lotlmung ernstlich zu verbessern bestrebt töar, hat seitdem imAbgeordnetenhause keinen Finger zur Beseitigung der der-alteten Städteordnungen gerührt. Ja, es hat sogar allenVersuchen, von außen her mittels Petittonen von Ktadtver-waltungen das Parlament zu Reformen zu drängen, denentschiedensten Widerstand geleistet. Aus leicht erklärlichenGründen. Die heutigen Städteordnungen, bor allem diefür die östlichen Provinzen, sichern der Bourgeoisie auf alleFalle die Mehrheit in den Stadtparlamenten, und genauso wie die Junker des preußischen Landtages sich aus Furcht,ihre Herrschaft einzubüßen, dem Ersatz des Dreiklassenwahl-systems durch das allgemeine, gleich?, direkte und gebeimeWahlrecht widersetzten, genau so wlll die liberale Bour-geoisie aus Furcht, ihre maßgebende Stellung in den Ge-meindeverwaltungen zu verlieren, nichts von einer Beseiti-gung der alten Bestimmungen der Städteordnungen wissen.Beide, Junkertum und liberale Bourgeoisie, lassen sich imGrunde genommen von den gleichen Motiven leiten.So bietet uns die Geschichte der Städteordnungep nichtuur ein Bild der preußischen Reaktion, sondern zugleich auchein Bild des Zerfalles des Bürcrertums. Wir pflichten Preußbarin bei, wenn er bei seinem Ruckblick auf die Verhandlungenvon 1876 zu dem Resultat kommt, daß der tiefe geistige Ver-fall, die ungeheuerliche Verödung unseres öffentlichen Lebenswährend dieses Menschenalters hier beißend grell in dieAugen springt. Wenn aber Preuß weiter meint, daß das.feit 1875 verflossene Menschenalter sich zur Wiederaufnahmeder Reform der Städteordnung unfähig gezeigt hat und daßinzwischen sogar das Verstänonis für die Wichtigkeit undDringlichkeit jener Probleme fast völlig verloren gegangenzu sein scheint, so möchten wir demgegenüber betonen, daßeS an Fähigkeit und an Verständnis für die Wichtigkeit derAufgaben auch der heutigen Generation nicht fehlt. Woranes aber fehlt, das ist der entschlossene Wille, die u n-berechtigten und durch nichts begründetenPrivilegien dem Wohl der Gesamtheit zuopfern.Der Prozeß lijaywood.New Jork, den 17. Juni 1907. lNg. 0er.)Schon die ersten Verhandlungstage des Prozesses gegen denGenossen William Haywood, den Sekretär der Western Federationof Miners(Bergarbeiter-Berband des Westens), der der Anstiftungzur Ermordung des Ex-Gouverneurs Steunenberg von Idaho an-geklagt ist, haben das Interesse der sonst so gleichgültigen amerika-nischen Arbeiter in hohem Grade erweckt. Es wird ihnen klar, daßin Boise(Idaho), wo die Verhandlungen vor sich gehen, nicht nurdie Geschicke des Angeklagten Haywood auf dem Spiele stehen,sondern daß es sich um«inen teuflischen Anschlag gegen die Arbeiter-bewegung überhaupt handelt.Unter den bisher vernommenen Zeugen(in die eigentlicheBeweisaufnahme wurde am 4. Juni eingetreten) befindet sich derHauptzeuge der Anklage, Harry Orchard, der das Verbrechen,wegen dessen Anstiftung Haywood beschuldigt wird, aus-geführt hat. Acht volle Tage war Orchard auf dem Zeugen-stand, das Kreuzverhör, dem er seitens der Verteidiger Haywoodsunterworfen wurde, nahm allein über sechs volle Tage in Anspru!Kurz nach dem am 30. Dezember 1905 in Caldwell, llolorado. verübtenAttentat auf Steunenberg war Orchard verhaftet worden. WenigeWochen später legte er sein bekanntes„Geständnis" ab, aus Grunddessen Haywood sowie die beiden Genossen Charles Moyer undJohn Pettibone, die gleichfalls in der Western Federation os Minerseine Führerrolle spielen, verhaftet und bei Nacht und Nebel undentgegen dem ihnen durch die Verfassung gewährleisteten Rechte vomStaate Colorado nach dem Staate Idaho geschleppt und dort ein-gekerkert worden sind.Mit einer Gleichgültigkeit, als ob er am Biertisch rede, erzählteOrchard genau in der in seinen.Memoiren" niedergelegten Reihen-folge, wie viele Mordtaten er ausgeführt und wie viele er geplanthat. Orchard— sein tmsächlicher Name ist äisred Horsleh, undaußerdem führte er je nach Bedarf ein halbe- Dutzend andereNamen— ist jetzt 41 Jahre alt und in Kanada geboren.-EhrlicheArbeit hat er nie getan. Im März 1899 ließ er sich seine» Be-kundungcn zufolge in die Western Federation of Miners als Mit-glied aufnehmen. Schon einen Monat später hat ein Zweigvereinder Federation beschlossen, die Sullivan und Bunker Hill-Gruben inWardner in die Lust zu sprengen, und Orchard war einer von denen,Welche die Tat ausführten. Zwei Leute wurden habet getötet. Auchbei der Zerstörung der Binoicator-Grube, die wiederum zwei Menschenleben forderte, ist er behülflich gewesen. Ferner hat er seinen eigenen An-gaben zufolge die Eisenbahnstation in Jndepcdence, Colorado, in die Lustgesprengt, wobei vierzehn Menschen den Tod fanden. Den Gruben«betriebsleiter Frederick Lradley, der der leitende Geist der Gruben-pesitzerveremigung war und in San Francisco lebte, suchte e'-!»nächst zu vergiften, indem er Strychuin in die vor der Haustürtehende Milch fla! che tat; als er amit seinen Zweck nicht erreichte.legte er eine Bombe und tötete Bradley I Ferner hat er den SpitzelLyte Gregory umgebracht und zum Schluß den Exgouverr.ourSteunenberg von Idaho. Dazwischen plante er Attentate aus denfrüheren Gouverneur Poabody von Idaho, den Richter Gabbert(aus den Weg, den der Richter täglich nahm, legte er eine Börse, die. fallssie i't Richter ausgehoben hätte, eine Bombe zur Explosion bringenmußte; der Richter achtete aber nicht auf die Börse, und als sie eilta n o e r e r Passnut nahm, wurde dieser in Stücke gerissen), denRichter Goddard und den Generaladjutante» Shennan Bell. Zuden meisten dieser Taten will er von Haywood aufgestacheltworden sein.Soweit das Geständnis Orchards, das so sehr den Stempel derVerlogenheit trug, daß selbst die bürgerlichen Blätter mit wenigenAusnahmen es als durchaus unglaubwürdig zurückwiese», und zwarbevor noch die Verteidiger Haywoods den Kronzeugen einem Kreuz-verhör unterworfen, die Bekundungen Orchards erschüttert undihn in seiner ganzen Charakterlosigkeit entlarvt hatten. Als Resultatdieses Kreuzverhörs muß zur weiteren Beurteilung des Falles fest-gehalten werden: Orchard kann sich an keine Daten erinnern;auf alle Fragen danach gibt er ausweichende Antworte». Anderer-seits weiß er die Gespräche, die er mit Haywood ober mitPettibone oder Moyer geführt haben will und in oenendie Attentate besprochen wurden, wörtlich zu wiederholen IDes öfteren korrigierte er seine am vorhergegangenen Tage gemachtenAussagen. So hatte er von einem gewissen W. B. Easterly be«hauptet. er sei ihm beim Sprengen der Bindicator-Grube behülflichgewesen; am folgenden Tage erklärte Orchard, nicht Easterly.sondern ein gewisser Aickman oder Ackerman habe ihn begleitet. DieVerteidigung hatte nämlich Easterly zur Stelle geschafft.Orchard hat(ebenfalls im Kreuzverhör) zugestanden, daß er inKanada, wo er eine Käsesabrik betrieb, seinen Kunden Mindergewichtgab, daß er seine Fabrik in Brand steckte, daß er Frau und Kind inKanada ließ, sich nach Amerika wandte, sich hier zum zweiten Maleverheiratete und wieder die Frau im Stiche ließ. Weiler mußtetx zugeben, daß er, während er Attentate im Aus«trage der Western Federation of MinerS und im AuftrageHaywoods, Moyers und Pettibones ausgeführt haben will,im Solde der Eisenbahn gestanden und diese von den gegen sie an-gebltch geplanten Anschlägen in Kenntnis gesetzt hat l— Des fernerensteckte er in Jndependenee eine Wirtschaft m Brand, so daß der Be»fitzer die Versicherungssumme in Höhe von 600 Dollar erhebenkonnte i von diesem Betrage erhielt Orcha-d selbst 100 Dollar I Zahl-lose Bauern beschwindelte er um größere Beträge, indem er sie„gegenHagel versicherte"; die BerficherungSscheine, die er ihnen ausstellte,waren absolut wertlos, denn die„Berficherungsgesellschafi" war O.selbst usw. usw. Die Liste seiner Heldentaten, die er eingestanden hat,ließe sich ins Unermeßliche fortsetzen, zur Kennzeichnung dieses Zeugendürste aber das Vorstehende vollauf genügen. Nur einzelne Gesichts-punkte, die im Kreuzverhör festgestellt worden sind, seien noch an-geführt. So z. B., daß Orchard, während das Streikgebiet inKolorado in ein wahres Kriegslager umgewandelt war, ungehindertdurch die Postenketten passieren durste! Daß ihm für den Fall einesGeständnisses völlige Straflosigkeit zugesichert worden ist, gabOrchard zwar nicht direkt zu, er mußte aber bekennen, daß er bereits feine Pläne für den Fall feiner Freilassung entworfen hat.Bemerkenswert ist ferner die liebevolle Behandlung, deren sichOrchard nicht nur seitens der Gefängnisbehörden erfreut— er machtKutschenfahrten I—, sondern auch seitens des höchsten StaatsbeamtenIdahos, de» Gouverneurs Gooding, der mit dem neuerdings»fromm"gewordenen dutzendfachen Mörder auf dem Duzfuße steht.—Seitdem Orchard in Untersuchungshaft fitzt, erhält er die Be«suche eines Detekttvs namens Mc Pattland, der in Diensten derGrubenbesitzer steht und Orchard zum„Geständnis" veranlaßt hat.Mc Partland hat auch die»Memoiren" Orchards gelesen(vermutlichsogar selbst geschrieben, wie er ja auch das inzwischen alsFälschung erkannte Geständnis des ebenfalls in die Mord-Verschwörung verwickelten Steve Adams angefertigt hat), mit denendie Aussagen des Zeugen übereinstimmen. Jeden Morgen undjeden Nachmittag besuchen Detektiv Mc Pattland und der Staats-anwalt Hawley den Orchard in seiner Zelle, und Anwalt Richardson,der Verteidiger Haywoods, erklärte ganz offen, daß Orchardbei diesen Versuchen gedrillt wird, was er zu sagen hat oder welcheKorrekturen er an seinen tagS vorher gemachten Angaben vornehmensoll, um fich nicht in Widersprüche zu verwickeln.Die Verhandlungen werden fortgesetzt, es sind noch etwa 140 Be«lastungszeugen zu vernehmen.Die Polizei als ultramontaneSchutztruppe.Aus Recklinghausen wird uns geschrieben:Die Verhandlung über das Treiben der RecklinghauserPolizei hat überaus wertvolle Beiträge zur Allgewalt der Polizeiin Preußen und zur Rechtlosigkeit der Arbeiterklasse gegenüber be«hördlicher Willkür geliefert. Aber abgesehen von dieser allgemeinenBedeutung gewinnt der Prozeß ein besonderes Inte sie dadmch,daß seine Borgänge fich in einer Stadt mit gesprochenerZentrumsherrschaft zutrugen. Für die Po'»ei in Reckling-Hausen galt e» denn auch weniger den Staat zu r.t.en, denn der istdort ebenso wenig gefährdet wie anderswo, sondern das Bemühender Polizei galt der Ehre und Erhaltung der Zentrums-Herrschaft. Das beweist deutlich die Haltung der RecklinghauserPolizei zu den christlichen Gewerkschaften, diesen poUti-scheu Handlangern der Zentrumspartei. Es ist nachgewiesen, daß1. die Polizei christliche Gewerlvereinsversammlungen in einemLokale duldete, während fie eine Versammlung des alten Verbandesdort auflöste, weil das Lokal nicht den baupolizeilichen Bestimmungengenügte.2. die Polizei Ausweisungsverfügungen gegen fremde Arbeiterzurücknahm, wenn diese sich dazu verstanden, in den christlichen Ge-werlverein überzutreten,3. Polizeibeamte auf Arbeiter eingewirkt haben, auS dem altenVerbände auszutreten uird fich dem christliche» Gewerkvereine anzu-schließen.4. ein Polizeikommissar den christlichen Gewerkvcreinlern unter«sagt hat. in ihren Versammlungen Altverbändkern das Wort zuerteile».Und die Christenbrüder haben sich die Gunst der Recklingh-.us�rPolizei nicht nur gefallen lassen, sie find auch den behördlichen Rat-schlügen, Anweisungen und Drohungen willig gefolgt und habendadurch an der Mundtotmachung und Vergewaltigung der sozial«demokratischen und fceig-werks.chastlichen Arbeiterschust mitgewirkt.Herr Schiffer, der ZentrumSmann, ist mit Hülfe dieses System»,auf Krücken der Polizei also, als Vettrerer des Wahlkreises Borten«Recklinghausen tu den Keioptag eingezogen. Herr Schiffer, der dieGerichte in Bewegung setzt, went. ihm jemand nachsagt, daß er nichtregelmäßig zur Kirche gehe, hatte mitsamt scin-n in Recklinghauseuherrschenden Zentrumsbrüdern gegen das Treiben der Polizei nicht»einzuwenden. Bei der Reichstagswahl am 25. Januar fielen ihm35 000 Stimmen zu, die Sozialdemokratie brachte c° auf 11400.Nach dem Recklinghauser Prozeß weiß man, wie viel an diesem Er-gebuiS die Polizei mit ihr:»! gesetzwidrigen Vorgehen gegen die eineund ihrer Begünstigung der anderen Seite beteiligt ist.Und noch eins: Gegenwärtig stehen die gelben Gewerkschaftenund vaterländischen Arbeitervereine in dein bedenklichen Ruf, dieGunst aller.Gulgefinnten", aller Scharsmacher. Polizeibehörden undStaatsanwälte zu genießen. Die Christlich-m weisen jede Gemein.schaft mit der Gesellschaft dieser bevo-zugten Staatsstützen weit vonsich. Wir zweifeln aber nach den Begebenheiten im Wahlkreise desHerrn Schiffer, daß die Behörden den Gelben gewogener sein können,alZ es die Polizei in Recklinghauscn dem christlichen Gewerkvercinist. In dieser Beziehung müssen die Gelben vor den Schwarzen un-bedingt die Segel streichen.—Wenn es übrigens noch elnc-Z Beweise» für die Mitschulddes Zentrums an de» Gesetzwidrigkeiten der Reckling-häufet Polizei bedurfte, dann wäre er geliefert durch denUmstand, daß die ultramontane Presse sich in völligesSchweigen gegenüber den Ungeheuerlichkeiten im Reiche desZentrumsabge. ebneten Schiffer hüllr. Nichts von den skandalösenBegebenheiten polizeilicher Willkür, die der Prozeß in so reicherFülle aufgedeckt he.t, kein Wort der Lerutteilung über die Art, tpiedie Behörden in Recklinghapsen die Gleichheit aller Bürger vor demGesetz achten. Nur die»Westdeutsche Volkszeitung".Johannes Fusangels Blatt, findet in einem halben Hundert Zeilenden Mut, der Polizei einige derbe Worte zu sagen. Auf die Einzel-heften geht indes auch dieses Blatt nicht ein, eS greift einen vor-hältnismäßiz harmlosen Vorfall aus dem polizeilichen Treibenheraus und bemerkt dazu:„Die Polizei als Erzieherin zu politischerGesinnungstüchtigkeit— in dieser Rolle muß sie unterallen Umständen einen widerwärtigen Anblick ge-währen und es wäre wahrlich Zeit, daß fie fich endlich allent-halben über ihre fundamentalste Aufgabe, nämlich die Anstecht-erhaktung der Ordnung ohne Ansehen der Person, klar würde.In dem oben erivähnle» Prozeß hat leider der StaatoauwaltAusführungen gemacht, die einfach daraus hinauslaufen: Jawohl,die Polizei soll und ivird ihre Befugnisse benutzen, um die Sozial«demokraten schlechter als andere Siam-bürger zu behandeln, undfie— selbstverständlich im Rahmen der Gesetze— zu schikanieren,wo immer»s geht I Da haben wir den P o l i z e i st a a t inseiner schlimm st en Gestalt; man kann die der Polizeieingeräumte Machtstellung nicht schwerer diskreditieren, als indemman sie so auslegt. Und dann redet man noch mit hoher Eni-rüstung darüber, daß die bösen Sozialdemokraten die gute Staats-ordnung nicht anerkennen wollten!"FnSangel und sein Platt gelten se't der letzten Reich-tagZwahlin ZentrumSkceisen nicht mehr für voll. Es ist bezeichnend, daßdieser halb verfemte Mann über den Recklinghauser Polizeiskandalnoch ein Wort der Verurteilung findet, das auf politisches Rückgratschließen läßt, während die gesiniwngstüchtige Zentrumspresse' inallen Tonarten schweigt._poUti febe QebcrficbtBerlin, den 27. Juni 1907.Faule Gründe.Nachdem die Kommission für Arbeiterstatistik die elenden Ver«Hältnisse in Bäckereien bloßgelegt hatte, entschloß sich bekanntlichendlich am 4. März 1393 der Bundesrat aus Grund des§ 120 eder Gewerbeordnung eine Verordnung für die Bäckereibetnebe zuerlassen, durch die— abgesehen von den Ausnahmebestimmungenfür Festzeiten— die tägliche Arbeit, schicht der Echülfen ms12 Stunden festgesetzt und zugleich bestimmt wurde, daß dieAnzahl der Schichten für jeden Gehülfen in der Woche nichtmehr als sieben betragen dürfe. Die Verordnung war tujeder Richtung unzulänglich; dennoch stieß sie bei denBäckermeistern auf schärfste Opposition, die fich noch steigerte.als im Sommer 1900 die preußischen Ministeriell des Innern unddes Handels einen Verordmmgsentwr s'.fstellten, der zur Verhütung der häufigen Schweinereien in den BäckereibeiriebOn getvisjeMinimalanforderungen an die Einrichtung solcher Betriebe stellte.Seitdem hat es an Protesten gegen die Beschränkung»derFreiheit des Bäckerei betriebes" nicht gefehlt. Auch derdieser Tage in Aachen abgehaltene Verbandstag des ZweigverbandesRheinland des Zentralverbandes deutsibsr Bäckerinnungcn„Germania"hat sich wiedermal gegen die Bundesratsverordnung vom 4. März1896 ausgesprochen und gleichzeittg gegen die geplante neu»Bäckereiverordnung folgenden lächerlichen Protest gefaßt:»Der Berbandstag erhebt ganz entschieden Protest gegen denEntwurf der in Aussicht stehenden neuen Bäckereiverordnung, ganzbesonders aber gegen den 8 1, weil derselbe durch die in Aussichtgenommene rückwirkende Kraft ans die bereits bestehende Bäckerei-betriebe eine schwere Schädigung des Eigentumsbedeutet, wodurch acht Zehntel der Bückermeister, besonders inden Großstädten, nicht nur geschädigt, sondern zum größten Teilvollständig tu muri würden, weil in den meisten Häusern kein Raumvorhanden ish um zu ebener Erde eine Bäaerei anlegen zukönnen. Im weiteren würden die dann« och bestehenden Bäckereienso im Preise steigen, daß es wohl den Mietern und ganz be-sonders den nach Selbständigkeit strebenden Ge-seilen unmöglich sein dürfte,, die Mieten und Kostenaufzubringen. Soweit der Entwurf auf Reinlichkeit hinzielt, könntefich die Versammlung wohl damit einverstanden erkläre«; weildiese« auch bis jetzt in jeder ordnungsmäßig geleiteten Bäckereials selbstverständlich gilt, muß es aber als eine Schmachfür das ganze Bäckergewerbe betrachten, daßihnen dies noch in Gestalt einer Potizeiverordnung vorgeschriebenwerden soll. Die Versammlung spricht der königlichen Regierunggegenüber die Hoffnung aus, daß, falls die Verordnung erlassenwerden sollte, der§ 1 auf die bestehenden Bäckereibetriebe keineAnwendung finde. Sollte es trotzdem geschehen, so nlüsjen wiruns zur i-chützung unserer Existenz mW uusereS Eigentums olleRechte vorbehalten."Es ist in Anbettacht der wiederholt festgestellten llnfanberkeitenin vielen Bäckereibetrieben durchaus verständlich, daß die Herren vonpolizeilichen Reinlichkeitsvorschristen nicht? wissen wollen, wenn. eSauch nicht gerade taktisch klug genannt werden kann, daß sie offeneingestehen, die Sauberkeitsvorschriften seien nach ihren Begriffeneine größere Schmach als der Schmutz. Geradezu komisch wirst aberdie im Protest enthaltene zarte Rücksichtnahme auf die»nachSelbständigkeit st rebenden Gesellen*. In dem jetzigenBerliner Bäckerstteik wehren fich die Herren Bäckermeister krampfhastdagegen, dem Berlangen der Gehülfen nach etwas mehr Selbständig«keit, nach Abschaffung des heutigen WohnenS des Gesellen beimMeister, die geringsten Zugeständnisse zu machen; in dem Protestgeben sie fich dagegen als ängstlich besorgt, daß ihren GehkUsen erschwert werden könne, sich selbständig zu machen und Konlurrenz-betriebe zu eröffnen lWenn die Herren nach Gründen suchen, ihre egmsttschen Motivezu bemänteln, dann sollten sie wenigstens nicht Gründe wählen,deren Einfältigkeit fofott auch dem Dümmsten ausstößt.—Die„Post" und der Peters-Prozeh.Die bekannte Sumpfblüte der deutschen Presse, die von einelAnzahl Großindustrieller und Finanziers ausgehaltene KronSbemsche.Pyft" scheint anzunehmen, daß die Dreistigleit und Ab«leugnungStaktsk der Petert», Arendt und anderer gleich schönerSeelen im Münchener GenchiSsaal sicheren Erfolg verbürgt, denn sieleistet sich bereits>» ihrer heuttgen Abendausgabe einen langen. D er Reinigungsprozeß in München" übcrschriebenenArtikel, in welchem sie ihren.NattonalheroS" schonals den gerechtfertigten, unbefleckten Vertreter der höchstenmoralischen und ftaatsmännischen Qualitäten des Deutschtums feiert. Das Blatt zapft natürlich zuerst den»Vorwärts" an. uns zwar diesmal, weil er fich bisher nicht, gleichanderen Blättern, voreilig übe- den Münchener Prozeß geäußert hat.»Sonst pflegt er"(der..Vorwärts"), schreibt das ehrsame Organmit der ihm eigenen Verlogenheit,»seinen Berichten über derar-.geGerichtsverhandlungen triumphierende Leitartikel vorauszuschicken,diesmal ist er wie auf den Mund geschlagen. Er beschränktsich aus die Wiedergabe der Eerichisverhandlmigen. Gewiß. eS istlobenswert, wenn der„Vorwärts" erst das Urteil des Gerichtsabwarten will, aber sonst hat er eine solche Zurückhaltungnicht geübt."Danach sollte man annehmen, daß fich das Blatt mm selbstaller Beutteilung der Vorgänge int Münchener Gerichiosaal ent-halten würde; denn, wenn es als die Pflicht des. Vorwärts" an«sieht, erst nach den: Urteil seine Meinung zu äußern, dann müßtees für sich selbst ebenfalls diese Pflicht auerkennen. Doch das istkeineswegs der Fall. In dem instinktiven Gefühl seiner geistigenund moralischen Minderwertigkeit stellt eS an den.Vorwärts" einen weit höheren Maßstab als an sichselbst. Es fährt nämlich fott:»Noch schweben die Verhandlungen, noch ist das Utteil nichtgesprochen, und doch echebc» sich schon jetzt überall in der PresseStimmen, toe'ijt die glänzende Rechtfertigung desReichskommissars Dx. Peters ats feststehend an-sehen. Wenn wir uns auch in unserer Meinung»,äußerung die Rerjerve auserleaen, welche der Umstand,daß von einer res juäisaiu in diesem Augenblicke noch nichtdie Rede sein kann, bedingt, so hat der Verlauf deS Prozessesdoch bereits soviele merkwürdige Erscheinungen gezeitigt, daß einigeWorte darüber wohl angebracht find.Wir haben all den schweren Anklagen, die gegen den umunser Kolonialwesen so Hochverdieuten, von etnerMeiue