BccndiFung der Revolte mobnt. Die Regierung werde, wie ersagt, die Maßnahmen einstellen, die von einem ungerechten Miß-trauen eingegeben seien.Paris, 23. Juni. Im heutigen Ministerrat erklärteMinisterpräsident Clemenccau, daß der vergangene Abend und dieNacht im Süden ohne Zwischenfall verlaufen sei. Ein an den Kriegs-minister Piquart gerichtetes Telegramm des Generals Baillondmeldet, daß eine Rotte, die den Eindruck von Apachen machte, in dieKaserne von A g d e eindrang und zahlreiche Soldaten terrorisierte.Es bedurfte einer förmlichen Attacke der wieder Soldaten ge-wordenen Meuterer, um die Reihen dieser Apachenbande zu durch-brechen, von denen nach der Aussage des Unterpräfekten eine größereAnzahl nicht aus der dortigen Gegend seien. KriegsministerPiquart teilte mit, daß die Meuterer vom 17. Regiment heute frühwieder vollzählig in der Kaserne eingetroffen seien.Paris, 22. Juni. In ihrer heutigen Sitzung genehmigtedie Deputiertenkammer, um eine sofortige Linderung der Wein-baukrisis in Südfrankreich zu ermöglichen, sämtliche bereitsangenommenen Artikel des Gesetzentwurfs zur Unterdrückung derWeinfälschungen fast einstimmig im ganzen, unter Ausscheidungderjenigen Artikel, über die noch beraten werden muß.Paris, 22. Juni.(W. T. B.) Beim 17. Infanterieregiment inAdge fehlt nur noch ein Mann. Die Mannschaften machen ihrenordnungsmäßigen Dienst, alle haben die der Kammer entnommenenPatronen zurückgegeben. Angeblich fehlt eine große MengePatronen, doch scheint es sicher zu sein, daß die Soldaten keine aufdie Seite gebracht haben. Die Mannschaften scheinen ihr leicht-sinniges Unternehmen zu bereuen. In Narbonne waren heute dieLäden geöffnet. In Montpellier hat sich heute kein Zwischenfallereignet. Eine Bekanntmachung des Verteidigungskomitees derWeinbauern fordert die Bevölkerung zur Ruhe auf.Paris, 22. Juni.(W. T. B.) Da der Präsident der Depu-tiertenkammer, Brisson, es abgelehnt hat, einen Antrag der ge-einigten Sozialisten, der dahin geht, die provisorische Haftentlassungder Mitglieder des Komitees von Argelliers, sowie von Ferroul zuerwirken, der Kammer zu unterbreiten, so werden die Antrag-stellcr am Dienstag diese Angelegenheit in der Kammer zur Sprachebringen._Die Polizeipraxis von IRecklingljaufen.Der Herr Erste Staatsanwalt Retitke ist mit der Ferienstraf-kammer zu Bochum nicht zufrieden. Das kann man ihm nach-fühlen. Als öffentlicher Ankläger muß er darauf halten, daß ihmdas Anklagemonopol gebührt und daß nicht die Sozialdemokratie indas Recht der Staatsanwaltschaft eingreift. Was leider zu Bochumunter Duldung der Ferienstrafkammer geschehen ist. Das Unheil istdenn auch nicht ausgeblieben. DieRecklinghauser Polizei hat schmerzendeBeulen davongetragen, die Autorität der Bureaukratie, der der HerrErste Staatsanwalt ja auch angehört, ist bloßgestellt, mehrerebeamtete Ordnungsstützen sind in allerlei peinlichste Situationengekommen und die Sozialdemokratie hat neue Beispiele, an denensie den engen Zusammenhang von Behörden und Unternehmertumdrastisch aufzeigen kann. Das alles hätte nicht passieren können,wenn nicht die Ferienstrafkammcr dem Bergmann Rüßler erlaubthätte, der Staatsanwaltschaft ins Handwerk zu pfuschen. Denn diehätte natürlich nimmer eine Anklage gegen die RecklinghauserPolizei erhoben, weil den Polizeibeamten immer der gute Glaubeund eine fröhliche Unwiffenheit über den Inhalt der Gesetze zuzubilligenist und weil auch bei der überwältigendsten Fülle von Einzelfällendoch niemals ein System anzunehmen ist.Es ist kein System, was zu Recklinghausen aufgedeckt ist,so sagt Herr Retitke und darin ist die BochumerFerienstrafkammer mit ihm cmig.|„Wohl haben", so meint dieUrteilsbegründung,„einzelne Polizeiorgane über die Stränge ge-schlagen und haben besonders- den Wirten und den Oesterreichcrngegenüber nicht so verfahren, wie es sein mußte, aber diese Ver-fehlungen sind, wenn sie zur Kenntnis der oberen Behörde kamen,nicht gebilligt worden." Uns fällt beim Lesen dieses Satzes eineStelle aus dem ausführlichen Bericht des„Bochumer Volksblatts"ein, nämlich die folgende:Erster Bürgermeister Heuser, der alles aus den Akten feststellt,stellt nun auch aus seinen Akten fest, daß Lützelburg Sozial-demokrat ist. Er hält es für selbstverständlich, wenn Leute sichöffentlich sozialdemokratisch betätigen, dies aus der Arbeitsstellemitzuteilen. Was die Verwaltung dann mU den Leute» mache,darum kümmere sich die Polizeibehörde nicht mehr.Heine: Gibt es bei Ihnen cme Verfügung, die eSden Unter»beamicn zur Pflicht macht, alle Sozialdemokraten auf den Werkenzu denunzieren?Zeuge: Eine solche Verfügung besteht nicht.Heine: Eine Verfügung, die das verbietet, gibt eS aber auchnicht?Zeuge: Nein.Heine: Wenn Sie davon Kenntnis erhalten, daß ein Unter-beamter einen Brief an die Grubenverwaltung schreibt, auf Grunddessen ein braver Familienvater entlassen wird, würden Sie dasrügen?Der Zeuge schweigt.(Bewegung.)Heine: Der Zeuge Lützelburg hat am 22. Juli vorigen Jahreseine Beschwerde au Sie gerichtet, daß er auf Grund einer Anzeigeseitens der Polizei aus der Arbeit entlasten worden sei. Daraufhaben Sie unterm 1. August geantwortet, Sie hätten festgestellt,daß die Entlassung nicht aus Einwirke» eines Polizeideamle» er-folgt sei.(Sensation.)DaS sieht wahrhastig nicht danach aus, daß„diese Verfehlungen,wenn sie zur Kenntnis der Behörden kamen, nicht gebilligt wordensind"!Und daß diese Denunzienmg von Arbeitern an die Unternehmerwegen sozialdemokratischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu freienGewerkschaften eine„Verfehlung" ist, das hat ja im allgemeinenselbst der Erste Staatsanwalt anerkennen müssen.Aber dennoch ist kein System erwiesen, sind die oberenBehörden frei von allem Fehl. Und also bleibts bei der Verurteilungdes Angeklagten Rüßler wegen Beleidigung des PolizeikommiffarsJohnen.Der Herr Kommissar hat seine Sühne. Die Bochumer Ferien-strafkammer hat fie ihm bestätigt. Aber wir werden nicht fehlgehen,wenn wir annehmen, daß Herr Kommissar Johnen noch viel weniger mitder Bochnmer Ferienstrafkammer zufrieden ist, als der Erste Staats-anwalt. Und seine Kameraden von der Recklinghausener Polizei-Verwaltung und seine Oberen und seine Untergebenen werdennicht anders denken.Nach ihrer eigenen Versicherung haben sie sich freilich nichtssorzuwerfen. Sie haben sich stets streng an das Gesetz gehaltenund daß ihre Ansicht und ihr guter Glaube des öfteren von derGesetzesauslegung der böchsten Gerichte des Reiches und Preußenserheblich abwichen, das war eben das besondere Pech der Reckling-hauser Sozialdemokraten und Gewerkschaftler. Wenn tzie Reckling-hauser Polizei Versammlung auf Versammlung der freien Gewer!-schaften auflöste, so geschah es stets aus irgend einem gesetzlichenGrunde, der sich so regelmäßig und so sicher einstellte wie derSonnenaufgang nach dem Morgenrot. Und wenn es die Eni-deckung gewesen wäre, daß ein seit Jahren in den oberen Stock-werken bewohnte? Haus unten baufällig ist!Genosse Rechtsanwalt Heine hat in seinem Plaidoyer erklärt,er habe es noch nie in einem solchen Maße erlebt, daß ganzeKategorien von Zeugen an einer geradezu frappierenden Gedächtnis-schwäche litten. Wir möchten hinzufügen, daß selten in einemProzeß an die mcnicbliche Zähigkeit, UnSährscheinlichkeiten suglauben, so große Anforderungen gestellt worden sind, wie in diesem �Prozeß Rüßler. Wenn zu all dem, was von polizeilicherSaalabtreibung in diesem Prozeß erwiesen ist, wir nochglauben sollen, der Ring der Wirte zur Verweigerung ihrer Sälean die freien Gewerkschaften habe sich, obgleich ein Polizcikommissardie Liste durch einen Polizisten herumtragen ließ, nicht auf An-regung der Polizisten gebildet, so heißt das wirklich etwas viel ver-langen. Und wenn selbst der Erste Bürgermeister sich in diesemFalle zu einer Mißbilligung der Tätigkeit des Kommissars auf-schwingt. Der Kommissar könnte sich mit Recht damit verteidigen,daß eine solche Ringbildung unter polizeilichem Protektorat durch-aus in das System der polizeilichen Saalabtreibung hineinpaßt.Aber freilich— ein System gibt es ja nicht.Gerichtliche Feststellungen sind ein eigen Ding. Sie steheneisenfest. Selbst das höchste Gericht kann sie nicht erschüttern.Aber wenn wir die schier endlose Reihe polizeilicher Saal-abtrcibungen. polizeilicher Denunziationen von unbequem ge-sinnten Arbeitern bei den Unternehmern, polizeilicher Agitationenfür die braven christlichen Gewerkschaften Revue passieren lassen,wenn wir all das fast Unglaubliche und Empörende, diese zahllosenBeispiele der Polizeihetze auf Sozialdemokraten und Gewerkschaftler,die da einzelne auf meilenweite Entfernungen bis zur völligenExistenzvernichtung verfolgt, noch einmal überschauen, dann wissenwir, daß die Feststellung des Bochumer Gerichts, ein System seihier nicht bloßgelegt, vor einer Instanz doch nicht bestehenwird. Und diese Instanz ist höher als das Reichsgericht und dieseInstanz, das Rechtsempfinden des Volkes, wird sprechen: Hier wardein schändliches System enthüllt? Hier ward angenagelt der Miß-brauch der Amtsgewalt zu parteipolitischen Zwecken! Und dasRechtsempfinden des Volkes wird Sühne heischen. Und wird sienicht erhalten. Denn die Beamten handeln stets in gutemGlauben!politische ücberfichtBerlin, den 22. Juni 1907., Ultramontane«Jugendfürsorge".Der Katholikentag in Essen hat einen Beschluß gefaßt, derallenthalben die Gründung von Vereinen katholischerJugendfreunde empfiehlt, deren Zweck sein soll,„innerhalbdes katholischen Deutschland Interesse für das neue soziale Problemder Jugendfürsorge zu erwecken". Solche Vereine haben sich unterdesin einer ganzen Anzahl von Städten gebildet, so in Köln, Krefeld,Elberfeld. Hamborn; in Bildung begriffen sind Vereine in Berlin,Essen und Honnef. Die' Bereine sind zu einem Verband zusammen-getreten, dem außerdem noch 110 Einzelmitgliedcr angehören. In Kölntagte jüngst der Verbandsausschuß, der als weitere Ziele der Vereinekatholischer Jugcndvereine bestimmte 1. eine umfassende Ausklärungin Sachen derJugendfürsorge für alle Stände und Volksschichten, 2. eineentschiedene Stellungnahme zu den modernen Erziehungs- undBildungsfragen. Der Verband gibt ein eigenes Organ heraus, daszunächst in zwanglosee Reihenfolge erscheint; auch hat er bereitseine Anzahl Flugblätter für die schulentlassene Jugend verbreitet.Der Eifer der Klerikalen um die Jugend ist zurückzuführen ansdie von sozialdemokratischer Seite unternommenen Bestrebungen zurSammlung und Aufklärung der Jugend. Die christlichen GeWerk-schaften, die klerikalen Jugendvereine, die ultramontanen Dienstboten-organisationen— alles das ist ins Werk gesetzt, um der sozialistischenund klassenbewußten Arbeiterbewegung zur höheren Ehre desZentrums entgegenzuwirken. Jetzt richtet man in klerikalem Lagerdas Auge auch auf die A r b e i t e r- T u r n v e r e i n e. DerMünchener„Arbeiter", daS Blatt der katholische» ArbeitervereineSüddeutschlands, weist hin auf die Erfolge und Bestrebungen desArbeiter-Turnerbundes und meint dann:„An uns liegt K deshalb nicht zuletzt, der Ausbreitungderartiger Turnvereine hemmend in den Weg zutreten. Solches darf aber nicht nur dadürch geschehen, daß wirgegen diese sozialistischen Turn-, Sing« und Radfahrervereine usw.mir Worten ankämpfen, wir müssen vielmehr dazu übergehen, inunseren Vereinen der Körperpflege das größtmöglichsteAugenmerk zu schenken und besonders der Jugend Ge-legenheit zum Turnen zu geben. Soll ein gut Teilder Arbeiterschaft und der kommenden Generation nicht durch das„sozialistische Sportwesen" mit falschen Ideen vollgestopft werden,so müssen wir auf unserer Seite Opfer an Zeit und Geld für dieseSache bringen."Wenn wir demnächst von der Gründung ultramontaner Arbeiter-turnbereine hören, so wissen wir, daß auch hier wieder die Sozial-demokratie als die Anregerin anzusehen ist.—Modernes Heidentum.Die„Germania" entrüstet sich darüber, daß im DeutschenReich eine stetig wachsende Anzahl von Personen der Kirche denRücken kehrt und aus chre sogenannten„Gnadenmittel" verzichtet.„Nach einer Statistik," schreibt das Blatt,„wurden im Jahre1004 in Berlin von 47 200 Kindern, die geboren wurden, 0800nicht getauft; von 20 730 unter Christen geschlossenen Ehenwurden 7388 nicht kirchlich eingesegnet, und von 32 000 Gcstor-denen wurden 17 000(also über die Hälfte) nicht kirchlich beerdigt.Das sind furchtbare Zahlen, die den Weg ins Heidentum mit er-schreckender Deutlichkeit zeigen.„So wächst mitten in derChristenheit ein heidnisches Geschlecht' heran," schreibt dazu mitRecht eine protestantische Kirchcnzeitung. Was wird man voneinem solchen Geschlecht nach zwei oder drei Generationen zuerwarten haben?"Sicherlich keine Verehrer des heiligen Rocks von Trier oderanderer ähnlicher Reliquen!_Der Kommunalfreisinn und das städtische Wahlrecht.Eine der wenigen Stadtgemeinden Schleswig-Holsteins. die denkommunalen Wahlzensus noch nicht eingeführt hatte, war die Eider-stadt Tönning an der Westküste der Provinz, Sitz einer Schiffs-werft mit mehreren hundert Arbeitern. Wer 660 M. Einkommenversteuerte, besaß bis jetzt das Bürgerrecht und durfte an denkommunalen Wahlen teilnehmen. Da trat zum ersten Male imHerbst vorigen Jahres die Arbeiterschaft in eine energische Agitationfür selbständige Beteiligung an den Stadtverordnetenwahlen ein,und es gelang ihr auf den ersten Schlag, zwei Mandate zu erringen.Des honetten Bürgertums der Stadt, die zum freisinnig vertretenen4. schleswig-holsteinischen Reichstagswahlkreise gehört, bemächtigtesich eine förmliche Panik, obwohl der sozialdemokratische Wahlsieg zurHauptsache der Faulheit und Interesselosigkeit der Spießer zuzuschreibenwar. Schon sah man im Geiste über dem Rathause die blutrote Fahneder Revolution wehen. Dieser Gefahr begegnete man in echt frei-sinniger Weise. Zunächst wurde, bor einiger Zeit, die sogenannteGroße Städteordnung eingeführt, angeblich auS technischen Verwaltungsrücksichten. tatsächlich aber, weil die„Große" die Erhöhungdes Wahlzensus bis zu 1500 M. zuläßt. Daß diese„Rangerhöhung",wie die Arbeiter gleich argwöhnten und deshalb auch ihre Berrrelerauf dem Rathause entschieden dagegen gewesen, wirklich keinenanderen Zweck hatte, geht auS der soeben veröffentlichten Tages-ordnung zu der städtischen Sitzung, die am Montag stattfindet,hervor. In dieser Sitzung soll ein Ortsstatut beraten werden, dasdie Erhöhung des Zensus einführt und zwar gleich biszum höchsten Satze von 1500 Mark, der sonst in.derProvinz nur in Wandsbeck Geltung hat.Damit ist natürlich die Arbeiterschaft ein für allemal von derVertretung im Stadtparlament ansgeschloffen. und wenn da? Ding,wie es meist bei solchen schleswig-holsteinischen Wahlrechts-eskamotierungen üblich, rückwirkende Kraft erhält, verliert sie sofortihre beiden Mandate.Tönning ist eine„Hochburg" des Marschenfteisinns, und demFreisinn im 4. schleSlvig-holsteinischcn Kreise wurde bei den letztenWahlen allein durch sozialdemokratische Hülfe das Mandat gerettet.Nun erhalten die Arbeiter die echtfreisinuige Quittung für ihreDienste.—_Die Volksschule in Württemberg.Die württembergische Kammer der Abgeordneten hat heute einenAntrag des Bauernbnndes betreffend statistische Erhebungen überdie Höhe der Mittel, die erforderlich sein würden, um die Person-lichen Ausgaben der Gemeinden für Volksschulen auf den Staat zuübernehmen, mit 54 gegen 23 Stimmen sowie einen sozialdemokratischen Antrag, die Regierung zu ersuchen, die Uebernahme derVolksschullasten auf den Staat in Erwägung zu ziehen, mit 55 gegen23 Stimmen des Zentrums angenommen. Die Regierung hatte st»gegen beide Anträge erklärt._Puckler brummt.Der Erste Staatsanwalt am Landgericht Berlin l hat der„Vossischen Zeitung" folgende Berichtigung zugesandt:„Graf Pückler-Klcin-Tschirno verbüßt die im Oktober 1006 undMärz 1007 gegen ihn erkannten Strafen von insgesamt vierMonaten Gefängnis seit dem 25. Februar 1007 ohne Unterbrechung;ivicderholt von ihm eingereichte Urlaubsgesuche sind abgelehntworden."Die„Vossische Zeitung' fühlt sich sehr erleichtert, sie hat selteneiner Berichtigung mit so aufrichtiger Befriedigung Raum gegeben.Wir können ihr indes versichern, daß der Sozialdemokratie nochimmer genug AgitationSstoff bleibt.—ErbschaftSstcuerstatistik. Der Bundesrat hat den Bestim-mnngen über die Erbschaftssteuerstatistik seine Zustimmung erteilt,Die Erbschaftsstcucrämter haben danach, wie die Münchens r„Allg.Ztg." mitteilt, über den bei ihnen nach dem Gesetze vom ll. Junizur amtlichen Behandlung kommenden Erwerb von Todes wegenund durch Schenkung unter Lebenden und über die von diesemErwerb entrichtete Erbschaftssteuer je für den Zeitraum einesRechnungsjahres statistische Anschreibungcn zu führen. Diese An-schrcibungen sollen dienen dem statistischen Nachweis über:a) die Verteilung des der Erbschaftssteuer unterliegendenGesamtvermögenscrwerbcs von Todes wegen und durchSchenkung unter Lebenden und der davon entrichteten Erbschafts-steuer auf die einzelnen Gruppen der Erwerber, unterschiedennach der Höhe des Einzclerwerbes; b) die Verteilung des vonder Erbschaftssteuer befreiten Erwerbes von Todes wegen, unter-schieden nach den einzelnen Befreiungsgründen; c) die für denErwerb von Todes wegen und durch Schenkung unter Lebendeneingetretenen Befreiungen und Ermäßigungen zugunsten land-und forstwirtschaftlicher Grundstücke; d) die Verteilung desGesamtwcrtbetragcs des steuerpflichtigen Nachlasses und dersteuerpflichtigen Schenkungen auf unbewegliches und beweglichesVermögen und die darauf ruhenden Verbindlichleiten und e) denUmfang der Stundung der Erbschaftssteuer.--england.Em interessanter Wahlkampf.London, 20. Juni.(Eig. Ber.)In der Grafschaft Durham spielt sich augenblicklich einer det!interessantesten Wahlkämpfe ab, die England je erlebt hat. InJarrow starb bor einigen Wochen das liberale Parlamentsmit-glied der Stadt Sir C. M. Polmer, wodurch eine Nachwahl nötigwurde. Man feiert Sir Palmer als den„Gründer" der StadtJarrow. Zur Zeit als Sir Palmcr das erste Eisenwerk gründete,war Jarrow ein kleines Bergarbeiterdorf. Heute ist es eineFabrikstadt von 40 000 Einwohnern. Mr. Palmer. zu Newcastleon Tyne im Jahre 1822 geboren, war der Sohn eines Schiffbau-Unternehmers. 1850 gründete er in Jarrow die erste Schiffs-werft. Heute besitzt die Familie Palmcr daselbst große Schiffs-werften und Eisenwerke. Im Jahre 1875 wurde Palmer ersterBürgermeister von Jarrow, und 1886 wählte die Stadt ihn insParlament, welche Stellung er bis zu seinem Tode bekleidete.Von der Königin Viktoria erhielt er 1886 den„Sir"-Titel.Bis zu den allgemeinen Wahlen 1906 wurde Sir Palmerohne Opposition ins Parlament gewählt. Im letzten Wahlkampsstand ihm der Sozialist und Gewerkschaftsführer Pete Currangegenüber und das Stimmenergebnis war folgendes: Palmererhielt 8047, Pete Curran 5093 Stimmen.—Im jetzigen Wahlkampfe stehen sich nicht weniger als vierKandidaten gegenüber, und zwar ein Liberaler, ein Konservativer,ein Bcrtretcr der Arbeiterpartei(Pete Curran) und ein irischernationalistischer„Arbeiterkandidat". Letztere Kandidatur verleihtdem Wahlkampfe ein ganz besonderes Interesse. Man berechnetnämlich die Zahl der irischen Wähler auf drei bis viertausend,und man hat angenommen, daß die große Mehrzahl der Jrländerbei der letzten Wahl ihre Stimme dem Arbeiterkandidaten gab,zumal da Pete Curran selbst Jrländer ist und stets mit ganzemHerzen für ein„selbständiges Irland" eintrat.Der Frontwechsel der Jrländer erklärt sich nun auS derSituation, die durch die Fehlgeburt der Jrish-Council-Bill ge-schaffen wurde. Vergangene Woche kam die parlamentarischeFraktion der Iren zu einer Besprechung über die hierdurch ge-schaffene Lage zusammen, und das Resultat war ein Manifest,welches alle irischen Wähler Englands(d. h. solche, die außerhalbIrlands leben) auffordert, in Zukunft ihre Stimmen nur annationalistische Kandidaten zu geben; denn das Schicksalder„Jrish-Council-Bill" habe bewiesen, daß die vollständige Selbst-Verwaltung nur dann erreicht werden könne, wenn die Jrländerwie früher den Kampf für dieses Recht mit aller Kraft undunabhängig von allen englischen Parteien führten!— Nunist Jarrow der erste Versuch nach dieser Richtung und mit großerSpannung erwartet man das Resultat dieses WahlkampfcS.Gerade innerhalb der Arbeiterpartei hat das Vorgehen derJrländer in Jarrow große Erregung erzeugt. Die Arbeiterklassehat den Kampf der Jrländer stets mit dem größten Interesseund der größten Sympathie verfolgt. Als man sich an die Grün-dung einer einheitlichen parlamentarischen Arbeiterpartei heran-machte, diente die„irische Taktik" als Vorbild. Warum also derArbeiterpartei und noch dazu einem irischen Sozialisten undHomeruler den Fehdehandschuh hinwerfen?.— Es steht fest, daßder irische Nationalismus im irischen Volke Charaktereigenschaftenund Ideen erzengt hat. die jeder großzügigen Politikhindernd im Wege stehen. Bis jetzt hat der Sozialismus in Jr-land nur sehr wenig Fortschritte gemacht. Die große Masse de?Volkes steht vollständig im Banne der irischen parlamentarischenPartei, die aber ausschließlich von tapitalistisch-junkerlichen In-teressen geleitet wird. Durch nichts ist dies klarer zum Bewußt-sein gebracht als durch das Vorgehen in Jarrow, das aber schließ-lich, so sehr es auch zu bedauern ist, der organisierten Arbeiter-klaffe doch durch die weitere Klärung der allgemeinen.Situationzum Nutzen gereichen wird.SemrKIcbaftlicbes.Ordnungsstiitzeu.Wenn ein organisierter Arbeiter in der Notwehr gegen Arbeits-willige nur mal ein böses Wort ausspricht, gleich ist die Staats-anwaltschaft bei der Hand— die Ordnung zu schützen. Und diehüraerftche Presse wettert über Tex.rsr.isKW und. über. Roheit der