Sltrht Wahlkreis. Im„Elhsium", Landsberger Allee , tagte eine gut besuchte Versammlung. Der geräumige Saal war mit andächtig lauschenden Zuhörern gefüllt und im Hinteren Teil des Saales, aus dem alle Tische und Stühle entfernt waren, drängten sich die dicht aneinander stehenden Arbeitermassen. Der Genosse Adolf llsitter hatte «8 übernommen, in treffenden, oft durch lebhaften Beifall unter- brochenen Worten, den anwesenden Wählern die Gemeingefährlich. leit der Wühlereien gegen das allgemeine Wahlrecht zu schildern. Anknüpfend an die Veröffentlichungen der Hohenloheschen Memoiren zeigte er, daß alle bürgerlichen Parteien zu den ganz unsicheren Wahlrechts„freunden" gehören, vor denen das Proletariat auf der Hut sein muß. Und daß der reaktionären Politik im Innern auch eine reaktionäre Politik nach außen und eine eben- solche Kolonialpolitik entspricht, das zu zeichnen gelang dem Redner vortrefflich und der Verlauf der Versammlung zeigte die Ueber» einstimmung der Versammelten mit dem Redner. Im stark besetzten Boekerschen Festsaal war es Genosse Karl Hetzschold, der dos Referat übernommen hatte. Seine äußerst scharfe, aber zutreffende Kritik richtete sich in erster Linie gegen den„Reichsverband zur Verleumdung der Sozialdemokratie". Ter Redner machte die interessante Mitteilung, daß der Verleger des leider in starker Auflage erscheinenden SchundwochenblättchenS „Nimm mich mit für 5 Pf.",«in echter Na t i o n a l l l b e ra l er. zugleich der Gratisdrucker von illustrierten Flugblättern des Reichsverbandes ist. Er legte ein derartiges Flugblatt vor, und der starke Beifall der Versammlung zeigte daß die Anwesenden die vernichtenden Sarkasmcn der Hetzscholoschen Kritik vollauf zu würdigen wußten. Bezeichnend für die deutschen Zustände bleibt es aber, daß diese Hyänen des politischen Schlachtfeldes für alle bürgerlichen Parteien die Avantgarde gegen die Sozial- demokratie darstellen: Ein beschämender„Erfolg" bürgerlicher Kultur. Der Litfinsche Saal, Mcmelerstraße, war schon gegen 8 Uhr polizeilich abgesperrt worden. Alle Tische mußten entfernt werden, um den Andrang zu bewältigen, und doch mußten noch viele stehen oder unverrichteter Sache wieder umkehren. Genosse Albert Kohn referierte unter Beifall über das Thema aller Versamm- lungen des Kreises:„Der Wahlkampf und die bürgerlichen Par- teien". Daß das kräftig, aber natürlich gezeichnete Bild der bürgerlichen Parteien auf die Arbeiter nur abschreckend wirken kann, liegt freilich nicht am Maler, sondern an den an ihren po- litischen Sünden schwer dahinsiechenden bürgerlichen Parteien. Da sich trotz wiederholter Aufforderung kein Verteidiger der bürger- lichen GesellschaftS,, ordnung" fand, so erreichte die Versammlung schon frühzeitig ihr Ende. Eme richtige Völkerwanderung fand nach der in Kellers Riesenetaiblissement, Koppenstr. 29. einberufenen Volks- Versammlung statt. Bald war der große Saal und die polizeilich freigegebenen Galerien besetzt, und obgleich alle Tische entfernt wurden, mußten noch Hunderte der zuletzt Gekommenen stehen, was sich jedoch wirklich lohnte.- Stadtverordneter Paul Hirsch - Charlottenbura referierte. Er unterzog den Liberalismus und den liberalen Kandidaten einer eingehenden Kritik, um dann auch die anderen gegnerischen Parteien Revue passieren zu lassen. Die wirkungsvolle, sachliche Rede fand denn auch lebhaften Beifall. Darauf meldete sich ein Zentrumswähler, ein Herr Mint er, zum Wort. Hätte er sich nicht selbst als Zentrumsmann und christlichorganisierten Gewerkschaftler bekannt, nach seinen zum Teil konfusen, zum Teil perfiden Ausführungen hätte man ihn für einen „Reichsverbändler" halten können. Alle die auswendig gelernten, alten und neuen Mätzchen zur Vernichtung der Sozialdemokratie brachte er vor. Erst leistete er sich eine Verunglimpfung unserer Genossen Bebel, Singer usw., dann brachte er den Vorwärts- konflikt auf seinen Leierkasten, um ihm zuletzt noch das schöne Lied von der Harmonie der Interessen zwischen Arbeit und Kapital und der Notwendigkeit der Aufgabe des Klassenkampfstandpunktes seitens des Proletariats abzupressen, und an dem Beispiel des unter- gegangenen Liberalismus die gleiche Zukunft des Sozialismus zu demonstrieren. Der ironische Beifall der Versammlung verblüffte den sich als „Rheinländer" vorstellenden, seinem Deutsch radebrechen nach aus „P o s e n am Rhein " stammenden Redner doch etwas zu sehr.(Als ob jeder München -Gladbacher Jesuitenschüler auch gleich Rhein - länder würde.)— Die nachfolgenden Diskussionsredner zerpflückten die Ausführungen des Zentrumsredners Nicht nur die Theorie, fondern auch die Praxis des Zentrums wurde kritisch zerpflückt, so daß eS sich für den Referenten im Schlußwort(es wurde auf Antrag gegen%12 Uhr Schluß der Diskussion beschlossen) kaum noch lohnte, die einzelnen Fetzen der christlichen Argumentation nochmals zu besprechen. Mit dem Jen- trumsfischzug wird es wohl im vierten Wahlkreise nichts werden, und anstatt auf eine reiche Beute, wird daS Zentrum nach dem 25. Januar wohl nur auf die davonschwimmenden Netze zurücksehen können. Der Aufforderung, sich der politischen Organisation anzu- schließen, war eine Anzahl Versammlungsbesucher nachgekommen, ooch ist zu wünschen, daß es in Zukunft als Ehrenpflicht jedes Ar- beiters betrachtet wird, nicht eher den Saal zu verlassen, bis seine Aufnahme, nicht nur in die gewerkschaftliche, sondern auch in die polttrsche Organisation bewirkt worden rst. In den„Markgrasensälen", weit draußen am Mark- arafendamm, hatte sich eine dichtgedrängte Menge emgefunden, um den Genossen BaSner über die ReichStagswahlen sprechen zu hören. Um �9 Uhr wurde der Saal abgesperrt. Der Redner er- innerte an die verschiedenen Auflösungen, welche der deutsche Reichstag schon erlebt hat: 1873, als man die Notwendigkeit von Ausnahmegesetzen gegen die Sozialdemokraten vorschützte, zugleich aber dir Schutzzollära einleiten und das Volk mit dem Sozialisten- aesetz mundtot machen wollte; 1337 mußte der Boulangerschwiudel herhalten, um den absoluten Willen 5er Regierung in HeereS- forderungen(Septennat) durchzusetzen; 1893 unter Caprivi standen wieder Heeresforderungen obenan und jetzt will man durch das Kolonialmanöver dem Reichstag seinen Willen aufdrängen. Bei jeder Auflösung sollte der Sozialdemokratie der Todesstoß versetzt werden, und dennoch vermehrte sich die Sttmmenzahl für unsere Partei in überraschender Weise. So wird es auch am 25. Januar wieder sein. Als der Redner auSrief:„Wir haben Bismarck nieder- gezwungen und sollten mit Bülow nicht ferttg werden?!"— da bimch ein Sturm des Beifalls los. Zur Diskussion meldeten sich keine Gegner.— ES wurde noch darauf aufmerksam gemacht, daß ein Teil der Wähler jener Gegend Stadthagen wählen muß und der andere Teil Singer und daß jeder darauf achten möge, wo und wie er zu wählen habe. Der Saal der„Urania " in der Wrangelstraße war bis in den äußersten Winkeh besetzt und deshalb polizeilich abgesperrt. Die von froher Kampfesstimmung beseelte Menge nahm mit leb- haftem Beifall das Referat des Genossen Theodor Fischer entgegen. In kräftigen Worten geißelte der Redner da? Unver- nünftige der Kolonial-, Welt- und Flottenpolitik, die ungezählte Millionen fortwirst, um einer falschen Vorstellung von nationaler Ehre Geltung zu verschaffen, während dem Volke, welche? die Kosten hieser Phantastereien zu tragen hat, immer mehr und mehr Lasten aufgebürdet werden. Will eS sein Recht zur Geltung bringen, dann muß eS den Tag der Wahl benutzen, um Abrechnung zu halten mit seinen Ausbeutern und Unterdrückern. Das war die Stimmung. welche die Versammlung beseelte und die mit Sicherheit erwarten läßt, daß der vierte Kreis durch eine erheblich vermehrte Zahl st». zialdemokratischer Stimmen Protest einlegen wirst gegen die ber- derbliche Politik, welche die Regierung zugunsten der besitzenden Klassen befolgt. Im Saale des VereinshauseS„Südost" drängte sich Kopf an Kopf eine imposante Menge von Arbeitern und Arbeite» rinnen. Schon um 8 Uhr sperrte die Polizei den überfüllten Saal ab. Groß war die Zahl dever, die keinen Einlaß mehr fanden.— Referent war Genosse Mermuth . Scharf und klar beleuchtete er die Ereignisse, welche zurzeit im Vordergrunde des politischen Interesses stehen. Lebhaften Widerhall fand in der Versammlung die.ikennzeickmung des herrschenden Systems, welches in der äußeren Politik Deutschland mit Glanz vertreten möchte, im Lv»«» aber Mt nur die deschadeoev Anfänge der Sozialpolitik Vernachlässigt, sondern auch'bemüht ist, die kümmerlichen Rechte des Volkes noch weiter zu beschneiden.— Die Stimmung der Ver- sammlung gab Zeugnis davon, daß die proletarische Bevölkerung des vierten Wahlkreises den Wahltag zu einem glänzenden Sieges- tage der Sozialdemokratie gestalten und durch eine wuchtige Stimmenzahl den Vertretern des herrschenden Systems zeigen wird, welche Politik das Volk befolgt sehen will. Graumanns Saal in der Naunhnstraße war bis zum äußersten gefüllt von einer kampffrohen Proletariermenge. Hier referierte Genosse Hugo Heimann . Die volksfeindliche Politik der Regierung kennzeichnete er unter lebhaftem Beifall der Zu- Hörer an der Hand der neueren Ereignisse. Auch an einer treffen- den Kritik des Liberalismus ließ es der Redner nicht fehlen. Er geißelte die liberalen Parteien, welche jetzt große Hoffnungen setzen auf ein Bündnis mit dttt reaktionären Parteien und der Regierung. Aber das wahrhaft freiheitsliebende Volk— so führte der Redner unter allseitigem Beifall aus— wird durch feine Abstimmung am 25. Januar bekunden, daß diese Hoffnungen des Lideralismus ein schmähliches Ende finden. Das Volk wird bekunden, daß eS zur Sozialdemokratie steht, welche die Erbin des Liberalismus und der einzige Hort der Freiheit und der Volksrechte ist. In der.Drachenburg " vor dem Schlefischen Tor hatte sich am Donnerstag eine ungemein große Zahl von Genoffen und Genossinnen eingefunden. In dicht gedrängten Massen füllten sie den Saal, den die Polizei dann absperrte. Viele, die gekommen waren, um teilzunehmen an der imposanten Versammlung, fanden keinen Einlaß mehr. Mit lebhaftem Interesse folgten die Anwesen- den dem Vortrage des Genossen Gründe!, der, von den Ursachen der Reichstagsauflösung ausgehend, die Kolonialpolitik kenn- zeichnete und die mit ihr verbundenen Gräuel, sowie die Unmensch- lichen Roheiten und Brutalitäten der Kriegsführung verurtcitle. Durch lebhaften Beifall bekundete die tausendköpfige Zuhörerschaft, daß sie mit dem Referenten eins war in dem Gedanken, dem Herr- schenden System der Volksentrechtung, der Volksausbeutung zu- gunsten der Herrschenden muß ein Ende gemacht werden. Durch riesige Vermehrung der sozialdemoftatischen Stimmen mutz das Volk zeigen, daß es nicht einverstanden ist mit der Politik der Re» gierung und daß es gilt, den Herrschaftsgelüsten einzelner gegen- über dem Willen des Volkes Geltung zu verschaffen. Sechster Wahlkreis. Für die Schönhauser Vorstadt wurden am Donnerstag zwei Wählerversammlungen abgehalten, die, wie alle bisherigen, so auch diesmal einen überaus starken Besuch aufwiesen. In„Fröbels Allerlei. Theater" war schon um äM Uhr kaum ein. Plätzchen mehr frei. Zu einer Absperrung schritt die Polizei diesmal nicht, sondern sie überließ es den Erfchienenen, sich mit dem vorhandenen Raum abzufinden, so gut es gehen wollte. Das Referat hielt Genosse Julian Borchardt . Der wiederholte lebhafte Beifall, der dem Redner zuteil wurde, bewies, daß er den anwesenden Arbeitermassen aus dem Herzen zu sprechen wußte. Gegner meldeten sich nicht zum Wort. In dem geräumigen Saal von„Groterjans Brauerei" sprach Genosse Eugen Brückner. Das Lokal war ebenfalls der- artig überfüllt, daß Hunderte dicht aneinandergedrängt sich mit einem bescheidenen Stehplätzchen begnügen mutzten. Auch hier war eine Absperrung vermieden worden. Starker Beifall wurde dem Redner gespendet, als er das freisinnige Flugblatt kritisierte, in dem sich die aufdringliche Phrase befindet:„Unsere braven Jungen in Afrika lassen wir nicht im Stich". Redner bemerkte hierzu, daß wir die„braven Jungen" noch viel weniger im Stich lassen wollen wie die Freisinnigen, denn wir würden es am liebsten sehen, wenn die Truppen aus Afrika so schnell wie möglich samt und sonders wieder abgeholt würden, dann brauchten sie ihre Haut dort unten auch nicht länger zu Markte zu tragen. Gegner fanden auch hier nicht den Mut, dem Referenten entgegenzutreten. Dagegen sprachen noch mehrere Genossen. Als gerade Genosse P h i l i p p s o h n geendet hatte und der Vorsitzende dem nächsten Redner das Wort erteilte, rief einer der Versammlungsteilnehmer unter Bezugnahme auf die politische Konstellation in Berlin und in direkter Anspielung auf die Sitüatiou im ersten Kreise, am 27. Januar müsse auch auf dem Schlosse die rote Fahne wehen. Das war zu viel für den jugendlichen Leutnant, der die Versammlung überwachte: er erhob sich und löste die Versammlung auf! Kreis Teltow. Ueber die Kandidatur Boddin erhalten wir aus Rixdorf fol- gendes Schreiben, das wir unfern Lesern nicht vorenthalten möchten: Wenn man die allgemeine Stimmung in Rixdorf, über die Kan- didatur des ersten Beamten der Stadt, deren Bevölkerung zum allergrößten Teil, dem Handwerker- und Arbeiterstand angehört, wiedergeben soll, so mutz man sagen, sie ist für ihn nichts weniger als schmeichelhaft. Der größte Teil der Einwohnerschaft kann es nicht verstehen, wie Herr Boddin, der im Orte beinahe überall ge- achtete war, sich dazu hergeben konnte, als Kandidat einer Partei zu dienen, welche durch ihr Verhalten bewiesen hat, daß sie flrupel- las, ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit, ihre persönlichen Jnter- essen über alles stellt. Als seiner Zeit die hiesigen Stadtvcrord- neten im Einverständnis mit dem Magistrat gemeinsam eine Petition gegen das SchulverpfaffungSgesetz an den Landtag rich- teten, da war es Herr Boddin, der mit dafür eintrat. Als dann dieselben Korporationen einen Protest gegen den Fleischwucher be- schloffen und für Aufhebung der Grenzsperre eintraten, da war eS wieder Herr Boddin, der sich dem anschloß. Wer sich diese Vor- gänge vor Augen hält, kann wirklich nicht begreifen, wie derselbe f err heute für eine Partei kandidieren kann, die gerade diese orderungen mit aller Entschiedenheit bekämpft. ES kann gleich» gültig sein, ob Herr Boddin erklärt, er wolle sich keiner Partei an» schließen, wir bekämpfen nicht Personen, wir bekämpfen die Partei, für welche die Person kandidiert und wer die vorhergehenden Aus- führungen betrachtet, kann auf keinen Fall für die Kandidatur des Herrn Boddin eintreten. Für die Wähler Rixdorfs Sund d?s Kreises Teltow , BeeSkow usw., kann es also nur einen Weg geben: Wer in Wahrheit einen Vertreter in den Reichstag entsenden will, der sich gegen Schulverpfaffung, gegen Brot- und Fleischwucher wendet und für Aufhebung der Grenzsperre eintritt, der kann nur für unfern Kandidaten Fritz Zubeil seine Stimme abgeben. Grah-Lichterfelde . Endlich beginnen auch die Gegner in unserem Orte Wahl-Versammlungen abzuhalten. Die Konser- vativen und Nationalliberalen tagten am Mittwoch im Pavillon unter besonderen Vorsichtsmatzregeln: es wurde nämlich beschlossen, keinen Sozialdemokraten sprechen zu lassen. Den nationalen Vor- trag hielt Universitätsprofessor Pfleiderer. Würde die Achtung vor der Wissenschaft von der Qualität dieses Vorträges abhängig ge. macht werden, eS wäre schlecht um sie bestellt. Abgesehen davon, daß die Gründe der Reichstagsauflösung vom Redner nicht richtig wiedergegeben wurden, bestand das ganze Referat auS den ober- flächlichsten nationalen Phrasen. Der Herr Professor berauschte sich förmlich an den Tiraden, wie sie besonders zur Zeit de» Kultur. kampfes in üppigster Blüte ständen. Aussprüche wie«Schamlose Demagogie",„ZentrumS-Demagoaie" usw., lösten sich gegenseitig ab, wobei er allerdings einen kleinen Unterschied zwischen den nord- und den süddeutschen Zentrumsführern machte. Die letzteren kamen sehr schlecht weg, wegen der„demokratischen Ge- sinnung", die diese angeblich haben sollen. Man glaubte eher einen fanatischen preußischen Partikularisten zu hören, als einen aus Süddeutschland nach Preußen verpflanzten Professor. Wobei aller. dings zu seiner Entschuldigung dienen mag, daß in den Kreisen. denen der Redner nahe steht, diese. Abneigung gegen die wenigstens etwas freiheitlichen Bundesstaaten nichts Neues ist. Selbstver- ständlich erboste sich der Redner auch über die Sozialdemokratie nicht zu wenig, die er die Schutztruppe des Zentrums nannte. Seine Auffassung von dem Wesen der Sozialdemokratie und des SozialiS» mus war durch keine Sachkenntnis getrübt. Das,, Wohlwollen" für die Arbeiter und die„großartige staatliche Fürsorge", die«sozialen WohlfahrtSgesetze" wurden mit professoralem Pathos unterstrichen. ES ist schade, daß nur ein Dutzend Arbeiter anwesend waren, die jetzt erst ahnen konnten, welchen.staatlich» Wohltaten" st« auS- gesetzt sind. Noch interessanter als all das war die Ansicht deS Referenten über das verfassungsmäßige Recht der Volksvertretung. Herr Pfleiderer meinte, daß das Parlament über die Zahl der vom „obersten Kriegsherrn" für nötig erachteten Truppen überhaupt nichts zu bestimmen habe. Das sei ausschließliches Kronrecht. Demnach hätte der Reichstag nur das Bewilligungs- recht über die erforderlichen Mittel. Dies Recht wird man ihm allerdings nicht streitig machen. Nach der Rede des nationalen Professors meldete sich Genosse Eisner zum Wort mit der Be- gründung, daß Herr Pfleiderer in den sozialdemokratischen Ber- sammlungen stets vollste Redefteiheit genossen, und daher aus An- standSgründen eine Erwiderung auf dessen Angriffe gegen die So- zialdemokratte zugelassen werden müßte. Die Konstatierung dieser einfachen Tatsache schien den Herren vom Vorstand zwar sehr un- angenehm, aber Exzellenz Fritsch dünkte es jedenfalls klüger, vor- zubeugen und nochmals zu erklären, daß er keinen Sozialdemo- kraten sprechen lasse.— Der Oberbürgermeister Boddin von Rix- dors, der Kandidat der„nationalen Parteien" hielt eine Ansprache. die nichts besagte, und zu nichts verpflichtete. Die Wähler des Kreises Teltow werden durch die Wahl des Genossen Zubeil den Herrn Oberbürgermeister Boddin von der schwierigen Aufgabe be- fteien, neben der konservattven Ausplünderungspolitik auch noch die Politik der sonstigen realtionären Parteien vertreten zu müssen. In Alt-Glienicke tagte am Mittwoch eine von ca. 500 Personen besuchte Volksversammlung. Anstatt des dur Heiserkeit am Sprechen verhinderten Genossen Fritz Zubeil referierte Genosse L ü d t k e- Baumschulenweg, der in treffender Weise die polittsche Situation schilderte. Nach den mit großem Beifall aufgenommenen Ausführungen ergriff noch der Kandidat Genosse Zubeil das Wort, um ein ihm überreichtes gegnerisches Flugblatt aus der Werkstatt des Reichslügen-Verbandes zu beleuchten. Ein wahrer Beifalls- stürm durchbrauste den Saal als Redner nach einigen anfeuernden Worten geendet hatte. Gegner meldeten sich nicht zum Wort. Der Arbeitergesangverein„Freier Sängerchor" trug vor Beginn und nach der Versammlung noch einige stimmungsvolle Lieder vor. Mit einem dreimaligen donnernden Hoch auf die Sozialdemokratie schloß die imposante Versammlung. Zossen . Hier tagte am Dienstag im Schimkcschen Lokal eine überaus stark besuchte Versammlung. Genosse B a a k e- Char- lottenburg führte den Versammlungsteilnehmern unter großem Beifall vor Augen, daß sie in der Sozialdemokratie nur noch die Wählerin und Vertreterin ihrer Interessen erblicken können. Die Stimmung der Versammelten läßt auch hier auf ein gutes Resultat hoffen. Den Schluß der Versammlung bildete das stimmungsvolle Lied deS Gesangvereins„Freie Sänger"„Daß wir als Menschen Brüder sind". Nieder-Barnim. Der freifinnig-konservative Mischmasch hatte zum Mittwoch die Reichstagswähler des zu Niederbarnim wählenden Berliner OrtS- teils nach den„Prachtsälen des Ostens" eingeladen. Einlaß fanden jedoch nur solche, die eine Einladung vorzeigen konnten. ES stellte sich jedoch heraus, daß auch 40— 50 unserer Genossen Einladungen erhalten hatten und anwesend waren. Das Referat hielt der Schimpfvirtuose Sommerburg, der zunächst ein echt„natio- naleS" Lied über die Kolonien sang. Alsdann hob er lobend hervor, daß sich in Niederbarnim ein Kandidat gefunden habe, der bereit sei, sowohl die Interessen der Besitzenden, als auch der Arbeiter- schaff zu vertreten. Dadurch»verde es gelingen, einen Teil des so- zialdemokratischen Anhanges für den bürgerlichen Kandidaten zu gewinnen. Daß das zutrifft, wird selbst er nicht glauben, geschweige die Versammlungsbesucher. Nach ihm sprach ein Herr Pastor Koch, der Vorsitzende der Versammlung, der die Aufgabe der Sozialdemo- kratenbeschimpfung übernommen zu haben schien. Die ollen Ka- Mellen von dem herrlichen Leben Singers, Bebels und die anti- semitischen Schwindeleien über Stadthagsn mußten herhalten, um den Gimpelfang besser betreiben zu können. Genosse Tille machte den Herren klar, daß ihre Anstren- aungen in Niederbarnim wohl verlorene Liebesmühe sein werde, dafür bürgt die Aufklärungsarbeit der Sozialdemokratie. Be- schämend für den Freisinnn sei es, daß er seine Prinzipien an den Nagel gehängt habe und mit den reattionärsten Parteien durch dick und dünn gehe. Hageldicht fielen die„Hiebe auf die bürgerliche Sippschaft, die wohl jetzt vor den Wahlen vor Arbeitersrcuudlichkeit trieft, aber bei anderen Gelegenheiten die Arbeiterklaffe schmählich verraten habe. Der große Beifall, den unser Genosse erntete, be- wies, daß er einer großen Anzahl der Versammelten aus dem Herzen gesprochen hatte. Der Vorsitzende, Pastor Koch, hatte die ständigen Unterbrechungen der Bürgerlichen unserem Redner gegen- über freie Bahn gelassen. AuS dem Häuschen aber kam er, als bei dem nachfolgenden Redner ein Genosse einen Zwischenruf machte. Hier drohte er sofort, denselben durch die Ordner auS dem Saale weisen zu lassen. Unsere Genossen verließen hierauf den Saal. Zwei imposante Volksversammlungen fanden am Dienstag in Pankow statt. Beide waren außerordentlich gut besucht. Im großen Saale des Herrn Roczycki hatten sich über 500 Männer und Frauen eingefunden. Genosse Hetzschold. Berlin referierte. In seinem Lil-stüitdigen Vortrage entwarf er ein anschauliches Bild der durch die Reichstagsauflösung geschaffenen politischen Lage im Reiche. Mit gespannter Aufmerksamkeit folgten die Zuhörer seinen trefflichen, mit gutem Humor gewürzten Ausführungen und zollten ihm wiederholt lebhaften Beifall. Scharf und schneidend übte er an dem Verhalten der gegnerischen Parteien Kritik und kennzeich- nete die Mittel, deren sich die Gegner im Wahlkainpfe bedienen. Durch seine Ausführungen sind die Versammlungsbesucher gründlich darüber belehrt worden, was sie von den bunten Blättern des Reichsverbandes, die hier etwa noch verbreitet werden sollten, zu halten haben. Außerdem verurteilte er namentlich die Wahliakttk der Freisinnigen, die im Kreise Niederbarnim nicht einmal mehr wagen, ihre Stimmen zu zählen. Nach seinem Schlußwort folgte stürmischer Beifall. Diskusston fand nicht statt. Der Vorsitzende forderte schließlich zur regen Teilnahme an der am Sonntag statt- sindcnden Flugblattverbreitung auf und schloß die Versammlung mit dem Hoch auf die Sozialdemokratte, ü» daS sämtliche Versammelten begeistert einstimmten. In der zweiten Versammlung, die in Wahrlichs„Paradies- garten", Kaffer Friedrichstraße, tagte, referierte Genosse Ernst Brückner. Der Rodner beiprach die enormen, von Jahr zu Jahr steigenden Ausgaben für unsere Kolonien, sowie für Heer und Marine und kennzeichnete mit rücksichtsloser Schärfe die Kolonial- Phantastereien des jetzigen KolonialdirettorS Dernburg. Das herrschende System in Staat und Gesellschaft unterzog der Referent einer scharfen Kritik und sprach— unter lebhaftem Betfall der Anwesenden— die Hoffnung au», daß der 25. Januar ein SicgeStaa der Sozialdemokratie werden möge.— Zur Diskussion meldet« sich trotz wiederholter Aufforderung kein Gegner. Genosse Röder machte aus die am 28. Januar stattftndende Versammlung, in der der Kandidat des KrsffeS, Genosse Stadthagen , referieren wird, aufmerksam. Mit einem brausenden Hoch auf die revolutionäre, völkerbefreiende Sozialdemokratie wurde die von über 300 Per- sonen besuchte Versammlung, in der auch die Frauen sehr zahlreich vertreten waren, geschlossen. Weißensee. Hier sprach in sehr gut besuchter Versammlung Genosse Kloth Wer die bevorstehende Reichstag? wähl. Unter all- gemeiner Spannung kennzeichnete Redner die allgemeine politische Lag«, wie die im Vordergrund des Interesses stehende Kolonial- Politik. Eingehend kritisierte er alsdann die innere Politik des Deutschen Reiches und zeigte die Rückständigkeit derselben auf allen sozialen Gebieten. Seine Schlußausführungen ermahnten die Versammelten, ihrer Pflicht am 25. Januar eingedenk zu sein. Eine Diskussion über das mit lebhaftem Beifall aufgenommene Referat wurde nicht gewünscht. Niederschönhausen . I« einer von zirka 350 Personen besuchten Wählerversammlung behandelte am Mittwoch der Kandidat Genosse Stadthagen daS Thema:„Die bevorstehenden Reichstags- wählen". In scharfen Zügen geißelte er das Sündenregister der Regierung und bürgerlichen Parteien. Die sogenannten„Staats- erhallenden" sei» diejenigen, die van Staate etwa» erhalt» und
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