Dr. 10. 24. Jahrgang. 2. KnlM des Jorairtf Kerlim öollislildtt. Sonnabend, 12. Januar 1907. Der Wahlkampf in Grotz-Berlin . Flugblattverbreitung Mdet«m Sonntag im ersten, dritten, vierte« und fünften Kreise statt. Die Genossen wollen sich frühzeitig in den be- kannten Bezirkslokalen einfinden. Die Hülfskräfte aus dem sechsten Kreise begeben sich wieder an die bekannten Stellen des ersten Kreises, die aus dem Südosten des vierten Kreises nach dem dritten Kreise. Tie Hülfskräfte aus dem vierte« Kreise(Osten) für den fünften Kreis werden gebeten, sich wieder in den Lokalen einzufinden, von denen aus die Verbreitung am letzten Sonn- tage stattfand. Die Genossen des Ostens, welche noch nicht zugeteilt sind, wollen sich im Zentralbureau Sophien st raße 6 bei Münzer (Amt III. 83V7) einfinden. Zweiter ReichStagSwahlkreiS. Die für Sonntag, den 13. Januar, geplante Flngblattverteilnug findet nicht statt. Der Vorstand. » Sechster Wahlkreis. Die kühne Phantasie der durch ein süßes Lächeln deS Zitatenkanzlers in fiebernde Aufregung versetzten FreisinnShelden wagt sich in selbstbeschwindelnder Großtuerei sogar an den Gedanken heran, der Sozialdemokratie den sechsten Wahlkreis streitig machen zu wogen. Für uns ist cS ein Hochgenuß, daß die Staatsmännchen auf Pferdchen auch in diesem Kreise ihr Rößlein tummeln wollen. Das gibt für unsere Genossen einen Anreiz, die traurigen Ritter der Grundsatzlosigkcit in den Sand zu werfen. Ach, Ritter, selbst nur blechgepanzerte, sind eS nicht einmal, eS sind nur Harlekine Als Retter des Reiches ziehen sie nun aus wider den Feind Sozialismus. Und einem Unwohlsein BülowS verdanken sie ihre an Theaterflitter und Schminke erinnernde Heldenrolle. Weil Zentrum und Sozialdemokratie der Regierung die Kolonial- forderung nicht mit Handkuß apportierten, wurde die Bande nach Hause gejagt und die Freisinnigen als Regierungshündlcin kläffen nun hinterher. Bülow wollte aber schon vor ein paar Monaten Schluß machen mit der Rotte der„Reichsfeinde", als diese den Bau der Bahn nach Keetmanshoop abgelehnt hatten. Weil er un- wohl war, unterließ er eS, die Schänder der Reichsehre zum Wallotbau hinauszujagen. So behauptet er selbst in seinem Silvesterbrief. Und darin liegt die Komik, das Lächerliche, das grotesk Burleske, denn damals gehörten auch die Freisinnigen zur Oppositionsbande. DaS Unwohlsein BülowS ist also schuld daran, daß der Freisinn nicht zu den Reichsfeinden, sondern zur Reichs- meute gehört. Wundersames Schicksal. Die Geschichte kann nur Logik haben, wenn man annimmt, der Freisinn habe Wind davon bekommen, daß des schönen Bernhards Unwohlsein sich behoben und er zur Tat der ReichstagSauflösung entschlossen sei. falls des deutschen Volkes Vertreter eS nochmals wieder wagen sollten, eine RegierungSfordcrung abzulehnen. Und daher über Nacht die Be- kehrung zur Kolonialbegeisterung. Wir finden den Freisinn in der einen Rolle so gut blampren wie in der anderen. Seine Selbst- entwürdigung konkurriert höchstens noch mit seiner Impotenz. Aber trotz deS Freisinns Ohnmacht muß bei dieser Wahl auch im sechsten Kreise jede Stimme für uns herangeholt werden. Immer wieder muß daran erinnert werden, daß die Wahl am LS. Januar ein Prüfstein ist für die Reaktion, ob sie eS wagen kann, des Volkes Staatsbürgerrechte noch weller zu beschneiden, ob die Bestie viel- leicht still halten wird, wenn man jetzt versucht, ihr den Zaum an- zulegen. Daß aus dem sechsten Wahlkreis das Stimmengewicht gegen die Reaktion noch erheblich erhöht werden kann, beweist diese Auf- pellung(allgemeine Hauptwahlen): Zahl der Abg-g-ben- S°Md.m°kr°tie Jahr Wahl« gültige glimmen abaeaeben in Prozenten berechtigten überhaupt in Proz. d°Z�Ib-r-cht. d N-- 1871— SSL«—— 1.47 1874— 8 lS8—— 88,86 1877— 19 094—— 60.12 1878— 38 814—— 40,93 1881— 38 723—— 27,45 1884 74 898 51 050 68,8 32,88 47,62 1887 86 323 69 078 68,6 36,27 61,55 1890 104 460 67 981 65,3 40,47 62,19 1893 121 664 81 214 67,0 42,43 63,50 1898 142 226 87 028 61,4 46,95 67,54 1903 164 932 111649 67,9 48,19 71.19 Die Wahlbeteiligung war verhältnismäßig immer schwach im echsten Wahlkreise. Daß bei stärkerer Beteiligung unsere Chancen steigen, zeigt die Wahl im Jahre 1903. Seit 1890 haben wir in diesem Jahre die stärkste Wahlbeteiligung, aber auch das günstigste Verhältnis für unö. Wir haben nahezu die Hälfte der Wahl- berechtigten an die Urne gebracht. Werden alle Kräfte angespannt, dann stimmen am 25. Januar über 60 Prozent der Wahlbetciligten für unseren Genossen Lcdebour. Und das Ziel muß erreicht werden, das sind wir der Geschichte des sechsten Wahlkreises schuldig. Bereits im Jahre 1874 gelangte der Kandidat der Sozialdemokratie in die Stichwahl und im Jahre 1877 wurde Genosse Hasenclever gleich im ersten Wahlgange mit einer Majorität von 50,12 Proz. der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt. Das machte die Ordnungshyäne wild. Berlin sollte rotfrei bleiben; unter nichtigen Vorwänden wurde die Wahl kassiert. Von den Wählern bekamen die Mandatsräuber eine klatschende Backpfeife. Bei der Nach- Wahl, die am 14. Juni 1877 stattfand, siegte Genosse Hasenclever mit einer Majorität von 52,26 Proz. der abgegebenen Stimmen. Gerade so wie heute hatten sich auch damals schon olle reaktionären Gruppen, von der Reichspartei bis zum Fortschrittsmann, auf einen Blockkandidaten vereinigt. Der Liebe Mühe war vergebens. Dann verstand eS der Attentatsmacher Bismarck, den deutschen Spießer aufzupeitschen. Die Zahl der Wähler ging bei der im nächsten Jahre stattgefundcnen Wahl um fast 14 000, aus 38374 Stimmen hinauf. Und obwohl auch für uns 8000 Wähler mehr an die Urne traten als wie im Jahre vorher, mußten wir das Mandat doch wieder an den Freisinn abgeben. Wie überall ging dann auch im 6. Wahlkreis unter dem ersten Eindruck deS Sozialistengesetzes unsere Stimmcnzahl erheblich zurück. Bei der Wahl im Jihre 1881 wurden für uns nur 10 629 Stimmen abgegeben. gegen 15 707 im Jahre 1878. Trotzdem kam unser Kandidat mit dem Fortschrittsmann in die Stichwahl und blieb mit nur 669 Stimmen in der Minderheit. Dieser Sieg war das TodeS- glöcklein des Liberalismus. Im Jahre 1884 traten für unseren Genossen Hasenclevcr 24 258 Wähler an die Urne, für den Fort- schrittSmann wurden nur 13 782 Stimmen abgegeben. Alle Hoff- nunben waren geknickt; die Liberalen fanden nicht einmal mehr den Nut. uns in der Stichwahl das Mandat streitig zu machen. Sage und schreibe 722 Stimmen wurden für den Fortschrittsmann abgegeben. Der Kreis war uns sicher. Genosse Hasenclever, der auch noch in einem anderen Kreise gewählt worden war, der als noch unsicher betrachtet w-'den mußte, lehnte in Berlin ab. Bei der Nachwahl wurde dann Genosse Pfannkuch im ersten Wahlgange mit 20 327 Stimmen gewählt, für die Gegner zusammen waren nur 14 598 Stimmen abgegeben worden. 1887 wurde Genosse Hasenclever wiederum mit 51,55 Proz.(30 453 Stimmen) im ersten Wahlgangc gewählt. 1887 legte er das Mandat nieder; in der Nachwahl holte Genosse Liebknecht mit 62 44 Proz. der abgegebenen Stimmen das Mandat, und er blieb stets im ersten Wahlgange mit großer Majorität Sieger. Im Jahre 1898 demonstrierten über 58 000 Wähler durch Abgabe eines Stimmzettels mit dem Namen: Wilhelm Liebknecht . Zwei Jahre später sank der Soldat der Revolution ins Grab, aber die Revolutionierung der Köpfe ging weiter. Genosse Ledebour trat„unseres Alten" Erbe an. Im Jahre 1903 wurden im 6. Kreise 79 478 sozialdemokratische Stimmen abgegeben. Der Stimmenzahl nach wiegt Genosse Ledebour 17�mal so schwer wie z. B. der nationalliberale Vertreter von Schaumburg-Lippe , der in der Stichwahl mit nur 4552 Stimmen das Mandat erlangte. Auch ein Beitrag zur Wahlkreisgeometrie. Die Verschiebung der Partcistärke im 6. Wahlkreise zeigt diese Tabelle. Es erzielten Stimmen: Hauptwahl Stichwahl Wie schon die wechselnden Ziffern in der Rubrik„Verschiedene Parteien" erkennen lassen, haben die Gegner unter den verschiedensten Parteietiketten versucht, der Sozialdemokratie da? Wasser abzu- graben. Es hat alles nichts genutzt. Aber nicht zufrieden sind wir mit dem Erreichten. Der 6. Wahlkreis sollte auch an der Spitze stehen mit den Resultaten. Das ist nicht der Fall. Mit dem Prozentsatz der für uns abgegebenen gültigen Stimmen steht er erst an dritter Stelle, hinter Berlin IV und Hamburg ll. Legt man aber die Zahl der Wahlberechtigten und die Prozentziffer der für uns abgegebenen Stimmen als Maßstab zugrunde, dann steht Berlin VI gar an dreizehnter Stelle. Bei der Wahl am 25. Januar 1907 muß ein besseres Resultat erzielt werden, die Zahl der Wähler, die diesmal für unsevcn Kandidaten aufmarschiert, mutz an die 100 000 herangehen. Mit hunderttausend Stimmen ruft: Nieder mit der Reaktion! » Berschmipftc Handlanger. Etwas spät sind die Konservativen Berlins in die Wahl- bewegung eingetreten. Für Berlin war eine Einigung zwischen Konservativen und Freisinnigen geplant gewesen, sie war aber nicht zustande gekommen, weil der Freisinn all die schönen Durchfall- kandidaturen seinen eigenen Leuten vorbehalten wollte. Was sollten die Konservativen nun tun? Sollten sie besondere Kandidaten auf- stellen und dann abtvarten, ob sich hier und da für de» Freisinn eine Stichwahl gegen die Sozialdemokratie herausschinden ließe, bei der sie dem Freisinn wieder den gewohnten Handlangerdienst leisten könnten? Oder sollten sie auf Aufstellung besonderer Kandidaten verzichten und es vorziehen, von vornherein für die Freisinnigen zu stimmen? Im fünften Kreis war für Donnerstag eine Versammlung nationaler Wähler' einberufen worden, um hierüber zu beraten und zu entscheiden. Zwar gehört jetzt auch der Freisinn zu den „nationalen Parteien", aber die Konservativen gönnen ihm diesen Titel noch nicht so recht. Der Versammlungsleiter Herr Pretzel er- zählte, die Einigungsidee sei anfänglich von dem freisinnigen Stadt- rat Fischbeck mit Freude begrüßt worden. Die Freisinnige Volks- Partei habe dann die Konservativen eine Weile hingehalten, schließ- lich aber habe sie eS abgelehnt, freisinnig- konservative Ge- meinschaflskandidaten aufzustellen und habe ihrerseits für Berlin V den Stadtverordneten Eassel aufgestellt. Herr Pretzel meinte, es sei„vom Freisinn eigentlich doch eine ein bißchen d r e i st e Zumutung", daß die Konservativen von vornherein für einen Mann wie Cassel eintreten sollten. Er vergaß, daß in Berlin die Freisinnigen auf dem Stand- punkt stehen, der versprengte Rest von Konservativen habe hier überhaupt nichts mehr zu wollen", sondern einfach bei einer etwaigen Stichwahl dem Freisinn die notwendigen Handlangerdienste zu leisten. Jni übrigen übersieht Herr Pretzel den brennenden Ehr- ieiz des Stadtverordneten und Landtagsabgeordneten Cassel, der elber es seit langem als der Ziele höchstes betrachtet hat, im ReichStogSivahlkrei« Berlin V wenn nicht gewählt zu werden, so doch wenigstens durchzufallen. Die Konservativen hatten ihre Durchsallskandidawr einem Dr. Pankow übertragen wollen, aber der Undankbare lehnte ab. In der Versammlung vom Donnerstag gab dieser Herr Dr. Pankow ein einleitendes Referat über Reichstagsauflösung und Neuwahlen. Sein stundenlanger Vortrag war in der Hauptsache ein begeistertes Lob- lied auf unsere Kolonien, die er als ein wahres Zukunftsparadies für Deutschland schilderte. Um die Kolonien handle es sich in diesem Wahlkampf, daneben aber auch um die Schwächung der„anti- nationalen" ReichStagSinehrheit aus Zentruin und Sozialdemokratte. In Berlin V bleibe den Konservativen nur die Aufgabe, die er- neute Wahl eines Sozialdemokraten zu der- hindern. Zwar warf er dem Freisinn vor, daß er den Mittel- 'tand im Stich lasse; auch wies er höhnend darauf hin, daß der Freisinn noch vor weniger als Jahresfrist in der Kolonial- Politik sich gar nicht„national" benommen habe. Aber er empfahl, im Wahlkanipf die Freisinnigen dennoch nicht zu unfreundlich zu behandeln, damit nicht Verbitterung entstehe, die nachher bei einer etwaigen Stichwahl ein Znsammengehen un« möglich mache. Die Handlanger sind zwar verschnupft darüber, daß ihnen ein Cassel aufgedrängt wird. Sie wollen es ihn aber nicht entgelten lassen und erklären sich nach wie vor bereit, ihm den Steigbügel zu halten, wenn sich ihm etwa doch (wie sie eS hoffen) eine Gelegenheit zum Aufsatteln bieten sollte. In der auf den Vortrag folgenden Beratung über die Kandidaten- rage wurde angeregt, lieber sogleich für Cassel zu stimmen, weil es voraussichtlich gar nicht mal zur Stichwahl kommen werde. Doch von anderen, besonders vom Schneidermeister Donner, wurde dieser Borschlag scharf bekämpf� und die Ver- sammlung entschied sich dann für Aufstellung deS Rechts- an w altes Barnau als Kandidaten der Konserva- tiven. Herr Barnau selber gab sofort ein paar Proben seines Programms zum besten. Die Klagen über die angeblich bedrückte Lage des Arbeiters feien gänzlich unbegründet. Andauernd seien die Löhne gestiegen, und auch in der Sozialpolitik sei nun genug getan. Ihm ist also gleichfalls die Arbeitcr-„Kompottschüssel" schon voll. Er forderte, daß mehr für den Mittelstand getan werde. Herr Barnau ist„nicht so sehr von Größenwahn befallen"— er sagte das selber daß er etwa auf Sieg hoffen sollte. Hinterher ver- sicherte er aber wieder, ein Sieg sei doch keineswegs ausgeschlossen. Auch Herr Pretzel rechnete in seinem Schlußwort vor, daß Herr Barnau sogar gewählt werden könne, wenn man für ihn die„Nicht- Wähler heranhole. Bei der letzten Wahl seien„zirka lOOOO" zu Hause geblieben. Er rundete da ein bißchen reichlich ab, bei der letzten Wahl sind nämlich in Berlin V noch nicht ganz 9000 Wähler zu Hause geblieben. Hätten sie allesamt für den Konservativen ge- stimmt, der damals nur 3210 Stimmen bekam, so tvären das immer erst rund 12 200 Mann gewesen. Die Sozialdemokratie aber brachte damals für unseren Genossen Robert Schmidt 14 568 Stimmen auf. Täten da die verschnupftenHandlanger nicht besser, ihrem t erzen einen Stoß zu geben und doch von vornherein für a s s e l zu stimnien? Der Mißerfolg wird ja für sie samt Cassel — so oder so— der gleiche bleiben, wenn unsere Wähler aus dem Posten sind und ihre Schuldigkeit tun. Wählerversammlungen. Erster Kreis. Eine am Donnerstag nach dem Saale von Müller, Krausen- straße 10. einberufene Wählerversammlung, in der Genosse Fritz Eberl über„Die Neuwahlen zum deutschen Reichstage" referierte, war sehr gut besucht. Nach dem Verlaufe und der Stimmung, die diese Versammlung beherrschte, müßte der Kreis gleich im ersten Wahlgange durch die Sozialdemokratie erobert werden. Das ganz vorzügliche, durch Konsequenz und logische Klarheit sich auszeichnende Referat fand ungeteilte, lebhafte Zustimmung. Nicht nur die Darstellung unserer abenteuerlichen, wahnwitzigen Kolonialpolitik, sondern auch die gründliche Abrechnung mit deni neuen Kurse der Zuchthaus- und Antigewerkschaftsvorlagen, der 12 000 Mark-Spenden, des Marokko - rummels und der reaksionären Tendenzen in der Sozialpolitik über» Haupt, fand verständnisvolle Hörer, sondern auch die Kritik der gegnerischen Parteien, speziell der Freisinnigen, auch der Hinweis auf das gefährdete ReichStagSwahlrecht weckten das zustimmende Echo der Versammlung. Ein Gegner meldete sich zum Wort, um eine wohl gut gemeinte, aber um so konfuser wirkende Rede zugunsten der deutschen Welt- und Kolonialpolitik vom Stapel zu lassen, die sodann der Genosse Leo Arons , der Kandidat des Kreises, in knappen, durch Humor und Ironie gewürzten Ausführung gründlich widerlegte. AronS ließ dann auch die sechs Kandidaten der Parteien, soweit sie welche hinter sich haben, Revue passieren und nahm sich speziell die Freisinnigen(Kämpf) und die Bodenresormer(Damaschke) vor, von welch letzterem er der Ver- sammlung mitteilen tonnte, daß eine Antwort, ob er die volkS- auswuchernde Steuer- und Zollpolitik der Regierung und der herrschenden Klassen bekämpfe, noch nicht eingelaufen sei. Redner empfahl da« eifrige Studium des Parteiprogramms, das er kurz charakterisierte, damit die Wähler nicht nur aus Oppositionslust gegen die Regierung für den sozialdemokratischen Kandidaten stimmten, sondern weil sie prinzipiell für die Sozialdemokratte eintreten. Der stürmische Beifall bewies, daß die Versammlung durchaus mit dem Redner einverstanden war. Im zweiten Wahlkreis» hatten unsere Genossen am Donnerstagabend zwei öffentliche Wähler- Versammlungen veranstaltet. Ueberfüllt war die Versammlung in der Lindenstraße, im„Alten Bürgergarten". Die Tische waren auS dem Saale entfernt. Die Stühle waren so dicht wie möglich zusammengerückt, boten aber doch nicht Platz genug für die Menge der Besucher. Bald nach 8 Uhr wurde polizeilich abgesperrt. Mancher, der gern den Kandidaten der Sozialdemokratie reden hören wollte, mußte wieder umkehren. Stürmischen Beifall fand die Rede des Genossen Fischer, der die Regierungspolitik wie vor allem auch die Lakaienhaftigkeit der Frei- smmgen treffend beleuchtete und ebenso treffend von dem kandidierenden Bürgermeister Reicks bemerkte, daß er, indem er auf die Stimmen der 20 Prozent bei der vorigen Wahl nicht erschienenen Wahlberechtigten rechne, sich auf die Partei der Schlafmützen ver- lasse.— Den Gegnern wurde selbstverständlich nach dem Vortrage freie Aussprache zugesichert. Schon bei Eröffnung der Versammlung hatte sich einer gemeldet; als er aber zu Worte kam, förderte er im Predigerton ein so verworrenes Gerede zutage, daß man es der Versammlung unmöglich zumuten konnte, ihm vielleicht stundenlang zuzuhören. Nach einigen treffenden Bemerkungen deS Genossen Polen Ski über den„Arbeiter", den sich die konservativen Herren im zweiten Kreise zum Kandidaten erkoren haben, sowie über den Bürgermeister Reicks, der sich den Gemeindearbeitern gegenüber nicht durch sozialpolitisches Verständnis ausgezeichnet hat. wurde die Versammlung mit Hochrufen auf die Sozialdemokratie geschlossen. Wer zwischen 8 und 9 Uhr durch die Hasenheide kam, be- gegnete einem so starken Strom von Menschen, daß er meinen konnte, die Versammlung, die dort in SchnegelbergS Festsäle» stattfand, sei gänzlich überfüllt und schon lange abgesperrt. ES verhielt sich aber nicht so. Die vielen Proletarier, die dorther kamen, waren größtenteils Holzarbeiter, die bei KliemS und im„Hofjäger" keinen Einlaß mehr gefunden hätten. Die viele» Holzarbeiter, die in jener Gegend wohnen und von ihrem Verband zur Entscheidung einer dringenden Lebensfrage zu- sammenberufcn waren, fehlten in der Versaminlung bei Schnegel- berg. Gleichwohl war der Saal gut besetzt von Männern und rauen, die dem Vortrage des Genossen H. H e i m a n n lauschten. -eine ebenso scharfe wie berechtigte Kritik der Regierung und der ReichStagSmehrheit fand ungeteilten, lebhaften Beifall. Seine Auf- forderung zu unablässiger Arbeit für den Kandidaten der Partei. ivie für die allgemeine politische Aufklärung der Massen, erhöhte die Kampfstimmung, die die Genossen beseelt. Die Handlungsgehülfen und die RcichStagSwahlen. Eine öffentliche Handlungsgehülfcn-Versammlung wurde am Mittwochabend bei Buggenhagen am Moritzplatz abgehalten. Der Andrang zur Versammlung war so stark, daß der Saal polizeilich abgesperrt werden mußte. Hunderte fanden deshalb keinen Zutritt mehr. Das Referat hielt der Kandidat und bisherige Abgeordnete des 3. Berliner Reichstagswahlkreises, der Genosse Wolfgang eine. Einleitend bemerkte er, es sei ja von den Gegnern zu einem regen Besuch dieser Versammlung aufgefordert worden, und o hoffe er, daß möglichst viele Gegner der Sozialdemokratie der Aufforderung Folge geleistet haben. Eine öffentliche gegenseitige Aussprache könne ihm nur erwünscht sein, deshalb begrüße er die anwesenden Freisinnigen oder Antisemiten schon im voraus freudigst. Redner gab dann der Meinung Ausdruck, daß die Stellung der Handlungsgehülfen zur Reichstagswahl jedenfalls keine andere sein könne, wie die aller übrigen Arbeiter. Zur ReichstagSauflösung übergehend, würdigte er besonders das Schlag- wort von der„nationalen Ehre". Alles was die Regierung tue und wolle, sei natürlich„national" und unfehlbar, alles andere gelte als undcutsch, als sozialdemokratisch, als ehrlos. Der Silvesteraufruf Bülows gehe von der kindlichen Idee aus, daß die Parteien überlüsfig seien und die Politik„über" den Parteien ge» macht werden könnet eine Jde� die RedlW auch einst ÄS jnxAPs
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