschlossen hat und rufen stürmisch:„Bravo!"— Schallende Heiterkeit im ganzen Hause.)Abg. Frhr.». Richthvfe»(k.): Wir danken dem Herrn Reichs.kanzler, baß er die deutsche Beamtenschaft gegen die Anwürfe einesPöplau in Schutz genommen hat.(Bravo! rechts.) Die Einsetzungeiner Untersuchungskommission hat mich mit gemischten Gefühlenerfüllt. Prinzipiell bin ich gegen solche Ermittelungskammern,auch könnte darin im vorliegenden Falle eine Konzession, wenn auchnicht an die vox populi(Stimme deS Volkes), so doch an dieSkandalsucht erblickt werden. Den kaufmännischen Verdienst inden Kolonien halten wir für berechtigt, so lange der kaufmännischeAnstand gewahrt wird. Ob das bei allen Monopolfirmen der Fallgewesen ist. scheint uns zweifelhaft.(Sehr richtig! links.) Wenndie Firma Tippelskirch einen abgeschlossenen Vertrag sich zunutzegemacht hat, so kann weder ihr noch ihren Teilhabern daraus einVorwurf gemacht werden.(Lachen links.) Vor uferlosen Eisen-bahnprojekten, wie sie Herr Semler zu fordern schien, möchte ichwarnen. Bahnen sollten nur nach Bedarf gebaut werden.(Sehrrichtig! recht?.),Kolonialdircktor Dernburg:Ich habe zunächst meinen Dank dafür auszusprechen, daß alleParteien sich dahin auegesprochen haben, daß die von mir vor.gelegten Denkschriften geprüft werden sollen. Die Herren dabeiausgiebig zu unterstützen, habe ich das allergrößte Interesse. DieAusführungen von sozialdemokratischer Seite mutz ich um so mehrzurückweisen, als sie nicht nur meine Person, sondern das Systemdiskreditieren sollten. Ich will auf die Kritik der Denkschrifteneingehen weniger der maßlosen Angriffe des Abg. Ledebourals wegen der Bedenken, die von anderer Seite in ernsthafterWeife geäußert worden sind.(Sehr gut! rechts.) Zunächst mußich feststellen, daß dem Sinne dieser Denkschriften von einigenHerren größere Bedeutung beigelegt worden ist. als ihnen bei.gelegt werden sollte.(Hort! Hört! bei den Sozialdemokraten.)Sic sind kein Programm, sondern— wie der Sprecher der kon»scrvativen Fraktion gesagt hat— die B a u st e i n e zu einem Pro.gramm, und da» steht auch ausdrücklich in den Eingangswortender ersten Denkschrift. Der Sinn der Denkschriften ist lediglich,festzustellen, wie weit der Zustand der finanzwirtschaftlichen Selb.ständigkeit der Kolonien bisher gediehen ist. Alle Herren Vor.rcdner mit Ausnahme des Herrn Ledebour haben es anerkannt,daß der Zweck einer verständigen Kolonialverwaltung der seinmuß. eine gewisse administrative Unabhängigkeit der Kolonien zuerreichen, und es ist nur der Zweck der Denkschrift, dem hohenHause zu zeigen, wie weit unsere Kolonien in dieser Beziehungbereits gediehen sind. Ich glaube, es gibt hier niemand, der nichtweiß, was für Gelder für den Krieg ausgegeben worden find.Wenn eS jemand geben sollte, so würde ich gerne sehen, daß ersich meldet.(Schallendes Gelächter.) Wenn wir die Militärlastender Kolonien annehmen, so verschwinden sie natürlich dadurchnicht, sondern erscheinen im Budget der Nation wieder. Eshandelt sich aber darum: Soll mit der Selbständigkeit derKolonien gewartet weröen bis zu dem Moment, wo sämtlicheLlkupationskosten bezahlt, bis der letzte Mann der Schutztruppeaus dem Gebiet zurückgezogen werden kann, weil dann eine Polizei»truppe oder Gendarmerie ausreicht? Für diese Frage habe ichzum Vergleich Algier herangezogen und darauf hingewiesen, daßes dort 70 Jahre gedauert hat. So lange die Leute da draußenausgeben können, was Sie hier bewilligen, so lange sie ihre Expe-ditionen machen können auf das Reichsbudget hin. so lange siekeine Steuern bezahlen, nicht am eigenen Leibe fühlen, was dieSache kostet, so lange werden sie natürlich nicht sparsam sein.(Sehr richtig! rechts.)Ich komme nun zur zweiten Denkschrift. Ueber jede derdarin enthaltenen Ziffern betr. die deutschen Kapitalien ist natürlichder entsprechende Fragebogen vorhanden und kann vorgelegt wer-den. Bei diesen Zahlen ist Herrn Semler ein Mißverständnisunterlaufen. Es ist nämlich ein Unterschied gemacht worden, denHerr Semler nicht erkannt hat, vielleicht weil ich ihn nicht genügendunterstrichen habe, der Unterschied zwischen werbenden undrentablen Kapitalien. Werbend sind alle Unternehmungen,die zum Zwecke des Gelderwerbes gemacht sind, rentabel erst,wenn sie wirklich Geld erwerben. Daher sind alle Eisenbahnenals werbende Unternehmungen angegeben, auch wenn sie mit Unter-bilanz arbeiten; denn ihr Zweck ist Geld zu erwerben; alsrentabel sind sie natürlich nicht bezeichnet.— Bedenken hat dannerregt die Schätzung des Kapitals der Eingeborenen. Man mußaber auch hier nur aufmerksam und verständig lesen(Redner sprichtim Schulmeisterton), was denn da eigentlich gesagt ist.(Schallen-des Gelächter.) ES ist in der Denkschrift darauf aufmerksam ge.macht, daß uns die Grundlagen fehlen, um den gesamten Kapital-wert der Kolonien festzustellen, vor allem für das gesamte Gebietder Eingeborenen. Es ist gesagt: um einen Anhaltspunkt für dieBedeutung der hier in Frage stehenden Werte zu geben, soll dieExportproduktion inS Auge gefaßt werden. Die Methode, nachwelcher das geschehen ist, ist heftig angegriffen worden. Aber dieMethode, den Ertrag zu kapitalisieren, ist in Deutschland gang undgäbe, warum soll sie nicht auch in Afrika gebraucht werden? Wennin Berlin ein Grundstück vom Taxator geschätzt wird, so stellt erden Reinertrag fest, und wenn der Grundbesitzer selbst darin wohntund keine Miete zahlt, so geht ein entsprechender Betrag in denReinertrag ein. Genau so sind wir verfahren. Wir haben be-rechnet, waS aus dem Lande der Eingeborenen herausgekommenist, haben den Selbstverbrauch der Eingeborenen dazu genommenund das Ganze kapitalisiert. Bei der Verstaatlichung der Eisen-bahnen sind die Eisenbahnen ebenfalls mit dem LSfachen Werteder Dividende bewertet worden.— Herr Ledebour fragte gestern:Wo kommen wir hin, wenn wir den deutschen Exorthandel indieser Weise kapitalisieren? Da ist es ihm beim Multiplizierenpassiert, daß er eine Null zuviel anfügte—(Abg. Ledebour ruft:„Ich habe mich versprochen!") allerdings ein Fehler, welchen der„Vorwärts" heute berichtigt hat.(Heiterkeit.) Herr Ledeboursagte gestern, meine Berechnung sei ein Unsinn. Ich gebe ihm daSfür seine Rechnung freundlichst zurück.(Heiterkeit.) In denKolonien kommt das Produkt der Eingeborenen an die Küste undwird da verpackt.In Deutschland aber müssen wir noch hinzunehmen den Lohn,der in Deutschland bezahlt wird, die Kosten der Amortisation derMaschinen, dazu das Brotgetreide und das Fleisch, das zur Er-nähruny der deutschen Arbeiter eingeführt wird, und wenn dasdann richtig multipliziert wird, dann kommen Sie ungefähr andas Nationalvermögen Deutschlands. Es gibt das etwa167 Milliarden, das ist freilich ein Zufall.(Heiterkeit.) UebrigenShat das Land 12� Millionen Eingeborene. Wenn Sie die Pro.duktion derselben auch nur auf einen Pfennig auf den Tag taxieren,so kommen Sie auch zu 42 Millionen Mark Rente. Und kapital!»sieren Sie das, wie Sie wollen, selbst mit 6 oder 7 Proz., sokommen Sie doch zu einer recht hohen Summe.AIS eine der allerwichtigsten Aufgaben betrachte ich es. dieProduktion, die Wohlfahrt und die Entwicklung der Eingeborenenzu fördern, und ich habe diese Zahlen aufgestellt, damit man sehenkann, was da bereits drin steckt; denn ohne die Eingeborenen—darin gebe ich Herrn Schädler recht— können wir in den Plan-tagenkolonien, und das ist die Mehrzahl von allen, die wir haben,nichts anfangen. Die Aufstellung dieser Ziffern, mag sie auch mehroder weniger ungenau sein, wird die Aufmerksamkeit des deutschenVolkes und dieses hohen Hauses dahin lenken, wo uns der Schuhdrückt.Nun will ich auf einige Bemerkungen deS Abg. Schädler eingehen. Er hat den Einwurf erhoben, daß die Wörmannlinie selbstandere Zahlen angegeben habe, als in der Denkschrift stehen. Inder Tat steht auf der Seite 63, daß die Wörmannlinie 49 Dampferbesitzt, die auf 33 Millionen Mark geschätzt sind. Außerdem besitztsie aber noch viele Leichterfahrzeuge und eine große Zahl vonFaktoreien, und dadurch kommt die von ihr angegebene Zahl von40 Millionen zustande.Daß nur die wichtigsten Sachen dem Kolonialdirektor unterbreitet wurden, war die Folge der Uebcrlastung dieses Amtes.Mein Versuch, alle Eingänge selbst zu lesen oder wenigstens zuunterschreiben— das letztere wenigstens habe ich durchgesetzt—hat mich 13 Stunden am Tage festgehalten.(Hört, hört'! rechts.)Ob ich daS auf die Dauer durchsehen kann, wenn ich hier fünfStunden zu sitzen die Ehre habe(Heiterkeit), wozu dann noch dieKommissionssitzungen kommen werden, bezweifle ich! Man hatviel von meinem Optimismus gesprochen. Ich bin der Ansicht,ohne die Zuversicht, daß man aus der übernommenen AufgabeetwaS machen kann, ohne den festen Willen, eine Sache auch durchzuführen ohne Rücksicht auf Schwierigkeiten und die Unannehmlichkeiten, die man sich dabei zuziehen kann, wird überhaupt nicht?in der Welt gemacht.(Lebhaftes Sehr richtig! rechts.) DieseSorte von Optimismus besitze ich und hoffe, sie mir auch zu be-wahren.(Bravo! rechts.) Aber das führt natürlich nicht dazu,daß ich uferlose Dinge anfasse und mich Phantastereien ergebe.Ich habe im Gegenteil betont: Eine gedeihliche koloniale Ent-Wicklung kann nur ziel- und planmäßig vor sich gehen. Es mußgezeigt werden, was etwa in 10 Jahren ausgegeben werden muß,damit die Herren sich danach einrichten können. Herr Semler hatein Eisenbahnprogramm verlangt. Wie kann man aber in zweiMonaten einen Plan ausarbeiten, auf welche Weise man ein Landzweimal so groß wie Deutschland, das man nie gesehen hat, durchEisenbahnen erschlossen werden kann? Wir werden einen solchenPlan machen, aber das kann man nicht, ehe man weiß, wie hochdie Kosten sein und welcher Verkehr erwartet werden kann.Herr Ledebour hat davon gesprochen, wir hätten die Absicht,die Eingeborenen zu hetzen; das soll in der Denkschrift desGeneralstabes stehen. Ich habe das nicht gefunden und muß HerrnLedebour bitten, mir die Stelle zu zeigen; die Regierung hat diesWort nicht ausgesprochen.(Abg. Pauli-PotSdam: Also wiedernicht wahr! Große Heiterkeit rechts.) Die Ihnen vorgelegte Kartegibt nur drei Achtel des gesamten Schutzgebiete? in Südwestafrikawieder. Nur dieser Teil soll unter den beschränkten Schutz fallen.Unter Rücksicht darauf, daß bisher alle Leute, die einmal dort ge»wefen sind, den Wunsch haben, in dieses merkwürdige Land wiederzurückzukehren, haben wir die Absicht, dorteine Art Miliz,die dem Gouverneur untersteht, und dadurch eine Landes-Verteidigung ersten GradeS zu schaffen. Dadurch werden natürlichsehr viel Schutztruppen gespart werden. Ferner werden wir Ihneneine Steuerordnung vorlegen, die vor allem auch den großen ge-schlossenen Grundbesitz treffen und die Veräußerung und Aufteilungdieses Grundbesitzes erleichtern soll.(Lebhaftes Bravo! rechts.)Zur Lösung der sehr wichtigen Eingeborenenfragc ist leider bis-her viel zu wenig darauf geachtet worden, was unsere Nachbarnfür Erfahrungen gemacht haben.(Sehr wahr! links.) Infolge.dessen haben wir furchtbar viel Lehrgeld bezahlt. Diese Frage desEingeborenen-, Prozeß» und Strafrechts zu studieren, ist der ge-forderteKolonialattachsbestimmt. Dieser Posten soll mit einem tüchtigen Manne besetztwerden, der an Ort und Stelle diese Sachen kennen lernt; dennwas in der Wilhelmstratze zu studieren ist, das können wir allein.(Heiterkeit.) Das deutsche Kapital für die Kolonien zu intcr-cssieren, ist sehr schwer, weil dies Kapital zurzeit bei einem Bant-diskont von 6 Proz. mit der Aussicht auf Steigerung in derHeimat ungewöhnlich gut angelegt werden kann. Unter solchenUmständen kann man nicht erwarten, daß es in die Kolonien gehtund sich 10 Jahre brachlegt, um auf die Rente einer Eisenbahn zuwarten. Wir wollen nicht große Landgesellschaften, nicht eine großeBodenspekulation unterstützen(Bravo I rechts), sondern demKapital dort helfen, wo es die Gewähr gibt, wirklich werbend ein-zugreifen; da dürfen wir aber auch nicht knauserig sein. Der Bauvon Eisenbahnen ist Staatssache, da Eisenbahnen ein Monopol sind,und ein Monopol soll man nicht in Privathände geben, das habenwir aus unseren Erfahrungen genugsam gelernt. XBravol rechts.)Abg. Kopsch(frs. Vp.):Der Herr Kolonialdirektor hat einen Unterschied gemachtzwischen ernsten und nicht ernsthaften Ausführungen der Vorredner.Ich glaube, daß alle Redeu in vielem Hause, von welcher Seite sie auchkommen, durchaus ernst zu nehmen sind.(Lachen rechts.)— Der Reichs-kanzler sprach gestern von einer Krisis, die wir in der Kolonialpolitikdurchgemacht hätten. Nach meiner Meinung ist die Krisis noch nichtüberwunden. Das bisherige System hat Fiasko gemacht; dasdeutsche Volk glaubt nicht mehr an Erfolge und will keineOpfer mehr bringen. Gewagte Zahlenkunststückchcn sind nicht geeignet.wieder Vertrauen zu erwecken. Man zeige klar, daß und woraufman sich beschränken wolle. Man erkläre auch, daß man die koloni-fatorifche Tätigkeit nach wirklich kaufmännischen Grundsätzenleiten will;ein Zahlenjonglemist«och kein Kaufmann.(Beifall links.)Für die Mühen unserer Truppen haben auch wir Verständnisund Dank; entschieden weise ich den Einwurf Dr. Semlers zurück,daß das deutsche Volk undankbar gegen unsere Truppen ist.(Beifalllink».) Der Reichskanzler hat zugegeben, daß bei den Kolontal-skandalen ein Teil der Vorwürfe berechtigt war. Dann gebührtden Männern Dank, die sie erhoben haben, und Herrn Erzbergerbringe ich einen unverklausulierten Dank entgegen. Nicht die er-hobenen Vorwürfe schädigen Deutschlands Ansehen, sonderndas Vertuschen.Der Reichskanzler wünscht kein Vertuschen, sagt er; wir werdendarauf zu achten haben, daß danach auch gehandelt wird. Gegenden Beamtenftand im allgemeinen ist kein Vorwurf erhoben worden;aber mehr als durch sein Eintreten für die Beamten hätte derReichskanzler erreicht, wenn es ihm gelungen wäre, daß der Ministerv. PodbielSki gleich nach Bekanntwerden seiner geschäftlichen Be-Ziehungen zur Firma Tippelskirch— auS Gesundheitsrücksichtennatürlich— entlassen worden wäre.(Sehr richtig! links.)Für den neuen Kolonialdirektor ist um Vertrauen gebetenworden. ZuBorschußlorbeerenhaben wir keine Veranlassung. Stutzig macht uns bei seinem nichtunvorteilhaften Auftreten die Verlängerung des Vertrages mit derFirma Tippelskirch in Rücksicht auf die von ihr beschäftigten 447Arbeiter.— Bei der Zigarcttcnstcuer und der Erhöhung der Tabak-steuer hat man solche Rücksicht auf Taufende von Arbeitern nicht ge-nommen.Daß der Kolonialdirektor die Selbständigkeit der Kolonienwünscht, begrüßen wir, doch darf es nicht die Selbständigkeit desjungen Ehemannes sein, der sich von den Eltern oder Schwicger-eltern eniähren läßt.(Heiterkeit.)— Vcnnißt habe ich eine klareStellungnahme des Kolonialdirektors zur Eingeborenenpolitik gegen-über der Hetze zur Raub- und Mordpolitik, wie sie z. B. in derBroschüre von Otto beschrieben wird.Die Denkschriften kann ich nicht günstig beurteilen. Sie stellensich als unschöne Tendenzschriftcn dar, die nicht klären, sondern ver-wirren. Eine besondere Logik ist in den Berechnungen nicht zufinden; sie sollten wohl zeigen, wie schnell der Kolonialdirektor sichvom Kaufmann zum Diplomaten entwickelt hat, bei dem die Sprachebekanntlich die Gedanken verhüllen soll.(Sehr richtig! links.) DieBerechnungen erscheinen im ganzenmehr byzantinisch als kaufmännisch.(Sehr gut! links.)Die zweite Denkschrift kommt zu dem Ergebnis, daß die Kolonienein Bild befriedigender Entwickclung zeigen. Sie läßt zu diesemZwecke die Militärlasten einfach sott. Auf welchen Titel des Reichs-Haushalts sollen sie kommen? Bielleicht auf den Etat des Kriegs-Ministeriums? Vom Standpunkt der Steuerzahler ist der Kolonial-etat nicht zu hoch, sondern zu niedrig belastet. Auf das Konto derKolonien sind noch Kosten fiir die Postverwaltung, für Kabel, fürJndiensthaltung von Kriegsschiffen und Truppe» zu stellen. Hat dochder Reichskanzler letzthin selbst erklärt, daß unsere gesamte Situationauch in Europa erschwert ist durch die Wahrnehmung unserer über-feeischen Interessen.(Sehr richtig I links.)Ich komme nun zu den Nachtragsetats. Der fiir das ganzeJahr bestimmte Betraa von 67'/z Millionen ist in 7>/z Monatenverbraucht 1 Danach braucht man für den Rest von 4>/g Monatenetwa 40 Millionen; demgemäß istnoch ein dritter, vierter und auch fünfter NachtragSctat zu erwarte«!Begründet wird der Nachtragsetat mit hohen Kosten des Truppen-rücktranSporteS, ferner damit, daß Ueberschreitungen auch in früherenJahren vorgekommen sind und mit:„unter anderem". Was dasheißen soll, darüber bitte ich noch um Aufkläruna. Eine dürftigereBegründung einer Nachforderung von«lehr als 29 Millionen Markist uiir noch niemals vorgekommen.Wie denkt denn der Herr Reichsschatzsekretär darüber, der inder Budgetkommission sagte, er würde keiner Neuaufwendung zu-stimmen, ivenn nicht gleichzeitig die DeckungSfrage geregelt würde?Wie soll das hier geschehen? Solldie Pumppotttikins Unbegrenzte weiter gehen?Die Nachforderung hängt eng zusammen mit der Frage derZurückziehung unserer Truppen. Oberst v. Deimling sagte hier am20. Mai, sie würden nicht zurückgezogen werden, wen» nicht derKaiser eS befiehlt, der allein darüber zu bestimmen hat. Daszeigt klar den Gegensatz zwischen der Kommandogewalt und den,GeldbewilligungSrccht des Reichstages. Jetzt kann der Reichstagbeweisen, daß er doch nicht ganz bedeutungslos in seinem Etatsrcchtdasteht.(Sehr richtig! links.)Die Frage der Truppenzurückziehung hängt eng mit derForderung des Bahnbaues bis nach Keetmanshoop zu-sammen. Herr Semler sagte, der Bahnbau sei imVorjahre abgelehnt aus einer gewissen Verstimmung heraus.Diese geringe Einschätzung unseres Verantwortlichkeitsgefühl iveise ichentschieden zurück.(Bravo! bei den Freisinnigen.) In der Begründungmit militärischen Zwecken steht nichts Neues, und die Begründungmit wirtschaftlichen Zivccken zeigt den großen Optimisten. DieBerufung auf den Fürsten Bismarck war ganz verfehlt; auch 1889befürwortete der Alt-Reichskanzler nur die Errichtung von Kohlen-stationen. Ein gewisser Optimismus scheint jetzt hoffähig zu sein;aber er ist am ivenigsten angebracht in der Kolonialpolitik. Jeweniger sie„...Phantasiepolrtikist, je mehr gesunde Realpolitik, desto mehr wird der Pessimismusüberwunden werden.— Dem Kolonialdirektor als Kauf»mann bringen wir Vertrauen entgegen, aber gegenüber dem