Mißhandelten wagten nicht, sich direkt beim Gouverneur zu be-schweren und bleichten ihre� Klagen durch einen Missionar bor.Nachdem die Anzeige schriftlich beim Richter eingereicht war, wurdebald darauf von dem stellvertretenden BezirkSrichter, Assessor Dieb,der Beschluß erlassen, daß das Verfahren einzustellen sei, da Schmidtüber die Mehrzahl der Festgenommenen in rechtmäßigerWeise die Strafe der körperlichen Züchtigung mit Ruten verhängthabe! An einer anderen Stelle heißt es, daß die Nute ein„Stecken"gewesen sei. Mir ist solcher Stecken zugesandt worden.lRedner legt einen meterlangen knorrigen, mindestens danmbickenStock auf den Tisch des Hauses nieder. Pfuirufe bei den Sozial-demokraten.)Wenn ein solches Instrument als„Stecken" bezeichnet wird,so kann man sich vorstellen, was man in den Kolonien� unterKnüppel versteht.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)Schmidt fühlte sich nun frei genug, den Spieß umzudrehen undstellte Strafantrag gegen den Missionar(Hört! hört! bei denSozialdemokraten), weil derselbe entsprechend den Angaben derAwekeleute bei der Anzeige gesagt hätte, die Leute seien so ge-prügelt worden, daß die Fetzen am Körper gehangen hätten. TasGericht in Togo leitete auch wirklich die öffentliche Klage gegen denMissionar Müller ein. Bei diesem Verfahren sind nun die ge-prügelten Aeltesten und andere Leute, die dabei waren, als Zeugenvernommen worden. Einer sagte aus, daß die Leute mit vier ver-schiedenen Stecken, etwas dicker als ein Finger, geschlagen haben!Wenn ein Stock zerbrach, wurde der nächste genommen.(Pfuirufebei den Sozialdemokraten.) Die Leute sind so blutig geschlagenworden, daß nach drei Jahren noch Narben, größer als eine Hand,vorhanden waren. Angesichts all dieser Tatsachen hat der Bezirks-richter Dietz das Verfahren einstellen lassen!(Hört! hört!) Ineinem anderen Falle wird von Augenzeugen bestätigt, daß derBezirksrichter, Frhr. v. Nottberg, Soldaten, die bei einem Eilmarschzurückgeblieben waren, 25 Hiebe aufzählen ließ. Einen Träger,der ohnmächtig zu Boden sank, ließ er einfach am Boden liegen.(Hört! hört!) Einen anderen, der ohnmächtig zusammengefallenwar, schlug er mit der Faust ins Gesicht, dann ließ er ihm mit einemBambusrohr 25 Hiebe aufzählen. Hierauf wurde er liegen ge-lassen und später als Leiche gefunden!(Lebhaftes Hört! hört! beiden Sozialdemokraten.) Auch hierüber ist Anzeige erstattet, aberebenfalls das Verfahren auf Beschlutz des Nichters Dietz ein-gestellt(Hört! hört! links), da sich„nichts Strafbares gegen Rott-berg ergeben" habe! Der angesehenste Eingeborene in Lome hatausgesagt, der Träger sei mit einem Knüppel geschlagen worden,mit dem man einen Ochsen hätte totschlagen können.(Hört! hört!)Nottberg hat gemeldet, der Mann sei am Sonnen st ich gestorben!(Hört! hört!)— In einem dritten Falle suchte sich ein Koch beieinem Beamten �— dessen Namen ich jetzt nicht nennen will—wegen einer llnpünktlichkeit zu entschuldigen. Er erhielt dafür ohneweiteres 25 Schläge und zugleich einen Fußtritt gegen die Ge-schlechtsteile» so daß der Mißhandelte mit einem Schrei umfiel undfünf Minuten hülflos liegen blieb. Darauf schlug der Beamte ihnmit der Faust ins Gesicht und trat ihn abermals gegen den Unter-leib, so daß er wieder hinfiel. Das war um 10 Uhr vormittags.Darauf befahl der Beamte, daß er sich bis 3 Uhr nachmittags füreinen Marsch fertig zu machen habe. Der Koch ließ sagen, das seiihm unmöglich, der Weihe solle ihn lieber töten. Darauf erhielt ernochmals 25 Schläge.(Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.Zuruf rechts.) Er wurde dann ohne Nahrung und Pflege ein-gesperrt und istin der folgenden Nacht gestorben.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Leiche wurde spätervon Angehörigen nach Lomo> gebracht und ist dort offen unter denAugen der weißen Beamten und unter dem eintönigen Gesang derEingeborenen:„Der Weiße hat den Koch getötet!" zu Grabe ge>tragen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) In diesem Fallekann ich den Herrn Kolonialdirektor nicht ganz von Borwurf frei-sprechen: Der Fall ist hier bekannt, der Beamte war hier auf Ur-laub, und er ist, trotzdem diese substantiierten Anklagen gegen ihnvorlagen,wieder zurückgeschickt.(Hört! hört! links.) Natürlich konnte man gegen ihn noch nichtstun, aber man hätte sich erst vergewissern müssen, was Wahres ander Sache ist und ob es möglich war, ihn wieder in sein Amt zurück-zuschicken.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Er wird nundort die armen schwarzen Zeugen nach Möglichkeit beeinflussen,damit sie, wenn die Untersuchung stattfindet, es nicht wagen, etwasauszusagen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.)Ein anderer Eingeborener hatte für den Bezirksleiter— ich binjederzeit bereit, dem Herrn Kolonialdirektor den Namen zu nennen,wenn er ihn nicht aus dem Fall ersieht— mit anderen einen Karrenzu ziehen. Er wurde müde, und der VezirkSleiter ritt sofort mitseinem Pferde über den am Boden Liegenden, wandte dann seinPferd und ritt nochmals über ihn(Vielfache Pfuirufe bei denSozialdemokraten), so daß der Mann von den Hufe» getreten unterlautem Geschrei sofort verstarb.(Hört! hört! bei den Sozial-demokraten.) Der Bezirksleiter berichtete, daß der Mann infolgeeines„Unglücksfalles" gestorben, und drohte den übrigen Trägern,es werde ihnen etwas Böses passieren, wenn sie darüber sprächen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Leute wagen vielfachihre Aussagen bor Gericht nicht aufrecht zu erhalten. Doch wäreeö verkehrt, daraus zu schließen, daß die Aussagen der Eingeborenenbor Gericht, die ja auch nicht beeidet werden, mehr Glaubenverdienen als die früher aus freien Stücken von ihnen vor Personenihres Vertrauens gemachten Aussagen. Das Gegenteil ist richtig;denn vor Gericht fühlen sich die Leute eingeschüchtert. Man scheutsich übrigens auch nicht vor direkter Beeinflussung der Zeugen.So beschwerte sich ein angesehener Bürger in Lome beim Gouver»neur Horn über den Bezirksleiter' Schmidt. Als Schmidt davonhörte, ließ er ihn vor sich laden, fuhr ihn als einen Lügner an, ver-langte, er solle seine Anschuldigungen widerrufen, und ließ denMann, als er erklärte, er habe ja doch nur die Wahrheit gesagt,verhaften und ins Gefängnis werfen, wo der alte Mann 14 Tageeingesperrt saß, bis er bald nach seiner Entlassung starb!(Hört!hört! links.) Ein solches Verfahren, daß der Angeschuldigte denMann, der. eventuell als Zeuge zu vernehmen ist, als Lügner an-fährt und ins Gefängnis werfen läßt, ist unerhört.(Sehr richtig!links.) Manches erklärt sich aus den Ansichten, die in den Kreisender Richter selbst vorhanden sind. So sagte einer derselben alsZeuge aus: Da die Richter in den Schutzgebieten zugleich Ver-waltungSbeamte sind, sind sie nach der Ansicht des AuswärtigenAmtes auch in ihrer richterlichen Tätigkeit an die Instruktionen desVorsitzenden gebunden. Das ist doch ganz horrend.(Sehr wahr!bei den Sozialdemokraten.) Ein Richter ist meines Wissens inseiner richterlichen Tätigkeit niemals an Instruktionen gebunden,sondern lediglich an sein Gewissen.(Rufe bei den Sozialdemo-kraten:„Er sollte es sein!" Zustimmung bei den Sozial-demokraten.)DaS non plus vltraaber ist folgender Fall: Der Stationsleiter Schmidt stellte sich am26. April 1903 auf der Station Adaguame dadurch vor. daß er durchden amtlichen Ausrufer erklären ließ, er befehle, daß alle Mädelsheute nacht zum Tanz zur Station kommen sollten: imWeigerungsfälle seien von den Müttern der betreffendenMädchen 2V Mark Strafe zu zahlen I Unter dem besserenTeile der Bevölkerung, sowohl dem heidnischen als auchdem schon zum Christentum übergetretenen, entstand hierübergroßer Unwillen, und man wandte sich an die Missionare.Diese erklärten, daß keine Christin einer solchen Aufforderung zumnächtlichen Tanz nachkommen dürfe und daß auch leine Mutter ver-pflichtet fei, 20 M. zu zahlen. Darauf erließ Schmidt die An-weifuna, daß es allen Eingeborenen verboten sei. sich fürderhin beiden Mijsionaren zu beklagen.(Lebhaftes Hört! hört!) UebrigenSrichten sich solche Verbote nicht nur gegen katholische Missionare.So hat der Gouverneur v. Puttkamer in Kamerun durch Erlaßseinen Beamten verboten, die evangelischen Missionsanstalten zubesuchen I Wie weitdie Selhstherrlichketrgeht, zeigt folgender Fall: Am 7. Mai 1903 proklamierte Schmidtseine Konkubine formell und amtlich zur„Königin" und befahl denLeuten, ibr Gehorsam zu leisten. Zugleich verlieh er ihr dieGerichtsbarkeit in allen Rechtsjtreitigkeiten ohne Rücksicht auf dasObjekt in e r st e r Instanz, von der an die Stativ n als zweiterInstanz appelliert werden konnte I Auch wurden dieser Kupplerindie Gerichtsgebühren überlasten! Als Jnsignien ihrer Würde ließer ihr einen Degen überbringen. Die Kolomnlverwaltung, die Jahrund Tag diese Dinge genau so gekannt hat wie ich,(Lebhafte Be-wegnng: lautes Hört! hört!) hat diesen wiederum dorthingeschickt, und er befindet sich noch heute dort.(Lautes Hört! hört!)Er hielt sich auch eine Schar von fünf kleinen, noch unerwachsenenschwarzen Mädchen: doch er erklärte, er habe das getan, damit sieihn und seine Gäste bei Tische bedienten und außerdem wollte ersich an dem„harmlosen Spiel der Kinder" erfreuen I(Lachen.) Eswurde aber bekundet, daß die Kinder im Vorzimmer seines Schlaf-zimmers schliefen undabwechselnd von ihm zu sich ins Bett genommenwurden!! Die Leute von Adaguame faßten die Sache sehr ernst auf.Das Sittlichleitsgesühl der Eingeborenen ist gerade bezüglich desgeschlechtlichen Mißbrauches junger Mädchen außerordentlich ausgeprägt. iHört I hört!) Nach der Landessttte steht darauf derTod! Deshalb erregte dieses Vorgehen allgemeinen Unwillen in der Bevölkerung. Die Sache kam aber erstins Rollen, als Schmidt dieser Scbar eine noch nicht14 Jahre alte Tochter eines zum Christentum übergetretenen Eiwgeborenen zugesellte und der Mission durch die allere Schwester derKleinen Mitteilung davon gemacht wurde. Diese sagte:„Ais ichmachen verkausen wollte, wurde ich von Schmidt gefangen genommen.weil ich keinen Erlaubnisschein hatte. Meine Schwester wurde amfolgenden Tage gefragt, ob sie bei ihm bleiben wollte, anderenfallsköimte er mich nicht so bald entlassen! Sie blieb darauf alsDienerin drei Wochen bei ihm, bis ich ans dem Gefängnis entlassenwurde. Nunmehr bat sie auch um ihre Entlassung. Diese wurdeihr aber veriveigert und ihr gesagt, sie werde entlassen werden, wennSchmidt nach Europa gehe. Später kam sie nach Hause und klagte,Schmidt habe sie geschlechtlich gebranchtl Als siesich geiveigert habe, habe er sie mit einer Pferdepeitsche geschlagen. Es ist auch von Zeugen gesehen worden, daß dasKind geschlagen worden ist. Die Narben sind heute nochvorhanden. Ein Missionar hielt sich für verpflichtet, die Sache demstellvertretenden Bezirksrichter, Oberleutnant Frey mitzuteilen.Dieser sagte, er wisse nicht, was in diesem Falle zu tun sei; derMissionar möge doch eine schriftliche Eingabe machen. Als auchdies geschehen lvar, hätte man doch glauben sollen, daß derStationsleiter Schmidt, der zweier Verbrechen hinreichend verdächtigwar, verhaftet würde.In Togo ist aber die Gerichtspflege anders. In der Nacht rückteder inzwischen zurückgekehrte Bezirksrichter Rottbeck mit 3 Assistentenund 19 schwarzen Soldaten nicht gegen das Stationsgebäude,sondern gegen die Mission an; sänitliche Patres wurden ausden Betten gezerrt und für verhaftet erklärt! Die Soldaten drangenauch in die'Kapelle ein, deckten den Altar ab und nahmen sämtlichePapiere der Patres an sich. Dann wurden die Patres von denSoldaten umzingelt und in das Gefängnis abgeführt, wo sie 2l Tageblieben.(Abg. Hoffmann sSoz.s ruft nach rechts: Lachen Sie dochl) DiePatres wollten sich telegraphisch in Kainerun beschweren: das Telegrammwurde zurückbehalten! Während der 21 Tage ihrer Hastwaren die Patres stets von Soldaten begleitet, auch die Messekonnten sie nur unter Ueberwachung lesen. Ein Pater bat darum.einem zum Christentum übergetretenen Eingeborenen die Beichte abnehmen zu dürfen. Er erhielt die Antwort: das würde unter derBedingung gestattet, daß das, was gebeichtet würde, vorher schrifvlich beim Gouverneur eingereicht oder daß so laut gebeichtet würde,daß der AufsichtSbeamte es hört!(Heiterkeit und Hört! hört!)—Außerdem sind dann noch andere Zeugen vernommen worden,von denen man annahm, daß sie gegen Schmidt aussagen würden.Einer ist nach einer sechs Tage langen Reise auf 14 Tage ein-gekerkert worden, obwohl er nichts getan hatte. Er wurde entlassen,als sich herausstellte, daß er gar nicht der richtige Zeuge war.(Hört!hört!) Erst später wurde den Patres mitgeteilt, daß sie verhastetseien wegen falscher Anschuldigung, wegen Fluchtverdachts und wegenKollusionsgefahr.(Bewegung. Lebhaftes Hört! hört! beidenSoziabdemokraten.) Der Vorsteher der Mission, Pattt Schmidts, wurde schließelich wegen falscher Anschuldigung zu 14 Tagen Gefängnis ver-urteilt, die durch die erlittene Untersuchungshast als verbüßt betrachtet wurde. Dies sollte ihm vermutlich eine Beruhigungsein, daß er nicht ganz umsonst gesessen hätte.(Heiterkeitund Sehr gut l links.) In der Verhandlung hatte der Stations�Vorsteher Schmidt zugegeben, daß er die Magiaro wiederholt jje>schlechtlich gebraucht habe; er hatte aber behauptet, daß er das nichtgleich in der ersten Zeit getan hätte, sondern erst später, als siejedenfalls 14 Jahre alt gewesen sei.(Bewegung.) Das Gerichtfand, daß der Wahrheitsbeweis von dem Pater Schmidts nicht er-bracht worden sei: die Maaiaro sei nicht glaubwürdig, weil sie derHypnose zugänglich sei.(Große Heiterkeit links und im Zentrum.)Sie habe hypnotisiert oder im Fieberwahn ausgesagt und seideshalb nicht glaubhast. Der Koch, der gesehen hatte, wie dieMagiaro geschlagen wurde, sei dem Trünke ergeben, alsoauch nicht glaubhaft.(Heiterkeit links.) Daß der Magiaroauch die Narben anhypnotisiert worden find(Große Heilerkeitlinks und im Zentrum), wird zivar nicht ausdrücklichim Urteil gesagt, muß aber notwendigerweise ergänzt werden. Durchdie Einkerkerung der Patres und der anderen Zeugen war der Bodengenügend vorbereitet, um das Strafverfahren gegen den Stationsleiter zu erledigen. Es war aber heilsame Furcht verbreitet: dieZeugen wußten, was ihnen bevorstand, wenn sie gegen Schmidt aus-wgten. Und nun kommt das horrendeste: Der StationsleiterSchmidt, der zweier Verbrechen angeschuldigt war, vernahm vor derVerhandlung gegen sich alle die ihn belastenden Zeugen: Magiaro,ihre Schwester, lhren Bruder und ihre Mutter I l!(Große Bewegung,wiederholte Rufe: Hört! hört! links.) Sie wurden von Schmidt undseinem Intimus Kersting, der in dem Bezirk gar nichts zu tunhatte und sich nur besuchsweise dort aufhielt, vorgeladen und ver-nommen.(Hört! hört!) Daß eine solche Untersuchung nichts er-geben konnte, lag auf der Hand. Es konnte nicht nachgewiesenwerden, daß er das Mädchen gebraucht, bevor sie 14 Jahre alt war;es konnte nicht nachgewiesen werden, daß er fie durch Peitschenhiebezur Duldung des Verkehrs gezwungen habe. Der Pater Schmidtsist dann in zweiter Instanz freigesprochen worden. Er hatte diestringentesten Beweise für die Wahrheit seiner Behauptungen gegenSchmidt, der Beweis wurde aber nicht erst erhoben, fondernSchmidts wurde s o steigesprochen. Es ist also tatsächlich unrichtig,wenn im Urteil zweiter Instanz behauptet wird, der' Wahrheits-beweis sei mißlungen.(Hört! hört! links und im Zentrum.) Er istgar nicht erst erhoben worden.Hier haben Sie ein kleines Bild von den Zuständen, wie sieselbst in einer.Musterkolonie" wie Togo bestehen. Daß sie unhalt-bar sind, wird niemand bestreiten. Aber diese Zustände sind seitmehreren Jahren im Reichstage erörtert worden, ohne da« irgend etwasdagegen geschehen wäre.(Lautes Hört I hört l links und im Zentrum.)Keines dieser Verbrechen ist bis heute gesühnt.(Stürmisches, wieder-holtes Hört! hört!) Alle diese Beamten, die diese Verbrechen de-gangen haben, sind noch heute in Amt und Würden.(LanganhaltendeBewegung.) Nur Herr v. Rottberg ist wegen der Klosteraffäre ab-berufen worden. Wenn so die Zustände fortdauern— trotz der fortgesetzten Rügen im Reichstag— dann ist man in seinem Gewiffenverpflichtet zu fragen.ob man überhaupt noch einen Pfennig für die Kolonien bewilligendarf,(Lebhafter Beifall links), wenn dort nicht gründlich gebessert wird.Die katholische, aber auch die evangelische Mission werden vonder kolonialschwärmerischen Presse angegriffen. Sie gelten ihr alslästige Zeugen. Aber die Missionare würden pflichtwidrig handeln,wenn fie sich der Eingeborenen, die ihnen ihr Leid klagen, nichtannähmen.(Bravo I im Zentrum-) Mein Material stammt wedervon der Mission in Togo, noch von einem Beamten der Kolonial«abteilung. Es ist aus den Gerichtsakten und Urteilen sowie ausden Angaben des Anwalts geschöpft, der den Pater verteidigt undsich längere Zeit in Togo aufgehalten hat. Als Reichstags«abgeordneter habe ich mich verpflichtet gefühlt, diese menschen«unwürdigen Zustände zur Sprache zu bringen: denn nur, wenn dieBeamten in den Kolonien wissen, daß ihre Taten im Reichstage zurSprache kommen, kann auf Besserung gehofft werden.(LebhafterBeifall im Zentrum.)Präsident Graf Ballestrem:Ehe ich das Wort weiter erteile, muß ich auf die Bemerkungdes Vorredners zurückkommen, daß während der Pause im Sommerhier im Reichstage eine Haussuchung stattgefunden habe. Ich wolltedas, was ich jetzt mitteilen will, erst mitteilen, wenn die Debatteüber die Immunität der Abgeordneten stattfindet. Aber ich kannnicht 24 Stunden ins Land gehen lassen, ohne auf diese Behauptungeine Erwiderung zu geben.Am 11. Juni schickte mir der Direktor des Reichstags. Jung»heim, folgenden Bericht:Gestern nachmittag 4,/i Uhr suchte mich der Chef der Berlinerpolitischen Polizei, H e n n i n g e r, in meiner Privatwohnungauf und erklärte, der Abgeordnete Erzberger werde seit 12� Uhrin einem Verfahren gegen Kolonialbeamte als Zeuge von demUntersuchungsrichter Schmidt vernommen. Er(Henninger) be«absichtige, im Reichstage eine Haussuchung oder Durchsuchungvorzunehmen. Er habe bereits nach dem Reichstagsgebäudetelephoniert und sei von dem im Bureau anwesenden Bureau»assistenten Klose an den Direktor gewiesen worden. Er habe michvon Vorstehendem in Kenntnis zu setzen; er selbst sei an derSache unbeteiligt. Ich erwiderte darauf, daß ich mich sofort nachdem Reichstagsgebäude begeben würde und äußerte meine Be«denken gegen das beabsichtigte Verfahren. Ich begab mich mitDr. Henninger nach dem Reichstage und traf dort einen Kriminal-kommissar. Der Untersuchungsrichter Schmidt war noch nichtanwesend. Als er kam, führte er in der Unterhaltung aus, daßrechtliche Bestimmungen, die Haussuchungen im Reichstage ent-gegenständen, nicht existierten, das Reichstagsgebäude fei nichtexterritorial. Ich habe dem Untersuchungsrichter gegenüber meinespäter folgende Erklärung abgegeben. Herr Dr. Henninger ver-abschiedete sich darauf. Dann erschien der Abgeordnete Etzbergerin meinem Dienstzimmer und bat um einen Hausschlüssel, undunmittelbar darauf begab er sich mit dem UntersuchungsrichterSchmidt in das Gebäude, wo der Untersuchungsrichter die Sachendes Abgeordneten Erzberger durchsuchte. Ich erklärte dem Unter-suchungsrichter. daß ich mich nicht für berechtigt halte, dem Ver-langen nach einer Durchsuchung stattzugeben. Diese Erlaubniskönne nur Ew. Exzellenz oder der Reichstag geben. Sollte trotz-dem eine Durchsuchung erfolgen, so würde ich Einspruch dagegenerheben. So lange das preußische Abgeordnetenhaus, der nord-deutsche Reichstag und der deutsche Reichstag bestehen, se, dieMacht der Exekutivpolizei zu Ende an der Tür des Parlaments.(Lebhafter Beifall.) Der Herr Untersuchungsrichter erklärte, erbeabsichtige keine Durchsuchung, der Abgeordnete Erzberger habesich bereit erklärt, ihm den Inhalt seiner im Reichstag befind-lichen Sachen zu zeigen.(Hörtl hört! links.) Der AbgeordneteErzberger gab die Erklärung ab, daß er bereit sei, seine imReichstagsgebäude befindlichen Schriftstücke vorzulegen, und erbat um eine Abschrift der Schriftstücke. Da nun von jeder-mann das Reichstagsgebäude zu besichtigen ist, so habe ich äüchdem Abgeordneten Erzberger den gewünschten Hausschlüssel aufsein Verlangen gegeben. Der Hausschlüssel ist mir nach kurzerZeit von dem Hausinspektor Hagedorn zurückgegeben worden.Dem Beamten habe ich strengste Amtsverschwiegenheit auferlegt.für den Fall, daß ich nicht im Sinne Ew. Exzellenz gehandelthabe."Dieser Bericht ist bei mir am 12. Juni eingegangen, und am.18. habe ich folgendes verfügt:„An den Direktor beim Reichs-tage, Jungheim, mit folgenden Bemerkungen zurück: Mit demVerhalten des Direktors in der mir mitgeteilten Angelegenheitbin ich vollständig einverstanden."(Lebhafter Beifall, besonder?links.) Ich bin selbstverständlich der Meinung, daß eine Polizei-liche Haussuchung im Reichstage ohne Erlaubnis deS Präsidentenauf keinen Fall zugelassen werden könne. Wird die Haussuchungerzwungen, dann ist Protest zu erheben.(Lebhafter Beifall,besonders links.) Eventuell ist telegraphisch die Intervention desReichskanzlers anzurufen.— Der Reichskanzler war damals nichtin Berlin.— Eine Haussuchung hat also nicht stattgefunden.(Leb-hafter Beifall.)Kolonial!» rekwr Dernburg:Ehe ich mich der sensationellen Rede des Abgeordneten Roerenzuwende, möchte ich Herrn Bebel antworten, der uns mit seinerStrategie in Europa und Afrika nur ins Blaue führen würde.Wenn er meint, daß unser Kolonialbesitz uns in Konflikt« mitEngland führen würde, so muß er doch wissen, daß alle anderenKolonialstaaten, Frankreich, Italien und Holland, dieser stärkstenSeemacht gegenüber in derselben Lage sind. Fürst Bismarck hatgesagt, daß die Kolonien auf dem Kontinente verteidigt würden,und darin hat er recht. Unsere Handelsflotte lebt England gegen-über unter den gleichen Bedingungen wie unsere Kolonien. Sollenwir deshalb keine Schiffe bauen oder die vorhandenen verbrennen?(Sehr gut! rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Herr Bebelhat geraten, den Hottentotten doch einmal verständig zuzureden.Es wäre sonderbar, wenn das nickt längst der deutschen Verwal-tung eingefallen wäre. Aber dies Ei des Kolumbus hat noch keineraufstellen können. Die Anrede Bebels an die Hottentotten überKultur und Brüderlichkeit ist diesen längst gehalten. Herr v. Linde-quist wird in der Kommission darüber Mitteilung machen. Aberselbst die persönliche Beredsamkeit Bebels würde nicht genügen, umdiese Raubtier-Nation zu zähmen.(Rufe bei den Sozialdemo-kraten: Sie sprechen nach Roerens Rede von einer Raubtier-Nation!) Herr Bebel weist darauf hin, wie teuer alles in Windhukund Keetmanshoop sei. Da hat er recht; das kommt von der Un-Möglichkeit, die Sachen hinzukriegen. Wenn Sie aber eine Eisen-bahn bauen würden, bekämen Sie die Sachen alle billig. HerrBebel hat den furchtbaren Verdacht, daß ich ihm und Herrn Lcde-bour die Dokumente habe entwinden wollen. Er hält mich halbund halb für einen Missetäter, aber er hätte doch nicht fürchtensollen, daß ich List und Gewalt anwenden würde, um mich dieserDokumente zu bemächtigen und sie in den finsteren Gelassen derWilhelmstraße und den Kellereien der Kolonialverwaltung zuverstecken.(Schallendes Gelächter bei den Sozialdemokraten.)Nein, die Sache liegt anders. Herr Bebel fürchtete einfach, feinEffekt ginge verloren.(Schallendes Gelächter bei den, Sozialdemo»kraten.) Er wünschte die öffentliche Meinung möglichst langeunter dem Eindruck seiner nicht kontrollierbaren, sensationellenMitteilungen zu lassen. Und da ist es begreiflich, daß er meinenVersuch, seinen wohlberechneten Effekt zu stören, als Attentat em-Pfunden hat.(Schallendes Gelächter bei den Sozialdemokraten.)Er sieht mich mit Mißtrauen an. Bei seiner Stellung, die er beiallen staatlichen und kolonialen Dingen«innimmt, muß es unsereAufgabe fein, seine Taktik zu durchkreuzen.(Schallendes Gelächterbei den Sozialdemokraten.) Herr Bebel wollte hier einfach seinenächstjährige Wahlrede halten.(Große Unruhe links.)_Bezüglich der einzelnen Fälle mutz ich sehr kurz sein. HätteHerr Bebel mir seine Papiere rechtzeitig gezoigt, haste ich viel-leicht mehr sagen können. WaS den Fall derErschießung mit Kanonenanlangt, so ist die Untersuchung bereits im Gange auf Grundeiner Mitteilung seitens eines Abgeordneten. Von dem Ergebniswird Ihnen Mitteilung gemacht werden. Eine materielle Unge-rcchtigkeit steht nicht in Frage, wohl aber die Verletzung de» be»rcchtigten Gefühls der Menschenwürde, die jedem, der Menschen-antlitz trägt, auch einem Sckiwarzcn, zugebilligt werden muß.(Sehrrichtig!) Mit Recht hat Herr Bebel es getadelt, daß diese Leute eshaben mit ansehen müssen) daß die anderen niederkartätscht wurden.Ich bemerke, es handelt sich um im ordentlichen GerichtsverfahrenVerurteilte!(Lochen bei den Soziatdemokraten.) WaS sagt nunaber Herr Bebel seinerseits diasii. daß« hier auf unlau«