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Die Ansehung der Dahl auf einen so nahen Termin ist mög- lich, weil neue Wählerlisten nicht angefertigt werden� Wenn die Nachwahl innerhalb eines Jahres nach der Vorwahl stattfindet, wird nach den Wählerlisten der Vorwahl gewählt. Das Wahlreglement verlangt in diesem Falle nur, dafi die Bekanntgabe des Wahltermins und die sonstigen amtlichen Wahlbekanntmachungen acht Tage vor dem Termin selbst erfolgen. Aus dem Wahlkreise wurde uns noch vom 15. April geschrieben: Die Ordnungsparteien haben bereits ihren Kandidaten nominiert. Sie stellen wiederum den Dr. Claus; aus Loschwitz bei Dresden auf. Wie die Ordnungspresse des Wahlkreises meldet, bereiten die Reformer eine Sonderkandidatur bor . Als Kandidat wird ein Dr. Kohlmann aus Leipzig genannt. Die Ordnungsblätter geberden sich als sei den Ordnungsparteien des Wahlkreises diese Kandidatur unangenehm. Man wird jedoch nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß es sich hier um die Absicht handelt, eine Stichwahl herbeizuführen, in der die Gegner hoffen, unserer Partei den Kreis zu entreißen. Unsere Genossen werden den Blockleuten die Einsicht beibringen, daß sie weder mit noch ohne antisemitische Wahlhülfe den Kreis je wieder erobern können. Bei den allgemeinen Wahlen vom 25. Januar waren die bürgerlichen Stimmen erheblich gestiegen. Während unser verstorbene Genosse Auer wegen seines körperlichen Zustandes nicht an der Agitation teilnehmen konnte, entfalteten Dr. Clauß und seine Freunde eine im Kreise seit Jahrzehnten ungewohnte rege Agitation. Bei der Nachwahl wird diese agitatorische Ueberlegenheit wegfallen und unsere Genossen werden bemüht sein, alle Reserven heranzuholen. um den Stimmenrückgang vom 25. Januar wieder auszugleichen. Die Aufstellung unseres Kandidaten erfolgt in der nächsten Sonntag stattfindenden Generalversammlung des Sozialdemokratischen Vereins für den 17. sächsischen Wahlkreis.*) Der Wahlkampf wird ein sehr heftiger werden. Unsere Genossen werden alles daran setzen, die Gegner zu überzeugen, daß in einem Wahlkreise, in dem Männer wie Bebel, Bracke und Auer für den Sozialismus gewirkt haben, nichts für sie zu hoffen bleibt. Die Stimmenverhältnisse im Wahlkreise zeigt folgende Tabelle: 1871. Fortschr. 4679. Bebel sSoz.) 7344. 1371 �Nachwahl infolge gerichtlicher Aberkennung des Mandats). Lib. 4240, Bebel<Soz.) 10 470. 1874. Natt. 1581, Bebel(Soz.) 7777. 1877. Natt. 6130, Bebel(Soz.) 11041.(Nachwahl, da Bebel das Mandat wegen Doppelwahl ablehnte.) Nat. 8963, Bracke(Soz.) 10 761. 1878. Natt. 8650, Bracke(Soz.) 11 579. 1880(Nachwahl infolge Mandatsniederlegung Brackes). Kons. 7256, Auer(Soz.) 8255. 1881. Natt. 7375, Soz. 6692. Gewählt Leuschner(natl.). 1884. Natt. 8560. Auer(Soz.) 9513. 1887. Natl. 13 578, Soz. 9886. Gewählt L eus ch n er(natl.) 1890. Natt. 10 063, Auer(Soz.) 15 266. 1893. Natl. 8184. Auer(Soz.) 15 234. 1893. Natl. 8690. Auer(Soz.) 13 437. 1903. Kons. 7392, Auer(Soz.) 13 349. 1907. Natl. 13 452, Auer(Soz.) 16 682. Als Arcnbcrgs Nachfolger für den Wahlkreis Malmedy-Montjoie-Schleiden ist, wie die Zentrums- presse berichtet, der Regierungsrat Dr. F ervers in Düsseldorf ausersehen. Die zentrumsagrarischeRheinische Volks« stimme*, die die Aufftellung des Grafen Spee als sicher zu melden Mißte, ist darüber aus dem Häuschen. Das Blatt nennt die Kan- didatur FerverS einen argen Mißgriff, der nur geeignet sei, Unfrieden und Zwietracht in den Kreis hineinzutragen. In dem Arbeiterwahlkreise Essen würde man sich schön gehütet haben, einen Rittergutsbesitzer aufzustellen, einem solchen hätten die Arbeiter gehörig heimgeleuchtet, aber den Bauern gegenüber glaube man derartige Rücksichten nicht nötig zu haben; die seien ohnehin gut katholisch und folgten, wie man annehme, blindlings der von oben gegebenen Parole. Aber, so meint das Blatt, diese Rechnung werde sich als falsch erweisen: Unsere Eifeler Bauern sind durch ihre harte Arbeit und ihr mühevolles Ringen um ihre Existenz etwas schwerfällig und ge- drückt. Es hieße aber geradezu sie für strohdumm halten, wollte man annehmen, daß sie einen Regierungs- beamten. der für städtische und industtielle Kreise einen vorzllg- lichen Abgeordneten abgeben würde, als Vertteter ihres rein länd- lichen Kreises wählen..... Die Aufstellung dieses Kandidaten nimmt sich aus wie ein Hohn auf die berechtigten Wünsche der Bauern, die doch gerade in dem über- standenen Wahlkampfe gezeigt haben, daß sie ihre Wünsche zurücktreten lassen, als es sich um die Aufftellung von Arbeitersekretären in gemischt oder überwiegend industtiellen Kreisen handelte. Ist das jetzt der Dank für.das loyale Ver- halten unserer Bauern?* DaS rheinische Zentrum hält gute Ordnung in seinen Reihen Und hat bis jetzt bezüglich seiner Kandidaturen den Forderungen und Klagen der Agrarier gegenüber den Willen sder Parteileitung durchzusetzen gewußt. Außerdem sind die Eifelbauern wirklich gut- mütige Leute, so daß sie es wohl kaum zu einer Auflehnung im Sinne derRheinischen Volksstimme" kommen lassen werden, selbst auf die Gefahr hin, fürstrohdumm" gehalten zu werden. Der Bremer Schulkouflikt lebt wieder auf. Bekanntlich hatten die Bremer Lehrer Holzmeier. Gartelmann, Lüdeking und Gansberg bei dem wider sie eingeleiteten Disziplinarverfahren insofern gut abgeschnitten, als der aus Preußen nach Bremen importterte Schulmspektor Köppe eine scharfe Miß- billigung durch den Vorsitzenden der Disziplinarkammer ein« stecken mußte; und ferner, weil in der dreitägigen Verhandlung alles bestätigt wurde, was die Bremer Lehrerschaft dem Herrn zur Last gelegt hatten. Man hätte nun meinen sollen, der Herr Schul- inspektor wäre recht schleunigst gegangen oder doch von der Schul- behörde verabschiedet worden! Weit gefehlt! Der Mann verfügt offenbar über eine Bülowsche Rhinozeroshaut, und da die Behörde ihn nicht gehen hieß, blieb er im Amt. Dagegen geht jetzt einer der vier, wegen ihrer Versündigung am Schnlinspektor angeklagt gewesenen Lehrer, nämlich der sehr befähigte, als päda- gogischer Schriftsteller bestens bekannte Gansberg. Und das kam so. Gansberg war laut Senatsbeschluß besonders angeklagt, in einem öffentlichen, vor Angehörigen von bremischen Schulkindern gehaltenen Vortrag ausgeführt zu haben,daß in den bremischen Schulen ein unfruchtbarer, bureaukratischer Geist umgehe, der durch widerliche Rechthaberei und rücksichtslose Draufgängerei die freien Regungen der jugendlichen Kräfte zusammenschnüre und der nur dadurch zu fassen sei, daß man öffentlich brandmarke," ferner,daß ein solches schädliches System" sich in der Person des Schulinspektors verkörpere. Damit sollte sich Gausberg gegen§ 25 des bremischen Beamtengesetzes vergangen haben. GanSberg bestritt in der VerHand- lung, welche vorige Woche stattfand, die Ausdrückewiderlich" und rücksichtslos" gebraucht zu haben. Ferner wollte er allgemein von unseren" Schulen gesprochen haben. Er habe auch die Frage auf- geworfen, was zu geschehen habe, wenn sich die Krittk eines solchen Systems gegen einen Vorgesetzten richte, er habe aber als Beamter ) Der Termin der Kreisversammlung ist inzwischen auf Domierttag, den IS. April, festgesetzt worden. die Frage selbst nicht beantwortet. Die Eltern brauchten sich aber von der Verfechtung ihrer Ideen nicht abhalten zu lassen. Diese Gedanken habe er an einigen Beispielen erläutert und dabei vom bureaukrattschen Geist, von Draufgängerei und Rechthaberei ge- sprachen. Ein Zeuge sagte aus, Gansberg habe sehr sachlich gesprochen. Half alles nichts, Gansberg wurde außer mit einem Verweis mit zweihundert Mark Geldstrafe bedacht. Doch das hätte sich verwinden lassen. Es wurde ihm aber in der Urteilsbegründung durch den Vorsitzenden, den Senator Dr. Buff, der sich diesmal wohl fteier fühlen mochte, da der Zuhörerraum ein ganz anderes, längst nicht so imponierendes Bild bot als im März, eine empfindliche Kränkung zugefügt, die der so ganz anders als der Schulinspektor organisierte Gansberg nicht verwinden konnte und wollte. Der Senator sagte u. a.:Es wäre bei dieser(der oben skizzierten) Sachlage scharf daran, daß der Staat sich von einem Beamten befreien müßte, der in derartiger Weise gegen seine vorgesetzte Behörde und gegen(II) die Schul- Verhältnisse in Bremen zu Felde ziehe und sich nicht entsagen könne, die Tätigkeit von vielen Leuten(nämlich des Schulinspektors, der Schulbehörde, der Schuldeputation usw. Der Verf.) herunterzuziehen. So sehr es an sich berechtigt wäre, müsse von der Dienstentlassung nach Ansicht der Kammer abgesehen werden, und zwar im Hinblick auf die ganzen Zeitverhältnisse, in denen der Vor- trag gehalten worden sei, im Hinblick darauf, daß zweifellos, wie auch früher festgestelll worden sei, eine erhebliche Erregung in der Lehrerschaft bestand, und ferner müsse man annehmen, daß diese verletzenden Aeußerungen und schweren Beschuldigungen gegen die Schulbehörde nicht der Zweck der Rede gewesen seien, sondern daß es sich vielleicht bei dem Angeschuldigten, als er sein eigentliches Thema verlassen hatte, mehr um eine Erregung gehandelt habe, in die ihn das'Schlutzwort versetzt habe.* Durch solche demütigenden Worte mußte GanSberg, dem die geringsten Schulreformversuche, z. B. die Verteilung einer von ihm verfaßten und von Fachmännern sehr gelobten Fibel an die Schüler seiner Klasse brüsk abgeschlagen wurden, sich in der Tat schwer ge- kränkt fühlen. Zumal da ihm, dem das beste der Schule anstrebenden Reformator, zur gleichen Zeit eine solche Demütigung widerfuhr, wo man einen, das Schulwesen aufs schlimmste schädigenden Vor- gesetzten im Amte beließ, obwohl sich der Unwille fast der g e- samten Lehrerschaft gegen ihn gerichtet hatte. Wohl war das Wirken des Schulinspektors zum Teil scharf mißbilligt worden, aber davon war keine Rede gewesen, daß man nahe daran sei,den Staat von einem solchen Beamten zu be- freien". Gansberg hat sein Entlassungsgesuch eingereicht. Das fortschrittseindliche System denn darum handelt es sich hier hat sein Opfer dahin. Jetzt hat sich aufs neue eine große Erregung der Lehrerschaft bemächtigt, und die bremischen Lehrer haben bisher bewiefen, daß sie den Mut haben, sich des unwürdigen Drucks, der auf ihnen lastet, zu erwehren. Bisher galt ihr Kampf wesentlich dem Schulinspektor, jetzt wird er sich gegen das S y st e m und seinen Träger, die B e- Hörde, richten müssen. Das bewies uns schon die Ver- Handlung gegen die vier Lehrer, es wird uns durch den Fall Gansberg bestätigt.Die Herren vergessen, wenn sie solche Behauptungen aufstellen, daß hier nicht der SchulaufsichtS- bcamte, sondern die Behörde in Betracht kommt", sagte der Senator in seiner Begründung des Urteils im Prozeß Gansberg. Damit ist betont worden, daß die Behörde abgesehen von einigen Maßnahmen des Schnlinspektvrs diesen unter allen Umständen hallen will, weil er ja nur das S y st e m vertrat, daß s i e ver« tritt! Denn der Senator Buff gehöot der Schulaufsichtsbehörde an. was er sagte, kann man als von ineser gesprochen erachten. So wird dafür gesorgt, daß den Lehrern, unter denen es immer noch sehr viel Gutgläubige gibt, die allem gefährlichen Kanipfe einen wenn auch brüchigen Frieden vorziehen, vollends die Augen geöffnet werden. Der Kampf wird noch ein sehr zäher werden, mögen die Lehrer zeigen, daß sie Männer genug sind, ihn zu führen. Der Zeugniszwang in Bayern . Das Oberste Landgericht in München hat die Beschwerde des Genossen Paul Schlegel gegen die vom Schöffengericht Kulmbach angeordnete und vom Landgericht Bayreuth bestätigte Zcugniszwangshaft abgelehnt. Die Inhaftierung des Genossen Schlegel besteht alsozu Recht". Interessant sind einige Wendungen in der landgerichtlichen Be- gründung der Aufrechterhaltung der Haft. Schlegel war bekannt- lich ursprünglich wegen Beleidigung des Fabrikanten Hornschuh zu 10 Tagen Gefängnis verurteilt worden, das Landgericht Bayreuth setzte die Strafe auf 150 M. Geldstrafe herab. Hornschuh suchte nun den Verfasser zu ermitteln und wollte als ein Werkzeug hierbei den Genossen Schlegel benützen. In seiner abweisenden Begründung sagt nun dasselbe Landgericht Bayreuth , die Ver- urteilung Schlegels zu 150 M. Geldstrafe sei keine volle Sühne für die Beleidigung Hornschuhs, durch die Zeugnisverweigerung Schlegels werde die volle Sühnung einer erheblichen Rechtsver- letzung verhindert. Schlegel habe auch durch eine Zeugnisabgabe keinen erheblichen Rechtsnachteil zu befürchten. Dieser Begrün- dung hat sich nun die höchste richterliche Instanz in Bayern ange- schloffen! Daß ein Redakteur, der das Redaktionsgeheimnis preis- gibt, in den Augen aller anständigen Menschen ehrlos wird, daß Schlegel, wenn er sein Zeugnis abgäbe, nicht nur moralisch ge- richtet, sondern sich auch in seinem Berufe unmöglich machen und seinen wirtschaftlichen Ruin herbeiführen würde, erachtet das Ge- richt anscheinend für keinen Rechtsnachteil. /iiishmcl. Frankreich . , Abbö Jouin. Paris , 13. April. (Eig. Ber.) Abbö Jouin. der Pfarrer von St. Augusttn, ist heute wegen Uebertretung des Artikels 35 des Trennungsgesetzes zu 16 Frank Geldbuße verurteilt worden. Sein Delikt lvurde in der Verteilung einer Broschüre an die Gläubigen erblickt, die anläßlich der Kirchen- inventuren zum Widerstand aufforderte. Das milde Urteil entspricht dem für die Regierung recht ungünstigen Eindruck, den die Haupt- Verhandlung gemacht hat. Es war wirklich nicht nötig, den Staats- anwalt wegen der paar kräftigen Redensarten, die der Geistliche gebraucht hat. in Bewegung zu setzen.Aufreizungs"-Prozesse bleiben gleich unerquicklich, wenn sie gegen Reaktionäre wie wenn sie gegen Revolutionäre angestrengt werden. Abbo Jouin hat nicht ohne Humor darauf verwiesen, daß man Wendungen, die aus dem K r i e g s l e b e n auf das Gebiet der Parteikämpfe übertragen werden, nicht ganz wörtlich zu nehmen braucht, und er hat zur Illustration glückliche Zitate in Clemenceaus Reden gefunden. Da die von den Klerikalen schlauer- weise vorher inS Werk gesetzte Veröffentlichung der Papiere Montagninis dem Ankläger seine besten Effekte vorweg- genommen hatte und der Rest vonEnthüllungen", der ihm ge- blieben war. auf ein geschwächtes Interesse stieß und wirklich nicht geeignet Ivar, es neu zu beleben, so ist die Niederlage der Regierung wohl begreiflich. Immerhin erscheint sie noch in überraschender Weise verstärkt durch die Motive, die die Strafkainmer ihrem Urteil beigegeben hat, besonders durch die Bezeichnung des Trennungsgesetzes als einesmaßlosen Ausnahme- g e s e tz e s. das ein Spezialdelikt für KultuSdiener schafft, die es doch gerade zu einfachen Bürgem gemacht hat". Es ist sicher eine außerordentliche Erscheinung, daß Richter ein bestehendes Gesetz so heftig kritisieren. Dieses Urteil beweist, daß die reaktinnäre Bureaukratcnclique nicht abrüsten will. Da aber die Regierung Clsmenceau sich durch ihre sozialreaktionären Maßregeln die lebendigsten Kräfte der Demo- kratie immer mehr entfremdet, so muß sie dem Mißtrauen und der Abneigung, das ihr auf allen Seiten entgegentritt, endlich zum Opfer fallen. Wenn andere Ministerien durch Zufälle stürzen, so hat das Kabinett Clsmenceau seit Monaten nur noch durch Zufälle gelebt. Ohne eine durch ein politisches Programm verbundene Majorität hat es sein Dasein zuletzt durch die riesigen Majoritäten gefristet, die ihm die Solidarität der gefährdeten BourgeoiSintereffm bot. Aber für eine fortdauernde anttsszialistische Diktatur ist die Situation nicht revolutionär genug, und das Ministerium in seiner jetzigen Zusammensetzung zu zweideutig. Belgien . Eine Regierungskomödie mit Staatsstreich. Brüssel , 13. April. (Eig. Ber.) Dem belgischen Staatsbürger, der sich eben noch über die nächste Wendung der Krise den Kopf zerbrach, bescherte der Sonntag eine immerhin unerwartete Ueberraschung: die Ver- öffentlichung eines im offiziellenMoniteur" erschienenen, von den Ministern gegengezeichneten königlichen Erlasses, durch den das von der Kammer votierte Minengesetz zurück- gezogen wird I Als was stellt sich dieser Akt dar? Man urteile: Die Abstimmung erfolgte am 12. April, der Erlaß ist vom 11. April datiert, und am 14. April wird er mit den Unterschriften der Minister, die bereits die Demission über- reicht hatten, publiziert 1 1 Gibt es eine frechere Verhöhnung der Parlamentsrechte und der Konstttution als diesen Akt. eine unverschämtere Komödie als die dieser Minister, die in Kenntnis dieses Erlasses über ein Gesetz abstimmen lassen, das nicht mehr existiert und die auf Grund dieser Abstimmung ihre Demission überreichen?! Minister, die keine mehr sind und die einen Erlaß unterzeichnen eine Regierung, die ein Gesetz zur Abstimmung gibt, von dem sie weiß, daß es zurückgezogen ist selbst dem vom König und von der Regierung Smet de Naeyer so oft zur demütigen Rolle verurteilten belgischen Parlament dürfte der Tabak wohl zu stark sein.... Daß der König, der sich gleich nach der Annahme des Amendements Beernaert mit seinen Ministern über jenen Schritt einigte, sich wie schon bei anderer Gelegenheit oft über das Parlament mokiert, daß er ein Gesetz zurück- zieht, dem die Majorität des Parlaments z u g e st i m m t hat. das liegt schließlich nur auf der Linie des absolutistischen Regimes, das der Souverän der Kongokolonie auf das Mutter- land verpflanzt hat. Eine andere Frage ist, ob auch der diesmalige Gewaltstreich er wird selbst vomruhigen" Publikum und v.on gemäßigten Blättern als ein frecher Theatercoup und als Staatsstreich bezeichnet vom Lande und vom Parlament wieder einmal ruhig quittiert werden wird.... Mit Ausnahme der allerservilsten und der offiziösen Presse wird der Gewaltakt des Königs, der sich als offene Kriegserklärung des Monarchen an das Parlament darstellt, in Worten der höchsten Empörung und Erbitterung besprochen, ebenso wie die Komödie dieser Regierung, die mit der Pose der Rechtschaffenheitab- trat", um dabei das niederträchtigste Schelmenstück gegen Parlament und Verfassung auszuführen. Heute versammelt sich der Vorstand des Generalrats der sozialdemokratischen Partei, um die Abfassung eines Aufrufs an das Volk zu beraten, der das Urteil über die dem Parla- ment und der Volkssouveränität entgegengeschleuderte Provo- kation des Königs und derRegierung" sprechen soll. Die Erregung ist allgemein und die Blätter aller Richtungen kon- statieren den Ernst, ja die Gefährlichkeit der Situation. Brüssel , 16. April. (B. H. ) Die Sozialisten iverden in ihrer morgigen Versammlung den Wortlaut eines Aufrufes an das Volk beraten, worin sie gegen die Zurückziehung des Grubengesetzes Einspruch erheben. Weiter besteht die Absicht. ay den Kammerpräsidenten das Ersuchen zu richten, das Parlament schleunigst ivieder einzuberufen. Endlich wird noch in Aussicht genommen, bei der ersten Kammersitzung ein Tadelsvotum gegen das neue Kabinett abzugeben,.falls sich unter diesem ein Mitglied des früheren Ministeriums befinden sollte. Dänemark . Offizielle Feier eines sozialdemokratischen Gesetzes. Das Gesetz über Staats- und Gemeindeunterstützung zu den Arbeitslosenkassen ist aW 9. April vom König bestätigt worden und hat damit Geltung erlangt. Der Minister des Innern ver» anstaltete aus diesem Anlaß eine Festlichkeit, zu der alle Per« sonen geladen waren; die an dem Gesetz mitgearbeitet haben, u. a. die Mitglieder der Jnvaliditäts- und Altersvcrsicherungs» kommission, sämtliche Reichstagsabgeordnete, die in Ausschüssen oder als Wortführer der Parteien mit. der Sache zu tun hatten, Repräsentanten der Stadt Kopenhagen , wie der Vereinigung der Provinzstädte und der Kirchfpielratsvcreine, Beamte des Ministeriums des Innern usw. Während des Festes lief ein Telegramm des Königs eisi, das einen Glückwunsch zur Durch. führung des neuen Gesetzes enthielt. Das Gesetz ist nun bekanntlich eine Frucht der sozialdemo« kratischen Agitation und der unermüdlichen jahrzehntelangen Arbeit unserer Genossen im Folkething! Im Jahre 1891 ep- klärte der damalige Minister des Innern Jngerslcv jede Art Gesetzgebung auf diesem Gebiete für unmöglich. Und jetzt feiert der Minister Berg die Durchführung desunmöglichen" Gesetzes, und der König sendet seinen Glückwunsch! So wird es auch mit dem Achtstundentag gehen", schreibt Social-Demokratcn".Der König wird dann auch zur Durch. führung der sozialdemokratischen Reform Glück wünschen. So wird es gehen mit all den anderen großen Reformen, die in unserem Programm stehen. Nach jahrelangem heftigen Wider» stand werden sie durchgeführt und selbst die Gegner werden den Tag feiern." Afrika . Ein neues Einwanderungsgcsetz ist in der Kapkolonie zur An- nähme gelangt. Es trägt den TitelImmigration Act , 1906". Die wesentlichen Abweichungen gegenüber dem bisher geltenden Einwanderungsgcsetz von 1902 sind folgende: 1. Was den Kreis der sogenannten?rokibiteck lmwigrants anlangt, so sind nach dem bisherigen Gesetz von der Einwanderung ausgeschlossen Personen, die nicht imstande sind, in irgend einer europäischen Sprache ein Gesuch an den zuständigen Minister zu schreiben und zu unterzeichnen. In dem neuen Gesetz ist die bisher nur in der Praxis geübte Auslegung, daß das sogenannte ..Yiddish "(Judendeutsch) als europäische Sprache im Sinne des Gesetzes anzusehen sei, gesetzlich fe st gelegt worden. Neu ist die Ausnahmebestimmung, daß bei Personen, welche Aufnahme in die Kapkolonie begehren, um der Verfolgung wegen politischer oder religiöser Vergehen oder Bekenntnisse zu entrinnen, der Mangel an hinreichenden Geldmitteln oder die Gefahr, daß sie der Oeffentlichkeit zur Last fallen könnten, kein unüberwindliches Hindernis für die Zulassung bilden sollen. Solchen Personen kann mit Genehmigung des Ministers die Landung gestattet werden. 2..... Die Vorschrift, daß die unter Engagement er- folgende Zuwanderung europäischer Arbeiter(darunter sind land- wirtschaftliche Arbeiter, Dienstboten, gelernte Handwerker, Me- cbaniker, Handarbeiter, Bergleute zu verstehen) nicht unter das Gesetz fallen soll, ist auf Unternehmungen beschränkt worden, die vom Gouverneur gebilligt sind, nachdem er sich davon überzeugt hat. daß für die in Betracht kommende Art von Arbeit kein genügende? Arbeiterangebot zu angemessenen Lohnsätzen in der Kolonie selbst vorhanden ist. Die Person, die auf Grund dieser Vorschrift ein- wandern will, muß im Besitz einer amtlichen Bescheinigung darüber sein, daß sie für die Zeit unmittelbar nach der Ankunft