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Nr. 89. 24. Jahrgang. 1. KeilM des Jotmätls" Kerlim Holblilitt. Uittmch. 17. Jptil 1907. Reichstag . 80. Sitzung. Dienstag, den 18. April, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstisch: Graf PosadowSky. Fortsetzung der zweiten Beratung des Etats für daS Reichs- amt des Innern, Titel Staatssekretär. Abg. Sachse(Soz.): Herr Schiffer hat uns gestern vorgeworfen, wir hätten noch nie für ein sozialpolitisches Gesetz gestimmt, und er hat unlogischer� weise gefolgert, daß wir konsequenterweise sogar ihre Ab- s ch a f f u n g hätten beantragen müssen. Verschwiegen hat er, daß wir bei der Reform der Unfallgesctzgebung dafür gestimmt haben. Weiter hat Herr Schiffer gesagt, die christlichen Arbeiter hätten ebenfalls über behördlichen Terrorismus zu klagen. Er hat dasselbe Klagelied angestimmt wie wir bei verschiedenen Gelegenheiten: daß die Polizeibehörden alles aufbieten, um den Arbeitern die Säle abzutreiben. Aber alles, was er vorgetragen hat, ist gar nichts im Vergleich zu dem, was wir von Polizei lichem Terrorismus zu leiden haben. In Bochum konnten wir nicht einmal einen Saal bekommen, um dort unsere General Versammlung abzuhalten. Gerade in Recklinghausen , im Wahl kreise Schiffers, werden wir so schofel behandelt wie sonst fast nirgends. Die Wirte haben sich durch polizeilichen Einfluß gegen Zahlung einer Konventionalstrafe verpflichtet, uns keinen Saal zu überlassen. lHört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Gerade die Wirte, die dem Zentrum angehören, tanzen dort ganz nach der Pfeife des Polizeikommissars. Wir haben wiederholt von dieser Stelle aus betont, daß wir terroristische Maßnahmen seitens der freien Gewerkschaften nicht anders werten als die anderer! Aber Schiffer wird wissen, daß beim Kampf auch Spähne fliegen, und wenn Ausschreitungen vorkommen, daß wir dann nicht für die einzelnen Handlungen verantwortlich sind. In seinem Wahl kreise wird er nicht die Zustimmung zu seinen Ausführungen, in denen er die Saalabtreiberei verurteilt, finden; ganz im Gegen teil wird es dort in der Zentrumspressc als etwas Selbftverständ liches hingestellt, daß man uns die Säle abtreibt. Ich wende mich nun zu den Ausführungen des Herrn 0. Dirksen, der gestern hier gegen uns losgezogen ist. Einleitend hat er sich als Nachfolger Stumms empfohlen, den er als den hauptsächlichsten Sozialpolitiker hingestellt hat. Bei diesem Vor bild wird manche seiner Redewendungen begreiflich. Gerade Stumm wollte ja seine Arbeiter vollständig rechtlos machen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Nicht einmal das Heiraten gestattete er ihnen ohne seiüe Erlaubnis, und als Ziel der Sozial Politik erschien ihm, daß in ganz Deutschland solche Zustände herbeigeführt würden wie auf seinen Werken. Herr v. Dirksen sagte, die Sozialdemokraten seien so unverschämt, daß sie, wenigstens im Auslande, schon eine sechs st ündige Arbeitszeit verlangt hätten. In einem solchen Falle müßte er doch die Nebenumstände nennen. Es wird sich jedenfalls um einen besonders gesundheitsgefährlichen Betrieb handeln, in welchem eine sechsstündige Arbeitszeit angebracht ist. Ich kann Ihnen verraten, daß wir sogar bei uns in Deutschland derartige gesetzliche Be� stimmungen haben: Bei den Bergarbeitern ist, wenn sie vor Ort in einer Temperatur von 28 Grad Celsius arbeiten müssen, die sechsstündige Schicht gesetzlich vorgeschrieben. Freilich steht das bei uns nur auf dem Papier.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Dann hat sich Herr v. Dirksen hier als ei» Muster des guten Tones hingestellt und sich über Bebel beklagt. Aber was Bebel gesagt hatte, war wenigstens wahr, was Dirksen gesagt hat, dagegen nicht.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch gestern hat er wieder angeführt, daß die Arbeiter gezwungen würden, die Gehälter der Gewerkschaftsbeamten und Agitatoren zu bezahlen. Das ist«ine Unwahrheit, die wir zurückweisen müssen. Er hat auch die Gehälter der.,Vorwärts"-Redakteure gestreift, und er kann nicht bestreiten, daß es unwahr ist, daß sie besonders hohe Gehälter beziehen. Er führte die höchsten Gehälter bis zu 4200 M. an, alle sehr niedrigen Gehälter der Gewcrkschaftsbeamten dagegen hat er außer acht gelassen, und draußen im Lande wird immer noch von den 7000 M.-Gehältern der Redakteure gesprochen, geflissentlich wird diese Lüge, besonders vom Reichsverband, verbreitet.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Ferner kann Herr v. Dirksen nicht unterscheiden, was Parteibeiträge, was Ge- wcrkschaftsbeiträge sind; deutlich beweist das seine Anführung der Beiträge des Buchdruckerverbandes, der von diesen Beiträgen Reise- Unterstützung, Arbeitslosenunterstützung usw. usw. zahlt. Es handelt sich hier also nicht um Parteibeiträge, sondern geradezu um Versicherungsbeiträge.(Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Weiter hat Herr v. Dirksen besonders über den TerroriSmus " der Berliner Arbeiter geklagt und zum Beweise dafür den Brief eines Arbeiters verlesen. WaS steht aber in diesem Briefe? Der Arbeiter beklagt sich: wenn er nach Berlin komme, müsse er sich erst organisieren, sonst würde er nirgends Arbeit bekommen. Nun, es wird wohl keinem Menschen hier im Hause einfallen können, den Berliner Arbeitern daraus einen Vorwurf zu machen, daß sie einen neu hinzu- ziehenden Kollegen dazu anhalten, sich zu organisieren.(Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Berliner Arbeiter bessere Löhne errungen haben, so haben sie das ihrer eigenen Opferfreudigkeit und ihrer guten Organisation zu danken. Wenn nun Auswärtige kommen, sollen diese die Vorteile ohne jede Gegenleistung genießen? Das wird niemand billigen. In den Industriezentren haben sich die Arbeiter einen etwas besseren Lohn nur durch ihre gute Organisation errungen, und wenn sie nun darauf dringen, daß die neu zuziehenden Arbeiter in die Organisation eintreten, so sind sie vollständig in ihrem Recht. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Dann hat Herr v. Dirksen auch über den Koalitionszwang der Sozialdemokratie gesprochen, aber gegen den Koalitionszwang der Arbeitgeber hat er kein Sterbenswörtchen gefunden! Die Aussperrungen der Arbeitgeber gegen Arbeiter hat er gutgeheißen und als Not- wehrmaßregeln bezeichnet. Es wird so viel vonfrivolen" Streiks gesprochen, und dabei weiß jeder, daß wir berechtigt sind, von ganz frivolen Aussperrungen zu sprechen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Herr v. Dirksen hatte da wohl Ge­legenheit gehabt, sich gegen frivolen UnternchmerterroriSmuS zu wenden. Er hat es aber nicht für gut gehalten, auch nur ein Wort über die schwarzen Listen, über die Verrufserklärungen der Arbeitgeber gegen Arbeiter zu sagen. Diese Herren haben am letzten ein Recht, sich über TerroriSmus der Arbeiter zu ent- rüsten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Weil Arbeiter in einem schlesischen Bergwerk Lohnforderungen gestellt haben, sind nicht nur die Mitglieder der Organisation, sondern auch die Mit- glieder des Arbeiterausschuffes auf die schwarze Liste gesetzt worden, nachdem sie entlassen waren, weil sie die Wünsche ihrer Kollegen in angemessener Form zum Ausdruck gebracht hatten! Bei den Arbeitgeberorganisationcn wird ein viel schlimmerer Zwang getrieben als es den Arbeiterorganisationen überhaupt möglich ist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das ist hier mehrfach bereits festgestellt worden. Gegenwärtig haben wir in Deutschland eine Holzarbeiteraussperrung, und bei dieser er- leben wir wieder denselben Terrorismus der Arbeitgeber; es wird ein Druck auf alle Arbeitgeber des Gewerbes ausgeübt, daß sie alle aussperren. Wer sich weigert, dem wird eS unmöglich gemacht, sein Gewerbe weiter zu betreiben, indem auch auf die Holz- lieferanten ein Druck ausgeübt wird, diesen Unternehmern nichts mehr zu liefern!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Bei uns in Westfalen ist jetzt eine Aussperrung der Anstreicher; dg haben die Farbenlieferanten beschlossen, den Meistern, die nicht aussperren, keine Farbe und keinen Kredit mehr zu liefern! Noch schlimmer springen die Unternehmer mit ihren Arbeitern um. Da wird der Terrorismus geradezu ungeheuerlich, himmelschreiend. Arbeiter, die sich weigern, Ueberschichten zu verfahren, werden ent- lassen, auf den niederschlesischen Gruben sogar nach der Arbeits- ordnung mit Geldstrafen belegt. Arbeiter, die darauf aufmerksam gemacht haben, daß nach dem Berggesetz an heißen Stellen, an denen die Temperatur über 28 Grad ist, nur 8 Stunden gearbeitet werden darf, sind einfach auf die Straße gesetzt worden! All' das ist ungeheuerer Terrorismus, von dem allerdings der Abg. v. Dirksen nichts wissen will.(Sehr gut! bei den Sozial demokraten.) Im erzgebirgischen Steinkohlenbergbau wurde jüngst statt der lOstündigen die Ilstündige Arbeitszeit eingeführt. Die Arbeiter protestierten; da sollten diejenigen, die nicht einverstanden wären, sich in eine Liste einschreiben. Alle, die es taten, wurden auf der Stelle entlassen!!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Herr v. Dirksen aber weiß von all' dem nichts.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der fiskalische Bergbau Oberschlesiens und des Saarreviers geht mit dem schlechten Beispiel voran. Dort entläßt man alle Arbeiter, die nur eine Arbeiterzeitung lesen. Im lothringischen Erzbergbau hatte ein Bergmann für die Interessen des Verbandes gewirkt und sich dadurch das Mißfallen der Berg- Herren zugezogen; er wurde auf die schwarze Liste gesetzt und bekam im ganzen Bezirk keine Arbeit mehr. Auf seine Klage hat dann das Gericht die Grubenverwaltung zur Zahlung einer Eni schädigung verurteilt mit der Begründung, daß die betreffende Matzregel einzig und allein dahin gegangen sei, den schon besiegten und wehrlosen Gegner vollkommen zu Boden zu werfen und ihm jede Möglichkeit des Erwerbes abzuschneiden; ein derartiger ge- hässiger und schwerwiegender Eingriff in die Arbeitsfreiheit sei aufs schwerste zu verurteilen und verstoße gegen die guten Sitten Das ist der gerichtlich f e st g e st e l l t e Terrorismus der Arbeitgeber.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Nur Herr v. Dirksen weiß davon nichts. Herr v. Dirksen hat wiederum viel von den Ausschreitungen" gegen Arbeitswillige gesprochen. Was darüber erfunden und zusammengelogen wird ist ganz unglaublich. In Ingolstadt verbreitete man eines Tages die Schreckensnachricht, daß die freiorganisierten Maurer ein Ge» rüst durchschnitten hätten, damit es zerbräche, wenn die Christlichen darüber gingen! Vor Gericht stellte sich heraus, daß der betreffende Redakteur in der erbärmlichsten Weise angelogen worden war. Er nahm alle Behauptungen zurück und jahlte alle Kosten; er war nur froh, daß der Vertreter der klagenden Arbeiter, RechtZanwalt Bernheim-München, Gnade für Recht ergehen ließ.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch das Material des Herrn v. Dirksen ist zum größten Teile unwahr. Er erzählte viel von Ausschreitungen beim großen Bergarbeiterstreik. Dabei hat nach den Polizeiberichten zu keiner Zeit im Ruhrrevier solche Ruhe ge- herrscht, wie während des großen Streiks. Sonst kommen wohl manchmal Schlägereien und Streitigkeiten vor in denwilden" Gegenden, wo die fremden Massen zusammenströmen. Aber gerade während des Ausstandes ist nichts geschehen! Nur in den Zei- t u n g e n hat manchmal gestanden, es seien Arbeitswillige toi geschlagen, Wohnungen demoliert und Zechen zerstört worden. Dergleichen berichtete auch dieRheinisch-Westfälische Zeitung" einmal ans Oberhausen ; da zwang sie die Polizei, eine Be- richtigung aufzunehmen! Sie hatte also mehr gelogen, als die Polizei erlaubte.(Große Heiterkeit.) Da sollte ein Vertrauens- mann unseres Verbandes dabei ertappt worden sein, wie er einem Arbeitswilligen die Fenster einwarf. In Wahrheit hat er an sein eigenes Fenster geworfen, um seine Frau zu wecken, weil er fönst nicht herein konnte.(Erneute Heiterkeit.) Die Streikbrecher haben damals kolossal gelogen, um sich herauszustreichen. In Herne erzählten sie einmal, sie wären von den Streikenden ver- folgt und geschlagen worden und hätten deshalb nicht zur Arbeit kommen können. In Wahrheit saßen sie friedlich um ein Bierfaß und feierten eine Hochzeit. Ueber den Wert der Arbeitswilligen urteilt nicht etwa die sozialdemokratische oder christliche GeWerk- fchastspresse, die Ihnen ja für fast ebenso schlimm gilt, fondern die Norddeutsche Allgemeine" und dieSchlefische Zeitung" in der vorigen Woche:Sie melden sich in den verschiedensten bestreikten Betrieben und lassen sich sobald wie möglich vom Streikposten ab- sangen. Dann leben sie entweder auf Kosten der Verbände besser als die ehrlichen Arbeiter, oder sie gehen in die Arbeit, und dann kommt es ihnen nicht darauf an, ob sie 12 oder 14 Stunden tätig find." Für solche Subjekte verlangt Herr v. Dirksen einen be- sonderen Schutz, solche Leute will er unter ein besonderes Privileg stellen. Sollte die Regierung sich auf diesen Standpunkt drängen lassen, so würde sie dem äußersten Widerstand der Äesamtarbeiter- schaft begegnen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Immerhin freue ich mich, daß Herr v. Dirksen wenigstens einen vernünftigen Gedayken ausgesprochen hat, als er sagte, daß das preußische Vereinsgesetz veraltet und überlebt sei. Er verlangte freilich, daß künftig jugendliche Arbeiter keinesfalls den Versammlungen sollten beiwohnen dürfen. Das ist eine grobe Ungerechtigkeit. Aber die Gewerkschasts- und Parteizahlen der Organisierten in Sachsen beweisen auch, daß diese Bestimmung der Reaktion und den Arbeiterfeinden nicht das mindeste nützt. Das sehen jetzt beinahe schon die sächsischen Behörden ein. Bei der Reform des Vereinsrechts muß endlich der Polizeiwillkür ein Riegel vorgeschoben werden, unter der die freien Gewerkschaften schwer zu leiden haben. Jetzt werden die Mitgliederlisten der Ver- bände den Unternehmern in die Hand gespielt. In Nieder- schlesien rühmen sich die Amtsvorsteher frei und frech, daß sie selbst unsere Versammlungen überwachen, um am nächsten Tage den Grubenverwaltungen anzeigen zu können, wer da war!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Selbst die einfachsten Per- gnügungen der freien Gewerkschaften werden überwacht. Mit dieser Polizeiwillkür muß endlich einmal ein Ende gemacht werden. Ich verlasse Herrn v. Dirksen und komme zum Reichsamt des Innern, und zwar zu den Gewerbeinspektionsberichten. Da möchte ich zunächst den Staatssekretär bitten, bei der Zusammenlegung der Vcrsicherungszweige darauf zu. achten, daß die Knappschafts- einrichtungen in Uebereinstimmung gebracht werden mit dem Jnva- liditätsgesetz. Die Invalidität bei den Bergleute« tritt bekanntlich sehr früh ein, meist schon in den vierziger Jahren. Jetzt aber müssen sie entweder zum Bettelstab greifen oder ihren Kindern zur Last fallen. Die Zahl der entschädigungspflichtigen und der tödlichen Unfälle ist bedeutend gestiegen. Auf die großen Massenunglücke komme ich noch bei unserer Interpellation zurück; heute will ich nur mein Bedauern darüber ausdrücken, daß auch das Steigen der Unfallziffer die Regierung nicht veranlaßt hat, Arbeiterkontrolleure anzustellen, die einen Teil der Verantwortung mittrügen und zusehen könnten, ob die Grubenbeamten ihren Ver- pflichtungen nachkommen. Die Zahl der Unfälle, die durch die Schuld der Verunglückten oder ihrer Arbeitskollegen vorgekommen sind, ist nach der Statistik der Berufsgenossenschaftcn in den letzten 10 Jahren um I0,ö3 Proz. zurückgegangen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Arbeiter sind vorsichtiger geworden und die Unfälle häufiger. Die Regierung hat durch den Geheimrat Meißner wiederholt jonerkennen lassen, daß Polizeivorschriften gegen die Stein, und Kohlenfallgefahr notwendig seien. Gegen- über dem Widerstand des Unternehmertums hat sie sich darauf zurückgezogen, den Erlaß dieser Verordnung den Oberbergämtern zu überlassen, und bis heute ist noch keine einzige dieser Ver- fügungen zustande gekommen.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- traten.) Die Einfahrer und Arbeiterausschüsse, die schon in den Gruben bestehen, können nicht viel leisten, weil über ihnen immer tos Schwert tot Sotlassuvg schwebt. Kie mit Men usigespruvgV wird, hat ja der Prozeß Hillger-Krämer in Saarabien gezeigt. Ueberall im Auslände ist die Unfallziffer wesentlich niedriger als in Deutschland . In Bayern sind die Unfälle in 10 Jahren von 17,8 auf 11, 8S Proz. zurückgegangen, nur infolge der Anstellung von Arbeiterkontrolleuren. Sicherlich würde die preußische Berg- Werksverwaltung dieselben Erfahrungen machen, aber der Minister Delbrück hat jüngst im Abgeordnetenhause gesagt, erst müßten sich die Arbeiter das Vertrauen der Arbeitgeber erwerben! Dann könnten sie warten bis zum St. Nimmerleinstag.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten). Die meisten Bestimmungen der Grubeninspektion bleiben heute einfach auf dem Papier stehen; denn die Arbeiter, die auf ihre Befolgung drängen, werden ent- lassen. In allen Grubeninspektionsberichten wird über den kolossalen Holzmangel berichtet, der es nicht erlaubt, die Gruben so auszubauen, wie es notwendig wäre. Ein großer Uebelstand ist, daß die Bergpolizeiverordnungen den Ausländern, den Polen und Italienern nicht in ihrer Muttersprache zugänglich gemacht werden. Jetzt verstehen sie sie einfach nicht und gefährden dadurch ihr Leben und das ihrer deutschen Kameraden. Die Bergarbeiter haben also wohl ein Recht, mit dem Schutze ihrer Gesundheit un- zufrieden zu sein und von der Regierung zu verlangen, daß sie Leben und Gesundheit der Arbeiter endlich einmal ausreichend schützt.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Geheimrat Beckmann wendet sich gegen den Antrag der Reichs- Partei auf Aufhebung des§ 34 des Gewerbeunfallgesetzes. Diese Bestimmung habe erlaubt, die Berufsgenossenschaften auf eine gute finanzielle Grundlage zu stellen und ihnen besser ausreichende Rc- fervefonds zu geben als früher. Abg. v. Stnudy(k.): Wir schließen uns den Ausführungen an. die wir gestern hier vom Abg. v. Dirksen gehört haben.(Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Die Behauptung, daß unsere Sozial- Politik einen langsamen Weg geht, ist unzutreffend; hoffentlich ändert auch Herr Naumann seine Anschauung hierüber nach den Ausführungen des Staatssekretärs. In seinen Ausführungen war Herr Naumann nicht ganz gerecht; denn es gibt in diesem Hause überhaupt keine Partei, die nicht die Fortführung der Sozialpolitik wünscht. Ein Mißtrauen gegen die Arbeiter haben wir nicht; wir erkennen sie als vollberechtigte Staatsbürger an, Mißtrauen haben wir nur gegen die Personen, welche die niedrigen Instinkte der Arbeiter aufregen. Herr Naumann hat doch etwas einseitig nur von den Pflichten gegen die Arbeiter und den Rechten der Arbeiter ge- sprachen; er hätte sehr wohl auch von den Pflichten der Arbeiter gegen die Arbeitgeber sprechen sollen. Redner wendet sich der Zusammenlegung der Bersicherungs- gesetzgebung zu, seine Ausführungen bleiben auf der Tribüne unver- ständlich. Staatssekretär Graf PosadowSky: Die Reform der Arbeiter- Versicherung wird nicht in der Weise ausgeführt werden, daß die drei großen Versicherungen vereinheitlicht werden. Bei der Ver- schiedenartigkeit der Verhältnisse ist in der Sozialpolitik eine Dezentralisierung angebracht, die in den Berussgenojfenschaften, den Krankenkassen und den Provinzialanstalten der Invalidenversicherung einen durchaus geeigneten Ausdruck findet. Herr v. Dirksen sagte gestern, bezüglich des Aufhebens des Verbindungsverbotes für politische Vereine befände ich mich in einem historischen Jrrtiune; die Angriffe hätten sich auf die Zeit der Aushebuug bezogen. Ich stelle fest, daß es sich um ein Versprechen des Reichskanzlers handelte, das erfüllt werden niußte, wenn nicht das Vertrauen der Bevölke- rung und des Parlaments zur Regierung verloren gehen sollte. (Sehr richtig! bei den Freisinnigen.) Zum Schluß bemerke ich mit Bezug auf Ausführungen des Lord Roseberrh, in denen er betont, daß er. sich weder gegen die Maßregeln der Invaliden- Versicherung, noch gegen eine Bauernansiedelung an sich wendet. sondern nur gegen das vorgefchlagene System, daß dann selbst- verständlich ein Widerspruch zwischen seiner und meiner Auffassung besteht. Abg. Trimborn(Z.) erläutert den Standpunkt deS Zentrum» zu den einzelnen ResoluNonen. Abg. Müller-Meiningen (frs. Vp.): Bei Schaffung eine» liberalen Vereins- und Versammlungsrechtes wird der Reichskanzler eine geschlossene Mehrheit hier finden. Ein Koalitionsrecht ohne freies Pereins- und Versammlungsrecht wäre nichts als ein leeres Schlag- wort. Niemand hat die seit 35 Jahren geübte Angstmeierei so hart, aber auch so gerecht kritisiert wie Graf PosadowSky in seiner Rede vom 11. April. Freilich hat er auch erflärt, daß ein ein- h e i t l i ch e s Vereiusrecht für Deutschland bei den verschiedenen Verhältnissen von der westlichen bis zur östlichen Grenze nicht leicht zu schaffen sei; möge er sich nach französischem. nicht nach russischem Muster richten.(Zustimmung links.) Vor allem ist es auch nötig, daß die Frauen nicht mehr wie Lehr- jungen, Verschwender und Narren behandelt werden. Ein Antrag auf Schluß der Debatte wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Abg. Singer(Soz., zur Geschäftsordnung): Ich stelle fest, daß eS uns durch den Schluß der Debatte unmöglich gemacht ist. gleich den Vorrednern den Standpunkt unserer Fraktion zu den ein- zelnen Resolutionen klarzustellen. Abg. v. Strombeck(Z., zur Geschäftsordnung) bedauert, daß es ihm durch den Schluß der Debatte nicht möglich sei, für die mehr- fach angegriffenen Hausierer einzutreten. Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt. Es folgt die Abstimmung über die vorliegenden A« f o- lutionen. Die Resolutionen der Polen , des Zentrums und der Sozialdemokraten zugunsten der A r b e i t e r i» den Hochöfen-, Walz- und Hüttenwerken werden bi� zum Titel Reichsgesundheitsamt zurückgestellt. Eine Resolution Albrecht und Genossen(Soz.), an- gesichts der Explosion in der Roboritfabrik bei Witten -Amren und des Brandes der Zelluloidfabrik bei Geispolshcim gesetz- geberische Maßnahmen oder bundesratliche Verordnungen zur Verhütung derartiger Unglücksfälle zu treffen, wird einstimmig a n- genommen. Eine Resolution Graf v. Hompesch<Z.). für di- Verarbeitung giftiger und explosiver Stoffe Verordnungen auf Grunl der Gewerbeordnung zu veranlassen, wird einstimmig, eine zweite Resolution desselben Abgeordneten auf Beschränkung de? Arbeitszeit und der Sonntagsarbeit in de? Glashütten gegen die Stimmen der Rechten und eines Teiles der Nationalliberalen angenommen. Es folgt eine Resolution A l b r e ch t u. Gen.(Soz.) auf Erlaß von Schutzvorrichtungen für die Arbeiter an Glas- und Feuerungsöfen; sie wird einstimmig angenommen. Eine zweite sozialdemokratische Resolution zu dem gleichen Gegen- tand, durch welche die Einführung des Achtstunden- tages für diese Arbeiter gefordert wird, wird gegen die Stiinmen der Sozialdemokraten, des Zentrums, der Polen sowie einiger Freifinniger und Antisemiten abgelehnt. Eine Resolution Nacken u. Gen.(Z.) auf Einschränkung der Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsarbeit und Verschärfung der Sonntagsruhe wird im ersten Teil einstimmig, im zweiten Teil gegen eine Minderheit der Rechten an- genommen. Eine Resolution Bassermann(natl.) auf gesetzliche Regelung der Arbeitszeit und der Sonntagsruhe der Gehülfen, Lehrlinge und Arbeiter in Kontoren wird mit großer Mehrheit gegen die Stimmen eines Teils der Freisinnigen Voikspartei angenommen. Ein Antrag Schock u. Gen.(Wirtsch. Vg.), der Vorarbeiten für eine allgemeine Neuregelung der Sonntagsruhe, be- sonders im Handelsgewerbe, fordert, wird einstimmig an- genommen. Eine Resolution Bassermann zugunsten der Sonntags- ruhe im Binnenschiffahrtssse werbe findet auch die Mehrheit; dagegen stimmt nur ein Teil der Rechten.