Einzelbild herunterladen
 
agrarischen Wucher auszubeuten versteht. Nach demHamburgischen Korrespondenten" betrug der Mietbetrag nach Prozenten des Einkommens das Folgende: fich gerade bei den ärmsten Schichten der Bevölkerung die Miets- preise erhöht haben, während fie bei der besitzenden Klasse prozentual immermehr zurückgegangen sind. Während z. B. bei den Angehörigen der besitzenden Klasse mit einem Einkommen von mehr als 12000 M. die Wohnungsmiete ganz bedeutend zurückgegangen ist, hat sie sich sür die proletarischen Schichten der Bevölkerung ganz wesentlich erhöht! Man sieht: was das Proletariat durch seine Gewerkschafts- Organisationen unter schwer st en Opfern an einer Lohnaufbesserung erkämpft, wird nicht nur durch die Ber- teuerung der Lebensmittel wieder ausgeglichen, sondern auch durch eine Steigerung der MietSpreisc, durch die Erhöhung des Tributs, den das Proletariat an die Bodenspekulanten und Hausagrarirr zu entrichten hat!_ Vom bayerischen Gemeindewahlrecht. An den Stadtmagisirat Nürnberg   hatten sowohl der Demokratische Verein als auch der Nationalsoziale Verein das Ersuchen gestellt, für die nächsten Ge- meindewahlen das System der Bezirkswahlen einzuführen, um es auch der Arbeiterpartei zu ermöglichen, in die Gemeindevertretung zu gelangen, was bei dem System der Listenwahl sehr schwer ist. Gegen diese Forderung hat sich der Magistrat bisher mit Händen und Füßen gesträubt, da er die Arbeiter nicht in das Rathaus lassen will. Aber schon bei der letzten Wahl reichte die Zahl der sozialistischen   Gemeindewähler nahe an die der bürgerlichen Parteien heran, so daß der Freisinn in Gefahr schwebt, überhaupt aus dem Rathause herausgeworfen zu werden. Er wird sich also schon aus Gründen der Selbsterhaltung zur Tinführung von Bezirkswahlen entschließen müssen. Vorläufig wurde beschlossen, die Sache bis 1. Mai 1908 zu vertagen, da das Zentrum und auch die Sozial- demokratte im Landtage Anträge einbringen wollen, das Wahlrecht in der Gemeinde vom Bürgerrecht zu trennen. Gegen den Respekt vor der Uniform. Nach einem neuen Erlaß sollen Eisenbahnbeamte unbekannten Personen, welche sich ihnen als Vorgesetzte bezeichnen, nicht ohne weiteres als solche ansehen, auch nicht einmal, wenn die Betreffenden eine entsprechende Uni- form tragen. Sie haben vielmehr nur bann Befehle entgegen- zunehmen und dienstliche Fragen zu beantworten, wenn sich die allbekannte Person durch geeignete Nachtocisc gehörig legitimiert und der Angeredete sich die Ucberzeugung verschafft hat, daß die Person zu seinen Vorgesetzten gehört. Bedienstete, die einen Aus- weis verlangen, sind sofort zu befriedigen und nicht etwa auch noch zur Rebe zu stellen. Zum Schulkrieg in Posen. Wie dieOstdeutsche Rundschau" meldet, wurden in Ostrowo   18, in Gnesen   8 Schüler vom Gymna- sium verwiesen, weil ihre Geschwister(!) sich beharrlich am polnischen Schulstreik beteiligen. Georg Bernhard   sandte uns heute eine längere Erklärung, die wir. da sie kein öffentliches Interesse hat. nicht aufnehmen konnten trotz der Drohung Bernhards, sie andernfalls in der bürgerlichen Presse zu veröffentlichen. Wir haben gar keine Veranlassung, die bürgerliche Presse der Bernhardschen Gedanken zu berauben. Hueland. Frankreich  . Da» Vertrauensvotum für die Regierung wurde am Dienstag gemäß den amtlichen Ziffern von der Deputiertenkammer mit 390 gegen 34 Stimmen angenommen. Zur Minorität gehören unter anderen 29 gemäßigte Sozialisten und 3 Sozialistisch-Radikale; die Majorität besteht aus den radikalen Gruppen der demokratischen und republikanischen Vereinigungen, 7 Sozialisten, 44 gemäßigten Republikanern, 28 Monarchisten und Nationalisten. Der Abstim- mung enthielten sich 127 Deputierte, und zwar 27 Radikale, 20.Sozialisten, 1b gemäßigte Republikaner, 60 Konservative und 5 Nationalisten. Die meisten Blätter stellen fest, daß das Kammervotum einen großen Sieg des Kultusministers Briand   bedeute. Die nationa- listischcn und gemäßigt-republikanischen Organe sprechen ihre Be- friedigung über das Ergebnis der Kammcrsitzung aus: Briand  habe die Sprache eines wirklichen Oberhauptes der Regierung ge- führt, während die unversöhnliche Politik, zu welcher Minister- Präsident Clemenceau   neigte, einen vollständigen Zusammenbruch erlitten habe. Die ultraradikalen Blätter greifen Briand   in schärffter Weise an und sagen, er habe sich bemüht, vor der Kammer und dem ganzen Lande die antiklerikale Politik in Mißkredit zu bringen. Belgien  . Das Leichenbegängnis TscherniakS. Brüssel  , 18. Februar.(Eig. Ber.) Gestern nachmittag wurde in Antwerpen   der in so tragischer Weise auf demOlos Wyk" ums Leben gekommene russische   Rc- volutionär Tscherniak zu Grabe getragen. Dem Sarge des russischen   Kämpfers folgten die belgischen Arbeiter in gleicher Er- griffenheit wie Tscherniaks Nationsgenossen, die aus den belgischen und anderen Städten gekommen waren. Den Sarg umstanden neben dem Bruder des Verstorbenen<E l i e Tscherniak) der sozialistische Senator Genosse Elbers, der Sekretär dcS internationalen sozialistischen Bureaus. Genosse Huysmans  , Genosse Fischer vomPeuple  ", Parteisekretär Bergmans, ferner die Vertreter der Antwerpener Föderation und ein Vertreter der belgischen Liga der Menschenrechte". Der Sarg war über und über mit Blumen bedeckt, die von Mitkämpfern'und Mitfühlenden aus den verschiedensten Ländern gespendet waren. Am Sarge  sprach HuysmanS   bewegte Abschiedsworte in vlämischer Sprache. Bergmans als Vertreter der politischen Partei Genossin P a l in e r als Vertreterin der schwedischen Sozial- demokratte. und ein in Paris   lebender russischer Revolutionär, der dem Toten auch persönlich nahe gestanden. Allmählich setzte sich der Tausende umfassende Zug in Bewegung, mit Vertretern und Gruppen aller großen Organisationen: der Dockarbeiter. Metallarbeiter, Diamant- arbeiter, des sozialistischen   Frauenklubs, politischer Organi- sationen usw. Aeußerst zahlreich waren die russischen   Freunde Frauen und Männer aus den belgischen Universitätsstädlcn herbei- gekommen. Blumengrüße waren auch von der polnischen Partei, vomBund", von derJüdischen ArbMerpartei", von der schwedischen und holländischen Sozialdemokratie, von den Studenten aus Lüttich  , Marseille  . Gens und Montpellier   angelangt. In stummer Trauer wurde bei anbrechender Nacht der Tote der Erde übergeben. parlaimntanfdKö. Die Bubgetkommission de» Abgeordnetenhauses setzte gestern (Mittwoch) die Beratung des Eisenbahnetats bei den Ausgaben fort: An Besoldungen erfordert der Etat einschließlich der Ar- beiterlöhne rund 448 Millionen Mark, 53% Millionen mehr als im vorjährigen Etat; dazu kommen dann noch die Ausgaben für Wohlfahrtseinrichtungen, Pensionen usw., durch die die Ausgaben für personelle Zwecke auf über 70 Millionen Mark steigen. Der Etat weist nach, daß die Löhne der Arbeiter durchschnittlich um 4 bis 5 Proz., die Besoldungen um etwa 1,8 Proz. gestiegen sind. Betont wird, daß die Lage der Beamten im Verhältnis zu der allgemein steigenden Lebenshaltung nicht als befriedigend be- zeichnet werden könne. Es sei aber zweckmäßig, die Petitionen der Beamten im Zusammenhange zu behandeln, um so mehr, als die auf Regelung der Beamtengehälter gerichteten Initiativanträge auch noch von der Budgetkommission erledigt werden müßten. Tie jetzt im Etat vorgesehenen Erhöhungen der Beamtcngehälter werden genehmigt. Auf Befragen gibt der Minister Auskunft über eine Reihe anderer Angelegenheiten seines Ressorts. Er hebt namentlich hervor, daß seit dem Jahre 1895 sich der Verkehr verdoppelt hat er ist seitdem von 330 auf 660 Millionen Fahrkilometer gestiegen, während sich die Zahl der Beamten im gleichen Zeitraum nur um etwa 5 Proz. vermehrt hat. Die Ausgaben für die Betriebsmittel, Bauten und Maschinen sind ebenfalls erheblich vermehrt worden und erreichen im Ordinarium eine Höhe von 606 Millionen Mark, d. h. zirka 80 Millionen mehr als im Vorjahre. Dazu kommen im Extraordinarium noch.50 Millionen Mark. Die Ausgaben für Betriebsmittel allein betragen im Etat dieses Jahres 210 Millionen Mark. In bezug auf die automatische Kuppelung wird mitgeteilt, daß sie sich von Preußen allein nicht einführen lasse; mit der Ein- führung von elektrischen Lampen im Innern der Wagen soll fort- gefahren werden. Der Einführung von Motorwagen wird große Aufmerksamkeit gewidmet; man will versuchen, sie im Nebenbahn- betrieb und Vorortverkehr einzuführen, im letzteren besonders zu der Zeit des Tages, in der der Verkehr s ch w a ch ist. Das Ordinarium der Ausgaben wird bewilligt. Eue der partes. Der Preußentag. Der Vorstand des Verbandes der Wahlvereine Groß-Berlins teilt mit, daß er im Einverständnis mit den: Parteivorstande und der Organisation Groß-Berlins, die Berufung des preußischen Parteitages auf die Zeit zwischen Weih- nachten und Silvester 1907 vertagt. Der im Sommer stattfindende Internationale Kongreß, sowie die für den Herbst ausstehende Beruftmg des deutschen   Partei- tages," so heißt es in der Mitteilung,dürften den Entschluß zur Genüge rechtfertigen." Die Magdeburger   Volks stimme" bemerkt zu der Vertagung: Wir wollen bemerken, daß wir mit dieser Verschiebung nicht einverstanden sind, und gerechtfertigt wird der Beschluß durch- aus nicht mit dem Hinweis auf den internationalen Kongreß und den deutschen Parteitag. Als die Wahlen ausgeschrieben wurden, verlegte man den Preußeutag auf Ostern 1907, obgleich man genau wußte, daß ein internationaler' Kongreß uüd ein Parteitag ab- gehalten würde. Nun aus einmal finden die Genossen Groß-BerlinS, daß das ein Hindernis zur Abhaltung des PreußentageS sei. Wären sie zu dieser Auffassung auch gekommen, wenn die Wahlen anders ausgefallen wären? Wir sind der Meinung, daß die Tagesordnung des PreußentageS erledigt werden konnte, ohne daß überflüssige Reden über den Wahl- ausfall gehalten wurden. Die Vertagung macht ganz den Eindruck, als wenn die Sozialdemokratie Ursache habe, die Erörterung des Wahlergebnisses zu fürchten,»nid gerade deshalb bedauern wir die Verschiebung des PreußentageS. Die bürgerliche Presse, die merkwürdigerweise schon vor acht Tagen mitzuteilen wußte, waS die Parteipresse nun erst durch die Vertrauensmänner der Berliner   Genossen erfährt, hat es an Kommentaren zu den Be- schlüsselt nicht fehlen lassen, aus denen eigentlich auch die für den Beschluß verantwortlichen Instanzen ersehen konnten, wie verkehrt ihre Handlungsweise ist. Unser Magdeburger   Parteiblatt irrt. Der Preußentag ist seiner- zeit nicht auf Ostern verlegt, sondern aus unbestimmte Zeit vertagt worden. Im übrigen heißt eS wohl den Bemerkungen der bürgerlichen Presse zuviel Bedeutung beimessen, wenn man den Maßstab für die Beurteilung einer Parteiaktion ihren hämischen Glossen entnimmt. Mit der geplanten Redakteurkonfcrenz beschäftigt sich ein Artikel des Genossen Dr. Südekum in einem hiesigen Wochenblatte. Wir wollen auf die Einzelheiten dieses Artikels nicht eingehen, sondern nur mitteile», daß das, was dort über die Form und den Personen- kreis der geplanten Konferenz gesagt ist, dem Parteivorstand nicht neu ist, wie überhaupt die Einberufung einer Redakteurkonferenz vom Parteivorstand bereits erörtert war, bevor dieSchwäb. Tag- wacht" mit ihrer Anregung kam. Es muß aber Stellung genommen werden gegen einige ganz unzutreffende Sätze des betreffenden Artikels. Genosse Dr. Südekum sagt: Ueberall zeigt sich aber heut das Bestreben, der selbst- mörderischen Art früherer Polemiken ein Ende zu machen. Auch der Parteivorstand, der die Dinge alle die Zeit gleichmüsig hatte gehen lassen, wie es einigen besonders kampfeseifrigen Lite- raten gefiel, niahnt heute eindringlich zur größten Reserve bei der Ausfechtung von Meinungsdifferenzen in den eigenen Reihen." (Folgt das Zitat ans dem Aufruf des Parteivorstandes.) ES i st tatsächlich unrichtig, daß der Parteivorstand die Dinge alle Zeit her ruhig laufen ließ" underst heute eindringlich mahnt". Erließ doch der Parteivorstand u. a. schon am 14. Juni 1904 eine Erklärung an die Parteigenossen, in der es u. a. hieß: Entstehen aber s a ch l i ch e Meinungsverschiedenheiten und deren Austragung nicht wünschen zu wollen, kann uns nicht bei« kommen so mögen die Auseinandersetzungen darüber fern von persönlicher Gereiztheit und ohne Gehässigkeit geführt werden. Es ist in dieser Beziehung in der letzten Zeit leider hüben und drüben manchmal gröblichst gesündigt worden. Diese Kampf- weise muß aufhören." Am 28. Oktober 1904 sagte u. a. der Parteivorstand in einer Erklärung: Der Unterzeichnete glaubt daher aufS neue nach allen Seiten die dringende Mahnung aussprechen zu müssen, bei Ans- tragung von Meinungsdifferenzen nur strengste Sachlichkeit und Loyalität walten zu lassen." Ans den Parteitagen wurden ähnliche Mahnungen immer wieder laut. Bei dieser Gelegenheit sei auch an die Resolution der Fünf- zehner-Kommission erinnert, die in Jena   Annahme fand, und in der e» u. a. im Absatz 4 heißt:Die Preßkommissionen haben dafür zu sorgen, daß in den ihrer Aufsicht unterstellten Parteiblättern nicht von neuem die oben verurteilte Art der Polemik Platz greift." Der Parteivorstand Hai es im Laufe der letzten Jahre an den gewünschten Mahnungen gewiß nicht fehlen lasse». Die kritischen Kritiker. Unser Elberfelder Partelblatt, die Freie Presse" schreibt: Die kritische Moral der Parteikritiker in der Partei' macht sich wieder einmal in einer Weise bemerkbar, die den heftigsten Widerspruch der Genossen hervorrufen mutz. Noch waren die Wahlen nicht abgeschlossen, da fanden sich schon wieder die Munitionslieferanten der bürgerlichen Parteien, C a l iv e r, B e r n st e i n und G ö h r e. auf dem Plane ein, um ja nicht zu versäumen, daß das Rüstzeug der bürgerlichen Parteien für zukünftige Wahlen verstärkt werde. Ziemlich ausnahmslos hat sich natürlich die bürgerliche Presse beeilt, das herrliche Material fein säuberlich zu sammeln. Je törichter und unbegründeter die Behauptungen der kritischen Kritiker aus dem eigenen Lager sind, desto größeres Vergnügen macht e» der kapitalistischen   Presse, davon Notiz zu nehmen.Berühmt" werden ja die Calwer, Bernstein  , Göhre er tutti guanti dadurch allerdings und wenn sie keinen anderen Zweck verfolgen als den, daß recht viel von ihnen geredet wird, so können sie gewiß nicht geschickter arbeiten als sie es tun. Die bürgerliche Presse nimmt natürlich keine Notiz davon, daß die Partei in ihrer übergroßen Mehrheit die Anschauungen der Calwer, Bernstein  , Göhre über die Kolonialpolitik und andere Dinge grundsätzlich ablehnt, wir wollen das jedenfalls hiermit getan haben. Die' Erfurter  Tribüne" bemerkt zu den Erklärungen Bernsteins über dasTemps"-Jnterview:Daß sich Bernstein   von böswilligen Feinden nun wieder aushorchen läßt und ihnen groß- mistig Audienzen gewährt, ist charakteristisch für seine Auffassung. Er scheint der Meinung zu sein, daß er der Partei noch immer nicht genug Knüppel zwischen die Beine geworfen hat. Ob ihn das Lob unserer geschworenen Feinde, die ihn und seine Freunde Calwer, Schippe!, Göhre usw. jetzt alsehrlich",vernünftig",verständig". besonnen" undvielversprechend" feiern, dafür entschädigt, ist nicht bekannt geworden."_ Parteiliteratur. Die neueste Publikation des Verlags I. H. W. Dietz N a ch f. in Stuttgart  . daS von uns bereits angekündigte Buch K. A. Pashitnows:Die Lage der arbeitenden Klasse in Ruß- land".(Eine historische Darstellung an der Hand amtlicher und privater Untersuchungen und der Berichte der Fabrikinspektorcn von 1861 bis in die heutige Zeit. Autorisierte Uebersctzung von M. N a ch i m s o n. Mit einem Anhang von M. N a ch i m f o n. Band 40 der Internationalen Bibliothek. Preis broschiert 2,50 M., gebunden 3 M.), ist uns jetzt zugegangen. Der Verfasser sagt im Vorwort: Die nachstehende Darstellung soll zur Aufklärung der sozialen Verhältnisse dienen, unter denen die russischen Fabrik- und Berg- arbeiter seit der Freilassung der Bauern, also in den letzten 45 Jahren lebten. Diese Periode, in der die EntWickelung der Industrie und des Bergbaues große Fortschritte machte, läßt sich in drei Abschnitte einteilen. Die erste Periode beginnt mit dem Jahre 1861 und endet in der Mitte der achtziger Jahre. In d-escr Periode wurden die Beziehungen zwischen den Unternehmern und Arbeitern nur durch freie Arbeitsverträge reguliert, ohne irgendwelche Kontrolle der Regierung. Alle Schrecken der ersten Phase des zügellosen Kapitalismus kamen hierin zum Ausdruck, denn die Freiheit der Verträge diente den Kapitalisten als die Hülle für ihre Willkür bei der Ausbeutung der Arbeiter..In die zweite Periode, von der Mitte der achtziger Jahre bis zum Jahre 1904, fällt das Eingreisen der Regierung in das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital. Die gesetzlichen und administrativen Maß- regeln dieser Art bezweckten vorbeugend bei den immer häufiger werdenden Unruhen zu wirken. Zur Beaufsichtigung wurde d'eS« halb im Jahre 1882 eine besondere Einrichtung, die Fabrikinspektion geschaffen. Da unsere Fabrikgesetzgebung nur polizeiliche Ziele im Auge hatte und ganz dem einseiligeu Drucke des Kapitals unterworfen war, mußte ihr auch die nötige EntWickelung und Vertiefung fehlen. Sie blieb hinter den Lebensanforderungen der Arbeiter zurück und war natürlich außerstande, das zu verhindern, was auch nicht die Fabrikinspcktoren voraussehen konnten nämlich jene Bewegung in der Arbeiterklasse, die im Jahre 1905 das ganze wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leben Rußlands   in seinen Grundfesten erschütterte. Auf die Jahre anhaltender, starrer Reaktion folgte die stürmische Revolution. Am 17. Oktober trat das alte Regime des Absolutismus, wenigstens juridisch, vom Schauplatz ab und an seine Stelle trat auf Grund einer Zensusvertretung die konstitutionelle Monarchie. Damit aber waren die politischen Umwälzungen nicht erschöpft: von allen Seiten wurden Ansprüche erhoben. In diesem Kampfe trat nun die Arbeiterklasse in die erste Reihe der Kämpfenden rijttT schrieb auf ihre Fahne die Forderung des allgemeinen geheimen Wahlrechtes und der demokratischen Republik  . « Man kann im gegebenen Moment noch nicht das Endresultat bestimmen, aber das Grundmotiv der Ereignisse tritt mit genügender Klarheit hervor: das Eingreifen des Proletariats und später auch des Bauernstandes in die russische   Revolution wurde hervorgerufen und unterstützt durch ihr Verlangen und Streben nach bürgerlicher Gleichberechtigung, politischem Selbstbessinunuiigsrecht und nach der Befreiuna�von jenem die Stadt und das Land beherrschenden Aus- beutungssystem, dem das alte bnreaukrätische Regime, beschützt von dem Doppeladler, als Stütze diente. Nunmehr trat die Arbeiterfrage in daS dritte und wichtigste Stadium ihrer EntWickelung ein, und zwar unter dem Weckruf, daß die Befreiung der Arbeiterklasse aus ökonomischem und politischem Joche nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein kann. Weder in der ersten noch in der zweiten Periode war es gelungen, die nötigen Vorbedingungen für ein gemeinsames Zusammenwirken der ar- beitenden Massen zu erkämpfen. Streiks. Verbände, Versamm- lungen usw., kurz alle Erscheinungen des Klassenkampfes erlitten unter dem alten Regime die brutalsten Verfolgungen, gleich- sam als ob es ahnte, daß gerade aus der Arbeiterklasse der grimmigste Rächer für die mit Füßen getretenen Volksrechte erstehen würde. Nun, da das Proletariat sich des einen Feindes entledigt, das Joch des Despottsmus von sich abgeschüttelt hat, führt es offenen AugeS und ledig jener Fesseln den ferneren Kampf für seine end- gültige Befteiung. Als Ausgangspunkt dieser neuen dritten Periode gelten die Errungenschaften der letzten revolutionären Kämpfe. Aus dieser Revolution alle logischen Folgerungen zu ziehen, die ganze Macht zu entfalten, derer das Proletariat selbst bei den heutigen gesellschaftlichen Zuständen fähig ist, das ist die hohe Aufgabe, von deren Lösung die ganze weitere EntWickelung unseres Landes bestimmt werden wird. Die Tatsache, daß die russische   Arbeiter- bewegung unter der Fahne der Sozialdemokratie nmrschiert, ist eine Erscheinung von größter Bedeutung. Die Verbreitung des wissenschaftlichen Sozialismus trat im Westen erst nach den politischen Umwälzungen in die Erscheinung. Bei jenen Umwälzungen hatte die Bourgeoisie die Führung und die Arbeiterschaft marschierte hinterdrein. In Rußland   aber finden wir zum erstenmal das Proletariat an der Spitze und nicht im Nachtrab der politischen Bewegung, weil es ein so vollkommen selbständiges Programm und eine eigene auf Grund der theoretischen und praktischen Erfahrungen der internationalen Arbeiterbewegung ge­wonnene Organisation und Taktik besitzt. Eine hohe, in ihrer Art einzige Aufgabe ist der russischen Sozialdemokratie gestellt; möge sie aus diesem Bewußtsein neue Kraft schöpfen, um ihre Ausgabe erfüllen zu können. *«* Im Verlage der Wiener   Volksbuchhandlung Jgnaz Brand, Wien   VI, Gumpendorferstr. 18, erschien für die be- vorstehenden österreichischen Reichsrats Wahlen von Fritz Austerlitz, Redakteur der A r b e i t e r-Z e i t u n g" zu Wien  , eine überaus ausführliche und klare Darstellung des Wahlrechtes und eine Erklärung des Wahlschutzgesetzes und der Wahlpflicht; es wird darin die praktische Handhabimg deS Gesetzes in jedem Detail der Wahlhandlung und Wahldurchführuna berücksichtigt. Der Wortlaut sämtlicher einschlägigen Gesetze ist beigegeben. Die bevorstehenden Wahlen sind bekanntlich die ersten auf Grund des gleichen Wahlrechts. Sie stellen den einzelnen Wähler und auch die Parteiorganisationen vor ganz neue Aufgaben, die richtig zu lösen nicht leicht ist. Die Bestimmungen der neuen Gesetze sind incht besonders einfach, das Bedürfnis nach einer guten Anweisung für ihren Gebrauch ist daher um so größer. Trotz des reichen Inhalts, trotz des vortrefflichen Kommentars ist das hübsch ausgestattete, lexibel gebundene Büchlein<166 Seiten) zum Preise von 1,20 Kr. durch jede Buchhandlung sowie durch die Wiener   Volksbuch- Handlung Jgnaz Brand, Wien   VI, Gumpendorfer- st r a tz e 18, zu beziehen-