Mer diese kolossale Schröpfung der arbeitenden Klasse istnoch relativ geringfügig gegenüber der Ausbeutung derArbeiterklasse durch das Unternehmertum, das von ihm denenormen Tribut des Mehrwerts erhebt. Wir rechnen sehr b e-scheiden, wenn wir diesen Mehrwert bei einem Lohne von1000 M. auf 300 M. beziffern. Der Arbeiter hat also an Steuern.Liebesgaben und Mehrwert an Staat und Gesellschaft bei einemEinkommen von 1000 M. einen Tribut von rund 600 M. zu leisten!Und da wagt das offiziöse Organ, die Partei- und GewerlschaftZ-beitrüge ins Feld zu führen. Als ob nicht zu alledem auch diebürgerlichen Parteien Parteibeiträge erhöben l Undals ob nicht auch Hirsch-Dunckersche und christlicheGewerkschaften Anforderungen an ihre Mitglieder stellten lUnd als ob die Arbeiter nicht solche Beiträge zur Schaffung vonKampfeSorganisationen gegen die sie ungeheuerlich ausbeutendeKapitalistenklasse schaffen müßten ,um nicht wider st andsloswie Zitronen ausgepreßt und völlig unter dieFüße getreten zu werden!Hoffentlich erwirbt sich das amtliche Regierungsorgandas Verdienst, die nationalliberale Unternehmer-Weisheit auch fernerhin zu kolportieren. Es wird uns stetsein Vergnügen sein, eine hübsche Gegenrechnung auf-zunehmen!AeMiechen vor fliholaus demBlutigen?Cme kottsetvative Korrespondenz schreibt:„Reichskanzler Für st Bülow, der augenblicklichwegen einer Zahnoperation in Berlin weilt, wird vorläufig nochnicht nach Norderney zurückkehren. In eingeweihten Kreisenwird erzählt, daß der Fürst nicht allein wegen dieses Zahn-leidens nach Berlin gekommen war, sondern auch wegen Po-litischer Geschäfte. Es soll sich um Regelung derVorbereitungen handeln, die mit der Entrevuezwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren zu tunhaben, die bekanntlich in den ersten Augusttagen bei Danzigstattfinden soll. Der Draht zwischen Berlin und Petersburg istaugenblicklich stark in Tätigkeit. Der Kanzler soll an dieser Zu-sammenkunft teilnehmen und sodann erst nach Norderney zurück-kehren. Offiziös waren politische Motive für die Berliner Reisebestritten worden, doch gibt man diese in beschränkter Weise schonzu. Die Zusammenkunft bei Danzig soll hoch-politischer Natur sein. Nachdem das japanisch-russische Abkommen getroffen ist, ein englisch-russisches in Vorbereitung ist. wird auch die deutsche Diplo-matie gut tun, aus ihrem Sommerschlaf zu erwachen und m i tRußland eine Verständigung zu suchen, zumalenglischerseits alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, dies zuverhindern. Die englische Diplomatie arbeitet offensichtlich dahin,mit allen Mächten Ententen abzuschließen und Deutschland hier-bei zu übergehen. Es wäre also dringend an der Zeit, daß diedeutsche Fliege endlich das Netz zerreißt, das die englische Spinneum sie spinnt, ehe es zu spät ist. Es gehört viel Takt dazu, dieMaßnahmen der deutschen Diplomatie jetzt gutzuheißen, nochmehr, eine Lammesgeduld gehört dazu. In deutschen Kreisenverspricht man sich auch von der Wilhelmshöher Zu-sammenkunft mit König Eduard recht viel.Warten wir ab, auch im vorigen Jahre war König Eduard rechtliebenswürdig zu seinem Neffen, seine Einkreisungs-Politik Deutschland gegenüber hat er deshalb doch fortgesetzt.Bekanntlich hat Deutschland selbst seine Isolierung ver-fchtildet. Namentlich hat das Marokko-Äbenteuerdazu beigetragen, Frankreich und England einander in dieArme zu treiben und allerhand Extratouren Italiens zuprovozieren. Um diese selbstverschuldete Isolierung wiedergut zu machen, scheint nun Fürst Bülow einen um so engerenAnschluß an Rußland zu suchen, das sich freilich inzwischenbereits mit der englischen Regierung liiert hat. Derenglische Radikalismus allerdings sowie die eng-lischen Soziali st en haben sich mit Entrüstung gegendie englisch-russische Alliance gewendet, deren erstes praktischesErgebnis eine neue russische Anleihe in Eng-l a n d sein dürfte. Deutschland wird hinter diesen englischenLiebesdiensten natürlich nicht zurückbleiben wollen, und dasResultat dieser diplomatischen Intrigen und Gegenintrigenwird eine neue Stärkung des verruchtenZarismus durch das Geld der englischen und deutschenKapitalisten sein! Unseren Reaktionären freilich wirddies Ergebnis der weltpolitischen Ränkepolitsk unserer Herr-schenden Klassen äußerst willkommen feintver Ißaywood-iFrozel}.New York, 19. Juli.(«ig. Set.)War die Glaubwürdigkeit Harry Orchards, des Hauptbelastungs«zeugen in dem Prozeß gegen den Genossen und GewerkschaftsführerWilliam Haywood, der bekanntlich der Anstiftung zur Ermordungdes Ex-Gouverneurs Steuncnberg von Idaho angeklagt ist(währendOrchard die Tat ausgeführt hat), schon während des Kreuzverhörsdurch Orchard selbst erschüttert worden, so ward das mit so vielRaffinement gesponnene Lügengewebe dieses Staatszeugen und seinerHintermänner im Laufe der weiteren Verhandlung durch unbeteiligteeinwandfteie und durchaus glaubwürdige Zeugen vollständigzerrissen. Von dem Haywood und die anderen Beamten derWestern Federation of MinerS(Bergarbeiterverband des Westen»)belastenden.Geständnis" des Massenmörders blieb alsolutnichts übrig!Dagegen wurde festgestellt, daß Orchard ein Spitzel im Diensteder Grubenbesitzer war und daß er gegen den Ex-GouverneurStcuncnberg einen unauslöschlichen Haß hegte, weil dieser ihn durchSchikanen zum Verkauf seines'/�-Anteiles an der Herkules-Grubegezwungen hatte. Orchard mußte die Anteilscheine rasch losschlagenund erhielt dafür nur etwa 600 Dollar, während dieser Anteil heuteeinen Wert von etwa 600000 Dollar repräsentiert!Auch an anderen hochwichtigen Momenten waren die Prozeß-Verhandlungen der letzten Wochen ungemein reich. Sie boten, fürden Kenner allerdings nicht mehr neue Aufschlüsse über die Hand-langerdienste, welche die Behörden dem Grubenkapital leisteten,über die fortwährende Bespitzelung der Gewerkschaftsbewegung,über die provokatorische Tätigkeit der Spitzel, über Ver-schwörungen zur Vernichtung der Arbeiterorganisationen, über dieMassendeportation mißliebiger Elemente(wohlgemertt keine A u S-länder, sondern.freie Amerikaner!") aus dem Staate Idaho undandere Dinge mehr, die im Rahmen dieses Prozeßberichtes nichtausführlich gewürdigt werden können.Der letzte.VorwärtS"-Vericht über den Haywood-Prozeßschloß mit dem Verhör deS StaatSzeugen Harry Orchard ab. SeineAussagen waren die' einzigen, die den Angeklagten Haywood oderdie ebenfalls unter Anklage filmenden Charles M o y e r und JohnPettibone direkt belasteten. Zwar führte die Staatsanwalt-schaff noch eine ganze Anzahl.Zeugen" ins Feld, von deneneinzelnen 600 Dollar Gebühren versprochen und auch ausgezahltworden Lud, aber keiner wußte etwas den Angeklagten direktBelastendes auszusagen. Ja, in dreißig bis vierzig Fällennahm man von der Vernehmung der unter ungeheueren Kostenherbeigeschafften Belastungszeugen vollständig Abstand und schicktesie nach Hause.Infolge der Ergebnislosigkeit dieser Beweisaufnahme stellten dieVerteidiger HaywoodS den Antrag auf Abweisung der Klage, weilnach dem Gesetz deS Staates Idaho die Verurteilung einer Person,die nur durch einen Mitschuldigen(hier Orchard) belastet wird,unzulässig ist. Der Antrag wurde, wie es von dem die Ver-Handlung in Boise leitenden Richter Wood nicht anders zu erwartenwar. abgelehnt, und die Verteidigung war iufolgedeffrn gezwungen,einen umfangreichen Entlastungsbeweis anzutreten, dessenErgebnis kurz skizziert sei:Nach dem Zeugnis des Leutnants James Wallace von derStaatsmiliz, die in das Streikgebiet im Cripple Creek-Distriktgeschickt worden war, sahen es die Grubenbesitzer nur auf dieProvozierung der Bergarbeiter ab. Diese waren ausgezeichnetdiszipliniert, aber die Spitzel der Hüttenbarone wollten keineRuhe, und anläßlich einer Menschenansammlung in der OrtschaftViktor feuerte ein gewisier H. C. Sterling, der Chef des Detektiv-bureaus der Mine Owners Association(Vereinigung der Gruben-besitzer) nach einer äußerst blutrünstigen Rede des GrubenbeamtenHamlin einen Schuß ab. Der Knall war das Signal zu einerallgemeinen Füfilade auf die Ausständigen. Auch der frühereBundesarbeitskommissar Carroll Wright hat in seinem zur Ver-lesung gebrachten amtlichen Bericht über.The Labor War inColorado"(Der Arbeitskrieg in Colorado) das Aufbieten der be-waffneten Macht als eine provokatorische Maßregel bezeichnet!Morris Friedmann, ein früherer Angestellter der Pinkerton-Geheimdienst-Agentur und von 1900 bis 1905 PrivatsekrctärMc. PartlandS, der bekanntlich Orchard zum.Geständnis" be-wogen, das gesamte Material gegen Haywood gesammelt undfabriziert und der Staatsanwaltschaft übergeben hat, machtedetaillierte, durch Abschriften von Geheimberichten unterstützte An-gaben über die Tätigkeit von Pinkerton-DetektivS innerhalb dereinzelnen Zahlstellen der Western Federation of MinerS. MitNamen führte er ein Dutzend Spitzel an und legte deren Be-richte an den Chef Mc. Partland bezw. die schriftlichen Weisungendes Chefs an die Spitzel vor, Schriftstücke, aus denen Hervorgeht,wie sich Detektivs in die Gewerkschaften und zu Beamtenstellendrängten, wie sie bei Ausständen zunächst die Auszahlung möglichsthoher Unterstützungssummen veranlassen sollten und wie die mitder Leitung von Zahlstellen betrauten Detektivs, als trotzdemdie Kasse der Bergarbeiter nicht gesprengt wurde, jegliche Streik-Unterstützung verweigerten, um die Leute gegen ihre Führer, wieHaywood und Moyer, aufzuhetzen l lVerschiedene Bergleute bekundeten, daß Personen, die späterals Spitzel entlarvt worden sind, in den Gewerkschaftsversamm-lungen Brandreden hielten, selbst in die Bull Pen(wörtlich Ochsen-stall, gemeint sind die Staketengefängnisse, in denen die Berg.leute zu Dutzenden eingesperrt und von Soldaten bewacht wurden)kamen und dort die Bergleute zu Gewalttaten aufzuhetzen ver-suchten.—Laut den Aussagen einer Frau Fallon, deren kürzlich ver-storbener Gatte ein Geheimpolizist in Diensten der Mine OwnersAssociation(Vereinigung der Grubenbesitzer) war. hat er ge-meinsam mit Orchard verschiedene Fäll».bearbeitet". Auch einemArzte namens Mc. Gee gegenüber hat Orchard zugegeben, einSpitzel zu sein.Mit dem Chef-Deteltw der Mine Owners Association. H, C.Sterling, demselben, der in Biktor durch einen Schutz das Signalzu der erwähnten Füsilade gab, war der Staatszeuge Orchardsehr befreundet! Kurz bevor die Bahnstation in Jnde-pcndcnce in die Luft gesprengt wurde— wobei, wie schon im letztenBericht angeführt wurde, vierzehn Personen umkamen—, habenOrchard und Sterling gemäß den Zeugenaussagen des Bahn-telegraphisten AllerS das Terrain in der Nachbarschaft der Bahn-station genau inspiziert! Und nach der Explosion untersagteSterling, daß Bluthunde die Fährte des Attentäters ver-folgten...Mindestens ein Dutzend Zeugen, deren Aussagen einzelnwiederzugeben zu weit führen würde, erklärten aus dem Zeugen-stand, daß Orchard ihnen gegenüber seinen Groll gegen Steunen-berg Ausdruck gegeben und daß er ihn zu töten gedroht hat. weiler ihn zum Verkauf seines Anteils an der Herkules-Grube ge-zwungen. Stets fügte er der Drohung die Worte bei:«Und wennes meinen eigenen Kopf kostet."UebrigenS hat sich Orchard in seinem Uebereifer, die Führerder Bergarbeiter hineinzulegen, auch solcher Verbrechen beschuldigt,die er gar nicht begangen hat. So war er zur Stunde, als erdi? Bunker Hill- und Sullivan-Grube in die Luft gesprengt habenwill, laut dem Zeugnis etlicher Personen in Müllen, einem13 Meilen entfernten Orte, und spielte dort Poker. Ebenso ver-hielt es sich mit dem Bombenattentat auf Bradley.(Bradley wurdenicht, wir irrtümlich berichtet, getütet. D. B.) Bei diesem.Bombenattentat" handelte es sich um eine— Gasexplosion, undBradley hat von der Gasgesellschaft bereits eine Entschädigungerlangt.Soviel über das Hauptergebnis de» Verhörs. Es fei nur nochangeführt, daß auch Haywood selbst und sein MitangeklagterFreund Moyer, der n a ch ihm prozessiert werden soll und den manso gerne gegen Haywood ausgespielt hätte, den Zeugenstand betratenund alle Beschuldigungen Orchards als Lügen brandmarkten.Ihre AuLsagen waren so klar und überzeugend, daß sie selbst aufdie Farmer-Jury einen ausgezeichneten und nachhaltigenEindruck machten.Auch an tragikomischen Zwischenfällen mangelte eS nicht.So wurde von einem früheren Präsidenten der Western Federationof Miners bekundet, daß der Distriktsanwalt Hawley, der mit demwegen Landschwindels angeklagten Bundessenator Borah die An»klage vertritt, der eigentliche Vater des Bergarbeiterverbandes ist!Er war es, der die Statuten der Western Federation of MinerSentwarf, er war der erste Rechtsbcistand des Verbandes, und ererklärte den Bergleuten stets:.In Amerika haben nur dieReichen etwas zu sagen."—Angesichts deS schlechten Standes ihrer Sache greift die An-klage neuerdings zu verMeifelten Mitteln und Einschüchterungs-versuchen. Etliche Entlastungszeugen lieh die Staatsanwaltschaftunter dem Verdacht des Meineides verhaften, und sie kündigtweitere Verhaftungen an. Das Ende deS Prozesses Haywood istin etwa anderthalb Wochen zu erwarten.'»•BoiS-City(Idaho), 28. Juli.(W. T. B.) DaS Schwur-gericht erklärte den der Ermordung des ehemaligen Gouverneur?Steunenberg angeklagten Sekretär de? Westlichen Bergarbeiter-bundeS« Williav T. Kaywood, für nicht schuldig. �politische deberlicbt.Berlin, den 29. Juli 1907.Ei« Erfolg der deutscheu Diplomatie.Die»Norddeutsche Allgemeine Zeitung" weiß von eine,» großenErfolg de» deutsche«. Auswärtigen Amtes zu byrichten-Z Wie er-innerlich, hatte der Prozeß, der wegen der Ermordung des deutschenKonsuls Stein in Oaxaca vor den mexikanischen Gerichten geschwebthat, wiederholt Anlaß zu Erörterungen in der Presse gegeben.Konsul Stein war in dem Hause eines wohlhabendenMexikaners Couttolene nach einer heftigen Auseinandersetzungmit diesem durch einen Revolverschuß getötet worden.Couttolene, der allgemein als Täter galt, wurde vomGericht erster Instanz fteigesprvchen. dagegen sein Neffe,der Mexikaner Rangel, auf Grund einer Selbstbezichtigungverurteilt, und zwar zu der verhältnismäßig geringen Strafe vonzwei Jahren Gefängnis. Der Prozeß fand seinen Abschluß dadurch,daß sowohl der Sohn deS Getöteten, der dem Verfahren als Zivil-Partei beigetreten war, als auch der Staatsanwalt, dieser auf An-Weisung des Oberstaatsanwalts, die eingelegten Rechtsmittel zurück-nahmen.Dieser Ausgang des Prozesses veranlaßte die deutsche Regierung,da es sich nicht um eine Justizfarce in Rußland, sondern in Mexikohandelte, bei der mexikanischen Regierung Vorstellungen zu erheben.DaS Resultat schildert die»Nordd. Allgem. Ztg." mit folgendenWorten:.Die mexikanische Regierung hat darauf erwidert, sie miß-billige entschieden das Verhalten des Oberstaatsanwalts. DieGesetze des mexikanischen Staates Puebla, die für das Verfahrenmatzgebend waren, seien allerdings nicht verletzt! das Verhaltendes Oberstaatsanwalts stehe aber mit den von der mexikanischenBulldesregierung zu vertretenden völkerrechtlichen Verpflichtungenund mit dem Wunsche der mexikanischen Bundesregierung nichtim Einklang, allen Fremden in Mexiko den Rechtsschutzin ausgedehntestem Umfange zu gewähren. Nachdem derGouverneur des Staates Puebla von dieser Auffassung dermexikanischen Bundesregierung Kenntnis erhalten hat, istder Oberstaatsanwalt, wie nunmehr telegraphisch ausMexiko gemeldet wird, seines Amtes entsetzt worden.Die mexikanische Regierung hat, indem sie in solcher Weise dendeutschen Vorstellungen Rechnung trug, bewiesen, daß sie denernsten Willen hegt, den in Mexiko lebenden Deutschen uilparteiischeJustiz zu sichern."Das Bülowsche Blatt muß recht bescheiden in seinen Ansprüchenan die Leistungen des Auswärtigen Amtes geworden sein, wenn eSin dieser AmtSentsetzung des Oberstaatsanwalts bereits einen Erfolgder deutschen Diplomatie findet.—Die Ungefährlichkeit der Sozialdemokratie.Die.Kreuz-Ztg." scheint die Aeußerung des Fürsten Bülow zvdem Mitarbeiter deS Pariser»Figaro", Herrn Jules Huret, über dieUngefährlichkeit der deutschen Sozialdemokratie weit ernster zunehmen als wir. die wir uns längst abgewöhnt haben, in denBülowschen Feuilletonplaudereien, mögen sie nun im Reichstage oderam Badestrande von Norderney gehalten werden,, irgend welchentieferen Gehalt zu suchen. DaS feudale Blatt meint in feinerSonntagSnummer:»Es wäre nicht gut, wenn die zur Bekämpfung der Sozial-dcmokratie aufgerufenen Blockparteien sich dieser optimistischenLuffassung anschlössen. Wie viele überzeugte Sozialisten eS gibt,entzieht sich jeder Schätzung. Da eS aber bereits 1905 nach denListen der gewerkschaftlichen Landeszentrale 1 344 803 Mitglieder'der sozialistischen Gewerkschaften in Deutschland gab. und da dieseZahl gegenwärtig iveit überschritten sein muß, so hat man mitBestimmtheit darauf zu rechnen, daß der Sozialdemokratie alleinaus den Gewerkschasten mehr als eine Million Stimiiten unterallen Umständen sicher sind. Für die Praxiskommt es nicht darauf an. ob diese Männerüberzeugte Sozialisten sind. Keine Parteikann sich rühmen, daß die Mehrheit ihrer Wählerauf ihrProgramm eingeschworen ist. Auf die Werbe-kraft der Parteien kommt es an, und da erweist sich die sozial-demokratische Partei trotz ihrer letzten Wahlniederlagen noch immerauf der Höhe.Daß der Dogmatismus ihrer Führer dieser EntWickelungabträglich sein konnte, hat Fürst Bülow gewiß nicht sagenwollen. Aus den Tatsache» ist ja auch deutlich genug zu er-kennen, daß der Dogmatismus mehr Partei-bildende Kraft hat als der Kritizismus. Wirmöchten daher wünschen, daß sich auch in den bürgerlichenParteien, bei Führern und Anhängern, etwas mehr Glaubenan ihre Ideale zeigte. Nur aus diesem Glauben kannder echte Optimismus entstehen, der den Sieg verbürgt, derOptimismus, der nichts beschönigt, nichts verheimlicht und jedemkritischen Einwurf sein mutiges.Dennoch" entgegenhält. Wennwir nicht mehr an unsere Ideale glauben, wenn wir gelegentlichunser monarchisches Bewußtsein revidieren möchten, wenn wirdie Reichsverdrossenheit aufkommen lassen, wenn wir unsereNationalität nicht unter allen Umständen so starr und steif be-haupten, wie wir uns für unsere persönliche Ehre und Freiheiteinsetzen, wenn wir unsere christtiche Kultur und Gesittung nichttrotz aller unserer eigenen Fehler und Gebrechen als das höchstepolitische Gut wert halten, so dürfen wir uns nicht wundern.wenn sich die idealistische Jugend von uns ab und stärkerenIdealisten, deu Propheten des Dogmas von der Volkssouveräuitat,der internationalen Verbrüderung und der Diesseitsrcligion zu-wendet."Eine bessere Kenntnis des politischen ParteilebenS hat die.Kreuz-Ztg." jedenfalls als der vierte Kanzler deS DeutschenReiches; unverständlich bleibt uns nur, wie sie bei dieser Kenntnisvon den bürgerlichen Parteien ohne Unterschied, also auch von denFreikonservativen. Nationalliberalen und Freisinnigen Kopsch»Mugdanscher Richtung den.Glanben an Ideale" fordern kann.Sie müßten doch zunächst wirklich Ideale haben.—Die Ergänzung der südwestafrikanischen Kolonialarmee>Wir wiesen kürzlich an dem Dislozierungöplan der südwest-afrikanischen Schutztruppe, die in einer Stärke von 4000 Mann inSüdwest verbleiben soll— und offenbar dauernd!— nach, daß»umSchutz» der Farmer ein so gewaltiges Tnippenaufgebot nichtnötig sei, sondem daß es sich lediglich um Schaffung des Kernseiner Kolonialarmee handle.Jetzt liegen nun nähere Angaben über die Polizeitruppe vor.durch die diese Kolouialarmee noch verstärkt werden soll.Die Polizeitruppe soll aus rund 1237 Mann bestehen,nämlich aus 781 weißen Polizeisoldaten, 300 schwarzen Polizei-dienern, 150 Wagenwärtern usw. 1027 Mann davon sollen b e-ritten sein. An Gehalt soll gezahlt werden dem Major 14100Mark, jedem Offizier 7600 M-, jedem der 72 Wachtmeister 4150 M.,jedem der 048 Sergeanten 3400 M.Danach werden sich die Gesamtkosten für Schutz« und Polizei-truppe insgesamt auf mindestens 40 Millionen Mark pro Jahrstellen IDie? reizend« Kolonialgeschenk hat daS Voll aber bekanntlichden Blockliebesdiensten des Freisinns zu danken I DesselbenFreisinns, dessen führende Organe noch vor kurzem vor-schlugen, Südwestafrika au den Meistbietenden zuversteigern!—-_Man geniert sich!Wir hatten am Sonnabend über den unerhörten Fall derFesselung eines roten Preßstinders in Mülhausen berichiet, dervon seiner Strafzeit von 7 Tagen nur noch ein p a a r S l u n d e nzu verbüßen hatte und gleichwohl ans.höhere Anordnung" hinzu einer Zeugenaussage gesessett vorgesührt wurde! Nach deu